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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES H YG I E N E - M U S E U M 2. Außerordentliches Konzert Montag, 12. Dezember 1960, 19.30 Uhr Mittwoch, 14. Dezember 1960, 20.00 Uhr DIRIGENT Siegfried Geißler SOLISTIN Rita Bouboulidi, Athen GEORG FRIEDRICH HÄNDEL (1685—1759) Aus der Feuerwerksmusik (Concerto grosso Nr. 26) Ouvertüre — Bourree — La Paix — La Rejouissance — Menuett I und II WOLFGANG AMADEUS MOZART (1756—1791) Konzert für Klavier und Orchester d-Moll KV 466 Allegro Romanze Rondo, allegro assai PAUSE LUDWIG VAN BEETHOVEN ( l77 o—1827) Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 37 Allegro con brio Largo Rondo, allegro EINFÜHRUNG Georg Friedrich Händels „Feuerwerksmusik“ („Music for the royal fireworks“) ist ein Auftragswerk, geschrieben für ein großes Feuerwerk im Londoner Green Park am 27. April 1749, das zur Feier des im Oktober 1748 geschlossenen Friedens von Aachen veranstaltet wurde. Den Schlußpunkt unter die erste Aufführung setzten 101 gleichzeitig abgefeuerte Kanonenschüsse, und beinahe hätte das Feuerwerk einen Brand der königlichen Bibliothek zur Folge gehabt und damit den Rahmen solch damals beliebten „Spektakelstückes“ ungewollt beträchtlich erweitert. Von zwei Wiederholungen der Aufführung sei die eine in Vauxhall erwähnt, die, vor rund 12 000 Personen stattfindend, die „Feuerwerksmusik“ zu einem der popu lärsten Werke Händels werden ließ. Die Besetzung, auf eine Wiedergabe unter freiem Himmel angelegt, sah ursprünglich nur Blasinstrumente vor, und zwar 12 erste, 8 zweite, 4 dritte Oboen, 8 erste, 4 zweite Fagotte und die drei Horn- wie Trompetenstimmen je dreifach besetzt. Die Streich instrumente fügte Händel erst nachträglich für Aufführungen in geschlossenen Räu men hinzu, so — bei entsprechender Reduzierung der Bläser — gleichzeitig die Möglichkeit reizvollen Alternierens bei Wiederholungen einzelner Teile schaffend. Eingeleitet wird das Werk durch eine ausgedehnte Ouvertüre im Französischen Stil (langsame Einleitung, die am Schlüsse wiederholt wird, und schneller Mittelteil), in der Händel auf ein früheres Werk zurückgriff. Sie bildete die konzertante Ein leitung zu den nachfolgenden fünf kleineren Stücken, die, ihren Titeln entsprechend, allegorische Darstellungen auf der Szene begleiteten und, als Bestandteile einer „Suite“, bald stilisierte Tanzformen (Bourree, 2 Menuette), bald kurze Programm stücke („Der Frieden“, „Die Freude“) darstellen. Im „Frieden“ (Largo alla Siciliana) bringt Händel — vielleicht gar als Zitat einer in Italien gehörten Volksweise — eine Melodie, wie sie am Weihnachtstage in Sizilien und Süditalien gern vor Kirchen portalen und vor Marienbildern musiziert wurden. Die gesamte Suite weist all die Vorzüge der Händelschen Tonsprache auf, die uns sein Werk so nachdrücklich pflegen lassen: einprägsame Melodik, organische formale Gliederung, Bescheidung auf das gerade Notwendige an eigenständig geführten Stimmen und vom Ausdruck her Orientiertsein an den positiven Seiten des menschlichen Lebens. Das Klavierkonzert d-Moll (K.-V. 466) vom 10. Februar 1785, das erste Werk dieser Gattung, das Mozart in einer Molltonart schrieb, dem 19. Jahrhundert wohl das geläufigste aller Mozartschen Klavierkonzerte, ist nach seiner Aussage so recht dazu angetan, von Mozart als dem Vorgänger Beethovens zu sprechen. Es gehört in die Reihe der ab 1785 entstehenden Meisterkonzerte, die für Mozart insofern von be sonderem Reiz waren, als er Sonatenhaftes ins Sinfonische zu weiten wußte, das Orchester aus seiner nur begleitenden Rolle befreien und es zum echten Partner des Klaviers machen durfte, hierbei den zeitgenössischen Formenreichtum mit allen Künsten der Durchführung, der Variation, des Kontrapunktes anfüllend, allen Reiz der Klangfarben auskostend und nicht zuletzt der Phantasie ihren wohlabgemessenen Spielraum zuweisend. Somit schuf er diese Werke sowohl für Kenner als auch für Liebhaber, wie Stellen aus einem Brief vom Jahre 1782 an seinen Vater belegen, wenn er schreibt, seine Konzerte seien das „Mittelding zwischen schwer und leicht“ „sehr brillant“, „angenehm in die Ohren“, „ohne ins Leere zu fallen“, „hie und da können auch Kenner allein satisfaction erhalten, doch so, daß die Nichtkenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen warum“. Damit wahrt er eindeutig Abstand zu Komponisten wie etwa dem „bloßen Mechanicus“ Clementi, die nach Erfindung, Wärme und innerem Gehalt ihrer Arbeiten keineswegs an ihn heran reichten. So nimmt es nicht wunder, wenn kein Geringerer als Beethoven zu den Ecksätzen dieses d-Moll-Konzertes zwei Kadenzen schrieb, damit die geistige Gemein schaft zwischen seinem und Mozarts Werk unterstreichend. Im ersten Satz übernimmt das Orchester die Generalexposition, der das Klavier mit einem rezitativartigen Introduktionsthema folgt, das auch in der ersten Phase der Durchführung dominiert. Dem Soloinstrument Vorbehalten (wie häufig bei Mozart) bleibt auch die endgültige Form des 2. Themas, das in der Exposition erst angedeutet war. Die Durchführung, meisterlich gestrafft, führt in Steigerungen (zumal unter Ver wendung des Hauptthemas, welches das Seitenthema in seine düsteren Bezirke hinein zieht) zu einer dämonischen Gipfelung, welche die tragische Grundstimmung nach drücklich unterstreicht und in einen Epilog klagender Grundhaltung mündet. In der dem Charakter nach freundlicher gestimmten dreiteiligen Romanze durch dringen Lied-, Variations- und Sonatenform einander und bieten so eine jener für Mozart charakteristischen Formkombinationen, die von souveräner Beherrschung der kompositorischen Mittel zeugen. Das Rondo schließlich knüpft thematisch an den ersten Satz an. Das vom Klavier eingeführte aufwärtsstrebende Hauptthema ist eine Umkehr von Material aus dem Hauptthema des ersten Satzes. Zwei durch eine verkürzte Fassung des Hauptthemas voneinander getrennte Zwischenspiele sind Varianten des zweiten Themas aus dem ersten Satze. Die Durchführungsepisoden, die reich sind an thematischer Detail arbeit wie kontrapunktischen Verzahnungen, führen zu einem Abgesang im span nunglösenden D-Dur, dem eine das Düstere des Anfangs vergessen machende Epilog weise folgt. Über Ludwig van Beethovens drittes Klavierkonzert op. 37 aus dem Jahre 1800 wußten die Zeitgenossen (natürlich im Chor auch mit Vorbehalten argumentierender Stimmen) zu urteilen: „Dies Konzert gehört ohnstreitig unter Beethovens schönste Kompositionen“ (1804) und „vielleicht das Höchste dieser Art von Kunstwerken, welches die Kunstliteratur von allen Meistern aufzuweisen hat“ (1812). Der Komponist selbst spielte es erstmals öffentlich in seiner zweiten großen Akade mie vom 5. April 1803, deren Programm daneben noch die beiden ersten Sinfonien und das Oratorium „Christus am Ölberg“ enthielt. Das Werk weist seinem ganzen Zuschnitt nach über das herkömmliche Virtuosen konzert hinaus. Seine zugreifende Ursprünglichkeit, das Fehlen hervorstechender rhythmischer Besonderheiten, die Nähe der gesanglichen Themen zur Folklore lassen