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Dresdner Journal : 23.01.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189301238
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18930123
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18930123
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-01
- Tag 1893-01-23
-
Monat
1893-01
-
Jahr
1893
- Titel
- Dresdner Journal : 23.01.1893
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Erste Beilage zu 18 des DktRÄUtk AöUsllülA Montag, den 23. Zanuar 1893, abends. Tagtsgeschichte. (Fortsetzung »u- de» Hauptblatte.) x^r Pari-, 21. Januar. Andrieux tritt wieder in den Vordergrund. Nach seinem letzten Besuche bei Cornelius Herz erklärte er mehreren Journalisten, er sei mit neuen Waffen ausgerüstet; er hat gestern von denselben Gebrauch gemacht. In einem langen Verhör vor dem PanamaauSschujse (dar wir vor gestern bereits erwähnt hatten) bestätigte und ergänzte er seine früheren Aussagen. Die wichtigsten Punkte diese» Verhör» sind folgende: Mehrere Autfchußmitglieder verlangten Ausschluß über die giouviersche Angelegenheit; Andrieux antwortete: „Ich bin kein Ankläger, sonde n cin b oßer Zeuge; aber ich will eme Thatlache ansührrn. Im Mai lb87 wurde der Finanzminisler lnouvier von ernem Morgenblatte, welches Boulanger ver teidigte, angegriffen; da» Bedürfnis nach geheimen Fonds «achte sich fühlbar, weniger zu einem politischen, al« zu einem perivnlichrn Zwecke. Um den Angriffen ein Ende zu machrn, mußte Hr. Rouvier too vvo F cS. zahlen. Er erklärte den Cache ernrm Kollegen und erwrrlte im Ministerral die Aus zahlung einer Summe von »0 000 FrcS., die zur Halste die Fonds d-S KriegSm.niberiums und zur Hälsle drnj'Mgen des Ministeriums drr auswärtigen Angelegenheiten enlnommen wurde Falls man diese Thatsache bestreiten wollte, würde ich mich aus da» Zeugnis de» Genera!- Ferron und de- Hrn. FiourenS, die damals Minister der Kriegs und de- Äußern waren, berusen. Aber der Feldzug jenes BlaiteS dauerte gegen die anderen KabinettSmitgliedrr sort, und der General Ferron beschwerte sich bitter über ihn. Als» Hr. Rouvier bediente sich der geheimen Fonds, um persönliche An griffe abzuwehreu. Lies wtcd noch dadurch erschwert, daß Hr. Rouvier später den General Boulanger au- ähnlichen Gründen verurterlen ließ " Vorsitzender Brisson: „Bou welchem Blatt sprechen Sie?" Andrieux: „Sic kennen dasselbe wohl Muß ich seinen Namen nennen? E» ist die „Lanter ne"; ihrem Direktor wurde unter mir wohlbekannten Umständen jenes Geld im Finanzministerium ausgezahlt." Andrieux sprach sodann van der brkannir» Liste, die ihm von Cor» Herz zugeftellt worben, derselben, welche van d«. Reinach dr« Kemmi- Etvphane in dir Feder diktiert und ron letzterem nach seiner Behauptung in Ll^menceauS Wohn ung abgelusert wurde. Andrieux hält die Sache nicht für recht erklärlich ohne da- Zeugnis Stephane» ansechten zu wollen. Soviel ihm au- den E k ärungen des l)r Herz ver ständlich geworden, hätte de Reinach diesem persönlich die Liste überreicht. Dabei gestand Andrieux, daß er selber die Lifte Llömenceau gezeigt habe, ehe er sie dem Ausschüsse vorleg'e. Aus die F.age, warum das, antwortete er. „Ich hatte Ge legenheit, »il rhm zu sprechen; er ist mein ehemalige« Kolle„e, und ich wollte »hm gestatten, au- einem jo merkwürdige» Akten stück Nutzen zu ziehen." Andneux wergerle sich, über d e viel« qenaunle Lifte der 104 bestochenen Abgeordneten weitere Aus- sch üsse zu geben ; dieselbe befinde sich in Händen d-S Abg. Delahaye, aber auch dieser werde sie schwerlich mitteil-», da es ihm an absoluten Beweisen fehle. Arten dagegen besitze diese Bewege; man Hot ihn nur aufzufindcn, er stehe beständig i« Briefwechsel mit mehreren Personen in Paris. Brisson: „Mir welche» Personen?' Andrieux: „Wenn Sie daraus bestehen, cS zu erfahren (ich gebe diese Erklärungen nicht sreiwillig ad): es sind Ihre Kollegen Mermeix und Laguerre" »in AuSschußwiiglied: „Hoben d ese Herren mit Arto» Biiese gewechselt, jcildcm Eie zu» ersten Male vor uns er schienen sind?" Andrieux- „Ich glaube e« " Ein AuS'chußmitgliev: „Drr , Jntransigeant" hat erzählt, Hr. Em Aräne habe bei Ihnen Schritte gethan. und Hr Tumonttil sei ihm in Ihrem Borzimmer begegnet. Ist dem jo ?" Andrieux: „Wenden Eie sich diefcrholb an Hrn. Tumontei! " Tics sind die Hauptzüge eines Verhörs, dar in den Sprechrävmcn der Kammer beträchtliche Aufregung bervorrief. Als Andrieux das AuLschußzimmer vei ließ, wurde er von allen Seilen bestürmt, und eine große Menge begleitete ihn bis auf die Straße. Mit Triumphatormiene erklärte er, man habe ihn gezwungen, Dinge zu sagen, die er nicht sagen wollte. Nach seiner Entfernung beriet der Ausschuß lange darüber, ob er die ehemaligen Minister Ferron und FlourenS vorladen solle, stand aber vorläufig hiervon ab, um sich nichr die Miene zu geben, als ob er in das Gerichts verfahren gegen Rouvier einzugreifen beabsichtige. Da gegen beschoß er, Clemenceau, Mermeix und Laguerre vor sich zu bescheiden. Mermeix ließ schon heute früh durch die „Agence Havas" erklären, Andrieux irre sich-, cr stehe weder im Briefwechsel mit Arton, noch wisse er, wo der letztere sich anfhalte. Desgleichen beteuerte die „Lanterne", daß sie kein Geld von Rouvier erhalten habe, nm ihre Angriffe gegen ihn einzustellen. * Paris, 22. Januar. Clemenceau wurde gestern abermals über die Aussage Stephanes von der En- guetekommission vernommen Er erklärte hierbei, es hätte ibm anfangs so geschienen, als ob Stephane in gutem Glauben handle, indes habe er seine Ansicht geändert, nachdem derselbe bezüglich der Lokalität, wo hin er den Reinachschen Brief getragen haben wolle, abweichende Aussagen gemacht. Er habe sowenig die Reinachsche Liste gekannt, daß er Andrieux nach dem großen unbekannten Checkempfänger habe fragen müssen, oen dieser denn auch ihm vertraulich genannt habe — Der ehemalige Minister des Auswärtigen, FlourenS, verlangt, vernommen zu werden; er räumt ein, daß eine gewisse Summe aus den geheimen Fonds des auswärtigen Amtes unter dem Ministerium Rouvier auf Kadinettsbeschluß auSgezahlt worden sei. (DaS »st jetzt von Ferron bestätigt worden, der einem Inter viewer gegenüber hinzufügte, die Gelder seien zurück- erstat'et worden.) — Der Boulangiit Deputierte Mermeix verneint vor dem Ausschuß die Frage, ob er mit Alton in Verbindung stände, und fügte hinzu, daß, auch wenn er dessen Aufenthalt wüßte, er ihn nicht der Kommission angeben würde. Mermeix drückte sein Erstaunen darüber aus, daß Deputierte ihre Kollegen zu einem Akt veranlassen, der nicht» weiter als eine Denunziation wäre. Auf die Frage, ob Arton ihm die Deputierten namhaft gemocht habe, welche Geld erhalten hätten, erwiderte Mermeix: Wenn ich dies geihan, so geschah eS vertraulich, und ich werde unter keinen Umständen etwas sagen, was Arton offenbar nicht bekannt geben will. Laguerre verhielt sich auf eine analoge Anfrage ganz ebenso, wie Mermeix. Er bestritt, daß er den Aufenthalt ArtonS wisse, und fragte die Mitglieder der Kommis sion: Wer von Ihnen möchte wohl einen Mann, den er gekannt, als er sich im Glück befand, nun, da er im Unglück ist, verraten? Der Anstifter der Panamacawpagne, Delahaye, blieb dabei, daß er die Liste mit den Namen der 172 Deputierten, welche Geld erhalten, in Händen gehabt habe. Diese Liste verdiene dm gleichen Glauben, wie die Dokumente, welche die letzten Ereignisse gezeitigt hätten. Ec habe keine Namen zu nennen; diese zu ermitteln, sei Sache der Kommission und der Gerichte Er wundere sich, daß man ihn so mit Fragen peinige, wenn, wie eS im Panamaprozeß geschehen sei, drr Generaladvokat sich von seinem Platze erhebe, damit ein Name nicht aus gesprochen werde Der Herausgeber der „Lanterne", Mayer, verwahrte sich gegen die Beschuldigung, von Rouvier 1> O OOO FrcS. erhalten zu haben; vielleicht komme Mayer vom „GauloiS" in Betracht Cornelius Herz selbst hat es sich angelegen sein lassen, ausdrücklich zu konstatieren, daß er geborener Franzose ist. In dem mehrfach erwähnten Interview, welches der „Figaro' veröffentlicht hat, läßt Herz er klären, daß er am 3. September 1845 in Besancon geboren ist, wo sein Vater damals al» Buchbinder lebte. Die frühere Angabe, daß Herz in San Fran cisco geboren sei, wohin seine Eltern auSwandcrten, ist danach richtigzustellen. Die Auswanderung der Familie Herz erfolgte erst, als Cornelius bereit» drei Jahre alt war Später hat dieser Held des Panama- skandals erst in Amerika, dann in Europa Medizin und Pharmazie studiert, bis er endlich in Paris seinen Beruf als Finanzmann entdeckte Die Enthüllungen, welche Corneliu» Herz über seine angeblichen Beziehungen zum Grafen Menabrea und indirekt zu Crispi gemacht hat, sind von Rom au» sofort als Verleumdungen zurückgewiesen worden. (Wie dem ,.D. T." ans Rom gemeldet wird, stellte Crispi in Abrede, jemals mit Herz Beziehungen unterhalten zu haben, welche das Licht der Öffentlichkeit scheuten; er sehe mit voller Seelenruhe der Veröffentlichung der Briefe entgegen, welche er seiner Zeit an Herz gerichtet.» Es wäre sehr schön, wenn Cornelius Herz, der von so vielen Panamabetrogenen verflucht wird, sich nun plötzlich als französischer Nationalheld entpuppte, dessen ganzes Sinnen und Trachten nicht etwa auf schnöde» Geld erwerb gerichtet war, sondern nur daraus, wie er sein französisches Vaterland groß und glücklich machen könnte. Er wollte den Dreibund sprengen, indem er Italien aus demselben loseiste, das war das Ziel dieses „Patrioten", dessen französische N«tionalität nunmehr zweifellos feststeht. Hinsichtlich der gegen Cornelius Herz erhobenen Anklage ist richtig zu stellen, daß derselbe nicht wegen Unterschlagung, wildern, gleich den Verwaltungsräten der Pauamagesellschaft, wegen Betrugs und Ver- trauenSmißbrauchs verfolgt wird Rom, 22. Januar. In der Bankangelegenhcrt ist noch keine Klärung eingetretcn Wie der Abg. Comandini im „Corriere della Sera" mitteilt, äußerte der jetzt verhaftete Tanlongo noch letzten Freitag, als er das Damoklesschwert bereits über seinem Haupte schweben sah, folgendermaßen: „Mag man thun, was man will. Schlimmstenfalls sage ich ein fach, wohin seit 1875 die 22 Millionen gegangen sind, für die ich hasten soll" „Thatsache ist'- — fügt Co mandini seinerseits hinzu — „daß Giolitti jedesmal zu Tanlongo ging, wenn er ihn sprechen wollte, nie mals aber Tanlongo zu ihm. Und ebenso hochfahrend benahm sich Tanlongo allen früheren Ministern gegen über". Über die Ursachen der Krise bemeikt endlich derselbe der Rechten angehörige lombardische Abgeord nete, er habe den Brief eines Finanziers gelesen, in wtlch-m die folgenden Worte standen: „Wenn alles veröffentlicht werden sollte, käme die Bankgesch'.ch'e deS Politikantismus, des Parlamentarismus und auch des italienischen Patriotismus, speziell nach I>76, anS Tageslicht, und das wollen wir selbst nicht, da wir uns doch die Finger bei der Sache verbrannt haben" DieplötzlicheFluchtdes DirektorS Caciniello von der Filiale der Bank von Neapel (s. Tel<-gr.) ist auch nicht da;u angethan, den schlechten Eindruck der Banca Romana- Skandale zu vermischen. Den einzigen Lichtblick ge währt augenblicklich die Gründung der neuen nnd auf solider Grundlage ruhenden Banca d'Italia Die Banca nazionale, die jetzt nach ihrer Fusion mit zwei tüchtigen toskanischen Banken jenen Ramen annimmt, hat so oft schon den Kredit Italiens gerettet, daß dasselbe auch diesmal von ihr zu erwarten ist. Frei lich wird das die Negierung nicht von der Notwendig keit entbinden, gewissen anderen Instituten etwas schärfer als zuvor auf die Finger zu sehen. Laut „Popolo Romano" wurden bei der Banca Romana keinerlei Wechsel jetziger oder früherer Ne gierungsmitglieder gefunden und war kaum einem halben Dutzend polnischer Persönlichkeiten dabei selbst ein Kredit eröffnet — Die Negierung mochte sich die Widerrufung der Ernennung Tanlongos zum Senator ersparen und hofft, daß der Prüfungsausschuß des Senates selber die Nichtgiltigkeit der Ernennung au», sprechen werde, weil mit dem beschlagnahmten Ver mögen Tanlongos sein einziger Er-ennungStnel hin fällig geworden ist. Madrid, 20. Januar Das königliche Dekret, durch welches der bisherige spanische Botschafter am Wiener Hose, Don Rafael Merry del Val, zum Bot schafter beim Vatikan ernannt wird, ist gestern unter zeichnet worden. — Über den neuen spanischen Bot schafter am Wiener Hofe, Don Juan Valera Alcola Galiano, werden ter „P C" folgende Einzelheiten mitgeteilt: Hr. Valera hat seine diplomatische Lauf bahn im Jahre 1847 als Attache bei der spanischen Gesandtschaft beim damaligen Hofe von Neapel be gonnen Späterhin war er Legationssekretär bei der Gesandtschaft in Dresden und St. Petersburg. Im Jahre 1865 wurde ec zum Gesandten beim Bundesrat in Frankfurt bestellt; nachher bekleidete er die Ge sandtenposten in Lissabon, Washington und zuletzt in Brüssel, wo er, ebenso, wie diesmal auf dem Bot schafterposten in Wien, Nachfolger deS Hrn. Merry del Val wurde In den letzten Jahren lebte Hr. Valera, ohne eine diplomatische Stellung zu bekleiden, in seinem Vaterlande. Hr. Valera, der zu den bekanntesten Romanschriftstellern Spanien» zählt, war auch auf dem Gebiete der historischen Litteratur thätig, »ndem er da» große Werk Lafuente» über die Geschichte Spanien», welche dieser Historiker bloß bi» zur Epoche Carl III. beendet, fortgesetzt und bi» zu unseren Tagen weitergesührt hat. Hr. Valera ist Mitglied der Akademie „Real Espanola" und derjenigen „äe >»» Ciceuiu» morale« ze politica»." St. Petersburg, 20. Januar. Der neue deutsche Botschafter General v. Werder hat, wie bekannt, in diesen Tagen in Gaffchina sein Ernennungsdekret überreicht. Die Bevölkerung ebenso wie die Presse begrüß'e den deutschen Vertreter außerordentlich freund lich. E» wird angeführt, daß General v. Werder stets guten Beziehungen zwischen den beiden Nachbar ieichen das Wort geführt, daß cr nicht selten Ruß land sein zweites Vaterland genannt und dafür auch stets die Amrkennung und Gunst des Zaren besessen habe. Als Beweis dessen, wie sehr General v.Werder in den höchsten Kreisen von jeher angesehen war, wird unter anderem angeführt, derselbe habe im Jahre 1884 im Gefolge deS Zarenpaares die Festung „Nowo- georgiewsk' lim Gouvernement Chersson belegen) be tucht, obwohl fremden Militärs der Zu'ritt dorthin sonst niemals gestattet werde. — Die Ernennung des Generallicuteuants Orstewsky zum Generalgouverneur von Wilva an Stelle Kachanows wird hier als ein neuer Versuch angesehen, den Polen gegenüber einst weilen eine entgegenkommendere Haltung zu zeigen. Orstewsky, der im übrigen für einen sehr energischen, ja harten Mann gilt, hat die Weisung erhallen, durch Ver anstaltung von Festlichkeiten aller Art auf die Polen ver söhnend einzuwirken. Erst wenn er auf diesem Wege nicht» auszurichten vermag, soll er zur strengen Praxis jurück- kehren. — Eine der wesentlichsten Sorgen der Regierung betrifft bekanntlich seit langer Zeit die Hebung der Landwirtschaft. Villes ist m dieser Hinsicht be reits geschehen, ohne daß indes großer Erfolg erzielt worden wäre. Jetzt besteht die Absicht, die Zahl der niederen landwirtschaftlichen Schulen in verschiedenen Teilen des Reiches bedeutend zu vermehren. Außer dem will man in den südlichen und südwestlichen Teilen deS Reiches landwirtschaftliche Kurse für die VolkS- schullehrer einrichten, und endlich ist die Bildung einer neue« südwestrussischen landwirtschaftlichen Gesellschaft im Gange, welcher die Ausgabe zufällt, im Südwest- gebiet freie Ländereien anzukaufen und dann unler Vergünstigungen an russische Uebersiedler aus den inneren Gouvernement» weiter zu v rkaufen. Ferner hat man im Tomänenministerium den Plan gefaßt, weite sehr sandige Landstrecken im Charkowschen und Poltawaschen Gouvernement, welche bisher vollständig unbebaut waren, der Kultur zu erschließen. Das Domänenministerium plant ferner, einen großen Teil dieses bisher brachliegenden, der Regierung ge hörenden Gebietes zu parzellieren und in Stücken von 30 bis 50 Dtßjätinen (eine Deßjätine gleich l,O925 b) zu verpachten Die Pachtverträge sollen aus 24 Jahre abgeschlossen werden und in der ersten Zeit will man jrden zur Übernahme deS Landes hinzulassen mit der Verpflichtung, ausschließlich Wein-, Obst und Gemüsebau, sowie Forstkultur zu betreiben. Ackerbau und Viehzucht wird vorläufig ganz aus geschlossen. Im Laufe der ersten 6 Jahre werden die Pächter nichts zu zahlen haben, sind aber verpflichtet, die Anlagen auf ihre Kosten zu machen und zu unter halten. Nach weiteren 6 Jahren wird ein geringer ZinS erhoben, der dann wieder nach 6 Jahren um 101b erhöht werden wird. Wenn es sich erweist, daß diese Wirtschaflsmelhode lohnend ist, will man bei der Verteilung des Regiernngslandrs späterhin vorwiegend die in der Gegend selbst lebenden unbemittelten Bauern bevorzugen. Die vorgestern von uns ausgesprochene Mutmaß ung über die Stellungnahme Frankreichs und Ruß lands zu den ägyptischen Vorgängen findet ein getreues Echo in einer der neuesten Nummern von „Nowoje Wremja". Dieses Blatt bemerkt, daß das Auftreten Englands von bemerkenswerter Derbheit und Rücksichtslosigkeit gewesen sei, doch hätten Rußland und Frankreich keinen Grund zum Einschreiten, weil ersteres nut seinen inneren Angelegenheiten zu sehr beschäftigt, letzteres in Ägypten nicht hervorragend interessiert sei. Das wäre aber kein Hindernis, um gar nichts in der Sache zu thun. Man werde freilich schon des halb in vertrauliche Besprechungen mit kein Kabinett von St. James treten, um den Engländern zu beweisen, daß Rußland und Frankreich nicht stiUjchweigen, wenn Ägypten zu einem englischen Vasallenstaat gemacht winde. . . . Ähnliche Verhandlungen haben bekannt lich schon 1884 stattgefunden und sogar zu einer Kon ferenz der Mächte in London geführt, sie sind aber schon damals ergebnislos geblieben, und dasselbe wird auch heute wieder der Fall sein. Es handelt sich für Rußland und Frankreich eben um die Wahrung des Prinzips. Übrigens scheint in Kairo doch eine ge wisse Aufregung, wenigstens in den streng mohamme danischen Kreisen, zu herrschen. Eine vorgestrige Pariser Meldung berichtet von Kundgebungen und Ausschreit ungen der Studenten, welche eine scharf gegen Eng land gerichtete Spitze hatten. Die „Agence HavaS", von welcher die Meldung herrührt, mag vielleicht über trieben haben; im übrigen ist in den erwähnten Kreisen die Abneigung gegen die Engländer schon als Nichtmohammedaner eine selbstverständliche und ständige, und es hat vielleicht auch nicht an Aulreizungen „von nichtmohammedanischer Seite" gefehlt. Solange indessen die ägyptische Armee ihren englischen Kommandanten und Oberoffizieren Disziplin hält, haben derartige Vorkommnisse nichts zu bedeuten * Belgrad, 21. Januar. DaS radikale Haupt organ „Odjek" begrüßt die Aussöhnung des ehe maligen Königspaares als Gewinn für das Land, an welchem alle Parteien gleichmäßig teil haben. Neueren Berichten zufolge soll der englische Premier Gladstone während seines Biarritzer Aufenthalte» ebenfalls die Anregung zu einer Aussöhnung gegeben haben. Viele Häuser m Belgrad hatten heute geflaggt und illuminiert. — Die maßgebende Wiener Presse vertritt die Ansicht, daß diese Aussöhnung vom poli tischen Standpunkte zu beurteilen fei. Sie sei mit Rücksicht auf den jungen König erfolgt und jeden falls ein Gew-nn für die Stellung des Königs. Der Riß, welcher durch MilanS Ehe ging, habe auf die öffentlichen Zustände Serbien« verderblich eingewirkt. E» habe sich eine Partei des Königs und eine der Königin gebildet, die in den verschiedensten Lagern Anhänger gesunden haben. DaS unerquickliche Ge- zänke der feindlichen Gatten drohte dem Bestände der Dynastie Obrenowitsch gefährlich zu werden. Den versöhnten Gatten könne man gestatten, den Sohn zu besuchen. Solange die Minderjährigkeit des König» dauere, sei kaum zu erwarten, daß die Versöhnung der königlichen Eltern eine Einwirkung auf die poli tischen Verhältnisse in Serbien auSüben werde Die Regentschaft, welche kraft der Verfassung besteht, dürfte sich kaum berbeilassen, zu Gunsten Milan» etwas von ihren Machtbefugnissen zu opfern Da» neue Ministerium habe den wichtigsten Teil de» Kampfes mit den Radikalen, die Skuptschinawahlen, noch auszufechten, und dieser Kampf, der ein Kampf der Regentschaft ist, vertrage keine Einmischung MilanS, der gesetzlich nach wie vor ein Privatmann sei Wenn der König seine Großjährigkeit erlangt dabe, möge das allerdings anders werden, aber schwer lich zum Heile des vielgeprüften Landes. Deutscher Reichstag. 27. Sitzung vom 21 Jan««r. A» BuudeSratstiscke: Staatssekretär v. Bötticher' Hanauer. Die Bänke des Haufis sind sehr schwach besetzt. Die Sitzung wird um >42 Uhr eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärt Abg. v. Fr ege, er sei im Hause nicht anwesend gewesen, als der Abg. Singer sich nut ihm als Mitglied der Börsenenquetekommission wiederholt beschäftigt habe. Gewohnheit und Erziehung verbiete ihm, dem ge nannten Herrn in dem gleichen Tone zu antworten; er werde rn anderer Weise die Sache klarstellen. Dem Abg. Singer, der ums Wort bittet, kann e» zu der vor der Tagesordnung gemachten Bemerkung nach der Geschäftsordnung nicht erteilt werden. D«S Haus tritt sodann in die erste Beratung deS Gesetzes, betreffend die Abzahlungsge schäfte, ein. Abg. Ackermann (kons): Die Handwerker wünschen dringend da- gänzliche Verb»» der Abzah'ungSgeschäste. In diesem Umsange kau» freilich anch ich ihren L-unsch nicht be- füiwrrten. Ich erkenne an, daß eS auch »ine Nike nützlicher Abzahlungsgeschäfte giebt. Aber dielklagen, die im allgemeinen gegen die Abzahlungtg-schäste erhoben werden, sind »um flöhten Teil berechiigt. Die Abzahlungsgeschäfte geben, abgesehen von den Geschüfisprakliken vieler Vertäuter Anlaß zum leichisinm- gen Schuldenmachen, zum Änsammeln unnützer Gegenstände, un» rament ich wird Klage e>h»ben über di- rigorose Ausnutz ung der sogenannten Versallklauseln. Ls läßt sich sehr wohl ei» Unterschied mache» zwischen Abzahlungsgeschäfte», sür bie eia Bedürfnis »orliegt, und denen, die gan; unberechtigt sind. Für Abzahlungsgeschäfte mit Schmuckia-ben liegt do» sicher kein Anlaß vor. Einzuschreite» ist vor allem cn-ch gegen Ab- zahlungsg-schäste, die sich Kunden durch Agenten h-ra^zi-heu. Diese Agenten sind doch eigentlich Hausierer und müßten auch a's solche nach dec Gewerbeordnung behandelt werden FurAb- zahlungSgefchäete, die mit Agenten arbeiten, liegt in keinem Falle ein Beritt sind vor Der Bewerbebetrirb im Umherziehen muß den Abzahlu ig'geichäste» verboten werden Daß da-Schwierig keiten macht, wie die Begründung sagt kann ich »lir nicht denken. Tie Bewohner deS platten Landes werden schon genug durch die Hausierer Heinig sucht; die Agenten sind sür sie noch viel gefährlicher, da sie zum Eingehen von Verträgen anleiten, deren Folgen die Landoewohner nicht übersehen könne». Eine ganze Reibe v»n Petitionen rich'et sich hieraus Die Begründung der Vorlage richtet sich zu lehr nach den Buesührungen der Ab- zahlungshändler, die als Richter in eigener Sache austrcten und einsach behaupten, wer außerhalb des Abzahlungsgeschäfte» stehe, verstehe davon nicht-. Die Interessenten meinen z. B, daß die Rückgabe neu gelieferter Sachc» keinen Zweck habe, da diese nahezu wertlos seien uns die Vergütung den Betrag der Lauisnmme nahezu erreichen werde. Das ist er» Mißtrauens votum in das Eercchrigteitsgesühl der Richler. Jh beantrage Lie Überweiiung an eine Kommission von 2l Mitglieder». Abg. Wollmer (demschsrey.): Der Äefchäftszwelg d-r Abzahlungsgeschäfte in unserem wirtschaftlichen Leben richt mehr entbehrlich Das hat zu einem Teile auch der Vorredner anerkannt. Ec un!-r>cheidet aber zwisren lecitimen und un nötig'n Al zah:uiigkgejchär-cn, worunter er die Geschäfte mit Luxusartikeln versteht Wie will man bei der heutigen ökono mischen Entwickelung eine Defini ion des Luzus geben ? Für den ein-n ist Luxus, was sür din anderen ein notwendiger »ebrauchsgcgenstand ist Ter Vorredner bat sich besonders gegen das nicht seßhaste Abzahlungsgeschäft gewandt. Er folgt da d,m modernen Zuge aus Einschi änkung der Betriebe und gegen die freie Konkurrenz. Er will keine Ausdehnung deS Geschäftes durch Angestellte, er will die Vo-schrislea der Gewerbeordnung betreffend das Wandergewerbe aus diese Agenten anwenden Unter Hausierern versteht man aber doch Leute, die die Ware den Kunden selbst in kaS Haus bringen. Eo rst es aber doch nicht, daß die Agenten eines Mötel- abzahlungsgeschäsles die Möbel aus den Karren laden u. d sie eigenhändig hrnsahren. Dirie Anschauung über den Zwischen handel, die ihn als überflüssiges D'vnentum hinslellt, ist heut- zuiage doch antiquiert. Es kommt im praktischen Leben nicht allein ans den Gewinnst an, den etwa derZwischenhandel hat, sondern ebenso wichtig ist die Gelegenheit, sich eine.-Sebi auchsgegenslandeS zu brwächligen und rhn zur richtigen Zeilin Gebrauch nehmen zu können. Der Vorredner hat auch über die Petitionen gesprochen Ich Hobe noch keine einzig- Petition gesunden aus dem großen Publikum, LaS durch Arsev vor den Abzahlungsgeschäften geschützt werden möchte. Die Petitionen sind alle ausgegangen von Hand werkern u, d von Gewerbeneibenten, die Kusjageschäfte machen. Daß nur die Abzahlung-geschäfte in dieser Frage kompetent sind, geben auch wir nicht zu. Wec ober ist es, der den Satz ausgest-llt hat daß nur die Interessenten über ihre Lage und über etwaige sie betreffende gesetzgeberische Maßregeln zu entscheiden hätten? Ih'e Partei, Hr. Abg Ackermann. Auf den übr gen Inhalt dieser Petitionen der Abzahlung'Händler ist Abg. Ackermann nicht eingegangen Die Begründung der Vor lage ist in dieser Beziehung objektiver Eie erkennt an, daß daS Abzahlungtgifchäjt in den heutigen Z'iten von der größten wirtschaftlichen Bedeutung ist Von rovOM Nähmaschinen, die in Deutschland produziert werden und Sb bis 30 Mil lionen Mark bringen, werben So bis »o Prozent im Wege de- Abzahlungsgeschäfte» abgesetzt. Welche außerordentliche Bedeutung hat die Nähma chine sür kleine Leute, sür Hundert- tausende von Mädchen und Fraue». Früher gab <S »ur reine LeihgeschSste mit hohen Mieten; daraus hat sich all- wähl ch erst taS Abzahlungsgeschäft entwickelt, zum Vorteil de» Publikum». Ähnlich ist es mit den Möbelgeschäften. Nahezu die välste der gesamte» Mobilien g-langen durch «b- zahlung-geschäfte in die Hände des Publikums. Wollen Sie diesen durchaus gefunden Prozeß erschweien ? Dir Abzahlungs geschäfte söidern die Begründung der Häuslichkeit. Der Vor« itdner ha« sich besonders gegen de Veisallklauftln gewandt. Die kleinen unersahrenen Leute gegen Ausbeutung zu schützen, sind auch wir bere't Sind aber diese Auswüchse so schlimm, »aß sie t'n Eingreifen der Gesetz edung erfordern? Jede Geietzgebung ist ein zwei-chneidige» Schwert; wenn man Miß stände beteilig«» will, kann man dabei leicht auch beirchtigte Einrichtungen und Existenzen ruinieren. Die Interessenten be haupten nun. daß et rur in den seltensten Fällen, in tinem von hundert, zu einer rigoiosen Ausnutzung der Versallklausel, ,u einer wirklichen Besitzergreifung der Sache durch den Ver käufer kommt. Die Vorlage will die Mißstände dmch die Ein führung einer Art von Miet-vertrag beseitig n, »ur der wirk-
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