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Dresdner Journal : 22.02.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189302227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18930222
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18930222
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-02
- Tag 1893-02-22
-
Monat
1893-02
-
Jahr
1893
- Titel
- Dresdner Journal : 22.02.1893
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V >1 vr«»6«s vi«rt»IMdrtieli > »O kk, k«t I»»»«rl 6eu1»oi»«o viert«l- S X»r>r; »u»erti»Ib «Io» UsuticUe» tritt koit- u»6 8tempelru»ctl>»8 Liorvlov Hummers: 10 kk. Ls»üacklxu»r»xedü>»r«»r x« 4«o lt»um eiuer zeepslteoeu 2silo ^leiser gevriO 10 kk. Vater 6ie 2eU« S0 kk. Lei ^beUeu- uoä i!itk«ri>»»tr eutipn ^us»cdt»A. Lreekeinear IZ^liel» mit Xainekms 6er Loos- u. ?oi«rt»^e »daoä^ korr»precU-XL»otitll«»: t<r. 12VL. Mittwoch, den 22. Februar, abends. Dres-nerIomml. Für die Ge^amtiettung verantwortlich: ^ofrat Dtto Banck, Professor der kitteratur- und Kunstgeschichte. 1893. -»ULK«« res Lokünaixuvxvv Lu»«Lrte> l-etpri^: />. Lru»<i»trttrr, NommieeiouLr 6«» Dre»6aer 1ourn»Ii; Lewdar« >«rlm V»» l.«ip»ix L»»»l Sr«»l»a knmlrtm ». H: /Zaarenritin <t t'vAter, »«rlm-ViellHewdurU kr»^ l-etprlss-rreallkurt ». »l. Nüllckeu: ^«6. kerti Losäoe L«rUs-rn»»ttorr ». U. »laU8»rt: />aud« «K (.'o. / LerUo: /«vatictenciant, Lreileu: L'mit Serwerer. 0. Lc/>ü«ker, L»U« ». >.: Faret <K 0». Nerevixederr Nüaixl. Lrpeäitioa äs» vresäoer ^ouroeie. vrs»6eo, Avmxeritr. rv. I'«rn»xr«cU-Xo»cUtu»»: l^r. ILVL. Amtlicher Teil. Se Majestät der König haben Allergnädigst ge> ruht, dem Geheimen OberrechnungSrath Ottomar Michler da- Comthurkreuz II. Klasse de» Albrecht»- ordenS zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem zum Vorstande der landwirthschastlichen Versuchsstation zu Möckern ernannten seitherigen Professor an der Universität zu Tokio, Or. pbi). Kellner, den Titel Hofrath mit dem Range in der IV. Classe der Hofrangordnung zu verleihen. Dresden, 17. Februar. Mit Allerhöchster Ge nehmigung ist der Privatdocent an der Technischen Hochschule zu Berlin Or. plnl. Cornelius Gurlitt zum außerordentlichen Professor mit dem Lehrauftrage für Stillehre der technischen und tektonischen Künste, sowie für Formenlehre und Geschichte der Baukunst des Mittelalters an der hiesigen Technischen Hochschule ernannt worden. Wekanntrnachung. Das Ministerium des Innern hat I) dem allgemeinen Kranken- und Begräbniß-Unter- stützungS-Vereine zu Großenhain, eingeschriebene Hülfskasse, 2) der Kranken- und Begräbnißkasse „Vertrauen", eingeschriebene Hülfskasse, zu Dresden, 3) der St. Josephs Krankenkasse, eingeschriebene Hülfskasse, zu Dresden, 4) der Günther'schen Kranken- und Sterbekasse zu Waldheim, eingeschriebene Hülfskasse, b) der Kranken und Sterbekasse männlicher Tabakarbeiter zu Waldheim, eingeschriebene Hülfskasse, 6) der WaldHeimer Kranken- und Begräbnißkasse zu Waldheim, eingeschriebene Hülfskasse, 7) der Müller - Kranken- und Begräbnißkasse im Plauen'schen Grunde und Umgegend, ein geschriebene Hülfskasse, aus Grund zu 1) dessen revidirten Statut- vom 28. No vember 1892 zu 2) deren revidirten Statuts vom 12. No vember 1892 zu 3) deren revidirten Statuts vom 29. Oktober 1892 zu 4) deren revidirten Statut- vom 7. November 1892 beziehentlich des Nachtrags zu demselben vom 4. Februar 1893, zu 5) deren revidirten Statuts vom 9. November 1892 beziehentlich deS Nachtrags zu demselben vom 4. Februar 1893, zu 6) deren revidirten Statuts vom 12. November 1892 beziehentlich des Nachtrags zu demselben vom 4. Februar 1893, zu 7) deren Statuts vom 5. December 1892 bescheinigt, daß sie vorbehaltlich der Höhe des Kranken geldes , den Anforderungen des 8 75 des Kranken- versicherungsgesetzeS vom 15. Juni 1883 in der Fassung der Novelle vom 10. April 1892 genügen. Dresden, am 17. Februar 1893. Ministerium des Innern, Abiheilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel. Böttcher. Lippmann. Die zufolge Bekanntmachung vom 24. Oktober 1889 zum Geschäftsbetriebe in Sachsen zugelassene Ver sicherungs-Gesellschaft Arminia zu München betreibt inS- künftige auch die Lebensversicherung und führt die Firma Lunst und Wissenschaft. Der böse Geist. Roman von A. G. v. Suttner. r» (Fortsetzung.) „Davon würde ich Ihnen entschieden abraten; er könnte da» als eine Beleidigung auffassen, ins besondere da er, wie ich zufällig erfahren, eben jetzt in die Lage gekommen ist, über größere Mittel zu verfügen." „Dann natürlich nicht; ich dachte eben, er sei in Verlegenheit und habe sich gezwungen gesehen, das Geld irgendwo aufzunehmen, wo ihm in der Folge Unannehmlichkeiten erwachsen könnten." „Seien Sie ganz beruhigt; momentan thut eS ihm nicht weh, ein paar Tausend zu verlieren." Da er zu dunkeln begann, erklärte Eytzing, wieder heimkehren zu wollen, und er verabschiedete sich von Marcel in der Hoffnung, ihn wieder bald in Pötten- brunn zu sehen. VH. Lieber Eytzing I Als Sie die Güte hatten, mir Ihrem Versprechen gemäß über die Affaire Tannenberg Ragvtz wahrheits getreuen Bericht zu erstatten, legte ich mir Gewalt auf, um nicht in der ersten Erregung einen Entschluß zu fasten, den ich vielleicht in einem ruhigeren Augen blicke bereut hätte. Darum auch dankte ich Ihne» in kurzen Worten für Ihre Gefälligkeit und hielt den Drang zurück, unmittelbar in der Sache einen ent scheidenden Schritt zu thun. Ich habe jetzt vierund- „Arminia", Leben--, Aussteuer- und Militär dienstkosten-Versicherungs-Aktien Gesellschaft. Hierländischer Sitz derselben ist Dresden. Dresden, am 18. Februar 1893. Ministerium des Innern, Abtheilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel. Böttcher. Gersdorf. nichtamtlicher Teil. Telegraphische und telephonische Nachrichten. Berlin, 22. Februar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) DaS Armeeverordnungsblatt veröffentlicht eine Allerhöchste KabinettSordre, in der bestimmt wird, daß Kaisermanöver beim VIII., XIV. und XVI. ArmeecorpS im bevorstehenden Sommer abgrhalten »erden sollen. JedeS ArmeecorpS hat für sich große Parade. Lieguitz, 22. Februar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Bei der ReichStagSersatzwahl im Wahlkreise Liegnitz-Haynau-Goldberg sind nach den bis jetzt bekannt gewordenen Ergebnissen für Jungfer (deutsch.freif.) 10355 Stimmen, für Hertwig (Antisemit) 5999, für Kühne (Soz. Dem.) 4931 und für Graf Rothkirch (kons.) 13V2 Stimmen ab gegeben worden. Eine Stichwahl zwischen Jungfer und Hertwig gilt für sicher. Paris, 21. Februar. (W. T. B.) Den amt- lichen Angaben zufolge überstiegen die Rücknahmen aus den StaatSsparkaffen die Einlagen in der Zeit vom 11. bis 2V. Februar um 26 Millionen, seit Jahresbeginn um 78 Millionen. Tie „Liberte;" schreibt diese Erscheinung weniger der Agitation einzelner Blätter zu, alS der durch das Finanz- gesrtz vom 20. Dezember v. I. dekretierten Herab setzung deS Zinsfußes. Der „Tempö" hält seine gestrige Mitteilung aufrecht, daß der offizielle Ausweis lediglich die in der StaatödepotSkasse zentralisierten Operationen betreffe. — Als Kan didaten für daS Senatspräsidium werden noch ge- nannt: Juleö Simon, Bardoux und Loubet. — Der Senat hat die Präsidentenwahl auf Freitag aubrraumt. Die republikanischen Gruppen werden morgen zusammentreten, um die Kandidaten zu bezeichnen. Hull, 21. Februar. (W. T. B.) Heute fand hierselbst der Stapellauf deS Schnelldampfers „ChelmSford" statt, welchen die Great-Eastern- Eisenbahn für den Dienst zwischen Harwich und Hoek van Holland auf der geplanten neuen Reise- route zwischen London und Berlin hat bauen lassen. Durch diese neue Reute wird die Dauer der Reise von London nach Berlin um mehrere Stunden verkürzt. Belfast, 22. Februar. (Tel. d. DreSdn Journ.) Lie große Orangistrnloge veröffentlicht eine Kund gebung, in der verlangt wird, daß Irland ent weder vollständig mit England vereint oder voll ständig unabhängig wird. Der von Gladstone vorgeschlagenev Bill müsse entschiedener Wider stand entgegengesetzt werden. Stockholm, 21. Februar. (D.B.Hd.) Beide Kammern deS Reichstages bewilligten nach dem Vorschläge deS StaatsauSschusseS einstimmig die beiden ersten Haupttitel deS HauShaltSetatS für 1894 (Civilliste des Königs, Apanagen und Schloß verwaltung sowie Etat des JustizdepariementS). Konstantinopel, 21. Februar. (W. T. B.) Die „Agrnce de Constantinople" ist von zustän diger Seite ermächtigt worden, die Blättermclduug, wonach daS amerikanische Kollegium von Mersivan zwanzig Stunden vorübergehen lassen und reiflich überlegt; daS Ergebnis dieser Überlegung ist: daß Tannenberg sich eine gemeine Handlung zu Schulden kommen ließ, und daß er mich zweifach beleidigt hat. Erstens einmal durch die verleumderische Äußerung, daß ich mich der Eroberung der bewußten Danie sicher erklärt hätte; zweitens durch die Behauptung, daß ich bei jenem Zwischenfalle auf dem Balle mich entschuldigt hätte, weil ich mir einen Betrug mit seiner Karte erlaubte. Ich erbitte mir demnach von Ihnen den Freundschaftsdienst, Baron Tannenberg in meinem Namen zu fordern und sich mit seinen Zeugen über das Nähere ins Einvernehmen zu setzen. Auf Ihren freundlichen Beistand rechnend, grüßt Sie Ihr ergebener Heissenstein." Der Empfänger hatte daS Schreiben zum ersten Male rasch überflogen; jetzt laS er dasselbe noch einmal aufmerksam durch, legte es auf den Tisch und blickte dann eine Zeit lang nachdenklich vor sich hin. End lich erhob er sich, kleidete sich hastig zum AuSgehen an, schob den Brief in fein Portefeuille und verließ das HauS. Er nahm seinen Weg auf die Wohnung desOber- lieutenants Cloßmann zu. Dortselbst angelangt, ließ er sich durch den Burschen anmelden und erhielt die Antwort, daß der Herr Oberlieutenant zwar noch im Bette liege, aber den Herrn bitte, sich hinaufzu- bemühen. „Ich komme in einer delikaten Angelegenheit, lieber Eloßmann," ergriff der Besucher sogleich da» Wort. „Es hat etwa» zwischen Heissenstein und Tannenberg adgesetzt und ich bin von ersterem gebeten, ihm al» Sekundant zu dienen." im Lilajet SivaS (Kleinasien) durch Muselmanen in Brand gesteckt sein sollte, für durchaus falsch zu erklären. Ebenso unrichtig sei die Meldung über eine blutige Schlägerei zwischen Christen und Muselmanen in Cäsarea. Die Behauptung, daß die dortigen OrtSbehörden an die Musel manen Waffen verteilt hätten, sei eine absurde Verleumdung. Auch in europäischen Diplomaten- kreisen werde festgestellt, daß die in den Blättern über die genannten Vorgänge veröffentlichten Mit teilungen auf starken Übertreibungen beruhe». New-Uork, 21. Februar. (W. T. B.) Prin zessin Kilauani, die Nichte der bisherigen Königin Liliuokalani, richtete eine Petition an das ameri kanische Volk, in der sie gegen die Beraubung ihres Rechts auf die Thronfolge in Hawaii Ein spruch erhebt. New - Uork, 22 Feb ruar. (Tel. d. Dresdn. I ourn.) Der „Nrw-Aork Herald" meldet auS Bogota: Der englische Ministerresident sicherte der Regierung Columbiens zu, England werde Columbien kraft deS Clayton-Bulwrrschen Vertrages beistrhen, falls Frankreich sich in die Rechte Columbiens bezüglich deS Isthmus von Panama einmischen sollte. Dresden, 22. Februar. Zeilbctrachtungkn eines Unbefangenen. V. Das Parlamentswesen unserer Tage Es ist eine Schwäche der Deutschen, das Fremde zu überschätzen und darüber daS eigene Gut zu ver gessen. Die geringe Meinung, die wir von einer Sache hegen, drücken wir in den Worten aus: „sie ist nicht weit her". Seit den Tagen Ludwigs XIV. sehen wir alles, was von Frankreich kommt, für etwas Besonderes an. Die Modenwelt entlehnt ihre Tratten, das Kunstgewerbe seine Vorbilder aus Paris; sogar unsere schöne, reiche Sprache haben wir mit zahl- reichen der französischen Sprache entnommenen Zu- thaten verwelscht. Natürlich haben wir auch das französische Parlamentswesen nachgeahmt, die frühere Standes- und Interessenvertretung über Bord geworfen und dafür die Parterwirtschaft eingetauscht. Daß in Frankreich die Regierung von den Parteien abhängig ist, daß ein Ministerium stürzt, sobald es im Parla mente keine Mehrheit hat, und daß aus der obsiegen den Partei das neue Ministerium gebildet wird, daß also Aenau betrachtet, daS Parlament im Lande regiert und im Parlamente wiederum die Partei, hat unseren ehrgeizigen Freisinnig.'» schon lange gefallen. Ganz soweit wie die Franzosen haben sie es freilich noch nicht gebracht, aber das äußerliche Parteigetriebe haben sie ihnen richtig abgeguckt. Parteihrrrschaft, bei welcher der Schwerpunkt der Staatsgewalt in da» Parlament verlegt ist, verträgt sich allerdings nicht mit der monarchischen Staatsver- fassung, wie sie in Deutschland geschichtlich sich ent wickelt hat und mit dem ganzen Volkscharakter eng verwachsen ist. Daß die Eigenart des deutschen Volkes, sein ganzer Bildungsstand, seine religiösen Verhältnisse, die Lage des Landes im Herzen Europas, umgrenzt von Völkern anderer Abkunft, anderer Sprachen, anderer Gesittung, daß auch Klima und Bodenbeschaffenheit an die StaatSleitung Anforderungen stellen, die weit abweichen von den Bedürfnissen und Interessen anderer Staaten, namentlich der westlichen Nachbarn, stört die jetzt tonangebenden freisinnigen Politiker nicht im geringsten. Da ihnen die Fähig- keit abgeht, eigene Wege zur Förderung deS Gemein wohles zu finden, machen sie frischweg Anleihen bei dem Auslande und pfropfen uns Einrichtungen auf, die der Eigenart unseres Volkes fremd sind und sich sogar in ihrem Ursprungslande nicht bewährt haben. „Oho!" rief der andere, sich in seinem Bette streckend „Mir ist die Sache durchaus nicht angenehm," fuhr Eytzing fort. „Aber es geht schwer an, einen solchen Dienst abzulehnen." „Freilich; ohne triftigen Grund kann man sich dem selben nicht entziehen." „Es ist eine verflixte Geschichte, denn ein Duell, wo Heissenstein eine der Hauptrollen spielt, wird über die Mauern PottenbrunnS hinaus Lärm machen — und wenn am Ende etwas Ernstliches passiert, so können die Sekundanten das Bad ausgießen." „Allerdings; Heissenstein hat Verbindungen in den höchsten Kreisen und seit einiger Zeit ist man in derlei Affairen ganz besonders streng." „Eben darum dachte ich, ob eS nicht angezeigt sei, die Sache so still als möglich in Scene zu setzen; läuft das Ganze gut ab, um fo besser; wenn aber nicht, so muß man eben bedacht sein, sich vor den Folgen zu sichern. Ich gestehe, ich habe nicht Lust, meine Existenz wegen des Streites zweier anderer aufs Spiel zu setzen." „Vielleicht ließe sich eine Versöhnung herbeiführen," warf Cloßmann ein. „DaS ist, fürchte ich, leider unmöglich; eS scheint, daß eS eine Differenz abgesetzt hat, die nicht auf fried lichem Wege beizulegen ist. Hören Sie mich, Cloß mann: Sie könnten mir einen Dienst erweisen." „Sie fragen doch nicht erst lange, ob ich ihn er weisen will?" „Eben in der Voraussetzung Ihrer freundschaft lichen Zusage kam ich zu Ihnen; in kurzen Worten: ich kann mich vollkommen ans Ihre Verschwiegenheit So sind wir zu einem Parlamentarismus gekom men, der wunderliche Zustände im deutschen Volke zu Tage gefördert hat. Soweit unser Volk an öffentlichen Angelegenheiten teilnimmt, ist eS ergriffen von einem Parteigeist, der alles zersetzt. Jede öffentliche Frage wird sofort zur Parteifrage gemacht; Handel, Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft, Zoll- und Steuerwesen, rein volks wirtschaftliche Angelegenheiten, wie das Münzwese» und die Währungsfrage, ja selbst Dinge, über die eS für den Vaterlandsfreund eine Meinungsverschieden heit überhaupt nicht geben dürfte, wie Landesvertei digung und Heerwesen, kurz alles, wird jetzt als Par teisache behandelt; überall riecht und schmeckt cs nach Partei. Wahrhaftig ein unnatürlicher und ungefun der Zustand. Welche Vorstellung muß das Ausland vom deut schen Reiche bekommen, wenn es liest, wie im Reichs tage die Volksvertretung vom Parteiwesen zerklüftet und zerfressen ist! Der jetzige Reichstag ist gespalten in Deutschkonservative, Reichspartei, Zentrum, Polen, Nationallib»rale, Freisinnige, Volkspartei, Sozial demokraten und sogen. Wilde, die keiner Partei angehören. Vor etlichen Wochn war zu alle« Überfluß sogar von Bildung einer neuen Partei die Rede. Diese Zerklüftung wirkt natürlich auf die Behänd lung der Geschäfte im Reichstage. Jede Partei oder „Fraktion" — zu Deutsch: Bruch oder Bruchstück, ein hübsches Fremdwort zur Bezeichnung der Volks vertretung des geeinigten deutschen Reiches! — hält ihre besonderen Beratungen ab, in denen zu den Vor lagen des Bundesrats Stellung genommen wird Bisweilen werden auch die Redner bestimmt, die bei der Reichstogiverhandlung die Partei vertreten sollen Daß bei der Abstimmung jedes Parteimitglied nur so stimmen darf, wie es in der Vorbesprechung be schlossen wurde, gilt als eine Art von Ehrensache Aber wo bleibt das vom Freisinn so hoch gehaltene Recht be freien Mannes, unbeirrt nur feiner Überzeugung zu folgen? Darf der einzelne sprechen, wann er will oder wie er will? Sein freier Wille geht auf, oder richtiger: unter in dem Parteiwillen. Und wer macht diesen? Ja, wer? Das ist ein oft undurchdringliche- Geheimnis. So ist das Schicksal einer Vorlage mei stens schon entschieden, ehe sie zur Beratung und Ab stimmung in der Sitzung des Reichstags selber kommt. Aber wozu dient dann überhaupt die Beratung in öffentlicher Sitzung des Reichstags? Das ist oft schwer zu sagen. Bloß von einer Partei wissen wir gewiß, wozu ihr die öffentliche Beratung dient: die Redner der Sozialdemokraten sprechen alle zum Fenster hinaus; ihre Reden haben nur den Zweck, hinter der Schutzuehr der Redefreiheit Dinge, die man nicht drucken zu lassen wagt, in daS Volk zu bringen und die Gärung in der aufgeregten, unzufrieden gemachten Gefolgschaft immer aufs neue zu nähren. Auch von Rednern anderer Parteien werden zuweilen bloß Wahl reden gehalten, die ihnen für künftige Fälle zu einer Stimmenmehrheit verhelfen sollen. Oft auch dienen die Verhandlungen den Parteien, sich gegenseitig eine Schlacht zu liefern und ihre Kräfte zu messen. Darüber wird der eigentliche Beratungs gegenstand zur Nebensache; über dem Streite der Par teien wird vergessen, was Sachkenntnis und Erfahrung zur gedeihlichen Behandlung des eigentlichen Be ratungsgegenstandes beitragen könnten und sollten. Wie wäre e» sonst möglich, »aß in einer Sitzung, deren Tagesordnung lautet: „Etat des Reichsamte» des Innern", sich eine fünftägige Redeschlacht ent- spinnen konnte über den sozialdemokratischen Zukunft-- staat? Und wie wurde der Streit geführt! Auf einen derben Hieb folgte ein grober Gegenhieb; häufige Zwischenrufe unterbrachen den Redner; bisweilen artete verlassen. Sie werden auS Erfahrung wissen, daß bei Duellen einer oder der andere Zeuge in der Regel zur Unzeit plaudert. Wenn ich also bei der leidigen Angelegenheit eine Rolle spielen muß, so möchte ich des anderen Sekundanten sicher sein, und, wie gesagt, ich wüßte außer Ihnen niemanden, auf den ich mich ganz verlassen könnte. Vielleicht sehe ich zu schwarz — aber Heissenstein befindet sich in einer Stimmung, auS der ich schließen kann, daß er in seiner Ehre schwer gekränkt worden ist. Selbstverständlich werde ich von meiner Seite alles aufbieten, um den Streit beizulegen, und gebe Gott, daß es gelingt. Mir ist die unangenehme Mission anvertraut, Tannenberg die Herausforderung zu überbringen; fall» er mich nun bezüglich eines Sekundanten befragt, darf ich ihn an Sie weisen?" „Hm, Tannenberg ist mir gerade kein sehr sym pathischer Herr," versetzte Cloßmann zögernd, „doch da eS Ihnen daran gelegen scheint, daß ich das Amt übernehme, so bin ich natürlich einverstanden." „Damit verbinden Sie mich ganz ausnehmend, lieber Freund. Ich danke Ihnen; nun sehe ich den Dingen etwas ruhiger entgegen." Eytzing brachte das Gespräch nach und nach auf ein anderes Thema, nachdem er noch dem Ober lieutenant zu verstehen gegeben, daß Tannenberg de» Prinzen öffentlich der Feigheit bezichtigt haben sollte. Man kam auf da» Spielen zu sprechen und auf da» merkwürdige Unglück, da» Cloßmann in der letzten Zeit verfolgte. Im rechten Augenblicke ließ noch der Besucher die Bemerkung fallen, daß Marcel seine Ver wunderung über die pünktliche Zahlung von selten de-
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