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Dresdner Journal : 12.01.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189301125
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18930112
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18930112
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-01
- Tag 1893-01-12
-
Monat
1893-01
-
Jahr
1893
- Titel
- Dresdner Journal : 12.01.1893
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Donnerstag den 12. Januar, abends 18M. r Nok) MLV. QON »ll »nx. Zimmer, Lonne« le» de, t, vrtichl ! Tisck- rti^ren, lgr «a; Wau» g zu vn - b Uhr 5, I. "II «dien lvke. z-ks. kchdose». varrten. , Pr.»»ea. tten>8»pr»i»r DOr l>r«»äao vivrtsI^LUrlick 2 tl«rlr KO kk, ü» I»i»«rl 6eut>cU<!a l'o»t»n»t»lt«» vierlsl- ^LOrtieti S »u,,«rrU»Ib «le» -U utietik» k»ic>»«« Aitt ko»t- uaä 8l<mp«Iru,ckI«8 dio». Lioielo» itummero: 10 kk. XnhiüocklxonxvxvdVItren: >ckr S«a k»um einer sse»s>»Ilenen 2eils ^lei»« leiirikl 20 kf. lauter .,1?inisS3»o<1t" Ui« 2«ils SO ?k. ttei ^i»b«IIeo- und ^itkr-rneritr eotipr. Xul»cdl»x. Lrseiieiuen: mit ^usnnkm« der 8oan- u koiert»^» »beoä». kernsprecU-Xneetilu»»: Xr. 12SL. DreMerAmrna l. Lür die Gesamtleitung verantwortlich: ^ofrat Gtto Vanck, Professor der titteratur- und Kunstgeschichte. ^»u»kw<> e«n Xi>kü»iIIi7Unx«n nn»«7rrt»r I.«IP«I^ e />. /lruneletrtter, ttolnn>i>»»ioi>Lr kl«» I>r«»li»vr ^nurnul»; L»i»l>llrx H«rl>u Vi»n r»iprlz L»,«I Lr»»I»u ^r»nIisure «. N.: //aueen^riri 8«rl>»-Vivu-N»mburx kr»8 I.«ipr>8 rr»nliku't ». II. Hüned«»: 7<uel k»ri, l.on6on Lirlia kr»skturl ». » Sllltlz»rtt ('s. / LirUa /niaixtenttunl:, Lr««l»u: /.m>I /r'ri/,u^>/ «»imovir: (/. öc/iun/rr,' S»Ue L. S.: Larct et O. Uernusxedorr Xöoixl. Lepeäition «l«» Uresitner ^vurnnl«. Ureiüen, 2i»in^erslr. 20. k«lo,precb-^v»cklu3»: Kr. 12S5. Ämtlicher Teil. Dresden, 1-2. Januar. Ihre Majestäten der König und die Königin sind heute von Villa Strehlen in das Königl. Residenzschloß übergesiedelt. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Lehrer an den Technischen Staattlehranstalten zu Chemnitz, Professor vr. Ohorn, die ihm von Sr. Hoheit dem Herzoge von Sachsen- Altenburg verliehene Verdienstmedaille für Kunst und Wissenschaft in Gold mit der Krone annehme und trage. nichtamtlicher Teil. Lekgrapöische und tetepkonische Kachrichttn. Straßburg, 12. Januar. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Se. Majestät der Küfer reisten mittels SonderzugeS heute früh ^9 Uhr von hier nach Karlsruhe ab; eine offizielle Verabschiedung auf de« Bahnhof fand nicht statt. Karlsruhe, 12. Januar. (Tel. d. DreSdn. Journ ) Se. Majtstät der Kaiser trafen, da die Truppenübung bei Ettlingen wegen Glattei» ab- gesagt war, bereit» 10 Uhr 20 Minuten mittel» SonderzugeS hierein. Auf dem Babnhofe war der Großherzog mit dem Prinzen anwesend; e» fand eine sehr herzliche Begrüßung statt. Ler Kaiser fuh- rev mit dem Großhrrzoge durch die geschmückten Straßen nach dem Schloß, wo die fürstliche« Damen Se. Majestät begrüßten. Berlin, 12. Januar (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die Budgetkommission des Reichstage» erledigte htute vormittag die einmaligen Ausgaben deS ordentlichen Etat» deS ReichSamteS deS Innern und ebenso den außerordentlichen Etat desselben, darunter die Forderungen von 3^ Mill. Mark für den ReichStagSgebäudebau und von 32 Mill. Mark für den Norkostseekanal. Berlin, 12. Januar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Nach dem im Abgeordnetrnhause vorgetragenen Erposü de» Finanzmiuistrr» schließt der preußische Etat mit eine« Defizit von 58 Millionen ab. Dortmund, 12. Januar. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der frühere Bergmann und Führer de» StreikkS Bunte ist gestern abend auf Requisition deS ersten Staatsanwalt» bei seiner Rückkehr von einer AgitationSreise auf der Straße verhaftet worden. — Der gestern in Gelsenkirchen versam melte Ausschuß deS 22000 Mitglieder umfassenden rheinisch westfälischen Verbandes der evangelischen Arbeitervereine beschloß einstimmig eine Erklärung gegen den Streik. Saarbrücken, 12. Januar. (Tel d. DreSdn. Journ.) Heute find im Saarrrvier 16047 an- gefahren, also etwa 3000 mehr al» gestern. Essen, 12. Januar. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Im hiesigen Revier streiken gegen 15 000, im Bochumer gegen 10000. Gelsenkirchen, 12. Januar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die Lahl der Anfahrenden nimmt weiter zu. Mehrere Aufwiegler wurden verhaftet. Würzburg. 12. Januar.*) Da» Königl. Schullrhrerseminar ist vollständig niedergebrannt. Vie Bewohner konnten nur daü nackte Leben retten. Bremen, 11. Januar. (D. B Hd) Ler Schiffs verkehr mit Bremerhaven ist nach wie vor unge hindert; die Schiffahrt auf der Weser bis zum *) Nachdruck verboten. Luvst und Wissenschast. Zwischen dru Jahre«. Novelle von Adolf Ster». s (Fortsetzung.) ,Für mich ist neben Ihnen niemand schön, Fräulein Eva. Und wie dürfen Sie sich wundern, wenn mir nicht lustig und munter zu Sinne ist? Wie manchen Tag bin ich schon hier und hoste auf daS kleinste Zeichen, daß ich Ihnen nicht gleichgiltig sei, hoffe umsonst auf ein Pfand des Glückes." Wohl machte Eva eine erschrockene Miene und faltete sogar bittend ihre Hände, um die Worte der Lieutenants zu hemmen. — Herr Bodo aber wollte die günstigen Augenblicke nicht verlieren und folgte dem jungen Mädchen, als sie einige Schritte vor ihm gegen ihre Freundinnen zurückwich. Was er ihr noch zuflüsterte, verstand Eva jedoch nur halb und ihm selbst wurde plötzlich das Wort abgeschniiten, als alle im Salon versammelten ihre Blicke der Thür zuwandten, deren beide Flügel geöffnet wurden. Christine in ihrem Fahrstuhl, den Martin über die Schwelle schob und a« ihrer Seite eine schlanke Mädchengestalt, deren Hand die Gelähmte in der ihren hielt, wurde sichtbar. Alle Anwesenden waren doppelt überrascht, nur äußerst selten pflegte sich die älteste Tochter deS Hauses in diesen Räumen zu zeigen und wenn es heute abend geschah, so galt es ihrer Begleiterin, deren Name „Fräulein Erika Münter" von Lippe zu Lippe ging, noch ehe ihn Fräulein Christine ausgesprochen hatte hiesigen Freihafen ist infolge der Arbeiten her Eisbrecher immer noch möglich. Gestern ist rin Dampfer, begleitet von dem Eisbrecher, in See gegangen. Heute «erben zwei EerLampfrr er wartet. Paris, 11. Januar. (D. B. Hd.) Geilern spät abends soll der Botschafter in London Wad- bington angeblich seine Demission eingrreicht baden, weil einem unverbürgten Gerücht zufolge Ribot Waddington beauftragt Hube, Lord Rosebery zu eröffnen, Frankreich werde Englands Intervention in Marokko nicht dulden und die Besetzung irgend eines Punktes alS Kriegsfall betrachten. Bern, 11. Jaruar. (D B. Hd) Auf Grund de» BundeSratöbeschluffeS wurde« die Warentarife herabgesetzt, wodurch namentlich a»S Österreich- Ungarn rin großer Aufschwung de» Warenverkehr» bezüglich jener Artikel zu erwarten ist, welche bi»her au» Frankreich bezogen wurden. London, 12. Januar.*) Heute hat rin Minister- rat zur Erörtrrung der irischen Homerulrfrage unter Vorsitz Gladstone» stattgefundrn. — Am 20. d. M. wird Lord Salisbury eine große Pro- grammrrde halten. Kopenhagen, 11. Januar. (D B. Hd) Da an eine Einigung zwischen den großen Konfektion»- firmen und ihren männlichen Arbeitern vorläufig nicht zu denken ist, so werden die Firmen ihren ganzen Bedarf für die kommende Saison in Deutschland decken. Im Laufe deS Sommer» sollen dann Filialen in Deutschland errichtet werden. Der Gesetzentwurf, betreffend die Bewilligung einer Pension von 2000 Kronen für die Witwe deS Dichters Hestrup, der am Montag vom Land»- tdinge in dritter Lesung einstimmig angenommen wurde, ist dem Konseilpräsidenten zugrstellt worden. Zur Beförderung der Post zwischen Korsör und Nnborg auf Fünen find die EiSbrecherdampfer „Stärkodder" und „Mjölner" nach Korsör ab» gegangen. Die Fahrten der Postschiffe zwischen Korsör und Kiel finden noch regelmäßig statt; ein Eiögürtrl unter Langeland wird von den Dampfern leickt durchschnitten. Gestern mittag »ar der Sund vollständig mit EiS belegt. Die Lcuchtfeuerschiffe bei Fallsterbo und bei Malmö sind von ihrer Station genommen. Bei Helsiagör ist der Sund in der Mitte noch eisfrei. Der Dampfer „I C. Jacobsen ' traf zwischen Arcona und JaSmund starke» Eis an. Der auf der Reede von AarhnS eingetroffene englische Dampfer ,,St. Andrews Bay" landete die gerettete, auS 18 Mann bestehende Besatzung der norwegischen Barke „Eleanor" aus Arendal, die auf der Reise von Hoore nach Savannah in finkendem Zustande im Atlantischen Ozean verlassen werden mußte. Stockholm, 11. Januar. (D. B. Hd.) Die Regierung wird dem Reichstage in der bevor stehenden Tagung keine Vorlage, betreffend die direkte Verbindung zwischen Stockholm und Berlin über Saßnitz, machen. Belgrad, 11. Januar. (D B Hd.) Uber einen blutigen Zusammenstoß in Semendria zwischen den Radikalen und den neuen Gemeinderäten werden folgende Einzelheiten bekannt: Die Polizei wurde zweimal v»u der in dem Gemeindehaus» angesam- melten Menge zurückgeworfen. D ir heranrückende Gendarmerie feuerte gegen die Menge, die eben falls Schüsse abgab. Ern Gendarm wurde ge tötet, drci Bürger sind verletzt worden. Zur Hilfe *) Nachdruck verboten Die neue Gesellschafterin trat mit einfacher Sicher heit in die fremde Gesellschaft, schien gar nichts an den reichen Aeußerlichleiten ihrer Umgebung zu be achten und war durchaus nur um Christine bemüht, die in sroher Erregung sich am Eindruck weidete, den die anmutige Haltung und die Schönheit Erikas «uf alle hervorbrachte. So peinlich eS Bodo v Graven- reuth war, seine Schwester unter solchen Umständen zu erblicken — auch er konnte sich einer Anwandlung geheimen Stolzes nicht erwehren, als er sah, daß Erika auch ohne ihren alten Namen und in der Rolle eines GescllschaftLfräuleins durch ihre bloße Erschein- ung aller Augen auf sich zog. Fräulein Cordula lächelte allerdings ihrer Schwester Martha gering schätzig zu und musterte höhnisch das einfache weißwollene Kleid, in dem Fräulein Münter erschien, aber sie blieb für diesmal allein. Selbst die Kommerzienrätin, der der Ausdruck von Glück und Befriedigung in den Zügen ihrer kranken Tochter nicht entging, trat der neuen Hausgenosfin verbindlich entgegen und sagte: „Ich heiße Sie noch einmal willkommen, Fräulein Münter, und wünsche um Christinens und unser aller willen, daß Sie recht heimisch in unserem Hause werden". Die Gesellschafterin verneigte sich dankend und schien mit einem liebevollen Blick auf die gebrech liche Gestalt im Lehnsessel zu versichern, daß sie schon um deS Empfanges willen, den sie bei Fräulein Christine gefunden, sich hier heimisch fühle. In der That zeigte ihr Auftreten, so weiblich sei» und gewinnend eS war, keine Spur von Befangenheit und nur einer war in, Salon, der eS wußte, daß die» das junge Mädchen in dieser Stunde dennoch nicht ganz sie selbst sei «nd eS absichtlich ver- abgesandte» Militär verhaftete die Radikalen so wie die Gemeinderüte. Auch in Eacak fand ein blutiger Zusammenstoß statt, bei welchem drei Per sont» getötet und fünf verwundet wurden. Jassy, 12. Januar.*) Der Verkehr zwischen der Moldau und Bukarest ist infolge der Schnee- massen, die allenthalben über 1 m hoch liegen, noch gänzlich unterbrochen. New-Dork, 11. Januar. (D. B. Hd) Der Erport an Hornvieh wird übermalt einen be deutenden Aufschwung nehmen, da auf dem Gebiete der Vereinigten Staaten die Lungenseuche voll- ständig erloschen ist. New-Dork, 11. Januar. (D B. Hd) Die vereinigten Syndikate führten eine Verständigung mit den NichtsyndikatSarbeitern herbei zwecks eines gemeinsamen allgemeinen AuSstandeS in Homestead zu Anfang de» Frühlings. Pittsburg, 11. Januar. (D B. Hd.) Bei einer Dampskeffelerplosion wurde eine Person ge tötet, zwölf wurden verwundet. Bueno» Ayre», 11. Januar. (D. D. Hd.) Die Aufständischen in Eorrirntr» griffen die Truppen des Gouverneurs von Santa Lucia an. Die Zentralregierung entsandte 2 Kanonenboote mit Truppen zur Verfügung der Regierung. Dresden, 12. Januar. Serbien vor den Wahlen. ft Noch trennt uns ein voller Monat von dem Zeitpunkte, in welchem die Neuwahlen für d:e ser bische Volksvertretung stattfinden werden. Tie Re gierung, die bekanntlich erst im verflossenen Jahre anS Ruder kam, hat alle verfassungsmäßig anwend baren Behelfe benützt, um den Appcll an die Be völkerung möglichst lange zu verzögern Ein Mini sterium, welches durch den Entschluß der Regentschaft zur Macht gelangte, während eS im Parlament nur über eine numerisch geringe Minderheit verfügte, mußte nolgediungen jenen Weg einschlagen. Die Ausgabe der neuen Regierung, sich eine stärkere An hängerschaft im Volke und in der künftigen Skuptschina zu werben, ist keine leichte und dieselbe konnte nur in einem ihunlichst weit ausgedehnten Zeiträume gelingen. Durch die Vertagung der Skuptschina wurde dieser Zeuraum gewonnen, da man die förmliche Auslösung der längst dem Untergange geweihten Körperschaft erst unmittelbar vor dem Jahresschlüsse vornahm, wodurch die betreffende Versassungsbestimmung eben noch ein- gehalten ward. Nach dem Wortlaute der Konstitution muß nun die neue Skuptschina spätestens zwei Mo nate nach der Auflösung der früheren, d. i. bis zum 1. März a. St., zufammentreten. Die Neuwahlen werden daher in der ersten Hälfte des Februar statt- findtn und die Wahlbewegung wird mit Rücksicht auf diesen nahen Termin von den Parteien schon mit großem Eifer eingeleitet und gefördert. Die Gemeindewahlen boten ein Vorspiel dessen, was sich in den nächsten Wochen in Serbien zutragen wird. Die Erregung der Parteien ist bei jenen Wahlen zum Ausdrucke gelangt und zwar nicht nur durch temperamentvolle politische Kundgebungen, son dern auch durch die landesüblichen Schlägereien, welche von den liberalen Siegern al- unbedeutende Austritte, von den unterlegenen Radikalen als förmliche Schlachten dargestellt werden. Der Beginn der neuen Wahl- bewequng vollzieht sich unter denselben interessanten Anzeichen. Während diesem oder jenem Politiker dat vorläufige Attest über die ihm beschiedene VollSgunst in der Form eines Vertrauensvotums gespendet wird, erhält der Gegner einen endgiltigen Beweis seiner geringen Popularität durch einen kräftig geführten mied, nach der Ecke des Raumes hinzujehen, aus der sie beim Eintreten das Rot und Silber einer Uniform hatte hervorglänzen sehen. Am Ende mußte sich Erika doch entschließen, ein paar Schritt nach der jüngeren Tochter der Kommerzienrätin Hinzuthun, die ihr an der Hand ihrer Mutter entgegenkam und hinter der, wie ein Schatten, ihr Bruder austauchte. Bodo v Gravenreuth suchte sich umsonst den Blick zu deuten, den seine Schwester aus ihren großen schönen Augen auf Eva Hagen richtete, er fühlte nur dunkel, daß dieser Blick ihm und seinen Hoffnungen nicht günstig war. Er lauschte eifrig dem Gespräch ErikaS mit der jugendlichen Eva und hörte, daß seine Schwester noch wenigen Augenblicken mit ihr wie mit einem liebenswürdigen Kinde plauderte und scherzte und Evchen nach ihren PensionSerlebnissen fragte, die noch wenige Monate hinter der kleinen selbstbewußten Dame lagen. Es erfüllte Bodo zwar mit einiger Genugthuung, daß sich Evchen sichtlich gegen die gütigen Blicke und die herzlichen Fragen der neuen Hausgenossin sträubte, aber er spürte schon nach einigen Minuten, daß Erika daS leise Widerstreben des Mädchens spielend überwand und die An ziehungskraft auSübte, die ihr Bruder längst kannte und die ihn unter andere« Umständen freudig gestimmt hatte. Jetzt war er gereizt, verstimmt und erschien sich noch obenein höchst lächerlich. Denn kaum war Erika zu Fräulein Christine z«rückgekehrt, die in der Mitte deS Salons einige der fremden Gäste um ihren Sitz versammelt hatte, so trat Evchen wieder zu ihm und ihren Freundinnen und begann in froher Hast zu erzählen, daß sie Fräulein Münter bei näherer Bekanntschaft völlig ander» al» sie sich Messerstich. Dann greifen zunächst die Polizeiorgane ein und wenn die Letzteren den Frieden zwischen den begeisterten Politikern nicht herzustellen vermögen, so gelingt dies doch binnen kürzester Frist den wohl- bewaffneten Truppen. In den nun beginnenden Wahlkämpfen dürste der militärischen Macht eine nicht zu unterschätzende Rolle zugewiesen sein. Die früheren Regierungen waren nur selten in der Lage, von diesem Hilfsmittel Gebrauch zu machen. In der serbischen Armee, insbesondere in ihrem Osfiziercorps sind die liberalen Gesinnungen sehr stark verbreitet, und die Regierungen der Fortschritt-Partei und der Radikalen mußten dieser Thatsache Rechnung tragen. Sie hegten eine gewisse Abneigung gegen jedes, nicht unbedingt gebotene militärische Eingreifen bei poli tischen Excessen und sie vermieden es deshalb umso mehr, das Aufgebot der Truppen lediglich zur Ein schüchterung der Wähler zu verwenden. Man sand das Auslangen mit anderen Behelfen, welche angeblich entweder die Gesinnungen der Wähler oder im äußersten Falle die — Wahlresultate selbst beeinflußt haben sollen . . . In Serbien besteht das Listenwahlsystem. Die einzelnen Parteien legen Kandidatenlisten auf, welche für je einen Wahlkreis gelten und die Namen aller, in dem betreffenden Kreise um Mandate werbenden Parteigenossen enthalten. Die Wahlberechtigten geben ihre Stimme ab, indem sie im Wahllokale eine Kugel in eine der dort ausgestellten Kassetten gleiten lassen, deren jede durch eine solche Kandidatenliste gekenn zeichnet ist. Tie Wähler strecken ihre festgeschlossene Faust zum Scheine, d. h, um das Geheimnis der Abstimmung zu wahren, in jede dieser Kassetten. Tie Letzteren sind an der Innenseite sorgsam mit Baumwolle verkleidet und kein Zeuge kann daher vernehmen, in welchen der Behälter die Kugel wirklich von der Hand des Wählers versenkt ward. Di?i: Prozedur wird unter Aussicht des Bürgermeisters vorgenommen, der in Serbien nicht nur ein Gemeindewürdenträger, sondern zugleich das höchste staatliche Organ und Chef der Polizei in der Behörde ist. Diesem Beamten, dessen Macht in der Gemeinde kaum begrenzt erscheint, und der trotzdem auf das Wohlwollen ter Regierungspartei angewiesen ist, obliegt r» dann, den Inhalt der er wähnten Kassetten im Beisein einiger mehr — oder weniger aufmerksamer Kommissäre zu sichten und da'- nach das Wahlergebnis festzustellen. — Von den geheimnisvollen Kassetten und insbe sondere von der Prüfung des Inhaltes derselbe« wurden während früherer Wahlkämpfe manche seltsame Dinge erzählt, die wohl zum größten Teile nur in der erregten Einbildung enttäuschter Mandatswerber bestanden. Bei den kommenten Wahlen dürste sich aber überhaupt kaum ein Anlaß zu derartigen Erzähl ungen ergeben. Die liberale Partei, die heule als Regierungspartei auf den Plan tritt, beginnt den Feldzug unter so günstigen Auspizien, daß ihr Sieg vorweg als sehr wahrscheinlich betrachtet werden muß Trotz ihrer numerischen Schwache hat sie so fort nach dem Sturze des radikalen Ministerium- PasicS mit Rührigkeit und Erfolg im ganzen Lande auf die Gesinnungen des Volke« eingewirkt. Tie Fehler und Mißbräuche der früheren Regierung wurden schonungslos aufgedeckt und diese Enthüllungen brachten den Liberalen zahlreiche Anhänger Die allmählich wieder erstarkende Fortschrittspartei vermeidet einst weilen die offene Fehde mit den Liberalen weil sie den Radikalen nicht zur Macht verhelfen will. So wird sich der Kampf für die Liberalen nur dort schwierig gestalten, wo sich die Radikalen in ihren letzten hartnäckig verteidigten Positionen be haupten. In jenen Gebieten aber wird die Regierung vorgestellt und beinahe bezaubernd gefunden habe' Es durchrieselte de« Lieutenant gar unbehaglich, daß er jetzt eigentlich den frischen Enthusiasmus deS jungen Fräuleins dämpfen müßte — er konnte doch die eigene Schwester nicht komisch finden und i» den Augen des schönen KindcS heradsetzen, das er ihr zur Schwägerin zu geben wünschte! Im Grunde hatte Erika Recht gehabt — es wäre besser gewesen, wenn er gleich, nachdem er ihres Kommens gewiß geworden war, einen Vorwand zu plötzlicher Abreise gesucht und ergriffen hätte. Sobald jedoch seine Gedanken weiter und zurück in seine Garnison irrten und :hm beifiel, daß Erika dann auch mit allem anderen Recht habe und er alsbald hinweg müsse in ein dunkles, wider wärtig rauhes Leben hinein, war's ihm, als hätte er nichts andere- zu 'Hun, als sich io rasch und gewandt als möglich aus das Rad dcS Glückes zu schwingen. Fräulein Eva erschrak beinahe vor der Heftigkeit, mit der Bodo v. Gravenreuth, als man in diesem Augen blick zn Tisch ging, ihren Arm in den seinen legte und an sich preßte, sie wußte nicht, daß dieser Arm eine Speiche in dem Rade sei, daS sich der junge Offizier nicht entrollen lassen wollte. Das Tiner sand in dem gleichen Raume wie daS Frühstück statt, aber da die Gesellschaft zahlreicher war, saß man enger gedrängt; die filberschimmcrnde, mit Blumen reich gezrerte, mit Licht verschwenderisch übergossene Tafel wurde jetzt durch die mächtigen Auf sätze und Blumengruppen in verschiedene Teile zer schnitten, so daß ein allgemeines Gespräch unmöglich schien. Herr Bodo musterte diese Anordnung mit um so größerem Wohlgefallen, als er, seine» Platze» zwischen Fräulein Eva und einem Fräulein Oberdörfer gewiß.
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