Volltext Seite (XML)
s«H« gegenüber anerkannten Bedürfnissen nationaler Ver teidigung noch maßgrbrnd sein läßt. Hiernach kann es sich bei de» „wirtschaftlichen Rücksichten" nicht um dir materielle Leipungtsähigteit det deutschen Volk«- aul dem Bediele der Sicherung seiner nationalen Unabhängig keit handeln; und diese sestjustellen, l egt im ynteresse unserer geiamten Stellung im internationalen Gescllschastsleben und ganz besondei» im Interesse unserer nationalen Sicherheit, denn »Sren wir wirklich zu arm, um die Kosten der Ml tärvorlage zu decken so stünde e» schlimm um unsere wirtschastl che Leistungosähigkeit und unseren Kredit in der Stunde der Not. Um wa» es sich in Wahrheit bei den „wirischastlichen Rück- sichlcn" handelt das sind nur die steuert, chnijchen Schwierig keiten, welche sich bei uns bei der Tetaileröricrung der Frage ergeben, wie d,r erhöhte Gcsamtbeitrag der Nation für ihre Wehrkraft auf dem Wege konkreter Steuergesetzgebung aus- zubring-n ist. Eingeleitet durch den wohlorganisiertrn Protest der Tabaksinterestenten hat sich bei uns in Deutschland ein ge meingefährliches Widerstreben aller Jnteressentengruppen gegen Mn «ersuch der konkreten St-uergesetzgu ung entwickelt. All- gewein ist eS üblich geworden, die Beschwerden des Überganges, welche das Anziehen der Steuerschraube zur Folge hat, in un geheurem Maße zu. übertreiben und unter der Beteuerung, die vorgeschlagene Steuer werde den Ruin dcS ErwerbszweigeS zur Folge hab-n, das Lied St. Florians anzustimmen In unverhullter Weise haben die Jnteressentengruppen insbe'onderc die energische Bearbeitung der Reichrtagsabgeordncten sich zur Aufgabe gestellt, und sie sind anscheinend in ihren Bemühungen nicht ersolglos gewesen. Hier gut eS sur das deutsche Bolk im ganzen, mit aller Entschied ndeit einem KrebsschadiN entgegeniutrcten, welcher unser öffentliches Leben bedroht. Gewiß sollen die Interessenten der Erwerbe zweige, an welche die Reichsbesteuerung sich an- schließt, gthörl werden, und gewiß soll alle» geschehen, waS notz der Heranziehung gewisser Berbraucheartcn zu höherer Besteuerung die möglichst ungeschädigte Fortdauer der b« treffenden ErwerbSzweige sichert. Aber daS entscheidende und maßaebende Wort über die Steuere!Höhungen an sich drrs die Gruppe Ler speziellen Interessen nicht fuhren. Hier ist es eine Aufgabe der politischen B-ldung der Gesamtheit, Richtung und Maß der Besteuerung zu bezeichnen und Ausgab: einer patriotisch denkenden Gruppe von Interessenten ist es, bei Ent- wersui g der Eru"dzüge der durch die Reich'betürsnisse be dingten höheren Besteuerung verständnisvoll und mit berech tigter Wahrung der innerhalb d.r Flnanzinteressen wahrbaren besonderen Erwerbsinteresten mitzuarbeiten, nicht aber, wie dies jetzt bei uns zu einer bedauerlichen unpatr>otischen U sitte ge worden ist, sich aus den rein negaliv.n Standpunkt unbedingter Abwehr zu st llen Richt um da» Wohlergehen der Bierbrauer, der Branntweinbrenner und der BSrsenleute allein handelt es sich jetzt; es handelt sich um weit mehr, um den Schutz und die Sicherheit aller Deutschen, und wenn diese es erheischt, die guten Dienste der Bierbrauer, Branntweinbrenner und Börsenleute in Anspruch zu nehmen, um es technisch zu ermöglichen, daß vom Besamlverbrauch de» deutichen Volke» so viel mehr sür Militärzweckc abgezweigt wird, al« nötig ist, so ist die Versagung dieser guten Dienste ungerechtfertigt und unpatriolisch, und da- Bolk »n seiner Gesamtheit hat alSdann die Pslicht, seine allgemeinen Interessen den überwuchernden Londer- inleresjen gegenüberzuftellen. Möge diese Em- psindung, di« im Innern der Volksseele den Grund ton der Entscheidung bestimmen muß, in der Stunde dieser Entscheidung alle Beteiligten erfüllen, und möge sie darum jetzt, da noch Zeit ist, auf diese Ent scheidung einzuwirken, den weitesten Kreisen unseres deutschen Volkes zum Bewußtsein kommen. — Tas Verhalten der Deutsch-Freisinnigen wird auch von einem ihnen so wohlgesinnten Blatte, wie die „Weser-Ztg." ist, gemißbilligt. In dieser liest man: Es ist helvorzuh-ben, daß die freisinnige Partei keineswegs einig ist und daß selbst das Volum ihrer Mehrheit noch n cht vorauSzusehen ist, wenn eS sich im letzten Bugenb ick um gegen seitiges Entgegenkommen bandelt. Die .freisinnigen haben auhe- den 26 bS L8 000 Mann, die sie al» Mehreinstellung angebolen haben, noch die 18 voo Ersatzreservisten anzubielen d h ein Aequivalent an wirklichen Rekruten gegen den auch von der Regierung beabsichtigten Wegfall der Ersatzrcserve. Das werden fieilich keine 18voo wirkliche Rekruten sein, aber eS ist doch ein Objekt zur Verständigung da. An der Thatsache von ernstlichen Meinungsverschiedenheiten in der Fraktion der Freisinnigen ist gar nicht zu zweifeln. Abg. Hinze Hal nicht allein Rickcrl und Barth hinter sich, sondern eine ganze Anzahl an derer Männer, d e s.hr wohl die Bedeutung der Maßregeln -ur Sicherheit Deutschlands erkennen und die auch wissen, daß die liberale Sache seit 1860 allemal einen empfindlichen Ab- b-uch erlitt, wenn ihre parlamentarischen Verirrter mit dem Militärischen Bewußtsein der Nation in Widerspruch gerieten, .^öffentlich zieht man daraus jetzt eine Lehre. — Der ReichSIag wird sich bekanntlich noch in der gegenwärtigen Tagung mit einem Gesetzentwürfe über den Schutz der Warenbezeichnungen beschäftigen, der be stimmt ist, an Stelle des Markenschutzgesetzes vom 30. No vember 1874 zu treten Mit der Neuregelung des Waren- zeichenwefenS hofft man auch eine häufigere Benutzung dcS ZeichenschutzeS herbriführen zu können Die Gesamt zahl der bisher auf Grund des MarkenschutzgesetzeS ein« aetragenen Zeichen ist nicht sthr beträchtlich Vom In krafttreten des genannten Gesetzes bis zum Ende 1891 sind insgesamt 19 954 Zeichen eingetragen, wovon 16134 aus Inländer und 3820 auf Ausländer fielen. Die ge werbliche Gruppe der Nahrung« - und Genußmittel hat den größten Anteil an diesen Eintragungen. Von den in ländischen Eintragungen entfielen auf sie 5448. Ihr folgen die Metallverarbeitung mit 2743, die chemische In dustrie mit 2033, die Textilindustrie mit 1924, die « ' V — Grupp« der Leuchtstoffe, Fette, Ale und Firnisse mit 1240, die von Maschinen, Instrumenten und Apparaten mit 563 rc Von 1875 bis 1891 sind von den eingetragenen Marken insgesamt 1817 gelöscht worden, worunter 1550 auf Inländer und 267 auf Ausländer entfielen. — Für die vom ReichSversicherungSamt ein- berusene Konferenz der Vertreter der LandeS- versicherungSämter und der Invalidität«- und Alter-versicherungsanstalten, die am 27. d. Ml«, im ReichStagSgebäude zusammentreten soll, ist nunmehr folgende Tagesordnung festgestellt worden: 1) Welche Verttuborungen oder Maßnahmen sind zu treffen, um in allen Fällen ein sachgemäße» älztstcheS Zeugnis üoer dl« Erweibssäh gkeit eines InoalldenrententuwerberS mit mög lichst geringen Kasten zu rrhilien? 2) In w lchem Umfange dürfen die Versicherungsanstalten gemäß § 12 Absatz 1 des Invalidität- und «l eiSmisichrrungs- geseyes daS Heilverfahren sür einen erkrankten Versicherten über nehmen? ») Empfiehlt eS sich, allgemeine Anordnungen hcrbei- zusühren, w ichc eine Gewähr basür bieten, daß die Vcrficher- ungsasstaltrn von allen das VeisicherungSoerhalliu» vd,r ben Renienvezug berührend-n Thatsachen (Tod eines Versicherten, Tod, ;-nhastieiung, Auswanderung eine.' Renienempjängerö oder sonstige Thatumstände, wrlchr daS Ruhen der Rente gemäß tz 34 des JnvalititäiS- und AuelSvcrsichcrungSgisitzes Heiber- sühren) rcchizcitig Kenntnis erhalten? — Zu vergleichen § 141 Absatz 1 a. a. O. 4) Ist das normal verlausende Wochenbett als Kranlheit im Sinne des 8 l7 Absatz 2 de» Invalidität«- und Aller-- versicherungsgesttzeS anzujehen? b) Besprechung der bisher von den Versicherung'anstalten zur Förderung des Baues von Arbeiterwohnungen petroff.nen Maßregeln (§ 120 Absatz 2 des Jnvalidiiäts- und AttcrS- versicderuugsgefetzes). 6) Ist eS wünschenswert, bezüglich der von den «er sicherungsanstalten vorzunehmendcn Eniwertung von Beitrags- marken ein einheitliches Verjähren einzvsühren? 7) Empfi.hit sich zur Vermeidung von Nachwahlen die Ausnahme einer statutarischen Vorschrift, welche beim Aus scheiden riueS oder mehrerer Vernein der Arbeitgeber oder der Versichert, n im Ausschuss« nkbst deren Ersatzmännern das StimmverhältniS erwa durch jebesmalizc Auswiung einer entiprechenden Anzahl von Vertretern der anderen Kategorie regelt? (8 «8 Abs 1 des JnvalidilätS-und AllersversicherungS- cesetze«) 8) Behandlung «er cesund nen Ouittungskarlen, denn Ju- hab-r nicht sogleich zu ermit tln sind. S) Teilen die Schiedsgerichte von Amtswegrn oder aus entsprechende allgemeine oder sür den einzelnen Fall gestillte Anträge der Versicherungsanstalt (Berussgenossenichaft) das Ergebnis einer im schiedsgerichllichen Verfahren veranlaßten Beweisaufnahme vor der Urieilssällung mit? Besteht in dieser Beziehung ein BedürsniS zu weiteren über den Rahmen des an die BtrusSgenosjenschaslen gerichteten Rundschreibens vom lü. Juni 1887 („Amtliche Nachrichten de- R -V ü" 1887 Seite l«5) h nausgehti den Maßnahmen? 10) Besprechung der mit dem sogenannten EinzuaSversahrcn (§§ llüflg. des Jnvaliditäts- und AlleitveisichrrungsgeietzeS) bisher gemachten Ersahrungen iAmrag der Versicherungsanstalten Sachsen Anhalt und Nheinprovinz). 11) Turchsührung der Beiiragsleistung bei Versicherten, die gleichzeitig in einem dauernden ArbritsverhäliniS zu mehreren Arbeitgebern stehen (Antrag der Versicherungsanstalt Oldenburg). Pari«, 13. März. Die Aussagen von Frau Cottu haben eine vollständige Beunruhigung herbei- gesührt. Soinoury, erst vor acht Tagen vom Direktor der öffentlichen Sicherheit zum Generaldirektor der Gefängnisse befördert, legte sein Amt nieder. Es ging auch das Geiüchi, daß der Poiizeikommissar Nicolle, der Vermittler zwischen Frau Cottu und Soinoury, abgesetzt worden sei; daS bestätigt sich jedoch nicht. Der Ministerrat versammelte sich gestern dreimal. All seitig wurde auf Bourgeois eingewirkt, daß er sein Entlassungsgesuch zurückziehe, er war aber hierzu nicht zu bestimmen. Er will vor der Kammer und dem Schwurgericht wiederholen, was er Ribot schrieb, daß er von SoinouryS Schritten keinerlei Kenntnis be sessen habe. Loubet versichert dasselbe und die öffent liche Meinung glaubt ibm Die regierungSseindliche Presse schmiedet das heiße Eisen mit größter Kraft und Geschicklichkeit. Frau Cottu, gewiß eine tapfere Frau, wird in ihrer Darstellung eine Heldin und Halbgöltin, ein weiblicher Herkules, der allein fertig bringe, waS olle Männer nicht vermocht, nämlich mit dem lauteren Strom der Wahrheit den Augiasstall zu reinigen. AuS der sicherlich tadelnswerten Unterredung mit Soinoury machen sie eine Anwendung der Folter. Von Soinoury sprechen sie als vom Frauenmarterer, vom Inquisitor, und waS ähnliche melodramatische Übertreibungen mehr sind. Um die Einbildungskraft des Volkes noch mehr zu bleinflussen, veranstalten die Reaktionäre neben diesem Zeilungsg°töse auch Kundgebungen. Sie pilgern nach der Wohnung von Frau Cottu, übersenden ihr Wagenkasten von Blumen und Kränzen, unterhalten eine stehende Menschen ansammlung vor ihrem Hause. Die radikale Presse mahnt die öffentliche Meinung vergebens, sich auf sich selbst zu besinnen, sie zeigt „Widersprüche und Un Möglichkeiten" in Frau Loitu« Aussagen und erinnert daran, wie anker« sich die Wirklichkeit der Worte und Gebärden im Bewußrstin einer stark fühlenden Frau abfpiegrle. Frau Coltu brauche nicht bewußt die Un- wahrylit zu sagen und könne trokdem die Unterredung nirt Soinoury ganz falsch darstellen. Einige radikale Blätter behaupten, die ganze Sache sei von den Mo narchisten veranstaltet wmden, deren Werkzeug, bewußt oder unbewußt, Frau Cottu gewesen sei. Nicolle war, wie man sitzt erfährt, ein Hauptagent der Ge- hkimpolizei Constans', er wußte sich in den engsten Freundeskreis Boulangers cinzuschkcichen, begleitete ihn nach Brüssel und England, gab ihm Rattchläge, veranstatUte Festmähler für ihn, führte Abordnungen zu ihm und richtete feiernde Ansprachen an ihn und berichtete über alles täglich seinem Auftraggeber Con stans. Daß solche Persönlichkesien in der Cottuschen Geschi l te eine Rolle spielen, macht eS nicht ganz un glaublich, daß das gauze von den übereifrigen Unter- agenlen auf eigene Faust eingefädclt worden sci. . . . Diese Darstellung der „Voss. Ztg" wird in ihren Befürchtungen stark modifiziert durch den Ver lauf der heutigen Kammerfitzung, die mit einer Vertrauenrkunegebung für das Ministerium Ribot allgemein überrascht. Vor überfüllten Tribünen begann die Sitzung mit stürmischen Scenen. Der Präsident verlas die eingegangenen Jnierpellutionen; eine der selben, die von Godefroy Cavaignac mit unterzeichnet ist, wurde mit Gerächter begrüßt. Ministerpräsioent Ribot verlangte das Wort zu einer Erklärung; er bat, da der Justizminister Bourgeois zur Zeit vor den Geschworenen sein Zeugnis ablege, die Sitzung auf zuschieben. Hierauf erhob sich großer Lärm, bei welchem, wie man sofort erkannte, eine dem Ministe rium feindliche Mehrbeit in Aktion trat. Von allen Seiten erscholl der Ruf: „Nein! nein!" Der Depu tierte Deprez, Unterzeichner einer der Interpellationen, erklärte: „Wir haben Hr» Bourgeois für unsere Dis kufsion gar nicht nötig! Hr Ribot mag uns Aus kunft geben." Präsident Casimir Perier schlug vor, die Diskussion morgen vorzunehmen, was mit großer Mehrheit abgelehnt ward. Godesroy Cavaignac be antragte hierauf die Vertagung der Sitzung bis 4 Uhr Trotz lebhafter Piotestrufe wurde Cavaignac» Vor schlag angenommen. In den Wandelgängen erörterte man eifrig das mutmaßliche Schicksal des Kabinetts. Die Oppositionellen sagten den Sturz desselben voraus. Die Mitglieder derLinken aber waren optimistischerundwiesen darauf hin, daß die Kammer wahrscheinlich schon des halb die Regierung heute nicht stürzen werde, weil eS zur Zeit sehr schwierig wäre, ein neues Minifterium zu bilden. Die Folge einer Kabinettskrise würde in diesem Augenblick womöglich die Auslösung der Kammer sein, eine unter allen Umständen sehr unangenehme Eventualität. Nach Wiederaufnahme der Sitzung, welcher Ribot und Bourgeois beiwohnten, richtete DeSprez eine Anfrage an die Regierung wegen des durch die Aussage der Frau Coitu hcrvorgerufenen Zwischenfalls und verlangte Aufklärung darüber, ob Soinoury im Auftrage des Ministers des Innern ge handelt habe. Cavaignac erklärte, es wäre verab scheu» gswürdig, wenn die Aussagen der Frau Cottu auf Wahrheit beruhen sollten. Bourgeois betonte, alle diese Erklärungen seien unwahr. (Beifall auf der ganzen Linken, Zwischenrufe bei den Boulangisten). Bourgeois fügt hinzu, wenn er ungeordnet hätte, Frau Cottu Versprechungen zu machen, so hätte er sich eine verabscheuui'gSwürdige Handlung zu Schulden kommen lassen. Er habe seine Entlassung gegeben, um sich vor dem Schwurgericht verantworten zu können. Er glaube, sein Haupt aufreht tragen zu können, und warte ruhig ab, ob jemand die Behaup tung aussprechen werde, daß er die ihm schuldgegebene sä mähliche Handlung bezeuge. (Die ganze Kammer, mit Ausnahme der Rechten und der Boulangisten, spendeten Bourgeois lebhaften Beifall.) . . . Unge heurer Lärm brach los, als Ribot, um das Zeugnis der Frau Cottu zu entkräften, erzählte, letztere habe vor ihrer Zusammenkunft mit Svi- noury liebenswürdige Briefe an den Polnei- präsekten Loz6 geschrieben und sich ihm aufzudrärigen gesucht. Mrllevoye ries: „DaS ist eine Gemeinheit; Sie entehren die französische Tribüne." (Minuten lange. stürmische Zustimn ung rechts.) Da Millevoye zu schimpfen fortsuyr, befragte der Präsident das Haus, ob er die Zensur über den Redner verhängen solle. Millevoye bestieg die Tribüne, um sich zu verteidigen, was einen endlosen Sturm entfesselte, der noch Über boten ward, als Cavaignac die Regierung angriff. Tie Debatte setzie sich noch eine Zeit lang in sehr Passagen so stürmisch austchäumen wie die Skalen perlend abfließen, meisterte die vollgriffigen Akkorde und blitzartigen Sprünge mit ruhiger Bravour und zeigte in der Ausführung des herrlichen Andante, wieviel Schönheit und Schattierung des Anschlag«, wieviel Warwes musikalisches Empfinden ihr für zart poetische Ausdrucksstcllen zu Gebote ist. Künstlerisch fertige Technik und musikalisches Talent der Spielerin, die sie auch für Chopins b'-^ur- Ballade, einen Schubertschen Sonatensatz und Liszts L-6nr Polonaise mit glänzendem Eindruck ausbot, reihen dieselbe unseren besten Pianistinnen an. Al« zweite Solistin bethäligte sich ein Frl. v. Jerebtzosk. Sie sang mit wohlgebildeter sympathischer Sopra- - stimme von etwas dunkler Klangfarbe und kurzer Ton auSgebung eine stimmungsselige Arie anS Rubinsteins Oper „Die Kinder der Haide" und Lieder von Brahms, Schubert, Schumann. Ihr Vortrag war schön ge- gliedert und besonder« erwärmend im Ausdruck ruhiger sanfter Empfindungen. Ein so leidenschaftliches Lied wie Schumanns „FrühlingSnacht" entspricht allerdings nicht ihrem Naturell, doch fand sie sich auch damit intelligent und geschmackvoll ab. DaS Publikum erkannte den künstlerischen Wert dieser solistischen Darbietungen durch reichen Beifall an. Eine begeisterte Huldigung aber brachte e« nach dem programmäßigen Schluß de« Konzert« dem Leiter desselben und da« Orchester, welche» niemals zuvor die Ehre hatte, unter einem solchen Führer zu spielen, stimmte mit einem Tusch in die allgemeine enthusiastische Kundgebung ein. Der gefeierte Meister dankte dafür mit mehreren Slaviervorträgen: einer „Melodie' und eine» Walzer (b cknr) eigener Komposition. Wie er fpielte? Wir kein anderer Pianist der Gegenwart neben ihm! Daß er spielte, wird vielen das Konzert nnver geßlich machen. Rubinsteins beste Kompositionen werden ihn überleben und ihre Wirkungen in diesem Sinne unabhängig von ihm in kommender Zeit mit vielleicht noch erhöhter Kraft auf alle Empfänglichen geltend machen, aber der Zauber feines Klavierspiels lebt ja nur mit ibm und darum wissen wir dem unvergleich lichen Künstler tausendfachen Dank, daß er uns noch einmal das Glück gewährt hat, den größte» Klavier- poettn unserer Zeit bewundernd zu hören. Rubinstein auch hier im Dienste der Wohlthätig- keit — kein neues Bild mehr, aber ein neuer Bau stein zu dem ehrnen Monument, das eine dankbare Nachwelt dem edlen Meister schon um solcher Thaten willen einst errichten wird! -v *^Die Gründung meteorologischer Beobach- tungsstationen im Atlantischen Ozean hat der Fürst von Monaco in die Hand genommen. Wie der Kölnischen Zeitung" berichtet wird, hat er die See staaten eingeladen, zu diesem Zwecke Abgeordnete nach Monaco zu senden. Als Stationen sind die Azoren, die Kap Verdeinseln, die Kanarien- und die BermudaS- inseln in Aussicht genommen, die jetzt telegraphisch mit Europa in Verbindung stehen. Ter Vorschlag des Fürsten geht dahin, auf diesen Inseln je zwei Obser vatorien, da« eine nahe dem MeereSstrande, das andere auf dem erreichbar höchsten Punkte, zu errichten. Jede Station erhält einen Observator und einen Assistenten, deren Aufgabe e» ist, mUtel« selbstregistrierender Ap parate ummterbrochene Aufzeichnungen de; Luftdrucks, der Temperatur, der Feuchtigkeit, de« Winde« und der Bewölkung auszuführen Solche Beobachtungen sind für die Theorie der Luftcirkulation von größter Wich tigkeit. besonders winde eine Hochstatio» auf dem Pic dc Teyde die wertvollsten meteorologischen Daten liefern können. Auch die fogenannten Sturmwarnungen würden durch tägliche telegraphische Meldungen von den bezeichneten Inseln großen Nutzen haben, obgleich man letztere zunächst nicht allzu hoch veranschlagen darf, weil der mittlere Teil des Atlantischen Ozeans völlig insellos ist und auf dieser ungeheueren Fläche rasche nr d vielfache Veränderungen der atmosphärischen Diuckverteilung zu erfolgen pflegen. * Einige Organe der Presse brachten kürzlich Ar tikel, in welchen die Einführung von sogenannten Kartei briefen in Deutschland unter Berufung auf daS Beispiel audercr Länder, als im B.dürfnis liegend, bezeichnet wurde. Dabei war behauptet, daß die Be nutzung der Kartenbriefe in den Ländern, welche die- selben ausgegeben haben, eine sehr rege sei. Diese Behauptung ist nicht zutreffend. Der Absatz an Karten briefen hat im Jahre 1891 betragen: in Österreich 12 .00000, in Frankreich 7600000, in Belgien 3200 0 09, in Niederland 77000, in Portugal 80000 und in den Vereinigten Staat n von Amerika 910000 Suick Wie geringfügig diese Zaylen sind, wird so fort k ar, wenn man mit ihnen die Zahl der beförderten Briefe und Postkarten in den genannten Ländern vergleicht. Dieselbe delies sich I89l in Österreich aus 470000000, in Frankreich auf 882000000, in Belgien auf 153000000, in Niederland auf 107000000, in Portugal auf 31000000 und in den Vereinigten Staaten auf 2339000000 Stück Es stehen mithin den 24)4 Millionen Kartenbriefen in den genannten Ländern 3982 Millionen Briefe und erregter Weise fort; von der Angelegenheit der Frau Cottu ging man zur allgemeinen Politik über. E»d- lich brachte Ribot folgende Tagesordnung ein: Tie Kammer, entschlossen, der Gerechtigkeit volle Freiheit zu lassen, damit vollständiges Licht verbreitet werde, billigt die Erklärungen der Regierung und geht zur Tagesordnung über. Diese Tagesordnung wurde mit 297 gegen 228 Stimmen angenommen Währen) der Unterbrechung der Sitzung war Ribot von einem plötzlichen Unwohlsein befallen worden . . . Der Senat hat die Beratung über die Jnterpellaüon Monis betreffs der durch die Aussage der Frau Cottu ouf- gedkckten, Är.erniS erregenden Vorkommnisse aus morgen festgesetzt — Über den weiteren Verlauf des Pa namab» stech - ungSprozesses wird dem „B. T." berichtet: Die heutige Verhandlung fand unter großem Zudrange des Publikums statt. Auf Ersuchen des StaatS- anwalls ordnete der Präsident au, den bisherigen Jnstizminister Bourgeois zu vernehmen. Mehrere Zeugen sagten aus, der ehemalige Minister PveS Gliyot habe ihnen erklärt, daß Constans seiniüzeit während eines Ministerrates dem Präsidenten Carnot die Liste der bei der Pinamaangelegenyeit beteiligten Deputierten mitgeieilt habe. Der Präsident des Ge richtshofes gab hierauf den Befehl, HoeS Guyot vor- zuladeu. Der Verteidiger Lagasse beantraste die Ver nehmung von Constan«. Dann wurden zunächst mehrere Deputierte über das Verhalten von Sans- Leroy in der parlamentarischen Uniersuchu igskommijsion vernommen. Die Aussagen derselben enthielten nicht- von besonderem Interesse. Die auf Erfuchen Blon- dinS vorgeladenen Zeugen stellten demselben das beste Leumundszeugnis aus Der Zeichner Goyard, welcher die Begegnung zwischen Frau Cottu und Soinoury herbeigrführt hat, erklärte, daß er lediglich aus eigener Initiative und in niemandes Anstrage gehandelt habe. Hierauf erschien Bourgeois vor dem Gericht. Bourgeois legte auf das entschiedenste Verwahrung ein gegen alle Unterstel lungen, welche bezüglich seiner Person auS den Aus sagen der Frau Coltu gezogen worden seien. Er habe niemand ermächtigt, in seinem Namen in der in Rede stehenden Angelegenheit irgend welche Schritte zu unternehmen Er habe lediglich gestattet, daß Frau Cottu ihren Gallen besuchte; cs handelte sich hierbei um emen Akt reiner Menschlichkeit. Im übrigen habe er niemals von einer zwischen Frau Cottu und Soinoury stattgehabten Begegnung gehört. Er müsse daher die in dieser Beziehung an seine Person geknüpften Insinuationen als eine Infamie zurückweisen. Großes Aufsehen erregte ein. Bemerkung des Staatsanwalts, welcher sagte: „Ich kenne Bour geois zwanzig Jahre lang Ich bin dermaßen von seiner Ehrenhaftigkeit überzeugt, daß ich vorgestern sofort meine Demnsion eingereicht hätte, wenn die Aussagen der Frau Cottu dessen Ehre nur im ge ringsten verdächtigen könnten." Diese Worte riefen derartige Widersprüche im Auditorium hervor, daß der Saal geräumt wurde. Uves Gnyot richtete an de» Präsidenten des Gerichtshofes ein Schreiben, in welchem er erklärt, daß er jede Zeugnisaussage vermeige.u müsse, da durch eine solche ein in einer geheimen Sitzung des Ministerrats vorgilommener Zwischenfall der öffentlichen Erörterung preisgegrbrn würde. Der Gerichtthof beschloß hierauf, Guyot sür heute nochmals vorzuladen. Statistik und Volkswirtschaft. — Der Geschäfts! «richt der Berliner Spar- un» Depositenbank für -8S2 konstatier! ein rclattv gültige'- EurägniS trotz der im allgemeinen dem Bankgeschäft nicht günstigen Verhältnisse. Der erzülte Rohgewinn belrägt 110 681 M. 43 Ps. gegen 123 664 M 70 Pf. im Voijahre; nach Abzug der Geschchtsunlostkn ergiebl sich nach Überweisung von 4. 56 M 72 Pf. an den Reservefonds ein Reingewinn voa 81224 M. 57 Pf. Derselbe soll »>e folgt verieilt werden: Rückstellung auf Delcrederrkonto 20000 M, Tantiemen 5300 M., Trvidente 55000 M.; 874 M. 57 Pf. wurden auf neue Rechnung vorgetrageu. Heneratvirsauirnrrtngen. 20 März nachmittag? 4 Uhr: LereinSbank zu Är>mu.« Goldener Löwe. 20. Btärz n«chmrit«gS S Uhr: Baycrifches Brauhaus Dresden, Brabanter Hof. (Austeroid.) 21. März vormittags 1v Uhr: Zuckerfabrik Dvbelu Kleiu- bauchlitz. Taub«. 22 März, nachm.tiagS 2 Uhr: Vereinsbank zu Pirna, Kaijrrhof. 22. März nachmittag- 5 Uhr: Bautzner tkunstmühlr, BrlrirdSgrstllsch. Bautzen, Weißes Roß 22. März nachmittag- 2 Uhr: Ländl. Spar- und Bor- schußverein Rohr^dorf. Ekbaericbt .. , Postkarten gegenüber; dies ergiebt in Prozenten au-gedrückt für Karte >briefe da« Verhältnis von 0,6. Hiernach kann wohl nicht davon die Rede sein, daß die Kartenbriefe einem Verkehrsbcdürfn'sfe Rechnung trügen Wie wenig letzteres der Fall ist, dafür spricht außerdem die Thatsache, daß in einem Teil der Länder, welche diese ttartenbriese eine »führt haben, der Absatz an das Publikum seit der Einführung von Jahr zu Jahr zuruckgegangen ist; so z. B. hat der Absatz betragen: in Niederland 1889: 91800, 1891: 77000Slück, in Portugal 1887: 128000, 1891: 80000 Stück, in den Vereinigten Staaten von Amerika l887: 3481800, dagegen 1^91 nur noch 910000 Stück. Es bestätigt sich hier die allgemeine Erfahrung, daß jede auftauchende Neuerung in der Form rc der Korrespondenzmittel zuerst in gewissen Kreisen des Publikums Anhänger findet; bald aber ihre Bedeutung verliert, sowie der Reiz der Neuheit nicht mehr wirkt. Wenn in einem der betreffenden Artikel noch gesagt ist, daß in Deutsch land weniger Postwertzeichen zur Ausgabe ge langten, als in einzelnen anderen Ländern, so ist dabei gänzlich unberücksichtigt gelassen, daß den deutschen Postanstalten außer dem Verkauf der eigentlichen Postwertzeichen noch der Vertrieb einer außerordentlich großen Anzahl anderer Wertzeichen obliegt, nämlich der Vertrieb der Wechselstempelmarken, der Beitrags marken zur Invalidität«- und Altersversicherung, der Reichtstempelmarken und der gestempelten Anmelde scheine zur Erhebung der statistischen Gebühr. Es stehen hiernach der ReichSpostverwaltung gute Gründe zur Seite, wenn sie bei ihrer wohlüberlegten Ab lehnung drr sogenannten Kartenbriefe beharrt.