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Dresdner Journal : 21.06.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189306217
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18930621
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18930621
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-06
- Tag 1893-06-21
-
Monat
1893-06
-
Jahr
1893
- Titel
- Dresdner Journal : 21.06.1893
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M141. Mittwoch, den 21. Juni, abends. 1893. vr»»a«o ^iort»lM»rlü:k 8 1t»rll S4 ?L, a« L»i^rt. 6«ut»ot>«o M^rlioU S 11»rk; »u»,ertl»Ib äs» äeut»ct»<>» tritt koit- uaä 8tkwpeIru»eUt»^ Uio«. Liurvlos tiuwillero: 18 lV. X»llN»airun«six«daNre»r kür äeo lt»uw eiovr «enpLlteokn 2eU» tkiosr LvdriN 20 ?s. 0nt«r „kinkeaiuiltt" äi« 2sit« SV l^. Lei 1»b«Ile»- un» ^>N«>rns»tr cuOipr. >.uk«etrl»x. Ürsc-Neino»: mit >u«n»tintv äer 8cno- u keit-ct»ifo »d«ott». kornsprvcük»'r 1285. DresdnerÄMMal. ^ür -ie G<iamtleit«ng verantwortlich: ^ofrat Dtto Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte. r»n totünckl^uoxea aognitrl»« l.«ipuz: />. Lran^tctt«^, Lomwi»«ioimc <t«, Ore-äoer ^uurn»>»; N»»dar» 8-rUu Vt.ll >«»«l Lr«.I»» ». N.: //aarriik^«» ,k , 8«rlm Vi»aH»Z»d»rI kr»^ 1.«ip»iz k5»o>lkukt ». lt. >Uu>ed«ll: r»ri. l-oiuto» S«rlm-rr»»>lkiirt ». M.-Slonx^rt: <e 0'»., Ssriill /»luti<icn<t<i»1, Lr.»I»o: Lmit />'at»at5. L»ü»or«r^ 0'. 8»U» ». S.: Luret et O. Ilersuzxederr NSoixl. Lrpsklitio» 6«>» Drestlaer ^ourv»I«. Vrostteo, ^vin^erstr. 2V. t'orosxrsek-^nselilu«»: !>r. 1285. Ämtlicher Teil. Dresden, 21. Juni. Se. König!. Hoheit der Prinz Max, Herzog zu Sachsen, ist gestern Nach- mittag zu mehrwöchigem Äufenthalte nach FranzenS- bad abgereist. Dre-den, LI. Juni. Se. Majestät der König haben dem Geheimen Legationsrath im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten Kammerherrn Frei- Herrn von Friesen die Erloudniß zur Annahme und zum Trogen des demselben von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser, König von Preus en verliehenen Rothen Adlerorden- ll. Classe zu ertheilen Aller- gnädigst geruht. Dresden, 16. Juni. Ce. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Kirchner Friedrich Robert Heymann in Mittweida das AlbrechtSkreuz zu verleihen Dresden, 17. Juni. Se Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dcm Bandweber und Glöcki er Johann Friedrich Hennig in Großröhrt dorf das Allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische und telephonische Vachrichten. Frankfurt a. Main, 2l. Juni. (Tel. d. Tresdn. Journ ) In der gestrigen nationallibcralen Lersammlung erklärte der bekannte Katholiken- führer vr. Steinle, seiner;« it der Führer und Sprecker der katholischen Rompilgrx, er habe durch 20 Jahre hindurch hier als Führer der Zentrums Partei gegolten. Jetzt aber solle man nicht länger mit seinem Namen hausieren, denn im jetzigen Kampfe, bei den aufrührerischen Unterströmungen in allen Parteien, so auch im Zentrum, und bei dem Kriege gegen die Sozialdemokratie könne ein guter Katholik nicht anders als für die Regierung stimmen. Für die Sozialdemokraten zu stimmen, das wäre ein Berbrechen an der Religion und an der Monarchie, den einzigen noch bestehenden Ret- tungsmitteln. Lux, 20. Jun» (W T B.) Seit heute nach mittag sind in acht Schächten drS hiesigen Braun- kohlemevierö über 1000 Mann ausständig. Als seitens der Polizei eine Lersammlung aufgelöst wurde, kam es zu groben Exzessen. Die Gen- darmerie, welche mir Steinen beworfen wurde, feuerte auf die Menge und verwundete mehrere Personen. Später wurde Militär requiriert. Par iS ^20. Juni. (W. T. B.) Die Besserung in dem Befinden deS Präsidenten Carnot ist so weit 'oetgeschritten, daß die Veröffentlichung der Bulletins eingestellt wird. Cctte, 21. Juni. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Gestern sind hier vier Todesfälle an Cholera vor- gekommen. Lyon, 21. Juni. (Tel. d. Tresdn. Journ) Ein aus dem Sudau gkommcner Reisender ist hier plötzlich unter choleraverdächtigrn Elschcinungen gestorben. ES sind Vorsichtsmaßregeln gegen eine mögt ehe Chole-agefuhr getroffen worden. Amsterdam, 20. Juni. (W. T. B) Der Justizminister hat angesichts der Furcht vor an- steckenden Krankheiten und der zunehmenden Zahl der rassischen Einwanderer die Anordnung ge- tröffe!, n >r diejenigen Auswanderer über die hol ländische Grenze passieren zu lassen, welche mit Ubersahrtsbilletä nach Amerika von der hollän disch - am.crikauisch.cn ^ampfsch.ffahrtsgcsellschaft Kunst und Wissenschaft. Margots Träume. Bon Hermann Heiberg -» (Fortsetzung). Frau v. Schulenburg sprach ihr Bedauern über der Tochter abgeschlossenes Wesen aus und verhehlte ihre sorgenden Bedenken nicht, ob sie bei solchem Ge baren jemals einen Mann finden werde. „Sie geht jeder Gelegenheit aus dem Wege, mit Menschen in Berührung zu kommen, und hat sich so an die Ein samkeit gewöhnt und sich so in den engen Kreis ihrer Gedanken eingesponnen, daß sie nachgerade beginnt, die sie umgebenden Dinge lediglich nach ihren eigenen Vorstellungen zu beurteilen. So hat sie sich neuer dings auch ein Bild von Luisella Cornelius ent- warfen und behauptet mit aller Bestimmtheit, daß sie die Gründe kenne, welche da« von Dir geliebte Mäd chen abhalten, Deine Frau zu werden" „Ich wollte lieber, Margot hätte geschwiegen!" entgegnete Alexander. „Sie raubt mir durch ihre, wenn auch vielleicht thörichten Andeutungen jede Hoff nung, " und eben die Hoffnung auf eine glückliche Lösung der unserer Verbindung entgegenstehenden Schwierigkeiten hielt mich doch noch immer aufrecht!" Frau v. Schulenburg sah Alexander mit ihren Güte und liefe Teilnahme verratenden Augen an, kämpfte, ehe sie sprach, sichtlich mit den Worten, die sich ihr auf die Lippcn drängen wollten, und sagte endlich: „Mein armer, lieber Alexander! Wie unbe- schreibl ch gern möchte ich Dich glücklich machen und versehen und im Besitze hinreichender Mittel sind, um ihren Unterhalt während deS kurzen Aufent haltes in Holland bestreiten zu können. Es ist dem Minister gemeldet worden, daß in den nächsten Wochen noch 50000 Auswanderer an der hollän dischen Grenze eintnffen werden. Madrid, 21. Juni. (Tel. d Tresdn. Journ.) Im Garten drü Privathauscs deS vormaligen MinistripräseS CanovaS explodierte eine Bombe, wobei der Hauptthäter getötet, ein Teilnehmer aber verwundet wuide. Die beiden Attentäter find verhaftet worden. CanovaS war zu der fraglichen Zeit nicht im Hause anwesend. Dieses Attentat wird den Anarchisten zugeschrirben. Madrid, 21. Juni. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die heute ringtlritrte Untersuchung über das gestrig, Attentat im Garten CanovaS ergab, daß der Leiter dcs dortigen Anarchistenblattes Ernesto Al arez der Attentäter ist. In den Taschen des Getöteten wurden Briefe von Anarchisten auS Barcelona gefunden, welche Alvarez zu Attentaten gegen die Sicherheit Madrids auffordern — Der Explofionskörper, welchen Alvarez in der Hand hielt, explodierte unvermutet, tötete Alvmez sofort und verwundete seinen Genossen schwer. London, 20. Juni. (W. T. B.) Im Unter- Hause erklärte der Präsident dcS Ackerbauamtcs, Gardner, daS dreimalige Auftreten der Rinderpest in England in diesem Jahrhundert sei jedesmal durch die Einfuhr von Vieh hervorgerufen worden, welches mit der Seuche behaftet gewesen sei. ES liege aber kein Beweis vor, daß die Seuche jemals durch die Einfuhr von Heu, Stroh cder anderem Biehfutter eingeschleppt worden sei. Die Regier ung werde die Angelegenheit aufmerksam verfolgen. C Kristiania, 2V. Juni. (D. B. Hd ) In der Flaggenfrage beantragte die Majorität deS Kon^itutionSauSschnsseS, daß alle norwegischen Handelsschiffe, die konsulare oder diplomatische Hilfe im AuSlande beanspruchen wollen, alle Post- und Zollschiffe, sowie alle öffentlichen Gebäude die „reine" norwegische Flagge führen, die Königt- flaggc und die Marinrflagge aber unverändert die Unionsflagge bleiben sollen; die Fahnen der Armee werden nicht erwähnt. Die konservativen Mit glieder deS Ausschusses wollen die jetzige Ordnung aufrechterbalten wissen Cbristiania, 20. Juni. (D B. Hd) Ein Telegramm meldet auS Levanger, daß im Lärdal in der Nacht zum 17. d. MtS. ein ncucr Erd- rutsch statlfaud, indem unter großem Lärm eine hochgelegene Fläche von einem Morgen Land blitzschnell bis inS Thal abglitt. Die Bewohn.r der umliegende» Höfe eilten erschrocken inS Freie; größere Erdrutsche sind aber nicht mehr zu be fürchten. Cbristiania, 20. Juni. (D B Hd.) Dem Feste zu Ekrcn Di. Fr. Nansens und seiner Teil nehmer au der Nordpolfahrt wohnten gegen 300 Personen bei, unter ihnen Kommandeur Jrminger als Repräsentant Dänemarks und Herbert Ward für England. Professor Mohn sprach in seiner Festrede für das glückliche Gelingen der Expedition. Nansen dankte dem norwegischen Volke für dessen Hilfe und Sympathie, dcm Fehrn. Nvldenskiöld und Dickson für ihren wissenschaftlichen Beistand. HelsingförS, 20. Juni. (W T. B.) Der sin- ländische Landtag ist auf den 22. Januar 1^94 einbcrufen worden. Bukarest, 20. Juni. (W. T. B.) Der König, sowie der Prinz-Thronfolger und Gemahlin sind nichts unversucht lassen, Dich mit Luisella zu ver einigen. Ich habe auch einen Plan nud ich bitte, höre ihn an! Schon seit Deiner Rückkehr trage ich mich mit dem Gedanken, nach Hamburg zu reisen und mit LuisellaS Eltern, vielleicht auch mit ihr selbst, zu sprechen, und so wenigstens völlig Klarheit in die Angelegenheit zu bringen." Alexander sprang empor und umarmte seine Mutter. „Ah das wolltest Du thun, teuere Mutter? Ja! Ls sieht Deinem unvergleichlichen Herzen ähnlich, und ich nehme eS an. Und damit Dein Weg nicht vergeblich sei, so wisse: ich verzichte auf die Enthüllung des Ge heimnisse-! DaS Luisella gegebene Versprechen soll mir heilig sein. Falls Du ihre und MaryS Ansicht teilst, will ich mich bescheiden und das Bild des Mädchens in meinem Innern zu verwischen suchen. Solltest Du sie aber bewegen können, ihre Bedenken fallen zu lassen, so ist ja mein Gluck erreicht, und eS giebt dann keinen Dank, der groß genug für Dich wäre. Aber auch in diesem Falle will ich mich jeder Nachfrage begeben Wenn Du, meine geliebte Mutter, mir erklärst, daß die Gründe, die jetzt einer Ver einigung zwischen Luisella und mir entgegenstehen, nach Deiner Ansicht inhaltslos sind, so ist mir das ge nügend. Ich heirate Luisella und verbanne aus meinem Gedächtnis jede Erinnerung an das Ver gangene." — Am Tage nach diescr Unterredung traf ein Schrei ben auS Granitzhof von Alexanders Tante ein: Sie teilte mit, daß Margot sich mit einem jungeu Guts besitzer aus der dortigen Gegend verlobt habe. Alr- beute mittag zum Sowmeraufcnthalte nach Schloß Pelesch abgernst. Dresden, 2l. Juni. Die sozialdemokratische Bewegung in Öster reich. ll Es ist unzweifelhaft, daß die Wahlvorgänge im deutschen Reiche einen starken Eindruck in den Kreisen der österreichischen Sozialdemokratie hervorgerufen haben. An äußerlichen Anzeichen, welche für die Richtigkeit dieser Annahme sprechen, ist wahrlich kein Mangel. Kaum waren die ersten Meldungen über die wirklichen oder vermeintlichen Wahlerfolge der deutschen Sozialdemokraten in Österreich-Ungarn ein gelangt, so empfanden die dortigen Gesinnungsgenossen bereits das Bedürfnis, die Aufmerksamkeit des Publi kums auf ihre Bestrebungen zu lenken und zugleich die Agitation unter den eigenen Anhängern zu ver stärken. In zahlreichen Städten des Nachbarlandes wurden am verstossenen Sonntag Mossenvelsamm lungen veranstaltet, welche diesen Zwecken dienen sollten. Was die Wirkung jener Kundgebungen aus die friedliebenden Bürger betrifft, so dürfte dieselbe allerdings den Wünschen der Urheber nicht entsprochen haben, da die ausjchreilendcn Auftritte, die sogar das Eingreifen der Truppen notwendig machten, die Be liebtheit der Sozialdemokratie bei der ruhigen und vernünftigen Bevölkerung gewiß nicht erhöhten. In maßvollen Formen vollzogen sich die Kundgebungen nur in Wien selbst, wo die Versammlungen nicht unter freiem Himmel, fondern in geschlossenen Räumen ab- gehalten wurden, ein Umstand, der die Entstehung peinlicher Straßenscenen verhinderte. Das Verdienst hieran ist aber nicht den Nächstbeteiligten zuzuschreiben, da die Abhaltung eines öffentlichen Meetings nur im Hinblicke aus die gesetzliche» Normen unterblieb. Nach den österreichischen Gesetzen dürfen solche Vereinigungen nämlich in jenen Städten nicht stattfinden, in welchen zu'- betreffenden Zeit eine parlamentarische Körperschaft tagt. Tie Führer der Wiener Sozialdemokraten konnten daher, da »n der österreichischen Hauptstadt am ver gangenen Sonntag noch die Delegationen versammelt waren, dort einen Ausruf zu einer Masfenparade ihrer Anhänger nicht ergehen lassen und sie mußten sich darauf beschränken, ihren Freunden in der Provinz das Signal zu derartige» Veranstaltungen zukomm-n zu lassen. Im übrigen hat die Wiener Parteileitung angekündigt, daß sie auch ihre engeren Genossen dem nächst für den Ausfall lärmender Äußerungen des „Vo'.kswillens" entschädigen werde. Nach dem Gesagten ist cs vollkommen klar, daß die österreichisch-ungarischen Sozialdemokraten gerade den Zeitpunkt der Veröffentlichung der deutschen Wahlergebnisse für besonders geeignet zu aufsehen erregenden Kundgebungen erachteten. Es scheint aber, daß sie aus den Vorgängen in Deutschland auch noch andere Schlüsse gezogen ha^eu, welche die zunächst zu entfaltende Propaganda in Österreich betreffen. Bisher hat die, bekanntlich durch mannigfache Spaltungen getrennte sozialdemokratische Partei im Nachbarlande bald diese, bald jene Forderung zu Gunsten einer Verbesserung der Lage der ärmeren Klassen in den Vordergrund gerückt. Manche dieser Forderungen waren geradezu geeignet, auch die ärmere bürgerliche Klasse zu kräftigster Abwehr zu bestimmen und so eine Verbreitung der sozialdemokratischen Theorien zu erschweren. Angesichts der Ereignisse in Deutschland schemt die Parteileitung in Österreich aber zu dem Glauben gelangt zu sein, daß der Kampf für die sozialdemokratische Sache vorläufig am b.sten auf dem Wege des Kampfes um das Wahlrecht geführt würde. Nun werden dort alle Kräfte in dieser einen Richtung xander habe also dort, fügte sie neckisch hinzu, sein Glück verscherzt! Ta sich am Schlüsse des Briefes auch eine Auf forderung an Herrn und Frau v Schulenburg befand, sich doch einmal zum Besuche in Granitzhof zu ent schließen, kam es Alexander in Erinnerung, daß doch seine Tante näheres über Luisella wissen müsse, und er schlug seiner Mutter deshalb vor, der Ver wandten Anerbieten anzunehmcn und zunächst nach dein Gute zu reisen, um mit ihr zu reden. Frau v. Schulenburg war abgereist, und Alexander, der auf ihre Vermittelungen große Hoffnungen setzte, wurde durch dieselben neu belebt und gewann wieder Interesse au anderen Dingen. Er mietete in der Stadt eine Wohnung, in der er ein Bureau ein- richtete, machte im Ort und in der Umgebung bekannt, daß er sich in Berghöhe als Rechtsanwalt nieder g. lassen habe, erneuerte seine allen Bekanntschaften durch Besuche und erließ Einladungen an seine Freunde. Zu diesen gehörte auch ein Mediziner, Namens Doktor Henry, mit welchem Alexander seit der Schul zeit eng befreundet und später in brieflichen und per sönlichem Verkehr geblieben war. Auch Henry war, wie Alexander, vermögend und unabhängig, und hatte sich dauernd i» Berghöhe nieder gelassen. Schon a!S junger Mann hatte er sich durch eine ungewöhnliche Reife und durch seltene Festigkeit deS Charakter- ausgezeichnet, aber auch durch sein SonderlingSwesen bemerkbar gemacht. Als er nach längerer Abwesenheit in die Heimat zurückkehrte, war diese- ausgeprägte Weser» durch die vielen wech selnden Eindrücke und die auf seinen Reisen ge- gesammelt. Man fordert in Flugschriften, welche irr den Straßen verbreitet werden, daS „allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht", man erhebt dieselbe Forderung in den Meetings der Parteigenossen; nachdem man die wenigen mit der Partei sympathisierenden Ab geordneten des Reichsra'.es schon früher dazu bestimmte, für den gleichen Anspruch einzutreten, ist nun sogar im Wiener Gemeinderate, der sich stets mit allen möglichen und unmöglichen Dingen beschäftigt, der Antrag angekündigt, es solle eine Petition um Ge währung des allgemeinen Stimmrechtes an die Re gierung gerichtet werden. Die Propaganda, die heute ausschließlich auf dei» hier erwähnten Zweck abzielt, darf in ihrer Bedeut ung nicht unterschätzt werden. Wenn sich die öster reichische Sozialdemokratie zu Plänen bekannte, welche die Sicherheit des Staates und seiner Bürger be drohten, so konnte sie nimmermehr auf die Unterstütz ung einer Anhängerschaft zählen, die für den Kampf um das allgemeine Stimmrecht unschwer zu gewinnen ist. In dieser Verhüllung kann die Agitation, welche durch das allgemeine Wahlrecht nur erleichtert werden soll, die Billigung weiter Kreise findru Tie ärmeren Kreise werden die Gewährung jenes Anspruches als eine Sache de» Gerechtigkeit betrachten und sie werden übersehen, daß es sich dabei nur um ein Mittel zur Erreichung gemeingefährlicher Zwecke handelt. Mit den» harmlosen Schlagworte wird man die großen Massen ködern und Leute heranlocken, die erst später vor die Frage gestellt werden, ob sie sich von den neuen Genossen lossagen oder auch die weniger harm losen Bestrebungen der Sozialdemokratie billigen wollen. An Scheingründcn, welche die unteren Stände in Österreich für das Schlagwort dcs Tage- gewinnen können, fehlt es keineswegs. Auf sozialdemokratischer Seite macht man vor allem den Hinweis geltend, daß nach dem jetzigen Wahlsystem nur etwa zwei Millionen von den sechs Millionen erwachsenen Männern, die im Nachbarlande leben, »vahlberechtigt seien. Mau verwertet ferner den Umstand, daß durch die indirekten Steuern gerade in Österreich auch jene Volksschichten schwer belastet seien, welchen das Wahlrecht ab gesprochen ist, weil ihre Angehörigen das Minimum der Steuer »licht aufbringeu. Endlich benutzt man das beliebte Argument von der Blutsteuer und über dies verwendet man die üblichen Angriffe gegen das Parlament, das heute die gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der Nichtwahlber-chtigten vollkommen beiseite lasse. Zugleich werden aber auch diejenigen Minderbemittelten nicht außer acht gelassen, die bereits im Besitze deS Wahlrechten sind. Ihnen sagt man, daß ihr Recht nur ein scheinbares sei, da ihre Interessen doch nicht in ausreichender Weise gewahrt würden. Tie 5)00 Großgrundeigentümer seien durch 85 Abgeordnete vertreten, währenv von 3000 Bürgern, von 10 500 Bauern nur je ein Abgeordneter in das Parlament entsendet werde. Diese Ausführungen sind unzweifelhaft geeignet, bei oberflächlicher Prüfung einen starken Eindruck zu bewirken und die österreichische R gierung wird mit einer solchen Wirkung zu rechnen haben, wenn die nun mit erneuerter Kraft eingelciiete Bewegung eine dauernde bleibt Tie Regierung kann dieser Sachlage aber kaum dadurch Rechuung tragen, daß sie die sozial demokratische Forderung ohne weiteres ersüllt und sie wird dies auch nicht thun. Sie muß die eigenartigen Verhältnisse Österreichs berücksichtigen und zwar vor allem die Thatsache, daß in einzelnen Kronländern die Einsührung dcs allgemeinen Wahlrechts schon im Hin- bl cke auf den niederen Stand der Volksbildung als völlig unzulässig erscheint. Wenn man einer Landes bevölkcrung, die — wie in Dalmatien und der Buko wina — zu drei Vierteilen ans Analphabeten besteht, das allgemeine Stimmrecht gewähren wollte, so könnte sammelten Erfahrungen noch schärfer zum Ausdruck gelangt, und man bezeichnete ihn mit Recht als einen Menschen ganz besonderer Art. Seme äußere Erscheinung hatte etwas überaus Anziehendes. Er war schlank und ebenmäßig gebaut, besaß weiches, dunkles Haar, gesunde Farbe, und jene»» ausgeprägt energischen, etwas selbstbewußter» Ausdruck, der so sehr für Männer einnimmt. Gemeinsame Interessen verbanden die Freunde auch in der Folge. Sie waren beide eifrige Reiter und Jäger, haßten die großen Städte, schwärmten für daS Land, schätzten einfach geartete Menschen und Ver- hältnisse und hingen mit gleich großer Liebe an ihrer Heimat. Henry lebte ganz seinen Neigungen; er praktizierte wenig, obgleich er alle Zweige der Wissenschaft gründ lich zu verstehen schien, war aber durchaus nicht un- thätig. Sein Vater, früher alleiniger Apotheker in Berghöhe, starb, nachdem Henry eben den Entschluß gefaßt hatte, sich irgendwo als Arzt niederzulassen. Nach deS alten Henry Tod, durch welche»» dem Sohn ein sehr bedeutendes Erbteil zufiel, änderten sich dessen Entschlüsse. Er verkaufte die Apotheke, ordnete den Nachlaß und begab sich, einer alten Lieb lingsneigung folgend, auf eine ursprünglich auf ein Jahr bercchi ete, aber sich fast aus vier Jahre auS- dehnende Weltreise. Als Alexander nach Berghöhe zurückkam, war Henrys Lieblingsbeschäftigung da- Photographieren; früher hatte er mikroskopische Studien betrieben, und so hatte er immer etwas, das zeitweise seinen Geist besonders in Anspruch nahm. Auch liebte ec den Wassersport sehr, und wenn er sich demselben hingab,
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