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S84 müden. (F-rls. folgt.) beschlagenen Meerschaumpseife rauchte, Hub der Onkel wohl an, seiner Freude über das gut bestandene Exa men Ausdruck zu geben, er ermunterte ihn, auSzu- harren, und ließ fallen, daß er — sein Neffe möge eS ihm erlauben — auch noch etwas beitragen wolle, um die lange, schwere Zeit zu erleichtern, bis Alexander auf irgend einer einsamen Nordseeinsel einen Amts richterposten erhalten werde. Herr v. Schulenburg war ein großer magerer Mann mit aristokratischem Gesicht. Eine hohe Stirn, buschige Augenbrauen und altfränkisch bis an die Stirnseiten vorgescheitelteS Haar kennzeichneten ihn. In seinen Zügen malte sich jene Rechtlichkeit der Gesinnung und jene ehrliche Arglosigkeit, welche der Schöpfer wahrhaft guten Menschen als einen unverkennbaren Stempel auszudrücken pflegt. Er gehörte zu den etwas pedan tisch zugeschnittenen Leuten, die jeder, auch der un wesentlichsten Sache eine Bedeutung beilegen, und die dadurch trotz ihres guten Verstandes und liebens würdigen Humors doch al- Gesellschafter leicht er- Tagesgejchichtc. Dresden, 9. Ium. Se. Königl. Hoheit der Prinz Georg traf auf seiner Reise zur Beiwohnung von Besichtigungen im Bereiche des VI. Armeecorps am 5. Juni 8 Uhr 54 Minuten abends in Neisse ein und wurde hier von dem kommandierenden General, General der Artillerie v. LewinSki, Exc., dem Kommandeur der l2. Division Generallieutenant Müller, Exc., dem Kommandeur der 24. Jnfanterie- brigade Generalmajor Münch, anderen höheren Offi zieren und dem Landrat des Kreises, Hrn. v. Scherr- Phoß, empfangen. Die Stadt war festlich beleuchtet, namentlich erglänzte das Rathaus mit seinem die Stadt überragenden Turme in glänzendem Lichte. Turn- und andere Vereine bildeten Spalier. Nach dem Eintreffen im Hotel zum Kaiserhof fand vor dem Hotel großer Zapfenstreich von den der Garnison an gehörenden Musikchören statt, bei dem die zur Auf führung gebrachten Stücke mit großer Präzision ge spielt wurden. Am 6. Juni wohnte Se. Königl. Hoheit der Be sichtigung der drei Bataillone des Infanterieregiments v. Winterfeldt (2. Oberschles.) Nr. 23 bei, leistete dann einer Einladung des Osfiziercorps dieses Regi ments zum Mittagsmahl Folge und begab sich 6 Uhr 33 Minuten abends, begleitet von dem kommandierenden General, nach Breslau. Hier wohnte Se. Königl. Hoheit am 7. Juni auf dem Gandauer Exerzierplatz der Besichtigung der ES- kadrons des Leibkürassierregiments Großer Kurfürst (Schlesisches) Nr. 1 und am 8. Juni der Besichtigung der Bataillone des Grenadierregiments Kronprinz Friedrich Wilhelm (2. Schlesisches) Nr. II bei. Am 7. Juni beehrte Se. Königl. Hoheit das OffiziercolpS des Kürassierregiments zum Diner und am 8. Juni das Osfiziercorps des GrenadierregimentS zum Früh stück mit Höchstseiner Gegenwart. Von Breslau aus begab sich Se. Königl. Hoheit am 8. Juni 1 Uhr 51 Minuten nachmittags nach Sityllenort. Zum Ehrendienst bei Sr. Königl Hoheit ist der Hauptmann v. Hülsen vom Generalstabc des VI. Armeccorps befehligt. * Berlin, 9. Juni. Se. Majestät der Kaiser kamen gestern von Potsdam nach Berlin und brsich- durch Lichtungen un«erbrochenes Buchengehölz auStief Der Gutshof war ein etwas abgelegener, aber präch tiger und fruchtbarer Besitz. Im Haufe ging eS stets lebhaft her. Margot, ein zigeunerhaft dunkles Mädchen mit einem Wuchs, der das schlanke Ebenmaß einer Tanne beschämen konnte, war eine Zeit lang in einer Pension gewesen und hatte sich dort viele Freundinnen erworben, welche sie jetzt häufig auf Tage und Wochen in Granitzhof besuchten. Auch der Onkel war eine ge sellige Natur, und hielt mit den Bewohnern der an grenzenden Güter gute Nachbarschaft. Zudem lag die Stabt Liebenau nur ein kleine- Stündchen von dem Gute entfernt, und dort besuchten Schulenburgs häufig Theater und Konzerte. Nachdem Alexander sich mit Thora versöhnt, gingen sie zusammen inS Haus zurück, und während letztere sich zurück-og, um Toilette zum Mittagessen zu machen, setzte er sich in dem Gartenzimmer ans Piano und spielte eine Rhapsodie von Liszt. Plötzlich ward hinter ihm Beifall geklascht, und als er sich umschaute, stand Margot mit einer ihrer Freundinnen, einem Fräulein v. Rex, in der Thür. Alexander wandte sich um, neigte dankend den Kopf, spielte rasch den Satz zu Ende und erhob sich. „Wir bitten um mehr!" hob Fräulein v. Rex an. „Ja, mehr, rasch mehr!" drängte Maryot in ihrer gewohnten, drolligen und übermütigen Werse. Alexander aber verbeugte sich achselzuckend und bat Maraot, sich an- Klavier zu setzen. Dieser Aufforderung kam sie auch sogleich und ganz abweichend von der Gewohnheit klavierfpielender Refidenztheater. „Der König-lieutenant" von Karl Gutzkow fand an dieser Bühne in dem „Ensemble gastspiel" der Gesellschaft de- Hrn. Fiala am 7 d. MtS eine Vorstellung, in welcher der genannte Hr. Direktor die Titelrolle vorführte Derselbe zeigte sich dabei al» tech nisch wohlgeübter Schauspieler und hatte den Nachdruck in seiner Leistung ersichtlich weniger auf die durch große Muster festgestellte Erscheinung des Thoraneschen, die Empfindung fein ansprechenden Charakterbildes, al» auf die gute Wirkung der Eprachbehandlung ge legt. Diese trat denn auch mit günstigem Erfolg und tigten auf dem Tempelhofer Felde, zusammen mit Sr. Königl. Hoheit dem Grafen von Turin, die beiden Gardedragoner-Regimenter. Nach Beendigung der Übungen nahmen Se Majestät mit Seinem erlauchten Gaste das Frühstück mit den Offizieren des I. Garde dragoner-Regiments ein. — Ihre Kaiserl. und Königl Hoheit die Kron prinzessln Witwe Stephanie ist gestern nachmittag 1 Uhr 43 Min. im strengen Inkognito hier einge troffen. Zum Empsange am Anhalter Bahnhofe hatten sich der österreichisch-ungarische Botschafter v. Szögy^ny und Gemahlin und die anderen Herren der österreichisch ungarischen Botschaft eingefunden, überdies hatte ein zahlreiches, schaulustiges Publikum, da- au» den Zeit ungen von der Ankunft der hohen Frau Kenntnis hatte, am Bahnsteig und vor dem Bahnhof, Spalier bildend, Aufstellung genommen. Bei der Einfahrt de» Zuge» in die Bahnhalle entstieg die Frau Erzherzogin, im dunkelblauen Jackettreisekostüm gekleidet, dem Salon- wagen und begrüßte da» sie empfangende österreichisch- ungarische Botschaflerpaar, wobei die Frau Botschafterin ein herrliche» Rosenbouquet überreichte. Der Bot schafter stellte die Mitglieder der Botschaft der hohen Frau vor, worauf in offenen Privatkutschen die Ab fahrt vom Bahnhof erfolgte, wobei da» Publikum die Frau Erzherzogin mit Hochrufen begrüßte. — Die vereinigten Ausschüsse des BundeSrat» für daS Landheer »nd die Festungen, für Eisenbahnen, Post und Telegraphen und für Rechnungswesen, sowie die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Eisenbahnen, Post und Telegraphen hielten gestern Sitzungen. — Der „ReichSanzeiger" schreibt: ,Jn zahl reichen Wahlflugblättern werden Behauptungen bezüglich der Militärvorlage ausgestellt, die in wesentlichen Punkten den thatsächlichen Verhältnissen vollständig widersprechen- Dieser Umstand fällt umso mehr auf, als in der Milstärkommission des Reichs tage- die einschläglichen Verhältnisse seitens der Militär verwaltung wiederholt klar gestellt worden sind. Zu den einzelnen besonders häufig Wiederkehrenten falschen Behauptungen ist zu bemerken: 1) Die Angabe, daß der Reichstag wegen eine» Unterschiedes von 11000 Rekruten aufgelöst wurde, ist unwahr. Der von den verbündcten Regier ungen acceptierte Vorschlag Huene forderte unter Wegfall von 17 500 übenden Ersatzreservisten und gleichzeitiger Einführung der zweijährigen Dienstzeit bei den Fuß« truppen rc. — abgesehen von der Verstärkung des Aus- bildungspersonals — etwa 53 000 Rekruten mehr als bisher, während die damalige freisinnige Partei die Be willigung der zweijährigen Dienstzeit innerhalb der jetzigen Friedenspräsenzstärke forderte, woraus sich nur ein Mehr van 25 000 Rekruten ergab. Allerdings sollten die Übungen der Ersatzreservisten im bisherigen Umfange beibehalten werden. Es handelte sich somit nicht um einen Unterschied von 11000, sondern von 28 000 Rekruten, denn es muß jedem Laien einleuchten, daß ein nur kurze Zeit ausgebildeter Ersatzreservist nicht gleich wertig einem zwei Jahre dienenden Mann gegenüber gestellt werden kann, ganz abgesehen davon, daß bei den Reichstagsverhandlungen seitens der Militärverwaltung die positive Unmöglichkeit der Beibehaltung der Aus bildung der Ersatzreservisten bei gleichzeitiger Einführung der zweijährigen Dienstzeit nachgewiesen worden ist. Hieran ändert auch die beispielsweise von der „Frei sinnigen Zeitung" vom 6. Juni 1893 gebrachte Erklärung, der Kriegsminister v Verdy hätte die Ausbildung der Ersatzreservisten vorerst beibehalten wollen, nichts; denn die „Freisinnige Zeitung" verschweigt hierbei, daß dem Verdyschm Projekt nicht die zwei-, sondern die dreijährige Dienstzeit zu Grunde lag. 2) Wieviel Mann wurden schon bisher (1891) zur militärischen Ausbildung jährlich eingestellt? Die Beantwortung dieser Frage lautet in den gekennzeich neten Flugblättern: a) in Deutschland: 211403 Mann, d) in 'Frankreich: 214442 Mann. Auch diese Angaben treffen nicht zu Nach der dem Reichstag zugegangenen amtlichen Übersicht über daS Ergebnis de» Aushebungs- geschästS im Jahre 1891 sind einschließlich aller Frei willigen 198500 Mann in Deutschland aurxehoben worden, wovon etwa 10500 Mann für durch Tod, Unbrauchbar keit u. s. w. Abgegangene als Nachersatz und 5000 für Marine abzuziehen sind, so daß für das Landheer rund 183000 Mann, oder 28403 Mann weniger als jene irreleitendcn Flugschriften und Zeitungsartikel behaupten, zur Aushebung gelangt sind. In Frankreich werden be kanntlich alle Diensttauglichen eingestellt. -Nach dem amt lichen Bericht des französischen KriegsministeriumS vom 24. Juni 1891 „vowpto reockn »ur Io rocrutvmvnt äo l'arwso pooäant l'annö« 1890" wurden allein für das Landheer einschließlich der Freiwlligen in Frankreich 226 496 Mann ausaehoben. Diesen treten noch mehrere Tausend für solche Marineinfanterie- und Artillerietruppen, teile Ausgehobene hinzu, welche berufen sind, im Fall 3) Vermehrung der Truppenteile de« stehenden Heeres. Ohne die verschiedenen Phasen der Entwickelung hier weiter verfolgen zu wollen, fei zuerst die Zahl der Truppenteile de« Frieven-stande« (und zwar ohne Reserve- truppenteile) angeführt. Die russische Armee zählt — wir setzen die Zahlen de« deutschen Heere« eingeklammert daneben — 1072 Bataillone (538); 650 Eskadron» (465); 435 Batterien (434); 221 FestungSartillerie- compagnien (124); technische Truppen 146 Compagnien (101). 4) Aber mit der Vermehrung der Linientruppenteile de» stehenden Heere» war e» nicht genug, sondern Ruß land schritt, um für die im Mobilmachungsfalle neu zu formierenden Truppenteile schon im Friesen bestehende Stämme zu erhalten, zur Formierung von Reservetruppen teilen. Auf diese ungemein wichtige Maßregel, welche die Nachteile einer im Moment der Mobilmachung neu zu- fammentretenden Truppe möglichst autzugleichen im stand« »st und welche jetzt erst in Deutschland durch die Er richtung der vierten Bataillonsstämme in sehr bescheidenem Maße verwirklicht werden soll, weisen wir ganz be sonders hin. Außer diesen Reservetruppenteilen wurden noch beson dere Festungstruppen formiert, deren Spezialität schon im Frieden die Ausübung und Erlernung des Festungsdienste« ist. Durch die Annahme de« Systems der vorgeschobenen Fort« und der aktiven Verteidigung ist dieser Dienst bei weitem komplizierter al« früher geworden, und e« ist unter allen Umständen ein Vorteil, Truppenteile zu besitzen, die schon im Frieden hierzu besonders geschult werden. Die Festungstruppen zählen mit zu den Reservetrupoen und sind natürlich auch im Felde verwendbar. Wir haben in Deutschland nur in unserer „Fußartillerie" etwa« Gleich artiges. Nach den neuesten Zusammenstellungen zählt nun Rußland an Reservetruppen im Frieden: 144 Bataillone Infanterie; davon sind 28 Regimenter und 2 Bataillone in 7 Brigaden vereinigt, 38 Batterien in 6 Brigaden, 10 Pioniercompagnien. An Festungstruppen zählt Ruß land im Frieden: 31 Bataillone Infanterie, 221 Com pagnien Artillerie (wie schon oben angegeben), 9 Festungs sappeurcompagnien, 4 Festungsgeniezüge u. s. w Diese Reservetruppcnteile formieren im Kriege: 540 Bataillone Reserveinfanterie, 150 Bataillone Festungsinfanterie, zu sammen 690 Bataillone Infanterie Die Reserveartillerie truppenteile formieren 104 Batterien zu 8 Geschützen. Von der Festungsartillerie verwandeln sich 5 Ausfalls batterien in 16 Batterien Die 9 Festungssappeurcom pagnien und die 4 Geniezttge verwandeln sich in 22 Compagnien. Rußland stellt somit bei einer Mobilmachung auf: 1762 Bataillone, wovon 1072 Linienbataillone sind, der Nest aber aus den Reservetruppen gebildet wird, also mit einem Stamm von Berufsoffizieren, Unteroffizieren und Mann schaften versehen ist, während bei uns nur 538 Linien bataillone mobil werden, der Rest aus Reservebatailloncn besteht, welche nur nach dem Landwehrsystem ohne jeden Cadre gebildet werden. Die Zahl derselben ist nicht veröffentlicht; man wird sie aber wohl nicht zu niedrig anschlagen, wenn man dieselben, diemobilen 4. Bataillone der Linrenregimenter einbe griffen, zwischen 500und 550annimmt. WennnunTeutschland an Batteriezahl im Frieden Rußland überlegen ist, so muß man dabei erwägen, daß alle russischen Batterien 8 Ge schütze haben, die deutschen nur 6; daß die Formation der Refervebatterien in Rußland durch das Bestehen der CadreS ungemein begünstigt wird, und daß die mobile Reserve artillerie eine sehr hohe Ziffer erreicht. Auf dem Kriegs fuß hat Deutschland nach genauen Berechnungen 636 Ge schütze weniger als Rußland. Durch das Aufgebot der Kosaken wird die im Frieden bestehende Kavalleriemacht Rußlands von 650 Schwadronen auf 868 Schwadronen, und zwar Feldtruppen, vermehrt. Bei diesen Berechnungen ist Grenzwache, die an einigen Orten bestehenden Milizen, die finnische Landwehr, die Reichewehr außer Ansatz ge laffen. Bei den deutschen Zahlen sind die unter der Bezeichnung Landwehr zu formierenden Truppen und der Landsturm außer Berechnung geblieben Tie Landwehr leute stehen bis tief in das 2. Aufgebot hinein in den Reserveregimentern. Tie eigentlichen Landwehrbalaillone bestehen also bei uns nach der heutigen Organisation aus Wehrleuten 2. Aufgebots, und wenn man diese mit dem 1. Aufgebot Ler russischen Reichswehr ungefähr vergleichen kann, so muß man bedenken, daß auch diese die aus gebildeten entlassenen Soldaten in sich aufnimmt Daß von den russischen Truppen ein großer Teil in Asien stehen bleiben muß, ist richtig. Wir berechnen die selben ungefähr auf 52 Bataillone Infanterie, 25 Batterien und 119 Eskadron« Kosaken. Immerhin würde nach obigem das russische Heer allein dem deutschen Heere an Linien, und Resirvetruppen in allen Waffengattungen bedeutend überlegen sein. Der Raum verbietet uns auf eine weitere Erörterung der strategischen und politisch militärischen Verhältnisse wie sie sich zwischen dem Drei bunde und Frankreich und Rußland gestalten könnten, näher einzugehen. Es ist klar, daß sich sowohl auf der einen wie auf der anderen Seite Vor- und Nachteile her ausstellen würden. Wir stellen nur nochmals fest, daß schon jetzt die beiden letztgenannten Mächte, nah den in keiner Weise widerst gten Angaben der Negierung, unge achtet aller Entsendungen in außereuropäischen Erdteilen, em Dreibunde um eine Million Streiter überlegen sind. junger Mädchen nach. Im Nu hatte sie sich zurecht gerückt, präludiert und da» Thema gefunden. Aber in ihrem Übermut fpielte sie den Satz einer Chopinschen Etüde prestissimo, kam aus dem Takt, geriet in» Lachen, wußte sich nun erst recht nicht zu finden und sprang endlich, hochgerötet von der An strengung, empor. „Du lachst ja nicht! Lache gleich oder bezahle Strafzoll! ' rief Margot. „Natürlich!* erwiderte Alexander mit scheinbarem Ernst. „ES war unendlich komisch." Und er lachte laut, ohne indessen eiste Miene zu verziehen. Ja, er schnitt sogar ein tieftrauriges Ge- sicht, welcher Scherz nun wieder so sehr auf die beiden Mädchen wirkte, daß Margot sich fast atemlos vor Lachen auf einen Stuhl warf. Aber jetzt ertönte die Tischglocke und Alexander bot den beiden Damen den Arm und führte sie über den Flur in- Speisegemach. Alexander war nun schon fast zwei Wochen auf dem Gute seine- Onkel-, und noch immer hatte er nicht von seinem Glücke erzählt. Einige Male wollte er dazu anheben, aber ein widerstrebende» Gefühl ver schloß ihm den Mund. Er wünschte um seiner selbst willen begehrt zu werden, und e» belustigte ihn denn auch sehr, daß Margot, al» er einmal bei einer kleinen Neckerei mit ihr in Zusammenhang gebracht wurde, in ganz unbefangener Weise hervorstieß: „Bah, der Vetter! Jurist! Fünf Jahre warten und kein Vermögen! Nein, liebe Kinder!" Wenn Alexander neben seinem vortrefflichen Oheim in dem reichgeschmückten und bequem eingerichteten Arbeitszimmer saß und gleich diesem au- einer silber- Unsere Absicht war, dem deutschen Volk« nochmal» vor Augen zu stellen, daß diejenigen in die Fehler der Franzosen von 1870 verfallen, welche sich die russische HeereSmacht noch in dem Zustande zur Zeit de« letzten Orientkriege» oder gar de» Krim- kiiege« vorstellen Wir denken hier nicht an jene Agi tation, der kein Mittel der Lüge zu schlecht ist, sondern an Leute, welch« von den ihnen einmal eingeprägten Vor stellungen sich unter keinen Umständen losreißen können und in ihrer naiven Unwissenheit mehr Schaven al» jene Agitatoren anrichten. So scheint vor allem die Redensart, daß die russische Armee nur „auf dem Papier st«he", eine unausrottbare. Nein, die Russen sind, trotzdem sie schließ lich sogar 1877 im Vorteil blieben, doch durch die Er fahrungen jene» Kriege« klug geworden und ihre Organi- sation ist jetzt ohne Zweifel der unsrigen in vielen Stücken voraus. Gerade di« Mängel, die durch die mittelmäßige Zusammensetzung ihres Offizienuns, durch die geringe Intelligenz ihrer Mannschaft erkennbar sind, haben sie jetzt durch eine bessere Organisation ausgeglichen. Daß aber der russische Soldat ein ausdauernder, zäher, tapferer Mann ist, das hat er in hundert Schlachten bewiesen. Rian denke an da« Verhalten der Russen in den Schlachten gegen Friedrich und Napoleon I , insbesondere bei Zorn dorf und Borodino. Sehr thöricht ist e«, ihn gering zu schätzen. Aber e« ist jetzt so weit gekommen, daß die rati- kalen Zeitungen die Kämpfer au» der Epoche Wilhelms I., welche ihre warnende Stimme erheben, des „Appells an die Furcht" bezichtigen! In taktischer Beziehung hat auch die russische Armee mit regem Interesse sich zu vervollkommnen gesucht. Die russische Regierung ließ z B. auf ihre Kosten gleich nach 1871 deutsche militärwiffenschaftliche Bücher, wie z. B. die „Taktischen Folgerungen" von Boguslawski übersetzen und verbreitete sie in der Armee: mehrere russische Taktiker haben sich in neuerer Zeit einen Namen gemacht. Für die Ausbildung der Truppen geschieht, was geschehen kann, und die Manöver übertreffen an Zahl der teilnehmenden Truppen die unsrigen Die Reglements sind ver einfacht; den Schießübungen wird außerordentlich große Sorgfalt zugewendet. An Festungen zählt Rußland im westlichen Grenzgebiet das ganz neu erbaute Kowno, die un-gebauten Festungen Warschau, Nowogeorgiewsk, Brest- Litowsk, ferner Iwangorod und Kiew Die Mobilmachung ist sehr sorgfältig vorbereitet und, so weit e« die dortigen Verhältnisse gestatten, der unsrigen nachgebildet Der Geist der Truppen würde in einem Kriege jedenfalls von natio nalem Fanatismus erfüllt sein. So das russische Heer der Gegenwart! eine« europäischen Kriege« im Verband der Landarme« ver wandt zu werden, so daß die GZamtau«hedung«q wie für da« französisch« Landheer die Ziffer von 230000 Man» im Jahre 1890 nicht nur erreicht, sondern noch über schreitet Da« bedeutet, daß rund 16000 Mann im Jahre 1890 in Frankreich mehr auSgehoben find, al« jene Flugblätter angeden; der Unterschied zwischen der deutschen und französischen AuShedungSquote beläuft sich hiernach im ganzen auf ein Mehr von rund 44000 Mann zu Gunsten der französischen Lei den KommissionSverhandlungen wurde Vieser Gegenstand in ausführlichster Weise behandelt, worüber Seite 10 de» Gröberfchen KommisfionSbencht« Aufschluß giebt, der die betreffenden Ziffern auch enthält. 3) Wieviel Mann werden künftig jährlich in Deutschland eingestellt werden? ») nach der For derung der Regierung: laut einem frelsinnig-volkspartei- lichem Flugblatt 247 403, thatsächlich 229 000 Mann, d) nach dem Angebot der freisinnigen Volktpartei: laut Wahlflugblättern dieser Partei 236 403. thatsächlich kaum 200 000 Mann In beiden Fällen sind bei der „that sächlichen" Angabe dre Einjährigfreiwilligen und der Nach ersatz unberücksichtigt geblieben Letzterer de«halb, weil er nur al« Deckung für Abgänge dtent und daher auf die Zahl der ausgebildeten Mannschaften ohne Einfluß bleibt. 4) Wie groß war die deutsche Kriegsarmee 1870/71 ? Laut Flugblättern, die im Verlage ver „Frei sinnigen Zeitung" erschienen sind, 1 350 787 Mann (ein schließlich der nach Ausbruch de« Kriege« Ausgebildeten), thatsächlich 1452 000 Mann. (Generalstabswerk Band V Seite 865) 5) Wie groß wird künftig die deutsche Kriegs armee sein ohne die neue Vorlage? Laut oben genannten Flugblättern 3 700 000 bi« 3 900 000 Mann; thatsächlich, wie in der Militärkommission nachgewiesen, auf Grund der sich aus der Heer-vverstärkung 1890 er gebenden Rekruten quote in 24 Jahren (also 1914) gleich 3 500 000 Mann nach Abzug der Abgänge und einschließ lich der Ersatzreservisten. 6) Wie groß würde die deutsche Kriegsarmee künftig werden nach der Forderung der Re gierung? Laut den Wahlflugblättern der Opposition 4 348 000 bi« 4 548 000, thatsächlich fast 4 300000 Mann. 7) Wie groß würde die deutsche Kriegsarmee künftig werden nach dem Angebot der frei sinnigen Partei? Nach der „Freisinnigen Zeitung" 4 150 000 bi« 4 350000 Mann, thatsächlich etwa 3 750000 Diann, das heißt nicht viel mehr, als vie jetzige Organisation an Ausgebildeten zur Verfügung stellt. E» wird hierbei ausvrücklich hervorgehoben, daß natürlich, wie schon früher nachgewiesen, Ersatzreservisten bei zweijähriger Dienstzeit nicht in Frage kommen. 8) Wie groß ist gegenwärtig die deutsche Friedenspräsenzstärke (cxkl. Offiziere)? Laut frei sinnig-volksparteilichen Wahlflugblättern 502 000 Mann, thatsächlich 495 983 Mann, einschl. Einjährig-Freiwilliger. Die Einrechnung übender Ersatzrefervisten in die Präsenz stärke ist, wie von Hrn. Richter in der Milltärkommifsion richtig hervorgehoben wurde, ein Unding, inan könnte dann ebensogut auch die zu den Übungen einberusenen Mann schaften des Beurlaubtenstandes in ähnlicher W ise hinzu schlagen, und dann würden wir gegenüber Frankreich aller dings sehr viel zu kurz kommen, denn für Übungen de« Beurlaubtenstandes sind im Jahre 1893 vorgesehen: Mann mit Übungstagen in Frankreich 508907 10836000 173970 3448464 m Deutschlands Ersatzreservisten 44 656 2065000 Mithin in Frankreich mehr 290281 5 322 536 9) Wie ist die deutsche Friedenspräsenz schon bisher gewachsen? Es wird behauptet, die deutsche Friedenspläsenzstärke habe 1872 nur 350000 Mann be tragen, während sich dieselbe thatsächlich (lt. Reichsmilstär gesetz vom 9. Dezember 1871) auf 401659 Mann be lief. Auf den Leser wirken ferner Vergleiche zwischen den angeblichen Friedenspräsenzstärken Deutschlands und Frank reichs verwirrend, indem fälschlich angegeben wird, daß beide gleich hoch seien Es ist deshalb angczeigt, den Sachverhalt nochmals kurz zu erörtern: Auf Seite IO und 11 des Gröberfchen Berichts über die Verhandlungen der Militärkommission steht: Die französische Friedens- präsenz beträgt nicht 502 000, sondern 520 000 Mann. 502000 Diann bilden die Stärke abzüglich der Rekruten vakanz Nach gleicher Berechnung beträgt die deutsche Präsenzstärke (496 000 Mann abzüglich der Rekruten vakanz tc. von 21000 Mann) rund 475 000 Mann. Die deutsche Stärke ist somit 27 000 Mann ge ringer als die entsprechende französische. Diese unbestreitbare Thatsache wird zu verschleiern ver sucht, indem die französische Präsenzstärke nach der Durch schnittsstärke, die deutsche aber nach der Maximalstärke angegeben wird, was ein völlig falsches Bild giebt. Durch schnittsstärke und Maximalstärke sind Begriffe, welche für Laien nicht ohne weiteres verständlich sind. Bedurfte e« doch erst einer langen Debatte in der Militärkommtssion, um diesen Punkt völlig zu klären Schließlich bleibt noch die öfter wiederkehrende Angabe zu widerlegen, daß di« geforderte Präsenzerhöhung von 70 000 Diann „einschließ lich der Normieruna der Präsenz,iffer al« Durchschnitt»- lohnendem Beifall hervor. Dies ncyerte der ganzen Aufführung ein bestimmtes Jntereffe, da- doppelt er wünscht und nötig war, da die Einzeldarstellungen nicht im Stande sein konnten, die gerechten Anforderungen eine- gebildeten Publikum- in dieser so vielsach virtuos abgespielten Komödie zu befriedigen. Die Graphologie und waS sie leistet. Graphologie heißt im wörtlichen Sinne Lehre von der Schrift — im engeren: Lehre, aus der Handschrift auf den Charakter zu schließen Dieses Bestreben, Wesen und Be schaffenheit eines Menschen aus der Form dessen, wr« er schreibt, zu enträtseln, tritt mit einer gewissen Höhe der Kultur und mit einer gewissen Entwickelung der Schrift fast mit einer Art von Notwendigkeit auf. Die erste Beob achtung dieser Art bietet der römische Historiker Sueton, der un» rin interessante» Merkmal der Handschrift de« Augustus über liefert. Nach dem Untergang der antiken Kultur und nach den Stürmen und Bewegungen deü Mittelalter« wird die Frage in der Renaissance zuerst wieder ausgenommen, un» zwar, wenn auch nur in einem Aperyu von keinem Ge ringeren al« Shakespeare, der sagt: Gieb mir die Steift eine« Werbe« und ich werd« Dir ihre Natur sagen. We nige Jahre nach dem Tode de« großen Dramatikers be handelte der Italiener Camillo Baldo di« Frage, ob e« möglich sei, den Menschen au» seiner Handschrist zu be urteilen, in einer eigenen Schrift. E» vergingen dann einundeinhalb Jahrhunderte, bi« Lavater unter reger Teil nahme Goethe«, mit Lem er über die Angelegenheit korre- spondierte, in seinen physiognomischen Fragmenten den Grund legte zu einer systematischen Behandlung de« Gegen stand«» E» wird freuich behauptet, daß — wovon aber Lavater keine Kunde besaß — di« Jrsuiten schon «ährend de» ganzen 17. und 18. Jahrhundert« zur Erreichung ihrer Zwecke unter Umständen praktisch« Graphologie trrebeu. Tin genialer Graphologe war der Deutsche Adolph Henze —