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Dresdner Journal : 11.01.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189301111
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18930111
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18930111
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-01
- Tag 1893-01-11
-
Monat
1893-01
-
Jahr
1893
- Titel
- Dresdner Journal : 11.01.1893
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MiMvoch, den 11. Januar, abends. 18M PO» vr«»6»> visrt«I>ikrllik » St»i>c SS ?5, I»»»«rt 6»vt»ckeu vi«r1«l- ^rtieU » 6c» <tcu«»cl>c» ItcieU»» tritt?o»t- uo6 8tempel»u»cl»l»^ bi»»«. Liaicln« Kulmatru: IO kf. La>lü»6ixnn8»U«t»üUrear 6«v k»um einer ss«»p»Iteaen Leit« tleieer Merritt 20 ?k. Unter „s!lN8«»»n6t" 6l« Leite SO kk. Mei Drbellen- uo6 Litscro»»«» «atrpr. XuOckl»^. Lmclieiuea: mit Xuenedru« 6er 8oou- u »K«o6». terneprecti-Xneetitu»»: ür. 12SL. ZresdnerÄmmml. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Gtto Banck, Professor der (itteratur- und Kunstgeschichte. L«ro»li»e ren znkunaixnuxco uuniriirl», I.«IPH^: />. /<,u^6«tc<ecc, ^ommineioimr 6<r» l>ri »einer 6uurn»I»; Ilemderx S«rli» Vi«n I.»ip„^ S»,«l vrerlin?r»i>ttnrl ». N.: ^/anren,:«»! <e i'e-A/rr, L«> im-Visa - Il»m^ur^ vr»js l.»>prix-kr»vtkur1 ». H. tläock«»: Viu6. A/u««,' r»r>» I-olieiov L«rlm ^reokkurt ». tl Skuttzert: /-ante «t Oo , U»rlu>: /nrai>6en<iant , Lr««I»u: /.'mit -i'a/rat->' Nennoror^ 6. Lc^U«irr, S»U» ». S.: /. Larct <t t,'». Hereuexederr lSoixi. Lrpeäition 6e» I-ree6oer /nurnet». I)re»6eo, Lvinjserstr. 2V. kerviprscti-^oectiln»»: !nr. 12SL. Amtlicher Teil. Bekanntmachung. DaS Ministerium des Innern bat 1) der .Kranken- und S'erbekasse des Verein- Dresdner Kaufleute zu Dresden, eingeschrie bene HülfSkasse", 2) der „Krankenkasse de- Handwerker-Vereins zu Alt- und Neugersdorf, eingeschriebene Hülfrkasse", 3) der „gewerblichen Krankenkasse zu Kötzschen broda, eingeschriebene HülfSkasse" auf Grund deren revidirten Statuten zu l) vom 28. Oktober 1892, zu 2) vom 10. Oktober 1892, zu 31 vom 14. November 1892 bescheinigt, daß sie vorbehaltlich der Höhe der Kranken- geloe-, den Anforderungen de- 8 75 de- Kranken versicherungsgesetzes vom 15. Juni 1883 in der Fassung der Novelle vom 10. April 1?-92 genügen Dresden, am 9. Januar 1893. Ministerium des Innern, Abheilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel. Böttcher. Lippmann. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische und telephonische Nachrichten. Sigmaringen, 11. Januar. (Tel. d. DreSdu. Journ.) St. Majestät der Kaiser find heute früh 8 Uhr nach Karlsruhe abgereist. Gelsenkirchen, 11. Januar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Zur heutigen Frühschicht sind von den Gluben „Hibernia" und „Wilhelmine" sämtlich? Bergleute nicht angefahren, von der Grude „Con- solidation" sind von S83 nur 237 angefahren, von der Grube „Unser Fritz" im e, st-n Schacht sämtliche, im «weiten 60 von 360; sonst ist die gesamte Beleg schaft angefahren. Teilweiser Streik herrscht auf den Gruden „Tremonia" und „Westfalin bei Dort mund, „Glückauf" bei Barop und „Carolinen- . glück" bei Bochum. Saarbrücken, 11. Januar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Heute sind 13316 Mann angefahren; auf der Grude „König" arbeitet alles. BreSlau, 11. Januar. (Tel. d.DreSdn Jouro.) Die ganze Belegschaft der Grube „Deutschland" ist heute angefahren. Der „BrcSlauer sZeitung" zufolge ist der Streik als beendet anzusrhen. Bonn, 10. Januar. (D B. Hd.) In der ver flossenen Nacht 2 Ubr fuhr der GnteriUg Nr. 700 trotz der verbotenen Einfahrt in den hiesigen Güter- bahnhof ein, als in demselben Augenblick ter Zug Nr 619 den Bahnhof verlassen wollte. Die Züge stießen infolgedessen zusammen. 3 Weichen, 60 m Geleise, 1 Maschine und 6 Wagen wurden schwer beschädigt. Personen wurden nicht verletzt. Lie rheinische und die Bonn-Euskirchener Strecke ist gesperrt, jedoch dürfte die letztere gegen Mittag, dir erstere abends dem Verkehr wieder übergeben werden. Ludwigshafen, 10. Januar. (D.B.Hd.) Der Postwagen der Linie nach Speier geriet in Brand. Ein Neisender zog die Notleine, wodurch große Gefahr verhindert wurde. b , Die hiesige Waggonfabrik kündigte einer Anzahl ihrer Arbeiter wegen Mangel an Arbeit. Nürnberg, 10. Januar. (D. B Hd.) Star ker Schneefall hat vier große Verkehrsstörungen verursacht. Luust nnd Wissenschaft. Zwischen den Jahren. Novelle von Adolf Ster» (Fonsitzung.) Erika v Gravenreuth versuchte ihren Bruder wiederholt anzusehen, es schien ihr unmöglich, daß er im Ernst fragen könne. Er hob hartnäckig seine Augen zu den Wolken empor, deren rote Ränder all mählich in orangefarbene übergingen, oder von der hrreindunkelnden Nacht verschlungen wurden, und blickte die Straße hinunter bis zu dem fernen Punkt, dem Engler mit dem Landauer zurollte. Sie gab es auf, in seinem Gesicht zu lesen und antwortete leise aber fest: „Deine Schwester sagt nichts, als was Du Dir selbst gesagt hast, Bodo — Du mußt alsbald von hier abreisen, da wir nicht al- Fremde unter einem Dach sein können!" „Abreisen! Nach meiner Garnison und direkt vor meincn Pistolen kasten?" fragte er zurück, indem er stehen blieb, aber nach wie vor dem eindringlichen und traurigen Blick der großen blauen Augen de- jungen Mädchens auS- wich. Sie war offenbar einige Jahre jünger al- ihr Bruder, ihre Gestalt obwohl nur gleich groß als die des jungen Offiziers, schien doch letztere zu über ragen, auch ihr Gesicht zeigte bei aller Anmut festere, klarere Züge als die Bodor. Bei seinem letzten Au-ruf richtete sie ihr gesenkte» Haupt zürn nd empor und sagte mit nachdrücklichem, bei- Wien, 10. Januar. (D. B. Hd.) Nach pol nischen Blättern wurden wegen Teilnahme an den Astrachaner Unruhen während der Ebolera 20 Personen zum Tode und 20 zur Strafurbeit in Sibirien verurteilt. Bei der Station Eisenau in der Bukowina überfielen betrunkene Bauern einen Personenzug und besetzten die Lokomotive. Die auf dem Zuge befindlichen Gendarmen drohten, von der Waffe Gebrauch zu machen, worauf die Mebrzahl der Angreifenden floh; einige derselben wurden ver haftet. St. Ingbert, 10. Januar. (D. B. Hd.) Die Arbeiter der birfigen Pulverfabrik streiken wegen verweigerter Lohnerhöhung. Pari-, 11. Januar. (Tel. d. TreSdn. Journ.) Der , GauloiS" kündigt an, mehrere Deputierte würden über die Gründe der Demission der Ka binetts interpellieren.— Der „Matin" will wissen, dir mit dlM zweiten Gutachten über die Todes ursache Reinachs beauftragten Chemiker VillirrS und Cchützendrrgrr wären zu dem Schluffe ge- kommen, rS sei bei dem Zustande der Leiche un möglich, Spuren von Aconitin nachzuweisen; nichts rechtfertige die Behauptung, Reinach sei vergiftet. Paris, 11. Januar. (Tel. d. Dresdn. Journ) Die Wahl Eafimir PerierS zum Präsidenten der Kammer ist vorzugsweise durch die Stimmen der Republikaner erfolgt. In parlamentarischen Kreisen verlautet, der Untersuchungsrichter Franqueville sei geneigt, das Verfahren gegen die Senatoren und Deputierten, zu deren gerichtliche Verfolgung er die Ermäch tigung deS Parlaments erhalten hatte, einzustellcn. Lie Ausführung der im Prinzip bereit, beschlos. senen Maßnahme stehe unmittelbar bevor. Lie Administratoren ter Panamagesellsckaft, ausge nommen Leroy, und der ehemalige Minister Bai- haut seien bisher die einzigen Personen, die man vor die Assisen verwiesen habe. Rom, 10. Januar. (D B HdJ Die Gesetzes- Vorlage über den Vorrang der bürgerlichen Ehe vor der kirchlichen Trauung hat im klerikalen Lager große Aufregung hervorgerufen. Die klerikalen Vereine wollen am Sonntag eine Versammlung abhalten, in welcher über die Vorlage verhandelt werden soll. Rom, 10. Januar. (D. B Hd.) Der Kom mandant von Massauah hat angesichts der neuen Fehde zwischen RaSmangascha und Rasalula mehrere befestigte Lager zum Zweck deS Kund- schafterdienfirS längs der ganzen Tigregrb'elgrenzr eingerichtet. Mailand, 10. Januar. (D. B Hd.) Bei der gestrigen Verurteilung von vier Anarchisten kam rS zu einem Handgemenge zwischen den Cara binieri und den Anarchisten. Mehrere Personen wurden verwundet und einige Verhaftungen vor- genommen. Kopenhagen, lO.Januar. (D. B. Hd.) DaS Kattegat ist m:t Treibeis ungefüllt. Zufolge Be kanntmachung deS AdmiralitätSbepartementS de» MarineministeriumS hat das Leuchtfeuerschiff „Läsö Rrndr" deS Ele- wegen seine Station verlassen müssen. Die Lruchlbarke bei Holzkovriff ist von dem Treibeise von ihrer Station fort gerissen worden. DaS Leuchtfeuerschiff auf Gjed- serriff bat auch deS EiseS wegen von seiner Sta tion genommen werden müssen. Die Fahrten der Dampffähre im großen Belt zwischen Korsör und Nyborg mußten schon am Sonnabend abend ein gestellt werden. nahe finsterem Ernst: „Schäme Dich, Bodo! — Ich habe, wie Du wohl weißt, ein Recht auf Dich er worben und halte Dich für unfähig, feig aus der Welt zu gehen und mich zu verlassen. Sind Deine Verhältnisse so, daß Du Dich nicht mit Ehren behaupten kannst, jo weißt Du mich längst bereit, überall — und müßte es drüben in Amerika sein — ein neues Leben mit Dir anzufonqen! — So sehr ich Dir jede» Glück gönnen würde, so widerstrebt mir's, daß Du eine Frau nur suchst, um Deine Verhältnisse zu ordnen und das gewohnte Leben foitzusctzen. Ich traue Dir zu, daß Du am En^e doch zu stolz dazu bist! Bodo, wenn Du wirklich keinen Ausweg mehr siehst, nimm gleich mir den Namen der Mutter an, wir lassen alles hinter uns und Du wirst in anderen Umgebungen endlich der sein, der Du bist, Bruder!" Bodo v. Gravenreuth hatte ein paarmal Miene gemacht, die Ansprache seiner Schwester unterbrechen zu wollen, jetzt seufzte er tief und sagte: „Tein alter Traum, Erika! — als ob es so leicht wäre, alle» wegzuwerfen, worin man groß geworden und woran das Herz hängt. Wenn Du mich lieb hast, so darfst Du mich nicht aus diesem Hause hinwegscheuchen, da ist ein süßes herziges Mädchen, Fräulein Eva, die — die ich ausrichtig lieb gewonnen habe und von der ich hoffe, daß sie mir von ganzer Seele zugrthan ist. Geh ich jetzt, rhne ein entscheidende- Wort gesprochen z» haben, so ist's damit vorbei und ich hatte soviel Hoffnung, ich hätte, auch in Deinem Sinne, ein neues Leben beginnen können, Erika! — E» wäre hart, daß gerade Du es sein solltest, deren Dozwischentr,len mein beste» Glück verhinderte! Du hast so viel sür mich gethan Christianis, 10. Januar. (D B Hd) Ter König und die Königin werden zur Eröffnung des StorthingS nicht hierher kommen, sondern erst nach Ostern hier eintreffen. Ob der Kronprinz daS KönigSpaar begleiten wird, ist noch nicht be> stimmt. Die Einfuhr von rohen Häuten auS Schweden ist verboten worden. Dir Schifrabrt nach hiesigem Hafen ist un behindert und die Küstendampfer fadren regel mäßig. Im Christianiafjord war bisher nur wenig Eis. Washington, 11. Januar. (Tel. d Dresdn. Journ.) Der Senat nahm dot Oluarantänegesrh für ausländische Schiffe an. BuenoS-AyreS, lO.Januar. (D.B.Hd.) Die Aufständischen in der Previnz Corrientes nahmen CaseroS ein und schlugen die Regierungstruppen nach heftigem Kampfe. Auf biiden Seiten gab eS zahlreiche Tote und Verwundete. Mehrere Ge- sa igene wurden erschossen. Dresden, 11. Januar. England im Jahre 1892. In der Geschichte Englands hinterläßt das abge laufene Jahr keinen wohlthuenden Eindruck. Es be gann mit dem Tode de» ältesten Sohnes des Prinzen von Wale-, des Herzog» von Clarence ES machte ferner der segensreichen Regierung deS Kabinetts Salisbury ein Ende und brachte den 83jährigen genialen, aber von der politischen Paranöa angehauchten Greis Gladstone ans Ruder, der sein Lebensgebäude durch das irische Home Rule krönen möchte, so sehr auch da» britische Staatswesen dabei aus den Fugen gehen mag; eS endigte mit einem Dynamitanschlag in Dublin, der unvermeidlichen Hexenmusik bei jedem irischen Versöhnungsversuch. Dazu kommt noch die wachsende, in Notschreien nach Schutzzoll und Doppel währung sich Luft machende Gedrücktheit der Land wirtschaft; der durch Waffenstillstände nur kümmerlich niedergehaltene Krieg zwischen Kapital und Arbeit und zum Schluß das stetig zunehmende Heer von Obdach- und Arbeitslosen in den großen Städten: ein trübes Bild in der That. Die „Köln. Ztq." giebt einen Rückblick auf die wichtigsten Ereignisse deS Jahre» in folgender Dar- legung: Da» Parlament. daS am 9. Februar eröffnet wurde, war sich feines baldigen Lebensendes bewußt: die Schatten des nahen Todes waren unverkennbar Trotzdem löste die Regierung ihr Versprechen ein und legte dem Hause al» Schlußstein ihrer VerwaltungS- reformen einen Lokalverwaltungsentwurf sür Irland vor. Er sollte dre Wohlthaten ähnlicher Gesetze für England und Schottland auch auf die grüne Schwester insel auSdehnen. Indessen sträubten sich gegen dies unzweifelhaft wirkungsvolle Heilmittel zunächst die irischen Patrioten selbst, die ausschließlich nach einem Trank aus Gladstones Apotheke dürsteten; und selbst verständlich wurden sie darin von der parlamentarischen Gefolgschaft des großen Medizinmannes bekräftigt. Healy, Redmond, Morley und Harcourt brandmarkten bei der ersten Lesung den Balfourschen Entwurf als Lug und Trug, während bei der zweiten Lesung Cham- brrlain und Gladstone die Schwerter kreuzten, und zwar letzterer mit einer der besten Reden seines Leben«, wie sie sonst nur lauterer Eifer und nicht bloßer gesetzgeberischer Brotneid rinzugeben pflegt. Trotz der großen Mehrheit von 92 Stimmen der der zweiten Lesung ward der Entwurf doch am 13. Juni zurückgezogen: gegenüber der vereinten VerschleppungS- jucht der Iren und Gladstonianer fehlte zu seiner Durchdringung die Zeit. Unfruchtbar indessen blieb — und wenn Du es nicht auf Dich nehmen willst, noch jetzt an der Schwelle der Hagens unter irgend einem Vorwand umzukehren, so bringe mir ein letztes Opfer, die zwei oder drei Tage, um die sich's handelt — mich nicht oder nur ganz von fern zu kennen! Hast Du einmal unseres Vaters Namen verleugnet, so kannst Tu für ein paar Stunden auch Deinen leichtfertigen Bruder verleugnen, Erika — und alles wird gut ausgehen, besser, viel besser als Du denkst, Schwesters Und nun hielt er ihre beiden, vom Gang in der Winter kälte etwas verklommenen Hände zwischen seinen Händen und küßte sie und sah ihr bittend und sie be drängend ins Gesicht. Im feuchten Glanz seiner Augen sah sie die Sorge lauern, sie erkannte in den Mundwinkeln neben lachendem Übermut und unverwüstlicher LebenLzuversickt die Fältchen, die schlimme Stunden hinterlassen hatten Sie empfand, daß er etwas erbitte, was sie nie gewähren sollte und wußte doch dem halb vorwurfsvollen halb schmeichelnden Klange in seiner Stimme nicht zu widerstehen. Sie entwand ihm zwar ihre Hände und versetzte ab wehrend: „Es ist nicht dasselbe, Bodo, ob ein Mädchen, die gezwungen ist, eine Stellung einzunehmen, einen Namen, der nicht recht zu dieser Stellung paßt, mit dem Nam<n ihrer Mutter vertauscht oder ob Bruder und Schwester die Komödie ausführen sich fremd zu fein. Und ich hätte selbst da» erstere nicht gethan, hätte ich ahnen können, daß ich Dich hier und in solcher Lage finden sollte. Wäre ich an Deiner Stelle — ich reiste dennoch sofort ad!" Al» er aber mit finsterem Blick einwarf: „Nun gut, wenn Du e» durchaus willst, wenn Du eS deshalb die Tagung doch nicht: des Ackerbauministers Chaplin Plan zur Schaffung kleinen Grund- und PachtbesitzeS erhielt Gesetzeskraft. Die Graf- schaftsräte wurden dadurch ermächtigt, Land zu erwerben und in Stücken von weniger als fünfzig Äckern an kleine Landwirte zu verkaufen oder zu verpachten: das beste Mittel, den alten Frei- sassenstand wieder ins Leben zu rufen und den Strom der Auswanderung vom flachen Lande in die Städte zu hemmen. Mittlerweile rückte der gefürchtete Schick salstag der Parlamentsauflösung am 28. Juni heran, auf den sich alle Parteien osten und heimlich rüsteten. Mannigfach waren die Interessen, die dabei mitspielten. Für Gladstone war der Sieg eine Frage der Macht und deS Ansehens; die Unionisten stritten für die Reichseinheii; die Iren sür nationale Selbständigkeit, während sür die protestantische Minderheit in der Provinz Ulster, die in einem katholischen Home Rule Irland unzweifelhaft an die Wand gedrückt würde, es sich einfach um Sein und Nichtsein handelte. In mitten der Flut von Reden, Versammlungen und Auf rufen vor und nach der Auslösung ragt daher turm hoch der große Ulsterkonvent empor, der am 17. Juni zu Belfast unter Vorsitz des Herzogs von Abcrcorn abgehalten wurde. 20000 Ulstermänner, darunter 12000 Wahlbezirksvertreter, beschworen das vereinigte Königreich, sie, die protestantstchen ReichSgetr.uen, nicht den mit Verbrechen befleckten Händen ihrer viel- hundertjährigen Feinde auszuliefern! Der Aufruf hatte eine zünderde Wirkung und scharte in Groß britannien wenigstens die Mehrheit um die Reichs sahne. U d wäre Gladstone seinem ursprünglichen P-ogramm, Home Rule unabhängig von den Iren lediglich mit einer britischen Mehrheit durchzusetzen, treu geblieben, so hätte er den Entwurf nach dem Ausfall der Neuwahlen begraben müssen. In England allein errangen die Unionisten eine Mehrheit von 71, in England, Schottland und Wales zusammen eine von 17 Stimmen. Indessen paßle sich Gladstone den Umständen an, zufrieden mit dem Gesamtergebnisse, welches ihm 355 Wahlsitze, den Unionisten 3l5 zu wies, also einer winzigen Mehrheit von nur 40 Stimmen, die Iren eingerechnet. In Anbetracht der Buntscheckig- keir und Unzuverlässigkeit dieser Mehrheit, die sich auS Gladftoneanern, Parnelliten, Antiparnelliten, Tempe renzlern, Arbeitervertretern und walisischen Kirchen- entstaatlichern zusammensetzte, trat Lord Salisbury nicht sofort ab, sondern berief das Parlament auf den 4. August ein und ließ eS auf einen MißtrauenSan trag ankommen. Dieser ging dann allerdings nach drei tägiger Redeschlacht mit obigen 40 Stimmen durch: Gladstone ward zum vierten Male Premierminister. Bei der Verteilung der Ämter erhielt Sir W. Har court das Schatzkanzleramt, Morley wurde selbstver ständlich Staatssekretär für Irland und Lord Rose bery ließ sich nach zeitweiligem Sträuben zur An nahme de» Portefeuilles des Äußern bewegen. In das Ministerium des Innern rückte ein domo novis- simu«, Asquith, ein, dem schon die Ehre, den Miß trauensantrag zu stellen, zugefallen war; in das Lokal verwaltungsamt Hmry Fowler und in das Marine- amt Lord Spencer, der frühere irische Vizekönig DeS letzteren Nachfolger in der Dubliner Burg wurde der junge Lord Houghton, freilich ohne Kabinettssitz, ein Vorzeichen für die geplante Abschaffung dieser Würde in dem zukünftigen Home Rule-Irland. Ohne Sang und Klang wurde das Parlament unmittelbar nach Bildung des Ministeriums vertagt. Seitdem sind mehrere Monate verflossen, und noch hat daS Kabinett über seine innere und äußere Politik keinerlei allgemeine Erklärungen abgegeben Auf dem Lord MayorSbankett am 9. November glänzten Glad stone, Morley, Harcourt und Lord Rosebery durch ihre Abwesenheit, umgingen also den von der Zeit qehei- forderst, werde ich dem Haus hier unv oamit jeder Hoffnung auf künftiges Glück den Rücken kehren!" — gab sie dennoch nach und sagre: „Am Scheitern Deines Glückes will ich keine Schuld tragen, Bodo, obschon Du eS bist, der mich in diese grausame Lage gebracht har. Um- kehren kann ich jetzt nicht mehr, das kranke Fräulein hat mir zu herzlich ihr Verlangen nach mir gezeigt! Beinohesehnsüchtigund schwesterlichklangenihreBnefe — schwesterlich — vielleicht ist cs ein gutes Zeichen für Dich gewesen, Bodo! Aber Tu versprichst mir in der ersten Stunde, wo ich fühle, daß es nicht durch führbar ist, was Tu mir ansinnst, reisest Du hinweg und schreibst mir aus Deiner Garnison, was weiter mit uns beiden werden soll." Er gab mit stummem Kopfnicken das geforderte Versprechen — sie sah an seinem verdüsterten Gesicht, wie schwer ihm diese Begegnung gefallen war und daß er sich am wenigsten im Augenblick der Opfer schämte, die er seither gedankenlos von ihrer Liebe für ihn angenommen hatte und heute und hier nur steigern mußte. Erika hätte ihn jetzt trösten mögen — aber sie waren inzwischen dem Wagen zu nahe gekommen und der Bruder machte ihr mit einem Blick verständlich, daß e» so, wie sie jetzt, halb fremd, neben einander hertrotteten, das rechte für die beobachtenden Blicke de» Kutschers Engler sei. Ter klatschte schon lange ungeduldig mit seiner Peitsche und sah immer oufmerkiam die Straße zurück, aus der der Lieutenant und da» neue GesellschaftSfräulein herankamen. Beim schlimmsten Willen ließ sich nicht» wahrnehmen, wa« daheim in der Küche zu einem Abendgespräch ver-
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