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Dresdner Journal : 17.01.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189301173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18930117
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18930117
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-01
- Tag 1893-01-17
-
Monat
1893-01
-
Jahr
1893
- Titel
- Dresdner Journal : 17.01.1893
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^»3 Dienstag, den 17. Januar, abends. 1893. veruxsprel»: kNr Dre»d«» viertehävrliev 2 v»rlc L» ?k, Kai 4«» L»i»«rl dsutteven ?o»t»o»t»lt»» viert«!- S«»rt»vv Z Ll»rk; »u»,crd»Il> de» deattcveo KeicU»» tritt Dort- uod 8teu»pe!ru»cUl»s bi»»». kiurein« Huwwera: 10 kk. XuLNoaisnus»s«dNlir«»r kür de» liLum eiasi »so»p»Itei>e» 2eils Klei»« »cbriN SO ks. Unter ., 1hn^e-i»ndd" die 2eil« LV ?k. Lei "r<»Vellen- und ^»Nerns^tr enttpr. Xul-cblLz. Lr«ckviueu: VL^tieb mit ^urnndme der Sonn- n ?oiert»sv »bend». l'ero»precb-Eusebius»: Ur. I2VL. DresdnerMnrnnl. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Otto Vanck, Professor der kitteratur- und Kunstgeschichte. «oo»I>mo vou XnküiaUsiinsen Nii8^«ürlsr Nommi»»io»irr du» Uru»iluur -louinnl»; L»rodnrx Nerlln V>«n I.«>p„^ »»,«> Lr«»I»n?r»n>lknrt ». ».: //aoien>trin <l t , Lerim-Vion-Il^mburs- kr»s 1.«ipn, -rr»ll>lturt ». «Hün-Ken! Vcud. k»rl, l-onäon S«rl>ll-?r»n>rturt »H -Smtls»rt: Da^L« «s v'»., Lerlin: /nia/idendunt, Lrd».»u! N»Lllorsr (,'. , S»N« ». S DurcL Uurau«sederr Lüoigl. Lrpeditiou du» Dresdner dournnl». Dresden, li«insor»tr. 2V. I'ornsprvelr-^nsclduss: dir. 1205. Ämtlicher Teil. Wulletin. Dresden, 17. Januar, früh 8 Uhr. Ihre Kaiserl und König!. Hoheit Frau Prinzessin Friedrich August haben den größten Teil der Nacht ruhig ge schlafen. Die hohe Wöchnerin und der neugeborene Prinz befinden sich wohl l)r. Leopold, vr. Fiedler. Dresden, 17 Januar. Se Kaiserliche und König liche Hoheit der Erzherzog Joseph Ferdinand von Österreich ist heute Bormittag 6 Uhr 5 t Min. hier ingetroffen uns im König!. Residenzschlosfr abgetreten. IlichtnmMchkr Teil. Telegraphische und telephonische Nachrichten. Triest, 16. Januar. (W. T. B) Leit der letzten Naärt herrscht hier ein heftiger Sturm: die Molen sind mit Ei« bedrckt, im Hafen mußten die Arbeiten eingestellt werben, der Schiffsverkehr ist unterbrochen. Mehreren Dampfern und Segel schiffen mußte seitens de« Seeamte« Hilfe geleistet werben. In den Straßen sind zahlreiche Unglücks fälle vorgckommrn. Nom, 16. Januar. (W. T. B.) Nach einer Meldung aus Messira bat der Zusammenstoß zweier Schiffe in der Meerenge zwischen dem italienische» Dampfer „San Marco" und dem französischen Dampfer ,,Agesien" stattgefunden. Bride Dampfer sind gesunken; die Bemannung beS italienischen Dampfer« wurde gerettet, von der Bemannung deS ,.Agesien" sind drei Mann untergegangen. London, 17. Januar. (Tel. d Dresdn. Jour .) Das Neuterschr Bureau meldet aus Kairo, die ein geborene Bevölkerung scheme von der Wahl der neuen Minister durchaus nicht befriedigt zu sein; die Unzufriedenheit sei so groß, baß daS Dekret über die Ernennung wahrscheinlich noch zurück gehalten werde und Änderungen hinsichtlich der Kabinettsbildung nicht unwahrscheinlich seien. Kopenhagen, 16. Januar. (D. B. Hd.) Da« AdmiralitütSdrpartcment deS Marineministerinms macht bekannt, baß nunmehr sämtliche Leucht- und Heuldaaken inunhalb Stagen deSEise« weg»n von ihren Stationen genommen sind. — Zur Beförder ung nach und von Schweden mit dem Eisbrecher „Bryderen" werden biS auf weitere« nur Kolli bi« 16 schwer angenommen. — Der nördliche Ein gang zum Kattegat ist durch schwere« Eis gesperrt, selbst Dampfer müsicn umkehren. Das Leuchtfeuer- schiff auf Skagcnsnff bat seit Sonnabend kein Licht gezeigt, man weiß nicht, ob das Schiff im Eise v.runglückt oder nach Schweden abgesegelt ist. ld otbenburg, 16. Januar. (D B. Hd.) Von Win^a wird telegraphisch gemeldet, daß bas Fahr wasser nur noch bis Gcfoeskär eisfrei ist, sonst lirgt feste« Eis, so weit das Auge sehen kann. Lon Käringo geht die Nachricht ein, daß die ganzen inneren Scheeren mit Ei« belegt sind, auch seewärts liege viel Ei«. Pittsburg, 17.Januar. (Tel. d.Dresdn. Journ.) Der Prozeß gegen den Vorsteher der Arbeiter schaft von Homestead, Dempsey sowie gegen dir übrigen wegen Vergiftung der Arbeiter der Carne- qitschen Werke Angeklogten dauert fort. Der Koch Gallahger gab zu, daß Dempsey ihm und anderen Köchen Pulver zur Vergiftung der Nahrung der Arbeitcr g geben habe. Lunst und Wissenschaft. Zwischen den Jahren. Novelle von Adolf Stern. 11 (Fortsetzung.^ ..Annette ist auch Ihr Zimmermädchen", fuhr Chri stine fort, „sie wird für alles sorgen, was Sie etwa noch brauchen — Sie sehen ja, daß ich Ihnen leider nichts Helsen kann und wenn Sie ihr nichts mehr zu befehlen haben, schicken Sie sie zu mir herüber. Gute Nacht liebes Fräulein — Sie spüren doch keine Lust unten noch milzutanzen?" Erika machte eine verneinende Bewegung und er widerte die Umarmung Christines herzlich, wenn auch mit schwerem Herzen. Jedes hoffnungsreiche Wort der armen Gelähmten that ihr weh und indem sie hinausging, kam ihr der Gedanke, sich das Bild Christines zu erhalten, wie sie eS in dieser Minute sah, glücklich, von liebevollen Ver trauen beseelt. Wenn sie ihr schrieb, was gesagt werden mußte und zugleich schweigend abreiste, so konnte sie sich den herben Schmerz ersparen, auf diesem Gesichte plötzlich kaltes Mißtrauen, herbe Be fremdung zu lesen. Doch scheuchte sie den Einfall alsbald hinweg, cS war ihrer unwürdig, sich davou- zuschleichen und kein Brief konnte auf gewichtige Fragen Antwort geben, die sich vielleicht an ihr Ge- stänvni» knüpften. Daß sich dahinter eine leise Hoff nung barg, sich auch dann noch erhalten zu können, Vik Pust drs lttuzktlürrukll KüuiMkll prillstn. Dresden, 17. Januar. In der reich mit Blatt pflanzen ausgeschmücklen und durch eine große Zahl brennender Kerzen glänzend erleuchteten Königlichen Kapelle imPalais amTa chenberge sand gestern nachmittag um 3 Uhr die heilige Taufe les neugeborenen Königlichen Prinzen statt. Bon 1,3 Uhr ab versammelte sich hier der enge Kreis derjenigen hervorragenden Persönlich keiten, welchen durch Hofansaae die Ehre zuteil ge- worden war, Zeuge der feierlichen Handlung zu sein und welchen bei ihrem Eintritt in die Kapelle von dem die Feierlichkeit leitenden Hormarschall Sr König!. Hoheit des Prinzen Friedrich August, Kammerherrn Frhrn. v Reitzenstein, die P ätze angewiesen wurden. Der Kreis der Anwesenden setzte sich zusammen aus un gefähr 25Zutrittsdamen, Ihren Excellenzen deuHcrren Staa smimstern v. Thümmel, Schurig v. Metzsch und v. Seydewitz — Hr. Staatsminister v. d. Planitz, Excellenz, war durch seinen gegenwärtigen Aufenthalt in Berlin am Erscheinen behindert —, Sr. Excellenz dem Hrn. Minister des König! Hauses, Staatsminister a D. v. Nostitz-Wallwitz, dem K. und K österreichisch ungarischen Gesandten Grafen v. Choteck, Excellenz, den Damen und Herren des König!, großen und der vollen Prinzlichen Dienste, der Dienste der Toskani schen Herrschaften und der übrigen geladenen Fürst lichkeiten. dem Ministerialrat im Ministerium des König! Hauses Wirk!. G:h. Rat Bär, Excellenz, und Hrn. und Frau Oberstlieutcnant Baumann als Repräsentanten der Offiziere und deren Gemahlinnen des Schützen- (Füsilier-)Regiments „Prinz Georg" Nr. 108. Die Damen hatten links, die Herren rechts Platz ge nommen. Punkt 3 Uhr betrat die katholische Geistlichkeit, an ihrer Spitze der hochwürdige Bischof 0. Wahl, die Kapelle, um vor dem Altar Aufstellung zu nehmen und zunächst daselbst einstilles Gebel zu verrichten. Alsbald meldete Hofmarschall Frhr. v. Reitz-nstem Sr Majestät dem Könige, daß alles zur Taufe bereit sei. Demgemäß betrat nunmehr, ehrfurchtsvoll von den Anwesenden begrüßt, der Zug der Allerhöchsten und Höchsten Herr schaften, welche Sich in den Gemächern des Hohen Elternpoares versammelt hatten, d:e Kapelle, um vor dem am Altar errichteten Taufstein Platz zu nehmen. Auf der vordersten Reihe saßen von links nach rechts Se. Majestät der König, Ihre Majestät die Königin, Ihre Kaiser!, und König!. Hoheit die Frau Groß herzogin von Toskana, Se. König!. Hoheit Prinz Georg und Se. Kaiser!, und König!. Hoheit der Großherzog von Toskana. Dahinter nahmen Platz: rechter Hand Ihre König!. Hoheiten die Prinzen Johann Georg, Max und Albert, Ihre Hoheiten die Herzöge Adolf Friedrich und Heinrich von Mecklenburg-Schwerin und Ihre Durchlauchten Fürst Heinrich XIV. Reuß j L. und Prinz Leopold von Schwarzburg-Sondershausen, und linker Hand Ihre König!. Hoheit Prinzessin Mathilde, Ihre Hoheit die Frau Herzogin Adelheid von Schleswig-Holstein nebst Prinzessin Tochter Feodore und Ihre Durch laucht die Prinzessin Elisabeth von Schwarzblüg- Sondershausen. Nachdem die Allerhöchsten und Höchsten Herr schaften Ihre Plätze einzenommen batten, ergriff Bischof 0. Wahl das Wort zur Tausrede. Bei Beginn derselben erschien der Hohe Täufling, getragen von Ihrer Excellenz der Frau Oberhofmeisterin Ihrer Kaiser l. und König!. Hoheit der Frau Prinzessin Friedrich August, Freifrau v. Reitze, stein, und gefolgt von dem Durchlauchtigsten Vater, Sr. König!. Hoheit Prinz Friedrich August, den Geheimen Medizinal räten l-r. Fiedler und I)r. Leopold und der Hebamme Frau Helbig Se. König!. Hoheit Prinz Friedrich August nahm am Taufstein Platz zur Linken der Fran was ihr heute so unerwartrt rasch und reich geboten worden war, gestand sich Erika nicht ein. Auf dem Wege nach ihrem Zimmer kam sie am Treppen aufgang vorüber und hörte deutlicher als vorher, daß unten im Gartensaal nach den Klängen des Flügels getanzt wurde. Sie versuchte umsonst sich vorzustellen, wie ihrem Bruder, den sie mitten im Wirbel wußte, zu Mute sei, und gab es endlich seufzend auf, um wo möglich etwas Ruhe zu finden Gegen Morgen war Erika v. Gravenreuth nach ein paar schweren Stunden wider Verhoffen eingeschlummert und so erschien sie, wie es besprochen war, um neun Uhr in Fräulein Hagens Gemächern, ohne außer dem gemeinsamen Kammer mädchen noch irgend jemand im Hause gesehen zu haben. Sie sah frischer und kräftiger aus, als sie sich fühlte und wurde von Christine mit neuem Wohl gefallen an ihrer Erscheinung willkommen geheißen. Christine fiel cs nur ein wenig auf, daß Erika in einem dunkle» Kleide zu ihr eintrat; da sie die Be- deutung desselben als Neisekleid nicht ahnte, sagte sie leichth-n: „Sollten Sie sich's nicht ein wenig be quemer machen, licbe Erika? Cie müssen sich ein für allemal merken, daß wir Freundinnen sind und so mit einander verkchreu. Und mit dem Thee, dlssen Bereitung Mama immer meiner Gesellschafterin aufträgl, wollen wir's so halten, daß ich ihn den eisen, Sie den andern Tag Herstellen. Heute bewirte ich Sie, Erika, und Sie werden sehen, baß ich mich ganz gut darauf verstehe " Die Gelähmte saß dabei in ihrem Fahrstuhl, denThee- tisch vor sich und ließ die anmutige Gcscdicklichkrit be wundern, mit der sie sich zu helfen wußte. Erika war anS Oberhofmeisterin v. Reitzenstein, w.lche den Hohen Täufling während der Taufrede auf ihrem Arme behielt. Neben ihr stand Frau selbig und hinter der Fran Overhofmeisterin die Herren Geh. Medizinalräte 1>r Fiedler und llr Leopold. Nach Beendigung der Tausrede traten die Baten: Ihre Majestäten der König und die Königin, Ihre Kaiser!, und König!. Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin von Toskana und Se. König!. Hoheit derPrinzGeorg— die sechste Pate, Ihre Kaiser!, und König! Hoheit die 7 8 jährige Frau Großherzogin- Mutter von Toskana, war nicht zugegen — an den Tausstein, die Frau Oberhofmeisterin v. Reitzen stein übergab den Hohen Täufling dem Hauptpaten, Sr. König!. Hoheit dem Prinzen Georg, Höchstwelcher denselben während der nunmehr folgenden Heiligen Taufe auf den Armen hielt. Nachdem das Sakrament vollzogen war, in welchem der Piinz die Namen Friedrich August Georg*) Ferdinand Albert Karl Anton Maria Paul Marcellus erhielt, und bei dem Jordanwasser verwendet wurde, das noch von einem Vorrat stammte, welchen Se. König!. Hoheit Prinz Friedrich August gelegentlich Seiner Onentreise eigenhändig geschöpft hatte, über nahm wiederum Frau Oberhofmeisterin v. Reitzenstein den Hohen Täufling. ES schlossen sich die Segens- erteilung und die Gebete der Geistlichkeit an, nach denen die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften die Kapelle verließen, womit die Feierlichkeit ge^en H4 Uhr ihr Ende erreichte *) Der Nusname ist also Georg und nicht Georg Ferdinand, wie gestern in Dresden vielfach irrtümlicher Weise verbreitet wurde. Drröden, ',7. Januar Zur jüngsten Rede des deutschen Reichs kanzlers. * Aus Wien sendet uns ein Gewährsmann, welcher einige Kenntnis von den Anschauungen der dortigen politischen Kreise besitzen dürste, die folgende Darlegung: Die Erklärungen welche Graf Caprivi am 11. Januar in der Heereskommissivn des deutschen Reichstages abgab, bilden seith-r den vornehmsten Erörterungsgegenstand der europäischen Presse. ES ist begreiflich, daß insbesondere die österreichisch ungarische Presse schon an die ersten Berichte über den Inhalt jener Erklärungen eingehende Bemerkungen knüpfte. Die Frage, ob die betreffenden Berichte auch als genaue und beglaubigte anzusehen seien, wurde nicht geprüft; man behandelte rasch und ohne jegliches Bedenken den gebotenen Stoff und man ging dabei von der Voraussetzung aus, daß jedes Wort, welches dem deutschen Kanzler in den fraglichen telegraphischen Mitteilungen in den Mund gelegt wurde, auch that- sächlich von ihm gesprochen ward. So entstanden umfangreiche Ausführungen, deren Wert schon binnen vierundzwanzig Stunden wesenllich geschmälert er schien, da mittlerweile die Nichtigkeit der au; Berliner Blättern herrührenden Analysen der Kanzlerrede von berufener Seite geleugnet wurde. In einzelnen hiesigen Redaktionen scheint man nun darüber ver stimmt zu sein, daß Graf Caprivi nicht das sagte, was er nach den erwähnten Meldungen angeblich gesagt haben sollte. Diese, auf einen sehr engen Kreis beschränkte Verstimmung hat wohl so geringen Belang, daß man ihr baldiges Schwinden ohne weiteres gelassen abwarten kann. In gewissen deut schen Zei lungen wurden aber die lebhaft gefärbten Aeußer- ungen unserer Presse aufgegriffen und zum Gegenstände einer Zurückweisung gewählt, welche auf dieBesprech- ung politischer Fragen, auf die allgemeine Erörterung Fenster nach dem Park getreten und blickte von ihrer Gefährtin hinweg auf die Brum- und Buschgruppen, die aus dem Morgennebel heraus mit frischgefallenrm Schnee schimmerten. Ein unsäglich bitteres Gefühl w .ndelte sie an — dies umfriedete Haus und diese Zimmer schienen ein Asyl, wie sie es nicht besser hatte träumen können, seit die Notwendigkeit an sie heran - getreten war, selbst für ihre Existenz zu sorgen. Und er, der diese Notwendigkeit unbesonnen herbeigeführt hatte, beraubte sie jetzt voraussichtlich auch einer Zu flucht, die sich so vielversprechend anließ. Gleichwohl war es Zeit, der Wahrheit die Ehre zu geben. Chri stine hatte ihren Thee fertig und rief Erika, die sich fragte, ob sie die entscheidende Unterredung bis nach dem Frühstück verschieben sollte, an den Tisch, — sie kam aber nicht nut ihrem gewöhnlichen elastischen Schritt, sondern langsam und unschlüssig näher. Fräu lein Christine, die sich, einschenkend, über den Thee- kessel beugte, hielt den Augenblick für geeignet, um etwas zu sogen, das auch ihr auf dem Herzen lag: „Wie Haden Sie eigentlich die erste Nacht in un serem Hause geschlafen, licbe Erika, und wovon haben Sie geträumt ? Ich selbst schlief recht spät ein und mußte immerfort an Sie denken. An Sie und auch daran, daß Sie uns allen gleich fo sehr gefallen haben, uns allen — und leider auch meinem Bruder Franz. Sie haben eS wohl schon selbst bemerkt, daß Sie vor weintm Bruder auf der Hut sein müssen! Franz hat viele gute Eigenschaften uid Papa sagt, daß er im Geschäft völlig unentbehrlich sei — aber er hat gar kein Gewissen, und ich wollte, ich könnte ihm ein für allemal verbieten, Sie schön zu finden. Ich mußte Ihnen daS sagen — wir reden deS deutsch-österreichischen Bündnisse- und seiner Ziele hinübergrcift. Darin finden die beteiligten Wiener Blätter wieder einen Anhaltspunkt zur Entgegnung und so ergiedt sich eine nicht ganz harmlose Polemik, die auch daun überflüssig tväre, wenn sie sich nicht einzig und allein auf einen nebensächlichen Zufall gründen würde. Die hier und in Buda-Pest erschienenen ersten Artikel über die Kanzlerrede waren — gemäß den damals vorhandenen Berichten — auf die Annahme gestützt, daß Graf Caprivi in außerordentlich bestimmter Form die volle Gemeinsamkeit der deutschen und der österreichisch ungarischen Orientinteresfen auch mit Bezug auf die österreichisch ungarische Politik betont hätte. Die angeblichen Ausführungen des Kanzlers ließen sich unschwer dahin deuten, daß er die Haltung, welche Deutschland in den Orienlfragen überhaupt und insbesondere gegenüber Rußland beobachte, al- gleichartig mit jener Oesterreich-Ungarns bezeichnet Hale. Kann man nun gegen die Wiener und Buda-Pester Presse einen ernsten Vorwurf erheben, weil sie der artige, vermeintlich von dem Leiter der deutschen Politik abgegebene Erklärungen mit rückhaltS- loser Gcnugthuung begrüßte? Hatte jene Presse die Aufgabe, an die Worte, die ihr als Worte des deutschen Kanzlers übermittelt wurden, die kritische Sonde zu legen? Sollte sie damals eine Erörterung darüber be ginnen, ob jene Erklärungen mehr enthielten, als man in Wien überhaupt von einer Kundgebung der deutschen Poliiik erwarten durfte — und zugleich mehr, als durch die strikte, getreue Erfüllung der Pflichten des deutsch österreichischen Bündnisses bedingt war? — Wir glauben, daß diese Fragen kurzweg zu verneinen sind, da die östeireich>sch-ungarische Presse sich geradezu der Taktlosigkeit oder des Undankes schuldig gemacht hätte, Wern ihre Gegenäußerung auf die angebliche Kanzlerrede nicht eine herzlich sympathische gewesen wäre. Deshalb finden wir cs ungerecht, wenn nun in Berliner Blättern mit übergroßer Schärfe versichert wird, unsere Presse habe sich tadelnswerten, haltlosen Illusionen hingegeben, als sie sich unter einem ersten, mächtigen Eindrücke zu jenen AuSlassungcn gedrängt fühlte. Und ebenso finden wir es unnötig, daß nun von beiden Teilen — wohl nur zur Freude der Gegner des Dreibundes — alle jene Einzelsälle zer gliedert werden, in welchen ein Zusammenwirken Deutschlands und Österreich Ungarns einerseits er forderlich, andererseits nach dem Buchstaben des Vertrages nicht mehr geboten wäre. Da diese Erörterung aber leider noch fortgesetzt wird, dürfte die bestimmte und auf kompetente Mit teilungen gestützte Versicherung am Platze sein, daß die gesamte Polemik, soweit dabei österreichisch-ungarische Blätter in Betracht kommen, ohne jede Einflußnahme seitens ernster politiicher Kreise der Monarchie ein- geleitet und fortgesponnen ward und daß sie auch keineswegs die Billigung jener Kreise findet Es handelt sich da lediglich um eine Stegreifaktton, welche schon deshalb belanglos ist, weil sie weder einem Bedürfnisse noch auch nur einem Wunsche unserer leitenden Politiker entspricht. Jene Faktoren, welche zur Wahrung der Interessen der habsburgischen Monarchie berufen sind, konnten den Wunsch nach einer besonderen Bekräftigung der Anteilnahme Deutschlands an dieser Aufgabe nicht hegen, weil die Loyalität und Bundesweite der deut schen Politik ohnedies in dieser Richtung volle Be ruhigung bot. Eben in den letzten Jahren hat eS sich witderholt gezeigt, daß dies auch bezüglich der von Deutschland wohlwollend unterstützten konservativ- friedlichen Orientpolilik Österreich-Ungarns gilt. ' Der Gedanke, daß Deutschland in Einzels, agen der Ornnt- entwickelunq gänzlich ans der gleichen Linie und mit aber, denke ich, nie mehr davon! Aber warum setzen Sie sich nicht, Ihr Thee wird kalt werden." Erika hatte in der That schon den Stuhl an sich gezogen, um sich niederzulassen, jetzt blieb sie auf- gerichtet dahinter stehen, jeder Zweifel, ob sie jetzt reden müsse oder noch warten dürfe, war mit einem Male verschwunden. Mit bebender Stimme sagte sie: ,Jch danke Ihnen für Ihr Vertrauen, Fräulein Christine und muß Ihnen etwas sagen, was Sie mehr überraschen wird, als mich Ihr treugemeinter Wink. Ich bin unier einem Namen in Ihr Haus getreten, der nicht falsch, aber doch nur der Familienname meiner Mutter war. Ich heiße nicht Erika Münter, sondern Erika v. Gravenrcuth und Ihr Besucher, der Lieutenant v G avenreuth, ist mein Bruder. Ich würde cs für unverzeihliche Falschheit halten, Ihnen auch nur noch ein paar Stunden mit eurer Maske gegenüber zu stehen" Sie hatte fest und aufrecht bleiben wollen, jetzt hatte sie doch den Kopf geneigt und ein paar schwere Thränen rollten über ihre erglühenden Wangen. Christine Hagen blickte mit Bestürzung zu ihr auf — bewegte die Lippen zu einer Frage, blieb aber stumm und Erika, die wohl fühlte, daß sie mehr sagen müsse, fuhr fort: „Lassen Sie mich kurz sein, liebes Fräulein. Wir waren nach meiner Eltern Tode nicht reich, aber wir hatten allenfalls zu leben, wenn Bodo — ich weiß nicht, ob von Natur ander- gewesen oder in ein anderes Regiment gekommen wäre. Er brauchte über seinen Zuschuß hinaus, für den mein Vater das Kapital sicher gestellt hatte, brauchte immer mehr und immer wieder und ich half ihm natürlich, so large ich'- irgend vermochte. Es wurde am Ende
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