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31. Dienstag, den 7. Februar, abends. 1893. v<-rus»N'vl»r sür Vr«»a«i> viert»lji»krlick 2 KO kl, 1>« <t«> N«i»vrl 6e>tt»ol>«n ?o,t»o»t»lt«a F»ert»l- M»Uet> 3 lliu^k; »u»ierb»Ib 6e» <iout»ck«o tritt kost- uoä 8tt-mpel»u»odl»8 bin»». Liuivln» Kuminerr»! IO kk. Lnkauaixunr»rol»ükrenr ?ür 4sa NLUm eiovr s?«,p»Iteoev 2«i>« lllsio« kvturikt 20 kk. Votvr ,,kio8S»»L<lt" 6 t« 2«ils SO ?k. li«i I'itbsUsll- uoä Litkero»»tr «utspr. ^ukocblitL Lr»ed«Iuear N^liot» mit Lu«Q«kws 6er 8001»- u. kHert^e »devä». k'srniprscb- Xoicblu»»: lir. 128». DreMerImn n al. Für die Gcsamtleitung verantwortlich: L^ofrat Otto Banck, Professor der (Literatur- und Kunstgeschichte. ^aa»dm« v»u ^vtanitixunxeo »us^Lrt»: />>. /iruniirtrtt^r, Uowmi»»iouLr 6e» Ure«>ovr 6ourn»Is; N»»d«rU N«rl>ll V>«a L»»,l Lr«»l»> rnmilt»rt ». N.r //acti«n»trin <L ^o<//er, Lorlm - Visaklriodurz kr«x l.«ip,iss ^r»okN>-t ». N. Iliiacd«»: /tuct. ^/n«e,- v»rt» Lo^cko» I»rUii-^r»okturr »H »tattert: />»»(-« <A t?o. / L«rUo: /n' <i/i<irn<t^n^, Lr«,I»u: H,i L»»»or«r: 6?. L»1Is ».3.: Larct >1 ller»v»xedert LSvizl. LLpeüitio» 6«s OresNoer 2ourr>»I». vr«»6eo, L viozeritr. 20. karorprscü-^oicklus»: lir. 122». Amtlicher Teil. Dresden, 7. Februar. Se. Königl. Hoheit der Prinz Friedrich August, Herzog zu Sachsen, ist vergangene Nacht 12 Uhr 55 Min. von Berlin wieder hier eingetroffen Dresden, 31. Januar. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem in den Ruhestand getretenen Lehrer Gustav Adolf Kaiser in Crim mitschau das Verdienstkreuz zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Postdireclor Alwin Julius Oehme in Leipzig und der Posthalter Franz Jäger in Annaberg die ihnen von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen ver liehenen Decorationen und zwar Oehme den Rothen Adler-Orden lV. Klasse, Jäger den Kronen-Orden IV. Klasse anlegen. Se. Majestät der König haben dem Postpackmeister Clauß in Dresden die Erlaubniß zum Anlegen des ibm von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen verliehenen Allgemeinen Ehren zeichens Allergnädigst zu ertheilen geruht. nichtamtlicher Teil. Telegraphische und telephonische Vachrichten. Halle, 7. Ftbruar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Zn Nittleben kamen zwei choleraverdächtige Er krankungen und ein Todesfall vor. Unter dm am Sonntag Erkrankten ergab die Untersuchung bei einem Falle asiatische Cholera. EincFraueuö- ptrson ist noch in Untersuchung. Bei den gestern Erkrankten ist ebenfalls in einem Falle asiatlsche Cholera ftstg,stellt worden. London, 6. Februar. (W T.B.) In Burnley wurde an Stelle deS GladstoneanerS Spencer Balfour der Gladstoneaner Philip Stanhope zum Mitglied» dtS GemrinderattS gewählt. Derselbe erhielt 683 Stimmen mehr als sein konstrvativer Grgtnkandidat Lindsay. London, 6. Februar. (W. T B.) Dem „Reuterschen Bureaus" wird anS Buenos Ayr»S von heute gemtldrt: 3000 Ansiedler der Provinz Santa Kö, mit Gewehren und mehreren Kanonen ausgerüstet, haben sich erhoben, um g-gm die von der Provinzialregierung cingrführte Getreidestruer Protest einzulegen. Der Gouverneur entsandte Truppen und Artillerie, um die Bewegung zu unterdiücken. London, 7. Februar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Unterhaus. Wharton hatte ein Amendement be- antragt, worin dem Bedauern Ausdruck gegeben wird, daß krine Maßregeln zur Erleichterung der Lasten der unter dem Notstand der Landwirtschaft leidenden Bevölkerung vorgrschlagen würden Gard ner bekämpfte dasselbe und betonte, die Landwirt schaft verdiene lebhafte Sympathie, aber während der Debrtte habe niemand wirksame Ldhilfsmittrl vorgeschlage-. Die landwirtschaftliche Konferenz habe den Schutzzoll empfohlen, indes d» Führer der Opposition diese Ansicht nicht zu teilen scheinen, auch eine Erleichterung der Steuerlasten nicht unterstützen. Tie Vertreter der Landwirtschaft seien über die Mittel zur Abhilfe deö Notstandes nicht einig, deshalb sei die Einsetzung e nrs Unter suchungsausschusses der beste AuSweg, um eine Grundlage für die Gesetzgebung zu finden. Washington, 7. Februar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der oberste Gerichtshof entschied, daß die Artikel der Strumpfwirkern einem Zolle von 60 Prozeut unterliegen sollen. Buda-Pest, 6. Februar. (W. T. B) Eine von 700 Arbeitern der ungarischen Waffenfabrik abgehaltene Versammlung nahm einen so stür mischen Verlauf, daß dieselbe polizeilich aufgelöst wurde. Ja der Versammlung wurde beschlossen, durch eine Deputation einen Abgeordneten zur Eindringung einer di» ungarische Waffenfabrik betreffenden Interpellation auffordern zu lassen. Heute vormittag haben sich 600 Arbeiter zur Wiederaufnahme der Arbeit gemeldet. Gent, 7. Februar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Gestern nachmittag kam »S zu einem Handgemenge zwischen Poli ei und zum Militärdienst auSgeho- benen jungen Leuten. Eine rasch sich sammelnde Menge ergriff für die letzteren Part-i und schleu- derte Steine gegen die Polizeiagentrn, welche von ihrer Waffe Gebrauch machten. Mehrere junge Leute wurden verwundet, etwa zwölf derselben verhaftet. Kür H ute und morgen, wo die AuS Hebung forttauert, sind besondere Vorsichtsmaß regeln angeordnet worden. Rom, 7. Februar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Gestern abend fand auf der deutschen Botschaft »ine große Ballfestlichkeit statt. DaS Königspaar traf mit dem Grafen von Turin und hohen Würdenträgern um 11 Uhr aus der Botschaft ein und w irb» vom Graftn SolmS am Fußt der Treppe empfangen. Der Botschafter reichte Ihrer Majestät der Königin den Arm und geleitete Allrrhöchstdirselbe in den F stsaal. Beim Eintritt der Majestäten stimmte die Musik die italieni sche Königshym^e an. Der Ball wurde mit einer Quadrille eröffnet, welche Ihre Majestät die Königin mit dem Botschafter tanztt. Kunst und Wissenschaft. Der böse Geist Roman von A. G. v. Suttner. b (Fortsetzung.) „DaS war eine schreckliche Nacht!" Hub der Baron an, wuder erscheinend. „Ein unerklärliches Angst gefühl weckte mich aus dem Schlafe, und als ich die Augen öffnete, sah ich mein Zimmer von glühender Röte erhellt. Alles schlief, niemand hatte eine Ahnung. Als ich ins Freie eilte, brannte die Scheune bereits lichterloh an allen Ecken." „Ja, es war furchtbar!" bestätigte Zoe. „Um so furchtbarer, da wir bei den ersten Löschversuchen bereits die Gewißheit gewonnen hotten, daß unsere Feuer- sprihe dienstuntauglich sei. Die armen Leute kamen mit ihren Wassereim.rn herbeigeeilt — aber es war, wie wenn man gehofft hätte, mit einem Tropfen Wasser einen brennenden Strohhaufen zu löschen. Im Geiste sah ich bereits alles in Schutt und Asche verwandelt." „Wenn die Hilfe noch eine Viertelstunde auS- geblieben wäre, hätte es auch fo enden müssen," ver setzte der Vater. „Ich darf nicht vergessen, nach Potten- brunn ein Dankschreiben zu senden und ebenso nach Mühldorf; es war sehr freundlich von Herrn v. Eytzing, uns so rasch beizustehen." „Und nach Steinbrunn?" frug sie scherzend. „Dorthin brauche ich wedex. zu schreiben, noch ist es notwendig, unserem guten Lcarcel eine wohlgesetzte Dresden, 7. Februar. Die Italiener am Roten Meere. In Italien, wo gegenwärtig die Angelegenheit der „Banca Romana" die öffentliche Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf sich gelenkt hat, werden demnächst auch die jüngsten Vorgänge im Kolonialgebiet am Roten Meere Veranlassung dazu bieten, der Rolonial- politik wieder ein besonderes Augenmerk zuzuwenden. Das Gebiet am Roten Meere hat sich nicht als ein solches erwiesen, da- geeignet wäre, der durch massen hafte Auswanderung alljährlich verloren gehenden Volkskraft einen neuen Zielpunkt zu gewinnen, wo die Aue Wanderer dem Vatcrlande erhalten bleiben. Indes ist diese Rücksicht auf die Auswanderung nicht der einzige Beweggrund gewesen, weshalb die Kolonialfrage in Italien auf die Tagesordnung ge setzt wurde; man hatte es in erster Linie auf den An bau von Kolonialprodukten abgesehen. Außedem hat daS Verlangen nach Bethäugung der jungen Groß macht in überseeischen Unternehmungen, wenn man will, auch die Eifersucht auf Frankreich wesentlich mit gespielt. Man erinnert sich, — so führen die „Hamb. Nachr." in einem Leitartikel, dem wir das Nachfolgende entheben, aus — wie im Jahre 1881 das eigenmäch tige Auftreten Frankreichs bei Verdrängung der Ita liener aus dem halbgewonnenen Tunis die öffentliche Meinung auf der apenninischen Halbinsel in fieber hafte Aufregung versetzte. Das Ministerium Cairoli ward gestürzt; sein Nachfolger Mancini nahm die schmrrzliche Einbuße als Thotsache hin, besetzte aber statt dessen im Jahre 1882 Assab und im Jahre 1884 Maffaua an der südlichen Westküste des Roten Meeres, um dort Anhalttpunkte für ein weiteres Vordringen landeinwärts zu gewinnen. Der Rückzug der Eng- Dankrede zu halten', erwiderte der Baron, seine Hand auf die des Gastes legend. „Er weiß sehr gut, wie ich ihm gegenüber denke, und daß ich ihn als sozu sagen zu uns gehörend betrachte" „Da haben Sie sehr recht; ich kann nur die Hoff nung aussprechen, einmal wirklich ganz und gar zu Ihnen zu gehören." Baron Ragotz nickte ihm freundlich zu.- „Sollen hier offene Arme finden, die Sie empfangen . . . . Zoe, bitte noch um eine Taffe Thee. Danke. Nun aber heißt es bei der nichts weniger als erfreulichen Gegenwart bleiben; vor allem: wie und wo werden wir uns für die nächste Zeit einquartieren?" „Wie und wo?" „Nun ja ; wir brauchen doch jedenfalls ein Dach über nuferen Köpfen, und das mangelt uns total." „Man wird aber doch gleich die Arbeiten in An griff nehmen und —" „Das ist noch sehr die Frage, ob »S möglich ist. Der Winter steht vor der Thüre; bis daS notwen dige Mattrial herbeigeschafft ist, vergeht einige Zeit und bei Schneefall ist das Arbeiten erschwert; ich werde mich vielleicht entschließen müssen, vor der Hand eine provisorische Deckung mit Brettern und Stroh vorzunehmen und eist mit dem Frühjahre zu beginnen." „Ich wage eS nicht, Ihnen Steinbrunn zum Auf enthalte anzubieten," sagte Marcel. „Ich könnte zwar »instweilrn in das Gärtnerhaus ziehen —" „Nein, daS geht ans verschiedenen Gründen nicht, lieber Freund, das Einfachste wird sein, wir ziehen über den Winter nach Pottenbrunn Ich könnte länder auS dem Su^an nach dem Untergange GordonS in Khartum vereitelte einen Teil der italienischen Hoffnungen; die Italiener glaubten nämlich gerade im Bunde mit England für sich be- findere Vorteile erreichen zu können. Es zeigte sich bald, daß die kleine Koralleninsel, auf der Massaua liegt, in dem selbst für Südeuropäer beschwerlichen Klima ein mißlicher Aufenthalt war; man suchte des halb auf daS abessinische Hochland vorzudringen und setzte sich zu diesem Zwecke mit dem NeguS Johannes in Verbindung Der aber zeigte sich, sei es aus eigener Klugheit oder infolge französischer Einflüster ungen, mißtrauisch und abweisend- so drangen denn einige italienische Compagnien im Dezember 1886 auf eigene Hand vor, wurden aber von dem abessinischen Fürsten Ras Alula bei Dogali überfallen und fast gänzlich vernichtet. Nun war die „Ehre der drei farbigen Fahne" verpfändet; dem General Gen« wurden Verstärkungen gesandt und 5 Millionen Lire für die Strafvollziehung an den Abessiniern bewilligt. Unter dem neuen, an Robilants Stelle getretenen Minister Depretis ward die Scharte notdürftig auS- geweht, zugleich aber von letzterem in der Kammer die Erklärung abgegeben, daß man sich in Zukunft aus ein handelspolitisches Ziel beschränken und auf kostspielige Eroberungen verzichten werde. Eine Lebensbedingung der jungen italienischen Pflanzstätte war und ist daS Verhältnis zu ihrem südlichen Nachbar, dem uralten äthiopischen Reiche in Abessinien. Dieses Land ist trotz seines monophy sitischen Christentums eine wunderliche Mischung von Kultur und Barbarei geblieben. Dort hatte sich seit dem jähen Sturz des Kaisers Theodor durch die Engländer im Jahre 1867 auf den von diesen hinter lassenen Trümmern der Negus Kassai empocgearbeitct und sich nach Überwindung seiner Nebenbuhler eben falls unter dem Namen Johannes zum Negus- Negesti, d. h König der Könige, gemacht Als die Italiener dort in der Nähe schon Fuß gefaßt hatten, folgte diesem Johannes König Menelik, der, wie jener, die Oberherrschaft über die drei alten Reiche Tigre, Schoar und Gondar in Anspruch nahm. Um sich gegen feine Mitbewerber zu stärken, ließ sich Menelik auf Unterhandlungen mit Italien ein und schloß im Mai 1889 mit dem Grafen Antonelli einen Vertrag über die Grenzlinien zwischen beiden Gebieten; es ward ausgemacht, daß beiderseits ein Grenzzoll von nicht über 8 Proz. erhoben, der Sklavenhandel abgeschafft, die Waffeneinfuhr nur für Rechnung König Meneliks gestattet, dagegen alle Ver handlungen mit auswärtigen Mächten nur durch Ver mittelung der Italiener geführt werden sollten. Im September 1889 erschienen die Gesandten Meneliks in Rom, um König Humbert zu begrüßen, und wurden dort mit aller gebührenden Feierlichkeit empfangen. Am 1. Oktober ward zu Neapel ein Zusatzartikel unterzeichnet, nach welchem Italien Menelik als „König der Könige", d. h. als Kaiser, anerkannte, wo gegen dieser den Italienern ihre Kolonie am Roten Meer bestätigte; dem „Negus-Negesti" ward das Recht eingeräumt, an Stelle der alten Theresienthaler in Italien neue Münzen schlagen zu lassen, und endlich ward ibm eine Anleihe von 4 Millionen Lire bewilligt. Auf dieser Grundlage ward im Januar 1890 die neue Ansiedelung unter dem klangvollen Namen Oolonia Lritrea — so benannt nach dem erythiäischen oder Roten Meer — förmlich or ani- siert und ihr im Juni desselben Jahres in der Person deS Generals Gandolfi ein neuer Statthalter bestellt. Es zeigte sich aber bald, daß geschriebene Verträge nur ein trügliches Band der Freundschaft sind, zu mal, wie hier im Morgenland'. Tie Reibereien der Italiener an der Marebgrenze mit dem Lehnsfürsten Doktor Ratmann ersuchen, uns eine Wohnung aus findig zu machen; was m-inst Du, Zoe?" „Nicht gerne," lautete die Antwort. „Doch wenn Du es sür notwendig hältst, so giebt cS freilich nichts einzuwenden." „Eins steht fest: daß wir Buchenfeld auf mehrere Monate verlassen müssen. Denk nur: das decktnlose Stiegenbaus, die eingestürzten Schornsteine, die Kälte ohne Dach, dazu meterhoher Schnee — ich danke! Man könnte eine Todeskrankheit dabei bekommen." „Ja, ich halte es nicht für ratsam, hier zu blei ben," stimmte Marcel bei, „und da ich sehr gut be greife, daß Sie meine Einladung nicht annehmen können, so dürfte wohl Pottenbrunn der geeignetste Ort sein." „Ich bin mit allem zufrieden." entschied Zoe. „Allerdings finde ich am kleinstädtischen Leden nichts Verlockendes, aber Not bricht Ersen, wir müssen unS also bequemen, eine Saison in der „Residenz" unseres Viertels mitzumachen. Wer weiß, vielleicht gestaltet sich die Sache noch recht lustig. Vor zwei Jahren machte ich dort einen Ball mit, der dem seligen Dickens Stoff zu einem köstlichen Kapitel geliefert hätte." „Das fall sich seither sehr gcändert haben," be merkte Marcel „Seitdem Pottenbrunn eine Garnison besitzt und noch dazu Dragoner, geht eS sehr vor nehm her." „Da wären mir die alten Zustände saft lieber," warf Zoe rin, „doch, wir werden ja sehen; jedenfalls freue ich mich schon auf den Tag, wo wir wieder hier unsern Einzug halten." Im Laufe des Vormittags trat Marcel wieder den Heimweg an und Baron Ragotz beeilte sich, die RaS Mangascha und Ras Meschascha von Tigre hörten nicht auf, auch nachdem Menelik einen dritten Gegner, Ras Alula, im Januar 1890 geschlagen hatte. Im Februar 1890, nach Ratifikation des obigen Vertrages, ward die Grenze der italienischen Kolonie fieiwillig soweit eingezogen, daß sie sich auf daS Dreieck Massaua Keren-ASmara beschränkte. Mcne- lik schien zufrieden und schrieb noch am 23. Dezem der 1890 dem General Gandolfi einen Brief, in welchem er seine Hoffnung aus Bestand der italienischen Freundschaft aussprach. Allein schon waren am abes sinischen Hofe andere Einflüsse thätig, um die Ein tracht zu trüben; auch die erhoffte Vereinbarung mit England über die italienische Interessensphäre kam nicht zu stände; nur daß die Engländer nichts da gegen hatten, wenn Italien die wertlose Somaliküste im Süden Abessiniens seinem Schutzgebiet hinzufügte. Im Jahre 1891 ei hoben sich dazu auch innere Schwierigkeiten im Scboße der Kolonie selbst, infolge der Enthüllungen des Lieutenants Livraghi über Grau samkeiten, die von italienischen Beamten gegen Eingeborene verübt sein sollten. Es ward von Rom aus eine Untersuchungskommission nach Massaua geschickt, die mit General Gandolfi wegen ihrer Befugnisse in Konflikt geriet. Der in die Säweiz geflüchtete Livraghi ward ausgeliefert und im November vor Gericht gestellt, wobei manche recht schlimme Vorgänge sich bestätigten. Unterdessen hatte Menelik soviel Mojestätsgefühl wiedergewonnen, daß er hinterdrein den Artikel 17 des Vertrages verwarf, der ihn den auswärtigen Mächten gegenüber unter italienische Kuratel stellte. Tie abermalige Sendung des Grafen Antonelli im Frühling I89l blieb ohne Erfolg; die Verhandlungen wurden schroff abgebrochen und alles Liebesmühen der lockenden Sirene Italien erwies sich bei dem „König der Könige" als verlorene Arbeit. Im Laufe des vorigen Jahres haben sich nun die Italiener besonders mit der vom Minister Rudini an geordneten Trennung der Civil- und Militärgewalt in ihrer erythräijchen Kolonie befaßt, dagegen daS Verhältnis zu Abessinien im Ltutus guo gelassen. In den jünasten Wochen sind vcm Roten Meer recht bedenkliche Nachrichten eingctroffen, die es zweifellos erscheinen lassen, daß die abessinischen Fürsten, groß wie klein, sich gegen die Fremden die Hand zum Bunde gereicht haben. Menelik und Ras Mangascha von Tigre haben sich ausgesöhnt; Ras Alula, der Todfeind des ersteren, soll ins Gebirge geflohen und die Italiener in ihren isolierten Stellungen am Rande des Hochlandes bedroht sein. Menelik hat schon im vorigen Jahre an die europäischen Mächte eine Ver Wahrung gegen die italienischen Anmaßungen ge richtet und sogar den eingezahlten Teil der ihm be willigten italienischen Anleihe zurückgeschickt. Infolge dessen hatte damals General Gandolfi eine persönliche Be gegnung mitdenobengenanntenFürstengehabtundsich ge schmeichelt, sie auf seim Seite gebracht zu haben, als derKrieg zwischen Tigre und Schoa wirklich im vorigen Sommer ausbrach Jetzt aber sehen die Italiener zu ihrer Überraschung ein, daß sie die Geprellten sind; denn die Feinde vom vorigen Sommer sind — wie man auch an anderen Orten Afrikas erfahren hat — dem europäischen Eindringling gegenüber ein Herz und eine Seele und man kann nicht leugnen, daß sich darin ein richtiger Instinkt der Selbsterhaltung ver rät. Den neuesten Nachrichten zufolge soll sich auch RaS Alula dem RaS Mangascha unterworfen haben und der Negus Negesti Menelik in Lasta erwartet werd»», um die Huldigung Mangaschas entgegen- zunehmen, der zum Negus erhoben werden soll. An dere sagen, beide Lehnsfürsten, Mangascha und Alula, würden nächstens in Adua erwartet. beiden Dankschreiben zu verfassen, von denen er ge sprochen hatte. Am nächsten Morgen kamen zwei Last wagen in den Hof gefahren und der Baron, der die selben bemerkt hatte, wollte eben fragen, was das zu bedeuten habe, als ihm der Diener einen Brief über brachte. „Einer der Fuhrleute hat mir denselben übergeben", sagte er erklärend. Der Gebieter nahm das Schreiben in Empfang, riß die Hülle auf und las: „Hochverehrter Herr! Gestatten Sie mir vor allem, Ihnen für Ihre liebenswürdigen Zeilen von gestern zu danken. Daß ich Ihnen Htlse sandte, ist wohl selbstvei stündlich Nun ist es aber auf dem Lande eine alte Gepflogen heit, daß bei Brandunglücken die Nachbarn dem Be troffenen nach besten Kräften unter die Aime zu greifen bemüht sind, und demzufolge bitte ich Sie, ein Pro dukt meiner Jndustr e, das Ihnen Dienste leisten wird, annehmen zu wollen. Es ist dies ein neuerfundenes und von mir angefertigtes Deckmaterial, das sich seiner Leichtigkeit und Feuersiä erheit wegen besonders eignet und welches ich zur Wiederherstellung Ihrer beschä digten Gebäude zu benützen bitte. Verzeihen Sie, daß ich bisher meiner ersten Nach barpflicht nicht nachgekommen bin, allein »m Drana» der Geschäfte fand ,ch noch keinen freien Augenblick, um Ihnen und Ihrem Fräulein Tochter meine Auf wartung zu machen Bei nächster Gelegenheit will ich daS Versäumte nachholen. Mit d»r Versicherung vorzüglicher Hochachtung Ihr ganz ergebener Jörg v. Eytzing."