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Exptd. u. Redaktion »reSden-Neustadt kl. Meißner (Kasse 4 Lie Zeitung erscheint Ttenftag, t»nncrsta> und eonuadend früh. «honnemeut»- Preis: »irrteljährl. M. 1,50. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- «nslaitcn und durch unsere Boten, vri freier Lieferung ins HauS erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Ps. älhsische Nacheilung. Eiir unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. Inserate werden bis Montag, Mittwoch u. Freiwg Mittag angenommen und kosten: dieispalt. Zeile 15 Pf. Unter Eingesandt: 30 Pf. Jnseraten- flnnahmcstellett: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvaiidendank, Haasenstcin L Vogler, Rudolf Mosse, G. L. Daube L Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G Kohl, KesselSdorf u. s. w. Ar. 29. Dienstag, dm 9. März 1897. 59. Jahrgang. Politische Weltschau. Deutsche- Reich. Tie Vorbereitungen, welche ringsum im Lande, in Nord und Süd, Ost und West, schon jetzt getroffen werden, um die Jahrhundert- feier des Geburtstages des verewigten Kaisers Wilhelm l. zu begehen und die ihren Mittelpunkt in der Enthüllung des Denkmals finden werden, welches das Volk dem ersten Kaiser des neuen Deutschen Reiches auf der Schloßfreiheit in Berlin errichtet, lassen schon jetzt ahnen, wie innig und un mittelbar an diesem Tage der Zug dankbaren Gedenken- in der Nation sich regen wird. Man kann eS daran merken, mit welchem Unbehagen diese frische Bethütigung patriotischen Hochgefühls schon jetzt von der Social- demokratie empfunden wird. Ihr Centralorgan stößt inS Horn und sucht seinen ohnmächtigen Haß hinter düsteren Warnungen zu verbergen. Mit der Dreiflig. keit, mit welcher sein leitender Geist das Schlagwort münzte, daß das .Vaterland" in dem Sinne des Volke- ein kulturfeindlicher Begriff sei, streut eS aus, eine „Orgie der Servilität, des Streberthums, der Rohheit und der Unterdrückungssucht" stünde bevor, eine neue „Hatz gegen die Socialdemokratie, gegen die Preßsrei- bett und gegen da- allgemeine Wahlrecht". Der 22. März steht dem Volke viel zu hoch, als daß eS die reine Erinnerung an ein großes, inhaltreiches Herrscherlebrn mit dem Zwecke zu verbinden gedächte, mit diesem Feste politische Abfichten zu verfolgen. In der That, je weniger diese Wirkung in- Auge gefaßt wird, je mehr alle patriotischen Kreise unbekümmert darum bleiben, was die Socialdemokratie durch ihre Organe ihren Massen zuruft, um sie einzuschüchtern und aus dem Kreise der Feiernden zu reißen, um so mehr wird eintretrn, was die Leiter der Umsturz, bewegung befürchten: daß sie von den fast zwei Millionen, die in der Aufregung des Wahlkampfes mit dem Stimmzettel sich auf ihre Seite schlugen, an diesem Tage nicht ein Zehntel behalten. Das Mißbehagen der Socialdemokratie wird natürlich um so größer, als vor der geschloffenen Erscheinung des großen Kaisers die vergifteten Pfeile alle versagen, die, mit Füttern „historischer Forschung" sich behängend, Leute vom Schlage der Liebknecht und Genossen zu versenden vermögen. Schon bei Lebzeiten hat sich über Kaiser Wilhelm I. festgefügt da- historische Urtheil gebildet und nur gering sind die Züge, die späterhin, wenn die Archive sich öffnen, die geschichtliche Forschung dem Charakterbilds beifügen kann, das sich tief und unauslöschlich in die dankbare Seele des Volkes geprägt hat. Die Herrschergestalt, erfüllt von findet am 20. d M. eine von der socialdemokratischen Arbeiterbildungsschule veranstaltete MLrzdichter. Feier zur Erinnerung an Herwegh, Freiligrath, Prutz und andere Poeten der Märztage statt." Zur Lösung der kretischen Frage soll, wie verlautet, in Petersburg ein Kongreß der Mächte einberufen werden. Dies dürste allerdings der der Verworrenheit der Lage im Oriente die letzte Rettung bilden. — Viel bemerkt wird eS, daß sich der Flügel adjutant Kaiser Wilhelm'-, Oberst v. Moltke, in diesen Tagen persönlich nach Petersburg begeben hat Diese Reise hängt ganz unzweifelhaft gleichfalls mit der kretischen Frage zusammen. — Die „Hamb. Nachr." schreiben zu der letzteren u. A. noch: Dle Entwickelung, welche die kretische Frage genommen, hat die Berech tigung unserer Auffassung erwiesen, daß eS unzweck mäßig war, wenn das mindestbetheiligte Deutschland, allen anderen Mächten voran, sich auf dem Standpunkte sestlegte, daß vor Räumung der Insel durch die Griechen weitere Verhandlungen als der Würde des Reiche- zuwiderlaufend unterbleiben müßten. Jetzt haben die Verbandlungen begonnen, ohne daß die von Deutsch land gestellte Bedingung erfüllt wäre und Deutschland hat sich dennoch daran betheiligt; es ist wenigsten» nicht gemeldet worden, daß sich Deutschland von dem Kollektivschritte der Mächte in Athen separirt habe. Ebensowenig hat der deutsche Initiativvorschlag einer Blokade de- PiräuS, wenn er wirklich erfolgt ist, ein positiver Ergebniß gehabt. Wir können nicht finden, daß e- Aufgabe der deutschen Regierung ist, sich in dieser Weise ohne zwingenden Grund der Möglichkeit eine- Fiasko- auSzusetzen. Dergleichen Mißerfolge, auch wenn sie an sich nicht- weiter auf sich haben, färben leicht auf da- internationale Ansehen deS Deut, schen Reiche- schädlich ab und sollten vermieden werden. Wir wünschen, daß der jetzigen Regierung „nichts ge lingen" möge, was sie außerhalb ihrer Aufgabe, den Frieden und dis Prosperität deS Reiches zu fördern, versuchen möchte. Wenn eS einer Regierung unter beregten Verhältnissen gelingt, ohne Schaden für ihr Land zu regieren, so kann man nach menschlicher Un vollkommenheit und nach germanischer Eigenthümlichkeit schon zufrieden sein. Das Regieren ist immer ein Gang auf gespanntem Seile in großer Höhe und dabei nicht zu fallen schon eine Leistung, die nicht in Jedermanns Fähigkeit liegt. Der neue Flottenvermehrungsplan ist der Budgetkommiffion deS Reichstags vorgelegt worden. ES sind in der Denkschrift für die drei nachfolgenden EtatSjahre 1898/99, 1899,1900,1900/1901 neue Schiffs- der hohen Mission der KönigthumS, mit dem Adel Hof der Märzgefallenen zu wiederholen. Neben den der Gesinnung, der sich in so vielen rührenden Zügen üblichen Festversammlungen am Abend des 18. März ausgesprochen, mit dir Ruhe und Klarheit des Unheil-, " ' — . — . _ der Selbstlosigkeit und dem wahren Gottvertrauen — wie Fürst Bismarck im Reichstage hervorhob, als er den Tod deS Kaisers thränenden AugeS mttthetlte —, der heldenmüthigen Tapferkeit, dem nationalen, hoch gespannten Ehrgefühl und vor Allem der treuen arbeit ¬ samen Pflichterfüllung, im Dienste des Vaterlandes und in der Liebe zum Vaterlande: Da- find die Eigen- schäften, mit denen das Volk das Bild deS großen Kaiser- in seinem Herzen bewahrt, den e- darum um , so mehr verehrte und begriff, weil er seinen königlichen ! Beruf darin erkannte, den Glanz der Krone in der ! Ergänzung durch die geistigen Kräfte der Nation zu mehren und die erprobten Berather durch ein Band gegenseitiger Treue sich zu verbinden. Wenn aber Macht und Glanz deS Throne- mit dem aus der Kraft deS Volkes emporgestiegenen Genie vereint, fast dreißig Jahre die Geschicke der Nation gelenkt, sie durch Siege zu einem langen Frieden geführt und in dieser Friedenszeit Jahr aus Jahr ein um des Volkes s Liebe geworben, was vermag da eine Bewegung, die ! nichts aufzuweisen hat, als daß sie Alles haßt und j ? verzerrt, was dem Volke hoch und heilig geworden, s Aus den Gefühlen allein heraus, die der 22. März wachruft, wird der Tag gefeiert, nur um deS An denkens willen an den großen Kaiser und nur für ! dieses. So wird es sein und dann wird von selbst ! kommen, was alle Patrioten erhoffen, daß dieser Tag einen bleibenden Gewinn zurückläßt an neuerwachendem , Empfinden sür die Größe und ZukunfSaufgaben deS deutschen Volkes. — Einen glänzenden Abschluß wird die Jahrhundertfeier der Geburt Kaiser Wilhelm'- l. durch Errichtung einer Gedenkhalle zu Ehren ! derimFeldzuge 1870/71 gefallenen oder schwer verwundeten deutschen Krieger finden. Ein be züglicher Gesetzentwurf ist dem Reichstage bereits zu, ! gegangen und hofft man auf einstimmige Annahme desselben. Für die Vorarbeiten werden einstweilen 50,000 Mark gefordert. Ter Kostenanschlag ist auf i ungefähr 2 Millionen Mark berechnet. — Als Gegen stück hierzu möge noch folgende Berliner Nachricht hier ! Platz finden: „Die Vorbereitungen zur Feier des 18. März werden in Berlin diesmal in socialdemo- ! kratischen Kreisen mit besonderem Eifer betrieben. Es gilt, durch eine möglichst zahlreiche Betheiligung an der Märzseier eine Art Gegendemonstration gegen die Centenarfeier in Scene zu setzen. Die Berliner Gewerkschastskommission hat es deshalb auch unter- ! lassen, den in den Vorjahren gefaßten Beschluß be- treffS Einschränkung der Kranzspenden für den Fried- Ieuilkekon. Die Erbschaft. Kriminal-Roman von Ludwig Habicht. (Nachdruck verboten.) (7. Fortsetzung.) „DaS Glück, da- große Glück!" rief sie. „O nun kann Alles, Alles gut werden! Nun wird die Gräfin —" Erschrocken hielt sie inne; ihr liebliche- Gesicht ward wie wit Blut übergossen. Einen verschämten Blich auf den Justizrath, einen hilfeflehenden auf den Oheim werfend, eilte sie au- dem Zimmer. Friebe wollte sie zurückhalten, aber der Pfarrer verhinderte ihn daran. „Laß das Kind", sagte er, „sie muß mit ihrem Herzen und ihrem Gott allein sein. WaS plötzlich über sie gekommen, ist gar zu wunderbar und überwältigend; hat es mich doch selbst mächtig erschüttert." „Lassen wir sie", stimmte der Justizrath bei. „WaS wir noch miteinander zu bereden haben, dürfte ohnehin besser in ihrer Abwesenheit geschehen. ES scheint, die Erbschaft gewinnt in ihren Augen erst Werth, seit sie darauf aufmerksam geworden ist, daß sie dieselbe dem geliebten Manne zubringen kann." „Ich würde eS bedauern, wenn es ander- wäre", fegte der Pfarrer. „Meinst Du, daß die Gräfin Kunitz jetzt die Heirath mit freundlicheren Augen an- sehen wird?" „Ohne allen Zweifel", erwiederte der Justizrath »verfichtlich. „Es ist ihr ja nur um eine reiche Partie für den Sohn zu thun. Wenn d-r junge Graf seinen Sinn nicht geändert hat —" „O nein, nein!" fiel der Pfarrer ein und theilte dem Freunde mit, welche Nachrichten Lydia kürzlich von dem jungen Grafen erhalten hatte. „Ich sah recht schwere Kämpfe voraus; Gutt in seiner Gnade hat sie abgewendet!" fügte er mit einem Blicke nach oben hinzu. Der Justizrath pfiff leise durch die Zähne. „Närrische Welt", murmelte er, muß da Liner nach den Südstaaten der Union verschlagen werden, schuften und arbeiten, damit hier in Sachsen eine herunter- gekommene Herrschaft wieder in die Höhe gebracht werden kann." Als er daS betroffene Gesicht deS Pfarrer» ge wahrte, setzte er, ihm auf die Schulter schlagend, hinzu: „Bange braucht Dir dabei nicht zu sein. Theodor Kunitz ist ein braver, hochanständiger Mensch, daS Geld konnte in schlechtere Hände fallen als die seinigen. Mit einem Theile von Lydias Vermögen sind die ärgsten , Schulden zu tilgen und die Güter wieder in sehr guten Stand zu fetzen; als Sachverwalter der Gräfin bin ich mit den Verhältnissen sehr gut vertraut und werde überdies die Augen offen halten, daß mein liebe- Mündel nicht zu Schaden kommt." „Ihr Geld, willst Du sagen", versetzte der Pfarrer, „daß sie nicht Schaden leide an Leib und Seele, davor kann nur Gott sie bewahren." „Ihr Geistlichen seid unS Juristen noch weit über, müßt immer da» letzte Wort behalten", scherzte der Justizrath. „Möchte wohl dabei sein, wenn der Theodor ankommt und da» große Glück erfährt. No, zur Ver lobung komm' ich heraus und mit der Hochz.u wollen wir dann auch nicht lange zögern." „Warum denn so erlen", fragte der Pfarrer, dem der Gedanke, daß er sich von seinem Lieblinge trennen solle, nun doch recht schmerzlich aufstieg. „Damit die dumme Bestimmung, die Vcktor seinem Testamente angehängt, je eher je lieber gegenstandslos wird, kann dergleichen nicht au-stehen", rief der Justiz rath verdrießlich, lachte aber sogleich wieder auf und setzte hinzu: „Geht Alles, wie eS soll, so taufen wir über» Jahr den Stammhalter de» Grafen Kunitz und den richtigen Erben von Vcktor Haberkorn. Jetzt aber ist es die höchste Zeit für mich, baß ich mich wieder auf den Weg mache." Da knallte auch schon der Kutscher, den der Justiz, rath für diese Stunde bestellt hatte, mit der Peitsche und Jener rüstete sich schnell zum Aufbruche. Der Pfarrer begleitete ihn bis zum Wagen und auch Lydia kam herbei, um von dem Vormunde Abschied zu nehmen. „Ich komme bald wieder, Lydchen und inzwischen grüße von mir — Du weißt schon, wen ich meine", flüsterte er der Hocherrvthenden zu und kniff ihr in die Wangen. Onkel u:.d Nichte schauten dem davonrollenden Wagen nach, dann legte der Pfarrer Lydia'» Arm in den seinen und machte mit ihr einen Spaziergang durch den Garten. „Mein liebes, liebe- Kind", sagte er, „diese Stunde hat mancherlei in Deinem Leben verändert." „Oheim, eS ist ein große-, ein unermeßliche- Glück!" unterbrach sie ihn.