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Weißeritz-Zeitung : 25.08.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-08-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1761426109-192608255
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1761426109-19260825
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1761426109-19260825
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Weißeritz-Zeitung
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-08
- Tag 1926-08-25
-
Monat
1926-08
-
Jahr
1926
- Titel
- Weißeritz-Zeitung : 25.08.1926
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BeUage zur Weiheritz-Zetlung Nr. l97 — Mittwoch, am 25. August 1926 92. Jahrgang — ' ü f Das Ainverturncu tu dt« Vereinen der Leutschen Turnerschast einwandfreien Betriebe der Turnstunden zu befähigen, hat die Kreisleitung einen Lehrplan für das Kinderturnen im Verein ge schaffen, in dem der gesamte Uebungsstoff übersichtlich nach den Altersstufen geordnet ist» in dem unzweckmäßige oder gar für die Kinder gefährliche Hebungen und Geräte ausgeschieden sind und der die nötigen Anleitungen und Winke für den richtigen kinder- tümlichen Turnunterricht gibt. Der Aufklärung und Belehrung über einen neuzeitlichen Betrieb deS Kinderturnens dienen ferner die Zusammenkünfte der Kinderturnwarte in Gauen und Be zirken, die Versammlungen der Gaukinderwarke mit Vorträgen und praktischen Hebungen. Viele Vereine legen, um ihren Vor turnern die besten Schriften und Bücher über die körperliche Er- ttehung des Heranwachsenden Geschlechts zugänglich zu machen, Büchereien an. Zur Unterstützung der Leiter im Kinderturnen ha ben viele Vereine Kinderturnausschüsse gebildet, die dem Turn- leiter Helfer stellen und die Veranstaltungen der Kinder vorbe reiten. Das Kinderturnen in den Vereinen ist besonders dort außer- ordentlich erfolgreich, wo es möglich Ist, mehrere Abteilungen zu bilden und diese nach Altersstufen zusammenzustellen. Das ge schieht ausnahmslos in allen größeren Vereinen. Um den neuzeit lichen, besonders von den Aerzten gestellten Forderungen nachzu kommen, die dahin gehen, bereits in den vorschulpflichtigen Kin dern die Freude an geregelten Leibesübungen zu wecken und rege zuhalten, nehmen viele Vereine schon vier- bis sechsjährige Kin der auf, die sie zu einer Kleinkinderabteilung vereinigen. Es Ist selbstverständlich, daß auf dieser Stufe das Turnen in der Haupt sache nur aus Bewegungsspielen und Spielformen und Nachah mungsübungen, wie st« das neue schwedische Schulturnen aufweist, bestehen darf. Das Verelnskinderlurnen hat hauptsächlich den Vorteil eines beweglichen Betriebes. Die Turnvereine treiben das Kinder turnen im Sinne von Adolf Spieß, dem Schöpfer des Schul turnens, also als gemeinsames Turnen wie das Klassenturnen In der Schule, In der Hauptsache aber nach der Art von Jahn, In dem sie das Turnen in kleineren Abteilungen, In Niegen, pflegen. Das geschieht besonders in Geräteturnen, und daraus erklären sich auch die allgemein guten Leistungen an den Geräten. 3n unseren Schulen, Volksschulen wie höheren Schulen, sind dl« Knaben und Mädchen die besten Turner und Turnerinnen, die der Kinder abteilung eines Turnvereins angehören oder angehvrt haben. And da sie durch ihr höheres Können für die anderen Schüler und Schü lerinnen vorbildlich sind und zugleich meist auch gut geeignet sind, als Vorturner «le zur Hilfeleistung beim Turnen herangezogen zu werden, wirkt daS Vereinsturnen befruchtend auf das Schul turnen. Wenn sich also Lehrer und Lehrerinnen dem Kinder turnen im Verein widmen, so kommt das ihrer Arbeit in der Schule mit zugute. Es muh anerkannt werden, daß in den Turn vereinen eine große Zahl von Lehrern und Lehrerinnen tätig ist und vor allem in leitender Stellung in den Bezirken und Gauen ihre Kraft zum Segen der Turnsache einsehen. An manchen Orten freittch hält sich die Lehrerschast den Turnvereinen der Deut schen Turnerschaft fern, und die Vereine sind nicht In der Lage, das Kinderturnen einzuführen, oder sie haben in seiner Durch führung Schwierigkeiten. Hemmend stellt sich dem Kinderturnen wie dem gesamten Vereinsturnen überhaupt auch ein anderer Ilm stand In den Weg: es gibt leider noch eine große Zahl von Ge meinden, In denen die Schulen weder eine Halle noch einen ge- eigneten Platz besitzen. Hat der Turnverein eines solchen Ortes einen eigenen Platz, so kann er sein Kinderturnen nur während des Sommers pflegen, wenn ihm nicht der Saal eines Gasthauses oder sonst ein Raum zur Verfügung steht. Die Zahl der Vereine, die sich auf diese Weise behelfen müssen, ist leider auch bei uns In Sachsen noch sehr groß. Daß während des WinkerS solche Ver eine vielfach durch winterliche Hebungen und UnterhallungSabende ihre Kinderschar zusammenzuhalten versuchen, zeugt von großer Hingabe für die Heranwachsende Jugend. Möchte die Arbeit unserer Turnvereine, die schon die Kinder zur großen Volksgemeinschaft erziehen will, Immer und überall die rechte Anerkennung und weite Verbreitung finden zum Segen der Wiedererstarkung unseres Volkes! Die gestohlenen Birke«. Heitere Skizze von Richard Blasius. Die Dippelsbacher sind ein sangeslustiges Völkchen und haben daher einen Gesangverein. Dieser besitzt eine Vereinsfahne, auf der goldgestickt zu lesen ist „Männergesangverein Sängerlust, Dippelsbach." Weniger aus Reiselust — die. Dippelsbacher lieben die Bequemlichkeit — als um die Fahne den staunenden Zeit genossen vor Augen zu führen, veranstalteten die Sänger von Dipoelsbach alljährlich Im August eine Ausfahrt auf birken geschmückten Leiterwagen. Dippeisbach hat natürlich auch «Inen Schneider. Daß dieser als erster Tenor die Koryphäe des Vereins ist, bedarf eigent lich keiner ausdrücklichen Erwähnung. Schneider sind von jeher für den ersten Tenor prädestiniert gewesen. Des Basies Grund gewalt dagegen besaß einen wesentlichen Stützpunkt in dem Holz fäller Hempel. Dieser und der Schneider Pietsch hatten es In löblicher Weise übernommen, für das geringe Entgelt von zwei Reichsmark den Birkenschmuck der Wagen zu besorgen. Tin aller dings weniger löblicher Weise nahmen sich Pietsch und Hempel vor, die zwei Mark als Reingewinn anzusehen und die Birken- reifer einfach zu stehlen. Da dem edlen Paare die Gunstgewinnung Ihrer Sangesbrüder aber sehr am Herzen lag, blieb es nicht bei Reisern. Sie rannten den nachbarlichen Gickelsbachern In den Wald, wo denn auch mitten in friedlicher Vollmondnacht mit Sägen kreischen und Asthieben der Tod umging, bis eine gute Vauern- fuhre am Boden lag. Kurz nach Mitternacht war der alte An sorge, der Kuhbauer von Dippelsbach, mit einem Bretterwagen nachbestellt worden. Und ohne Sorge, wie Ihm daS seinem Namen gemäß zukam, fuhrwerkte er die gestohlenen Bäumchen heimwärts auf den mondbeschienenen Dorfplah, wo Pietsch und Hempel die beiden Leiterwagen festlich schmückten, so daß am frühen Morgen die Sänger mit „Lied hoch" In schalkenspenden dem Grün dahinfahren konnten. Daß dieser Schatten gestohlen war, wußten nur zwei von ihnen. Und diese machten sich wenig daraus, nahmen vielmehr die Lobsprüche ihrer Sangesbrüder mit Pharisäerstolz entgegen und lächelten einander augurenhafk zu. Aber da sich die scharfäugige Nemesis mit der allen, hell hörigen Vettel Fama verband, wußle der Bauer Aloys Bäuchl in Gickelsbach nur zu bald mit grimmiger Genugtuung festzu stellen, wer die Verheerung in seinem BIrkenbestande verursacht hatte. Daher dämmerie den beiden Spitzbuben ein Tag des Gerichts entgegen, an dem der Gickelsbacker Nachtwächter mit strengen Mienen in Dipoelsbach erschien »nd in das Schneiderhäuslein trat. Pietsch schlief eben daS Mittagsschläfchen des Gerechten, der der Buße nicht bedarf, als ihn die Stimme des Unglücksbaten ans at'cn sieben Tramnhimm-'ln riß und ihn ausforderte, binnen vierundnoanzia Stunden mit seinem Diebsgesellen Im Gehöfte des Gulsbesikors bäuchl in Gickelsbach zn erscheinen und sich dort wegen Dinsi^abi und Baumfrevel zn verantworten. ' Der vielleicht ganz ehrsame Schneider, aber dach ersichtlich Allen anderen Turükreisen weit voran ist der TurnkreiS Sachsen, wo heute In 858 von reichlich 1200 Vereinen über 05 000 Kinder turnen, von denen beinahe die Hälfte Mädchen sind. Auf Sachsen folgt der MitkelrheinkreiS, diesem Bayern und der Kreis Branden burg. Wie überall, so steht auch In Sachsen besonders In den Großstädten das Kinderturnen In Blüte. Die größte Zahl der Kinder in den Vereinen hat Leipzig mit 6930 Kindern, Dresden folgt mit 6574 Kindern. Von den Städten außerhalb SachsenS werden sie nur übertroffen von Hamburg und vor allem Berlin, das mit weit über 15 000 Kindern an der Spitze steht. Das Kinderturnen Ist außerordentlich vielseitig. Neben dem Freiübungs- und Geräteturnen, durch das eine systematische Körperdurchbildung vermittelt werden soll, werden in hervor ragendem Maße die volkstümlichen Uebungen des Laufens, Springens und Werfens getrieben. Von allen Altersstufen, be sonders bei den Kleinsten wird das Spiel fleißig gepf egt. Be sonderer Beliebtheit erfreut sich das Wandern. Meist geht es dabei kreuz und quer durch die allerengste Heimat. Manchmal aber, ein- oder zweimal im 3ahre, geht es weiter fort; und bei diesen Wanderungen lernen die Kinder unser schönes deutsches Land kennen und schätzen. Wo die Verhältnisse es erlauben, führen die Leiter und Leiterinnen Ihre Kinderabteilungen be sonders Im Sommer zum Baden und Schwimmen. 3m Winter gehts hinaus aufs Eis oder zum Schlitten- und Schneeschuhfahren. Zu der neuzeitlichen Jugenderziehung Im Turnverein gehört be sonders im Winter die Veranstaltung von Unlerhaltungsabenden. Dabei wird der Gesang gepflegt, gute Bücher werden vorgelefen und besprochen. Es werden Elternabende abgehalten, um den Kindern eine Freude zu bereiten und den Eltern und anderen Leuten zu zeigen, was in den Turnstunden getrieben wird. All gemeine Sitte ist es, zu Weihnachten Feiern zu veranstalten. Vor Ostern halten die Vereine gewöhnlich KInderschaukurnen, soge nannte Prüfungsturnen ab, die den Zuschauern einen Einblick In den Turnbetrieb geben sollen und Höhepunkte im turnerischen Leben der Kinder sind. Dasselbe gilt von den Klnderbühnen- turnen, die hier und da veranstaltet werden. Man erkennt aus alledem nicht nur die Vielseitigkeit des Vereinsbekriebes, sondern vor allem auch die Unsumme selbstloser Hingabe von Tausenden von Turnwärten, Turnlehrern und -lehrerinnen, Vorturnern und Vorkurnerinnen, die aus Liebe zur Sache und zu den Kindern die Arbeit fast ausnahmslos ehrenamtlich leisten. Ziel des neuzeitlichen Kinderturnens ist in erster Linie dl« leibliche Kräftigung der Kinder und die Förderung Ihrer Gesund heit und Widerstandsfähigkeit. Und da vei Spiet und Tanz, bei Sprung und Lauf und straffem Turnen auch das Wollen wächst, wird auch am Innenleben des Kindes gebaut. Die Leibeskunst ist reich an sittlichen Bildunaswerten. Von der Bewegnngssreude führt sie das Kind zu Selbstvertrauen und zum Kraftbewußtsein, zur Geistesgegenwart und Besonnenheit, zu Entschlossenheit und Muk. 3m Verfolg dieser Ziele trifft sich das Vereinskinder turnen mit dem Schulturnen. So Ist das Turnen im Verein eine wirkungsvolle Ergänzung deS Schulturnens sowohl nach der ge sundheitlichen als auch nach der erziehlichen Seite hin. Und weil durch diese Mitarbeit der Turnvereine die körperliche Erziehung des Kindes ganz wesentlich gefördert wird, so Ist die Arbeit am Kinderturnen von nicht zu unterschätzendem Segen für Schule und Volk, und so lange ist sie unbedingt nötig, solange nicht die Schule selbst in genügender Meise diese körperliche Erziehung ge währleistet. Die Turnvereine werden durch ihre Arbeit an den Kindern zu Miterzlehern an der Heranwachsenden 3ugend. Daraus erwächst Ihnen aber auch die Pflicht, für einen möglichst einwand freien Betrieb deS Turnens und für, eine günstige erzieherische Beelnslnssung der Kinder besorgt zu sein. Darum sind die Ver eine bestrebt, in erster Linie Lehrer und Lehrerinnen für ibr Kinderkurnen zu gewinnen oder, wo das unmöglich Ist. geeignete und besonders geschulte Vorturner zn betrauen. Ilm solche Vor turner heranzilbilden, werden ötters in den Bezirken und Gauen der Deutschen Tnrnerschast entsprechende Lehrgänge abgebglten. Damit zur Durchführung solcher Lehraänge geeignete Kräfte zur Verfügung stehen, veranstglket der 14 Turnkreis Kreistags Sachs.) alljährlich Kreislehrgänge zur Ausbildung von Lehrgangsleitern. Um die Leiter und Leiterinnen des Vcreinsklndcrlurncns zu einem Von A. Glathe, Dresden, Krelskinderlurnwart des 14. Turnkreises (Sachsen) der DT. Das Kinderturnen ist so alt wie das 3ahnsche Turnen Die meisten Turner, die mit 3ahn auf die Sasenhelde hinauszogen, waren Schüler Berliner Gymnasien 3» der Zeit der Turnsperre, in den 3ahr«n 1820 bis 1842, gründeten begeisterte Turnsreunde sogenannte Turnanstalten. Auch Turnlehrer, damals Turnmeister genannt, errichteten auf eigene Rechnung Turnsäle und bildeten aus Kindern eine Turnschuh. Von Sakhsen sind aus -ner Zeit bekannt die 1833 gegründete Anstalt des Rechtskandidaten Heub- ner In Plauen i. V. und die des Theologen Heusinger in Leipzig, die 1836 eingerichtet wurde. Mit der Einführung des Schul turnens gingen diese Turnanstalten allmählich ein, doch begannen jetzt, besonders in der Zelt nach ber Sperre, Turnvereine das Kinderturnen mit dem Vereinsturnen zu verbinden. Solche Ver eine nannten sich im Gegensatz zu den reinen Männerlurnver- «inen meist Turngemeinden, später Allgemeine Turnvereine. Das Kinderturnen schied sich nun deutlich vom Turnen der Erwachsenen. BIS In die neunziger 3ahre deS vorigen 3ahr- j Hunderts ging die Entwicklung des Vereinskinderturnens nur sehr langsam vorwärts. Erst zu Anfang des neuen 3ahrhunderts nahm es einen bemerkenswerten Aufschwung. Zunächst waren eS di« - Stadtvereine, dt« bas Kinderturnen einführten, weil ihnen Lehrer zur Leitung zur Verfügung standen. Besonders in Sachsen bürgerte s es sich ein. 3m 3ahr« 1905 hatten hier schon 80 Vereine daS i Kinoerturnen «ingeführt, und die Zahl der turnenden Kinder be lief sich damals aus knapp 10000. s 3n den folgenden zehn 3ahren vermehrten sich die Kinder- ; abteilungen in oen deutschen Turnvereinen ziemlich stark. 3n Sachsen hatten bei Kriegsbeginn schon 140 Vereine daS Turnen ! schuloflichtiger Kinder eingeführt. Die Zahl der Kinder war auf j ziemlich 25 000 gestiegen, während man in der gesamten Deutschen - Turnerschaft rund 150 000 turnende Kinder zählte. Nach dem . Kriege, dessen verheerende Folgen für die Volksgesundheit immer sichtbarer wurden, erkannte man allgemein die Notwendigkeit ver mehrter Leibesübungen und forderte mit großem Nachdruck eine bester« leibliche Erziehung ber schulpflichtigen 3ugend, die im Kriege stark vernachlässigt worden war. Kein Wunder, daß In den 3ah- ren nach dem Kriege die Zahl der in den Turnvereinen turnenden Kinder außerordentlich stieg und ein Verein nach dem anderen eine Kinderabteilung rinrichtet«. Selbst kleinere Landverelne führten das Kinderturnen eln. 3n den Städten hatten besonders die größeren Verein« «Inen so starken Zustrom von Kindern, daß ihre Abteilungen oft auf 60 und mehr Kinder anwuchsen und neue Abteilungen gebildet werben mußten. Zu Anfang dieses 3ahres wurden Innerhalb der gesamten Deutschen Turnerschaft über 350 000 Kinder gezählt. Dabei ist mit zu bedenken, daß durch den Gebietsverlust Deutschlands der Turnerschast eine große Zahl von Vereinen verlorengeganaen ist. 3nnerhalb des Deutschen Reiches hak sich die Entwicklung deS VereinSklnderturnenS in recht verschiedener Weise vollzogen. unehrsame Wagenschmücker glaubte, der Schlag müsse ihn trefsen. Wie kläglich würde nun enden, was so herrlich begonnen hattet Obendrein überhäufte Ihn seine geizige Frau mit Vorwürfen. Als der Schneider seinen Helfershelfer von dem Unheile benachrichtigte, ließ auch dieser verzagt den Kops hängen. Trüb selig schlichen die beiden armen Sünder in der Abenddämmerung »ach Gickelsbach und rieten seufzend hin und her, wie hoch sie der Bauer ob ihrer Missetat an Ihrem Geldbeutel bestrafen würde. Aber als sie mit geflissentlich zur Schau getragener, zerknirsch ter Miene in des Bauern Stube traten, mußten sie zu Ihrer Be stürzung hören, daß die Dinge noch bedeutend schlimmer lagen, als sie gedacht hatten. Von bloßer Vergütung wollte Aloys j Bäuchl durchaus nichts wissen, sondern erklärte unter Schimpfen und Fluchen, dieser unerhörte Waldfrevel müsse dem Gendarm ! angezelgk werden. Auf diesem Vorhaben blieb er hartnäckig ! bestehen, die armen Schelme mochten bitten, so viel sie wollten. 3a, er verriet Ihnen sogär, daß sein Sohn bereits auf dem Wege nach der Stadt begriffen sei, um die Meldung zu erstatten. Dies nahm dem Paar« den letzten Hoffnungsschimmer. Hempel wollte schon ausbegehren und den Hartnäckigen knurrig fragen, weshalb er sie dann überhaupt herüberbesteltt habe, als zu seinem Glücke dl« rundliche Bäuerin eintrat und zuerst einen verwunderten Blick auf das Paar, dann einest fragen den auf ihren Mann warf. „Die Spitzbuben sind es", erklärte der Bauer wütend und erzählte unter katerähnlichem Fauchen, daß sie zwar reumütig gewillt seien, den Schaden zu ersehen, er aber jetzt zeigen müsse, daß mit dem Bäuchl nicht zu spaßen sei. Da dachte der Schneider an den Wahlspruch seines tapferen Urahnen „Sieben auf einen Streich". DaS warf ihm den Kops In den Racken und gab ihm den Mut zu der spitzfindigen Be merkung, wenn der Herr Bäuchl jetzt auf einmal den Diebstahl als «inen Spaß bezeichn«, so habe er eigentlich auch nicht gleich den Gendarm bemühen sollen. „Das hat er doch nicht getan", sagte erstaunt die Bäuerin. — Der Bauer warf Ihr einen unwilligen Blick zu. Da rutschte dem Paare fast hörbar eine Zentnerlast von der Brust. Der Bauer hatte sich also härter angestellt, als er war. Und da dieser sich nun einmal verraten sah, zog er auch mildere Saiten auf und erklärte sich mit einer Entschädigung von fünf Mark einverstanden. Erleichterten Aerzens zogen die Uebeltäker die Beutel und zählten die Summe auf, zu der jeder bi« Hälfte beisteuert«. Nun ward der Schneider allmählich wieder der Alte, hob seine vor witzige Nase in die Höhe und meinte voll Anerkennung, eS röche wunoerfein nach neugebackenem Kuchen. Der Dust hatte zwar schon bei Ihrem Eintritte in der Lust gelegen, doch da hatte er ihn In seines Herzens Angst nicht wahrgenommen. Der Bauer, der die fünf Mark eingestrichen hatte, wurde nun sichtlich aufgekratzt und sagte, am Sonntage feierte man Kirch weih, und der Festkuchen solle seht eben probiert werben. 3rontsch fügte er hinzu: „Wenn ihr nicht Spitzbuben wäret, könntet ihr mitessen." Da zuckte der Schalk um desHolzfällers Mund, und Hempel meinte, wenn sie keine Spitzbuben wären, ständen sie ja auch nicht da. Pietsch aber warf mit schlauem Lächeln ein. Diebe seien sie nun eigentlich nicht mehr, weil sie di« Birken bezahlt hätten. Der Bauer sah Ihn verdutzt an, quittierte mit dröhnendem Lachen und lud das Paar zum Dableiben ein. And wirklich dursten sie an der Kuchenprooe teilnehmen. Die Bäuerin füllte Ihnen die Kaffeetassen Immer aufs neue. DaS Einhauen ließen sie sich nicht zweimal sagen. „Ei, wer hätte das gedacht!" sagten Ihre Blicke, wenn sie sich kreuzten. Zum Schlüsse machte daS Schnapsglas seine Runde und ließ die orel Männer bald vergessen, welch mißliche Umstände sie hier zusammengeführt hatten. Sie gerieten In ein Gespräch über die Zeltläufe. Als daS Ins Stocken kam, langte der Bauer die Skatkarten vom Wandsims herunter, und daS edle Dreimänner spiel begann. Wiederum war es gegen Mitternacht, als Pietsch und Hempel von Gickelsbach nach Dippelsbach gingen, diesmal aber nicht mit gestohlenen Birken, sondern jeder mit einem Spielgewinn von über drei Mark. Der Bauer hatte Pech. Da sagte der Schneider zum Holzfäller: „Beim Bäuchl mausen wlr nimmer. Der Ist eine Seele von einem Menschen. 3nS Haus tragen sollte man ihm eher was". Und der Holzfäller meinten „Zu Michaelis bekommt er von mir einen Patenbrief." Mageln. Von Olga von Paraski. Wir Lehrerinnen, die wir in der Schule Arbeiten schreiben lassen, wissen alle, daß gemogelt wird. Aber wir wollen es nicht immer wissen und je nach der Stärke unserer Selbstbehauptung schlagen wir uns den lästigen Gedanken aus dem Sinn. 3n der Klasse ist gemogelt und die nicht auf Optimismus eingestellten Lehrkräfte gehen mißmutig, gereizt, überall Böses, Verbotenes witternd, an die Schüler heran. Wie sieht nun vom Schüler aus betrachtet diele Schulsünde aus? Ein Stückchen heldenhaftes Märtyrertum klingt aus den Prahlereien der 3ungen »nd Mädel: „Wir schreiben Immer ab, wir lesen immer unter dem Tisch, merken tut das nie einer." Wir wissen, wie gering der Wahrhcitswert solcher Aufschneidereien meistens ist. Und die Entgegnung zu Hause? 3» der guten Kinder stube werden solche Aeußerungen gerügt als — Mangel an Taki — sowas sagt man nicht". DaS Kind sieht, daß Heimlichkeit fernerhin vorteilhafter ist und sagtS das nächste Mal nicht wieder. 3n der Familie wird daraufhin die Mutter vielleicht getadelt als überempfindsam, lehrerlnnenhaft: „Es ist doch eine Kinder krankheit, gehört zum Leben in der Schule, und wir haben es alle getan." — 3ch weiß nicht, ob es jedem Organismus förderlich ist, Kinderkrankheiten durchzumachen, besonders solche inneren. Aber man frage einmal Brüder, Schwestern, Freunde: „Habt ihr in der Schule gemogelt?" Dann bekommt man von 100 sicher 90 mal zur Antwort: „Feste", — und eine jener für den Erzähler so unendlich reizvollen Darstellungen endloser Schulgeschichten ist eröffnet. Man entgegne nicht, daß die heutige Schulerziehung nicht traff und stramm genug sei, Kinder wollen streng genommen werden, die drohende Strafe sehen, dann käme Mogeln nicht mehr vor. Und wenns dann gerade geschieht? Mit dem Bestrafen des ertappten Sünders ist es nicht getan. Von einer ganz anderen Zelte muß man meiner Meinung nach dem Uebel beizukommon uchen. Sie liegt in der Aufgabenstellung. Nimmt doch gerade ost die Stellung der Ausgabe jede Möglichkeit, sich unerlaubter Hilfsmittel bei der Arbeit zu bedienen. So viele Möglichkeiten es gibt, zu mogeln, genau fo viele Möglichkeiten gibt es, es zu verhindern. Ein Grund, der z> >n Mogeln reizt, ist den. Schiller der, die Probe zu machen, wellen Scharfsinn siegt, seiner, oder der des Lehrers. 3m Verhindern, daß etwas Unrechtes geschehen kann, liegt sittlicher Wert, nicht im Bcstrnfen des Geschehenen. Nur nicht lange Reden, die der 3ugendlichc von »ornhoro!» als Moralpauke ablehnt. Ein Mort zur rechten Zeit, am rechten Ort, das muh mit erzieherifchem Takt herausgesühlt werden.
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