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Dresdner Journal : 10.04.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-04-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189304104
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18930410
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18930410
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-04
- Tag 1893-04-10
-
Monat
1893-04
-
Jahr
1893
- Titel
- Dresdner Journal : 10.04.1893
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«4 Majestät die Kaiserin stattete am gestrigen Nach mittage auf Jagdschloß Glienicke einen Gratulations besuch ab. — Der Königl. Sächsische Gesandte am hiesigen Hofe Graf v. Hohenthal und Bergen hat Berlin mit kurzem Urlaub verlassen. Während der Abwesen heit desselben fungiert der Legationssekretär Graf Vitz' thum v. Eckstädt als Geschäftsträger. — Der General der Infanterie v. DoigtS-Rhetz, 4 In suite des GrenadierregimentS König Wilhelm l. (2. Westpreußische-) Nr. 7, feierte heute in Nizza seinen achtzigsten Geburtstag. Am 2. Mai 1829 trat er im jetzigen Grenadierregiment König Friedlich Wilhelm IV. (I. PommerschtS) Nr. 2 in den preußi schen Militärdienst. Als Kommandeur des jetzigen GrenadierregimentS König Wilhelm l. war eS ihm vergönnt, im Feldzuge von 1866 ruhmvollen Anteil an den dreitägigen Kämpfen bei Nachod, Skalitz und Schweinschädel zu nehmen, wofür er mit dem Orden pour I« merit« ausgezeichnet wurde. Im Kriege gegen Frankreich kommandierte der inzwischen zum Generalmajor beförderte Jubilar die 28. Jnfanterie- brigade, die unter seinem Befehl große Lorbeeren erntete beim Sturm auf den Gaisberg, in der Schlacht bei Wörth und bei anderen Gelegenheiten. Nach dem Kriege kommand erte der General bis zu feiner Ver abschiedung zunächst eine Brigade in Breslau, dann eine Division in Hannover. Für die Teilnahme am Feldzuge von 1870,71 wurde ihm das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse verliehen. — Der russische kon maudierende General Gurko traf gestern sfrüh aus St. Petersburg hier ein, ver weilte einige Stunden im „Hotel Continental" und setzte dann seine Reise nach Pari; weiter fort. — Die deutsche Landesgruppe der internatio nalen kriminalistischen Vereinigung setzte ihr, Beratungen am Sonnabend fort. Dieselben betrafen zunächst die Frage der Behandlung der nur Ver wahrlosten im Anschluß an die These IN des Or. Appelius, welche will, daß auch ohne das Vor liegen einer strafbaren Handlung jugendliche Personen bis zum sechzehnten Lebensjahre der staatlich über wachten Erziehung überwiesen werden: a) wenn d>ren sittliche Verwahrlosung festgestellt oder der Eintritt derselben nach den häuslichen Verhältnissen zu be fürchten ist, und b) die Maßregel erforderlich erscheint, um die Personen vor sittlichem Verderben zu be wahren. Hierzu lagen eine Anzahl Abänderungs- anträge vor. Amtsrichter Köhnc»Luckerwalde wünschte den Äbsay >0, Amtsrichter Simo >. so »-Berlin den Absatz b, gestrichen zu sehen Land srat Forster Mergel arg beantragte, die staatlich übe,wachte Erziehung bis zum 18. Lebensjahr auszueehncn. Amlsgerihtsrat Schmölber Köln beantragte folge! den Zusatz: „Bei Kindern, welche m väterlicher Gewalt stehen, gre.st diese Bestimmung nur dann Platz, wenn der Buer aus einem der gesetzlich zu fixierenden Gründe als ui würdig oder unfähig zu erklären ist." Geh. Oberfinanzrat Fuchs-Karlsruhe wünschte folgenden Zusatz: „Die staatlich überwachte Erziehung bezweckt die Besserung der jugendlichen Verwahrlosten w d Best aslen namentlich durch B-sähigung zu selbständigem Ledenscrwerb, rn» kann tis zuni zurückgelegten zwanzigsten Lebensjahr soitdauern" Amtsrichter Aschrott-Beilin serner wollte die staatlich überwach'e Erzieh-ng nur über jugendliche Personen bis zuni vollendeten 14. Lebensjahre verhängt sehen, und zwar kann, wenn bereits Zeichen der Brrwahrlofung hervorettrelen sind und die Erziehung durch die Zuchtmittel der Eltern bez. des Vormundes und der Schule unzureichend «rscheine, um die Kinder vor sittlicher Verwahrlosung za bewahren Professor Franck-Gießen u. a. beantragten: .Zwangserziehung ist nicht von dem Vorlieg n einer strasbaren Handlung abhängig zu mach.u, dieselbe kann vielmehr auch unter anderen gesetzlich näher zu sormulierrnde i Voraussitzungen, jedensalls dann an- geoidnel weiden, wenn das Kind sittlich verwahrlost ist und die häuslichen Verhältnisse keine Garantie für Besserung gewähren." Ter Kongreß beschloß: „E: sind sittlich verwahrloste jugendliche Personen auch ohne das Vorlregen einer strafbarrn Handlung in die staatlich übeilrnchle Erstehn g zu überweise i." Der Kongreß anerkannte firner, daß sür die staa lich über wachte Erziehung e ne Al'ersgrenze sestgcsetzt werden soll und daß diese Altersgrenze bis zum 18. Lebensjahre ausgedehnt wilde, sowie daß die überwachte Erzi hung bis zum 20 Lebensjah e sorlda icin könne. Der Ko greß beschloß endlich, entsprechend der These Vlll. ves Or. Appelius mit einer vom Landrichter Aschrott Berlin beantragten Abänderung, .Staat lich überwachte Erziehung, bez. die Zwangterziehnng verbreche rischer und verwahrloster Kinder, sowie die Bestrafung ver brecherischer jugendlicher Personen muß durch eia befände rs Reichsgesetz gemeinsam einheitlich geregelt werten." Dec Vor stand wurde beauftrag«, den Reichskanzler und den Reichstag unter Überreichung des Bcrichls über die Verhandlungen des Kongresses zu ersuchen, den 2ilaß eines derartigen Reichs- gejetzeS zu beantragen. Nach Schluß der Verhandlungen über diesen Gegenstand gab Geheimrat Or. Krohne noch dem Wunsche der dem Kon- gr.ß beiwohnendcn Da r en Ausdruck, bei der staatlich über wachten Erziehung der wciblichen Jugend Mitwirken zu dürfen, und versicherte zugleich, daß d es gewiß freudig begrüßt werden könnte. Selbstüberschätzung angefchwollenen Kantor Lampart. Eine musikalisch schwach bedachte Partie führte Hr. Scheidemantel als Grätry sehr eifrig und geschickt auS; dieser bedeutende französische Komponist, der in der Oper den Knoten der Handlung zu schürzen hat, ist auch vom Librettisten mit geringem Glück gezeichnetworden. Vorzügliches leisteten alle übrigen Solisten, die Herren Decarli, Eichberger und Jensen und die Fräuleins Bossenberger und Brüning, von denen namentlich die letztere in Haltung und Bewegungen eine frische Episodenfigur schuf. Die König!. Kapelle spielte mit größter Feinheit — Die Aufnahme war, wie schon eingangs bemerkt, für den Komponisten un gemein ehrenvoll und brachte demselben mehrere Her vorrufe. Gleich die munter auSsprukelnde Ouvertüre weckle den lebhaften Beifall des Publikums. Wie der Oper war auch dem neuen Ballet des Hrn. R. K öller ein schöner Erfolg beschirden. Dieses Divertissement ist mit vielem Geschick komponiert, ent hält frische und heitere Episoden aus unserem heimi schen Ausflüglerleben und bringt in ungezwungener Aufeinanderfolge mannigfache vorzüglich dargestellte pantomimische Scenen und verschiedene wunderschön arrangierte Tänze, in deren Ausführung die FrlS. Kcnig und Louison, die Herren Köller »en., Rothe, Köller jun. und Funcke ihr bestes Können zeigten. Hr. RicciuS lat da» Ballet, dessen Besuch unserem Publikum großes Vergnügen bereiten wird, mit einer melodiösen und ausdrucksvoll charakteristischen Musik, Hr. Hostheatermaler E. Rieck mit einer ungemein freundlich und naturtreu wirkenden Dekoration (Schooner Grund) unterstützt. v In den Vorstand der Landet gruppe wurden neu gewählt Reich-ger'cht-rat Ol-hanfen und Geh. Rat Krohne. Die Zeit de» nächsten Kongresses soll der Boipand scstfetzen, dem auch die Wahl des OiteS überlassen wurde. Den zweilen Punkt der Tagesordnung dildetr die Frage: „Erscheinen dir Bestimmungen der Reich« ft ras» gesetzbuchrS über d«e korrektionelle Nachhast reso- mbedürstig?" Der Referent, Pros. Or v. Hippel Straßburg, dem ein reiche» statistisches Material vorlag be- gündete eingehend folgende Thesen I) Die heute bestehende Nebenstrase des Arbeitshauses in der Form der Überweisung an die Landespolizeibehörde ist zu beseitigen. 2) Da» Arbeit« hau- ist al- Hauptstrase gegen Bettel im Rückfall und Land streicherei zu verwend », wenn diese Delikte von arbeitssShigen Personen auS Arbeitsscheu begangen werden S Straflos bleibt tas Betteln in »"verschuldeter Not zur Beschaffung des uubekingt erforderlichen Unterhaus t) Im übrigen sind Bettel und Landstreicherei u it Heft nicht unter einer Woche, welche gceigneiensalls durch hartes Lager und Verbüßung bei Wasser und Brot gcschärst werden kann, zu bestrafen; der heute zulässige Arbritszwang während der Hafistrase ist beizubehallen. ü) Legen jugendliche Pecionn unter 18 Jahren ist ArbeilS- hausstrafe unzulässig. 6) Die Ausweisung von Ausländern hat erst nach veroüßter Arbeitshauestrase nicht an Stelle der Ein sperrung im Arbeitshause einzutreten 7) Für den Vollzug der ArbeitshauSurase sind einheitliche Grunosätze uwer Ausscheidung der Land- und Ortsaimen aus den Arbeilshäuse'n anzustreben. 8) Für Delikte, bei welchen Einsperrung im Arbeitshause zu lässig ist, ist die Anwendbark it dcS tz 211 der Strasprozeß- ordnung ausziischließen, welcher laulet: Brr dem Schöffen gerichte kann ohne schriftlich erhobene Anklage und ohne eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptversahrens zur Hauptve-Haudlung g-schritten werden, wenn der Beschuldigte ent- weker sich sreiwilliq stellt oder insolge einer vorläufigen Fest nähme dem Gerichte vorgesührt oder nur wegen Üucrtre ung versolgt wird. Der wesentliche Inhalt der Anklage ist in den Fällen der freiwilligen Stellung oder der Vorführung in daS Sfiung-prolvkoll, andernfalls in die Ladung des Beschuldigten auszunehmen. Auch kann der Amtsrichter in dem Falle der Vorführung d<s Beschuldigt n mit Zustimmung der Staats- anwaltfchast ohne Zuziehung von Schöffen zur Hauptverhand- lung schreiten, wenn der Beschuldigte nur wegen Übertretung verfolgt w id und die ihm ur Last gelegte That einqri eht. G'gen die im Lause der Haupiverhandlung ergehenden E-fi scheidungen und Urteile dis Amtsrichters finden dieselben Rechts miilel statt, wie gegen die Entscheidungen und Urteile des Schöffengericht«. S) Es sind zu beseitigen «ie Nummern S und 8 des Z 361 Sir G B (nach d-nen mit Hast bestraft wild, wer sich «ein Spiel, Trunk oder Müßiggang dergestalt hingiebt, daß er in einen Zustand gerät, in welchem zu seinem Unter halte oder zum Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung er verpflichtet ist, du:ch Vermitelung der Behörde fiemdc Hilse in Anspruch genommen werden muß; und wer nach Verlust seines bisherigen Unterkommens binnen der ihm von der zuständigen Behörde bestimmt,n Frist sich kein anderweite- Unterkommen verschafft hat, und auch nicht nachweisen kann, daß er ein solches der von ihm angewandten Bemühungen ungeachtet nicht ver mocht habe.) 10) Tie Nummer 7 des Z 361 Str-G. B. (welcher bestimmt, daß mit Hast bestrast wird, w r, wenn er a is öffentlichen Annenmitteln eine Unterstützung empsänqt, sich aus Arbeitsscheu weigert, die ihm von der Behörde angcwcjtne, seinen Krästen angemessene Arbeit zn v.r- richien- ist h. ule praktisch wertlos. An ihrer Stelle wird sich eine Bestimmung empfehlen, welche den Armenverbä. den da« Recht gewährt, arbeitsscheue Arme auch wider deren Willen, so lange der Zustand der Hilseb-düriligkeit andaueit, in Armen Häuser unterzubringcn und dort be, Vermeidung von Disziplinar strafen zu Arbeiten, welche ihren Krästen entsprechen, anzuhalten, it Im. Fall d,r Annahme eines z 36l Nr. bu, wie ihn die Novelle zum UnlerstützungSwoh sitzgefetz enthält, ist da« A Keil- Haus als Hauptstrase, cvcnluell wahlweise neben Haft, anzu drohen (Tiefe dem Reichstag am l März >8 3 zugegangcne Novelle plant folgenden Zusatz: , Wer, obschon er in der Lage ist, diejenigen, zu deren Ernährung er verpfli l let ist, zu umer- hal e», sich der Untcrhaltungspfl chl trotz der Aufforderung der zuständigen Behörde derartig entzieht, daß durch Vermittelung der Behörde fremde Hilfe in Anspruch gcroimcn werden muß") 12. Die Bebandlung der Prostitution Kedars einheitlicher reichs gesetzlicher Regelung Eine Besserung «er Prostituierten ist von der Ein Sperrung derselben im Arbeitshause regelmäßig nichl zu crwa.ten " Ter Kongreß beschloß die Beratung auf die Tagesordnung der nächsten Versammlung zu setzen den Referenten zur Aus arbeUung seines Berichts zu veranlassen und einen Ausschuß zur Ausstellung von Leitsätzen zu erwählen In d-esen Aus so uß traten d,r Nesercnt, Landesrat Forster Meist bürg und Professor v. Lißt-Halle, in den Ausschuß sollen außerdem Leiter von Arbeitshäusern und Arbeilerkolonien bcrusen werden. Zum Schluß wurde mitgeteilt, daß der nächste Kongreß voraussichtlich in Frciburg statlfinden wird; vorher aber, und zwar vom 26. bis 28. Juni, wild der internationale Kongreß der Vereinigung in Paris abgehallen werden; derselbe wird sich mit drei Fragen beschäftigen 1) Der Einfluß der kriminal-sozialogischen und kriminal anthropologischen Untersuchungen auf die juristischen Grundbegriffe des Strafrechts, 2) die un bestimmten Strafurteile; 3) die Methode einer wisseu- schafiliclen und einheitlichen Rückfallstatistik. Am Nachmittag wurden die hiesigen Strafanstalten besichtigt. — (K. C.) Des „Berliner Tageblatt" nahm kürzlich mit freudiger Aufregung Noliz von einer Broschüre, die der Professor Or. Walter Pohlmann unter dem Titel „Das Judentum und seine Feinde" vor kurzem herausgegeben hat. Aus dem Auszuge, dem das Mossesche Organ mehr als die erste kostbare Seite seines Papiers widmet, ist nur soviel zu ersehen, daß der neueste Beschützer des Judentums in denselben verhängnisvollen Fehler ver- Konzert. Das von der Dreyssigschen Sing akademie am Sonnabend in Brauns Hotel veran staltete Konzert, dem Ihre Hoheit die Frau Herzogin zu Schleswig-Holstein und Priuzessin-Tochter Feodora beiwohnten, gipfelte in der hierorts erstmaligen Vor führung der Messe für Soli, Chor und Orchester (b'is-moll, Manuskript) von Felix Draeseke. Inter essant durch viele geistvolle Züge und imponierend vor allem durch deu hohen Ernst der Intentionen, hat dieses Werk einen zu wenig volkstümlichen Zuschnitt und kirchlichen Charakter, um je auf eine praktische Bedeutung hoffen zu können; es drängt das Mensch liche, das irdisch Leidenschaftliche in den Vordergrund und sucht feine Wirkungen nur zum kleinen Teil mit einfachen und geraden Mitteln zu erreichen; eS ist kunst voll, aber weter recht gemeinverständlich no h unmittel bar fortreißend. Weit entfernt vom kirchlichen Ideal, erfüllt es auch das künstlerische nur annähernd in ein zelnen Ausdrucksstellen des Lobgesanges, des von spärlichen Melodiebiegungen unterbrochenen dekla matorischen „Credo" und in den beiden Schluß sätzen. Mit seiner Fülle gesuchter querköpfiger Modulationen und herber Dissonanzen, mit seinem dickflüssigen Orchestcrsatz und nicht zumindest mit der gewaltsamen Behandlung der Singstimmen fordert eS zu starken Einwendungen heraus und er zeugt lediglich in dem Benediktus und dem abschließen den „AgnuS Dei" eine schöne und reine künstlerische Wirkung. Diese zwei fest gefügten Sätze, namentlich der von einer selig erwartungsvollen Melodie beherrschte in ^-6ur, tragen al» hell schimmernde Säulen den ganzen wahrlich nicht ohne schöpferische Kraft und Bekundung eine» außerordentlichen musiktheoretischen fallen ist, den alle begeisterten Judenfreuud« begehen, daß er nämlich die Juden al« Muster, die Christen al« Neider hinstellt. Der Antisemitismus un'er den Geschäftsleuten und Handwe kern ist beispielsweise wch Pohlmann „im Grunde nicht« anderes als der Kampf der alten Zeit gegen die neue und da« Bestreben, den Schlendrian und die geringere Begabung gegen die größere Betriebsamkeit und Klugheit zu schützen; kurz, der Antisemitismus der beiden genannten Stände ist die Reaktion gegen die alle« verändernde, gewaltige Entwickelung unsere« heutigen wirt- schastlichen Lebens Es ist der alte Kampf der Finsternis gegen daS Lich« — gegen das Licht, welches für blöde Augen zu hell und deshalb unerträglich ist." Bei dem Junker gebiert nach Pohlmann „die Judenverachtung den Judenhaß und dieser Haß wird dadurch verstärkt, daß die Juden im allgemeinen freisinnig sind oder sich doch naturgemäß, schon aus Dankbarkeit, zum LiberaliS» muS halten. Ein wenig aber kommt auch bei den Junkern der Neid in Betracht, denn sie sehen, daß manches adelige Geschlecht in Umfall gerät, während jüdische Fa milien in die Höhe kommen" — Das Judentum ist also — so lehrt Hr Professor Pohlmann — das Lickt, das Christentum die Dunkelheit Die christlichen Geschäftsleute und Handwerker sind nach seiner Ansicht nachlässige Leute von geringer Begabung, die Juden sind dagegen klug und betriebsam Dabei sind sie dem Liberalismus dankbar Und das letzte ist wirklich wahr, aus diese Dankbarkeit haben auch die Liberalen das vollste Anrecht. Denn was hälfe den Juden alle Klugheit (im Umgehen gesetzlicher Bestimmungen) und alle Betriebsamkeit (im Schleuder konkurs- und Abzahlungshandel), wenn ihnen nicht die liberale Gesetzgebung die Wege geebnet hätte, wenn ihnen nicht heute noch die Liberalen zur Seite ständen! Wie wenig durchdrungen vom Christentum muß doch Hr Pohl mann sein, wenn er keine anderen Motive sür die anti semitische Bewegung zu entdecken vermag; wie unklug und selbstbewußt aber erscheint auch die Judenschaft, daß sie solche Verteidiger preist und immer noch in dem Wahn befangen ist, der Antisemitismus sei durch Verdächtigungen und Schimpfereien zu beseitigen — Die vor einigen Tagen von uns mitgeteilten Bemerkungen der „K. Z" zum Fall Kurtz werden ergänzt durch folgende Auslassung der „N. A Z.": Vor kurzem ist ein Deutscher, Gustav Kurtz, Roßarzt der Reserve, in Rouen unter dem angeblichen Ver dacht der Spionage verhaftet und, nachdem dieser Verdacht sich als völlig unbegründet erwiesen hatte, ausgewiesen worden. Unmittelbar nach seiner Ver haftung hatte Hr. Kurtz der französischen Behörde einen Brief an den deutschen Botschafter in Paris zur Beförderung übergeben. Dieser Brief ist erst, nach dem Hr. Kurtz nach mehrtägiger Hast wieder frei- aelassen und demnächst au:gewiesen worden war, an seine Bestimmnng gelangt. Gegen die Ausweisung an sich, obwohl sie unter den obwaltenden Umständen als ein willkürlicher Akt erscheinen mußte, ist seitens der deutschen Vertretung bestehenden Grundsätzen gemäß Einspruch nicht erhoben worden. Dagegen wurde sofort nach Bekanntwerden des vorstehenden Falles der kaiserliche Borschafter beauftragt, ernstliche Be schwerde darüber zu führen, daß dem p Kurtz nach seiner Verhaftung durch Zurückhaltung jener Briefe die Möglichkeit entzogen worden war, die Hilfe seiner vaterländischen Vertretung zum Zwecke des Nachweises seiner Unsiluld anzurufen. Der französische Minister der auswärtigen Angelegenheiten hat nunmehr dem Grafen Münster mitgeleilt, die eingeleifite Unter suchung habe ergeben, daß sich die beteiligten Behörden einen sehr bedauerlichen Mißgriff haben zu Schulden kommen lassen Der Verdacht der Spionage habe auf kleinlichen Angaben beruht. Nachdem sich dieser Verdacht als unbegründet erwiesen, sei die Ausweisung des Hrn. Kurtz nicht gerechtfertigt, auch das Aufhalten der Briefe dmchaus ungehörig gewesen. Der Minister hat denr kaiserlichen Botschafter zugesagt, daß der Wiederkehr solcher Vorgänge werde vorgebeugt werden, und überdies den Grafen Münster ermächtigt, dem Hrn. Kurtz wissen zu lassen, daß e- ihm freistehe, ungehindert nach Frankreich zurückzukehreu. Wie wir hören, ist Hr. Kurtz von seiten des Auswärtigen Amts hiervon verständigt worden. ch. Weimar, 8. April. Die Prinzessin Hein rich VII. Reuß und der Herzog, sowie die Herzogin Johann Albrecht von Meklenburg sind znm Besuche am Großherzoglichen Hofe in Veranlassung des Geburtstages Ihrer Königl Hoheit der Frau Großherzogin eingetroffcn. Ebenso weilt zur Beglück wünschung der hohen Frau der niederländische Ge sandte Jonckheerv. d Hoeven mit Gemahlin aus Beilin hierselbst. Zur Vorfeier fand gestern abend ein großer Empfang bei der Oberhosmeisterin der Frau Groß herzogin, Gräfin Fabrice, statt. Die heutige Geburts tagsfeier selbst trug einen durchaus familienhaften Charakter. Abends wohnten die Großh.rzoglichen Könnens, aber vielfach eigenwillig rauh und kon zessionslos gegen die Natur der Darstellungs mittel ohne plastische Gliederung und schöne Klarheit des Ausdrucks gestalteten Bau .... Wir geben dieses Urteil, welche» wir übrigens Niemandem unter der begeisterten Zuhörerschaft aufdrängen wollen, mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, den unS die im ungünstigen Saalraum nur relativ gelingende Auf führung abnötigt: daß sich bei vollendeter Wiedergabe in einer großen akustisch ausgiebigeren Lokalität der Eindruck des Werkes immerhin etwas günstiger modi fizieren könnte Die Dreyssigsche Singakademie stellte einen zu dürftigen Vvkalkörper und wenn auch alle Mitglieder größten Eifer für die unmäßig schwere Ausgabe entfalteten, wenn auch das Orchester über raschend tüchtig sich bewährte und das Soloquartett (innerhalb dessen Frl Münch in der heikelsten Partie hervorr agte) vor allem durch musikalische Sicherheit erfreute — so ward damit absolut doch nur billigen Ansprüchen Genüge geleistet Hr. Müller Reuter hatte die Auffüh rung mit größter Sorgfalt vorbereitet und leitete die selbe mit bewundernswerter Ruhe und höchst fein fühliger musikalischer Beherrschung de» komplizierten We«ke». Eingeleitet ward daS Konzert durch eine lobens werte rythmisch straffe Wiedergabe der MendelSsohn- fchen Ruy Blas Ouvertüre seiten» der Kapelle des 2. GrenadierregimentS, die auch den einzigen Solisten deS Abends, H-n. Kammervirtuos Zajic, in Beethoven- Violinkonzert sicher begleitete. Dieser gut beleumun dete Ge ger bestätigte mit seiner Leistung den ihm voraneilenden vorteilhaf'en Ruf; sein Ton ist groß und kernig und nur für zartere Färbungen wenig Herrschaften der Aufführung der Ma»cagnischen Oper „Die Rantzau" bei, die sehr gut gegeben ward und dem Anscheine nach den zahlreichen Zuhörern sehr gefallen hat -- Heute vormittag traf der Erbprinz Reuß j. L auS Gera zum Besuche am Großherzog lichen Hofe ein. * Wien, 9. April Die ungarischen Honved- vereine beschlossen nun definitiv, die Enthüllung des Honveddenkmas am 21. Mai, dem Tage der Erstürmung Ofens, vorzunehmen und zur Feier auch die Vertreter der gemeinsamen Armee zu laden Der Antrag, an demselben Tage auch die Gräber der ge fallenen österreichischen Soldaten in Ofen zu bekränzen, wurde abgelehnt. — Vorgestern abend wurde in der hiesigen Vorst.dt Margarethen nach Schluß einer Antisemitenversammlung ein Mtglied dieser Versammlung, namens Böhm, von einem anderen Mitgliede, einem bekannten Raufbold, namens See wald mit einem Taschenmesser so wütend gestochen, daß Böhm hoffnungslos darniederliegt Das hiesige Antisemiienblatt behauptet, daß Seewald seines Be rufes Kutscher und ein Agitator der Liberalen ist, und daß das Attentat eigentlich auf den Führer der Antisemiten, Lueger, abgesehn war, doch liegt hiersür nicht das mindeste Anzeichen vor. — Wie die „N. Fr. Presse" erfährt, hat der Land- marschall von Niederöstcrreich, Graf Christian Kinskp, sein Landtagsmandat niedergelegt und damit auf feine Stelle als Landmarschall verzichtet. Als die Persön lichkeiten, welche bei Ernennung des Nachfolgers für den Grafen Kinsky in Betracht kommen, nennt man den Baron Leopold Gudenus und den Abt Karl. — Der rumänische Delegierte für die Handels vertragsverhandlungen mit Österreich-Ungarn, Hr. Papiniu, ist mit neuen Instruktionen in Wien eingetroffen. Nach einem Bukarester Berichte soll der gegenwärtig in Wien befindliche rumänische Domänen- minlster P. Carp vor sei, er Abreise aus Bukarest ge äußert haben, daß dem Abschlusse des Handels vertrages zwischen Rumänien und Österreich Ungarn derzeit gar keine Hindernisse mehr im Wege stehen, und daß bei dem heutigen Stande der Vertragsfrage deren sachlicher Teil schon so gut als erledigt ange sehen werden könne. Was noch zu besprechen und zu erörtern sei, betreffe bloß die formelle und redak tionelle Seite des Vertragsabschlusses Doch werde hierfür nur eine kurze Zeit erforderlich sein. --fix Pari?, 8. April. Im heutigen Ministerrat gab der Fiuanzmimster Peytral eingehendere Auf- schlösse über die Budgeivorschläge, welche er den beiden Kammern zu machen beabsichtigt. Er zweifelt nicht daran, daß die Abgeordneten in die Vertagung der Getränkesteuerreform willigen werden Für die Be steuerung der großen Magazine und die Börsensteuer will er einen ganz neuen Plan vorlegen und hat einen Finanzinspektor nach Berlin und Frankfurt geschickt, um die dortigen Börsenverhältnisse zu studieren Peytral sieht eS aus ein Besteuerungsverfahren ab, „welches das Fortbestehen der französischen Kulisse gestatten würde." — Die Pariser werden am 16. d. Mts ihren neuen Grmeinderat wählen. Es scheint aber nicht, daß die Masse der Bevölkerung auf diese Operation sonderlich achtet; von einem Wahlfieber ist nicht das Geringste zu bemerken und nur die bunte» Anschlagszettel an den Mauern deuten auf die bevor stehende Abstimmung. Auch die Zeitungen begnügen sich zumeist mit einer summarischen Auszählung der Bewerber. Es läßt sich daraus entnehmen, daß schwerlich in der Zusammensetzung der städtischen Ver sammlung eine große Veränderung eintreten wird. Tie jetzigen Stadtväter haben sich rechtzeitig der Unter stützung der zumeist sozialistischen und autonomistischen Komitees, denen sie ihr Mandat verdanken, für die Erneuerung desselben versichert; die Verbindlichkeiten, die sie eingchen, sind überwiegend politischer Art. Seit langen Jahren haben die Pariser sich daran gewöhnt, daß ihre Vertreter im Rathause die eigentlichen Ge meindeangelegenheiten als Nebensache behandeln und ihre wahre Ausgabe darin sehen, sich als kleines Par lament neben dem großen im Palais Bourbon auf zuspielen. Jeder Stadtvater betrachtet sich als künf tigen Abgeordneten und hält sich für verpflichtet, die großen Prinzipienfragen über die kleinen Geschäfts und Verwaltungsfragcu zu stellen. Die Erweiterung der städtischen Freiheit bleibt das große Steckenpferd des Gemeinderats, und in sinem Bcstreben nach aus gedehnteren Befugnissen versäumt er es, von den jenigen, die er schon besitzt, Gebrauch zu machen. Auch der jetzige Gemeinderat ist noch nicht dahin gelangt, der hauptstädtischen Bevölkerung die ersehnte Stadt- ausgebildet, seine Technik ist allseitig zuverlässig und sein Vortrag musikalisch schlicht und gesund, ohne durch hinreißende Wärme und delikate Feinheit un gewöhnlicher Wirkungen mächtig zu sein. Vortrefflich spielte er den ersten Satz des Konzerts und mit virtuoser Bravour eine auf diesen Eindruck zugeschnittene Kadenz in demselben. Das Publikum zeichnete ihn durch lebhaften Beifall aus. v Der böse Geist Roman von A. G V. Sutl ec. k-b (Fortsetzung.) „Ja wohl; nach allem, wa» ich heran sbekc NI u e» hat er die Rolle eines echten Mephisto gespielt; warum, weiß ich nicht recht." „Aber ich weiß es und werde Ihnen sogleich den Grund darlegen"- „Cloßmann hat einstweilen Zimmerarrest, um im gegebenen Augenblick mit Eytzing konfrontiert zu werden. So, und nun bitte ich um Ihre Mitteilungen." „Ich werde Ihnen dieselben erst mündlich machen und dann die Niederschreibung zu Ihrer besseren Orientierung zurücklassen." Und Hans stattete einen genauen Bericht über seine Unterredung mit Zoe ab. „Es ist eine fast unglaubliche Geschichte!" rief der Beamte, nachdem der andere zu Ende gekommen war. „Eine so raffinierte Schurkenthat, ein solches Lügen gewebe, daß man eS nicht für möglich hielte, wenn wir eS nicht als Thatsache hier vor un» hätten. Ich habe gegründete Ursache, nun auch zu vermuten, daß er e» war, der auf dem Unglücksplatze die Ecenerie in die Hand nahm, durch die da» Gericht zu allem
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