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Vor 1400 Jahren. Am 30. August 526! „Atem, beklemmend lag bange Stimmung schwer und schwül über dem Königspalast zu Ravenna mit seiner düstern Pracht. Der große Mann, der von hier aus ein Menschen» alter lang die Geschicke Europas gelenkt, den Abendland und Morgenland in Liebe und Haß bewunderten, der Heros seines Jahrhunderts, der gewaltige Dietrich von Bern, dessen Namen schon bei seinen Lebzeiten die Sage sich ausschmückend bemächtigt hatte, der große Amelungen- König Theoderi ch sollte sterben. So hatten es die 7 Aerzk, wenn nicht ihm selbst, so doch seinen Räten ver kündet, und alsbald ward es hinausgetragen in die große, volkreiche Stadt. Die treuen Goten trauerten und bang- ton: aber auch bei der römischen Bevölkerung war eine dampfe Spannung die vorherrschende Empfindung. Denn hi« in Ravenna, in der unmittelbaren Nähe des Königs, hatten die Italiener die Milde und Hoheit dieses Mannes z« bewundern und durch besondere Wohltaten zu erfah ren am häufigsten Gelegenheit gehabt." So beginnt Felix Dahn im „Kampf um Rom" die Todesstunden Theoderichs des Großen, des Königs der Ostgoten, zu schildern, den die Völkerwanderung als den größten Herrscher der Germanen hervorgebracht hatte, unter dessen Szepter auf der Höhe seiner Macht nicht nur Italien und Sizilien, Teile von Bayern, Schwaben, Rhein land, Burgund, sondern auch Dalmatien, Pannonien, Noricum, Vindelicien und Rhütien, also die gesamten Alpenländer, Ungarn und ein Teil der heutigen Balkan- Halbinsel vereinigt waren. Diese Länder hatte er teils in harten Kämpfen dem germanischen H-nrkührLr Odoaker s Theo-wichs BvonZeslÄue' ' rn öer-hoftrvch e ^n-rrsbruck abgenommen, der am Ende des 5. Jahrhunderts dort als Stellvertreter des oströmischen Kaisers herrschte, teils durch Schußverträge an sich gebracht. Unter seiner Re gierung erfreuten sich seine Länder dauernder Ruhe und so sorgsamer Verwaltung, daß Ackerbau, Handel und Ge werbe ebenso wie Kunst und Wissenschaft eine neue Blüte zeigten, und selbst längst verlasfene und versumpfte Ge genden, über die die Heere der Völkerwanderung immer von neuem hinweggestampft waren, wurden neuer Kultur erschlossen. Theoderichs Residenz war meistens Ravenna; sein Schloß heißt im Heldenliede die Nabenburg. In Ra venna hat ihm auch seine Tochter Amalaswintha ein ge waltiges Grabdenkmal geseßt. Oft auch residierte er zu Verona, dem Bern der Heldensage. Nach seinem Tode im Jahre 526 vermochten seine Nachfolger nicht, das Ost gotenreich aufrechtzuerhalten. Auch die Heldentaten der Könige Totila und Teja konnten den Ostgoten nur noch einen heldischen Untergang sichern! - - Theuderich der Große ist eine Lieblingsgestalt der deutschen Heldensage geworden. Als Dietrich von B e rn ist er der Mittelpunkt eines Sagenkreises, der durch das ganze Mittelalter sich fortbildete. Mit seinem alten Waffenmeister Hildebrand durchzieht er die Welt und ver richtet Wunder von Heldentaten. Er befreit die Lande von Riesen und Unholden, von Drachen und Lindwürmern; zu seinen Necken gehörten die gefeiertsten Helden aller Gaue. Die nordische Sage verlegt seinen Hcrrschersiß nach Bonn am Rhein und weiß sogar von einem großen Kampfspiel der Mannen Dietrichs mit den Nibelungen helden zu berichten. Die eigentliche Heimat aber aller Heldenlieder, die über den großen Berner im Schwange waren, sind die deutschen Alpenlande. Hier bestand er in den unweg samen Schluchten seine schwersten Kämpfe, hier fand er die Elfennönigin Virgin«! in ihrem wundersamen Eis palast, die er von ihren Bedrängern befreite und als Weib heimfllhrte. Die Sage verlegt den Schauplaß dieser Heldentat in die Wunderwelt der Dolomiten, dorthin, >oo der Zwergkönig Laurin seinen zauberhaften Rosengarten betreute. Noch heute glühen dort die Berge n rot- güldenen Farben, wenn die Elfen und Zwerge ihre Feste feiern . . . Auch den Hunnenkönig Eßet, der bereits 100 Ham, vor Theoderich dem Großen als Attila die West m Schrecken versetzt hatte, läßt die Sage mit Dieb^ Bern gemeinsame Talen verrichten. Und auch das Nibelungenlied berichtet, daß die letzten beiden Burgun- den, König Gunther und Hagen, erst durch Dietrich von Bern gefällt werden mußten, um Kriemhilds Rache zu vollenden. — Die Sage ist nicht Geschichte; sie fragt nicht nach Zeit rechnung, sondern geht ihren eigenen Gang. Sie hat den Necken Dietrich samt seinem treuen Hildebrand und den anderen guten Gesellen zu ihren Lieblingen gewählt und mit so zauberischen Kränzen geschmückt, daß sie der Phan tasie als Ideale germanischer Helden ewig vorschweben. Und so durfte ihr Liebling auch nicht den Tod auf dem Krankenlager sterben: einstmals, als der alte Necke im Walde badete, erblickt er einen Sechszehnender mit gol denem Geweih. Er springt aus dem Wasser, ergreift Schwert und Speer und schwingt sich auf einen raben schwarzen Hengst, der ihm plötzlich entgegenwiehert. Der Held verfolgt den flüchtigen Hirsch nnd ward nicht wieder gesehen: sein Ahnherr Wodan hatte ihn zu sich empor- erhoben, daß er mit ihm nächtlich in der wilden Jagd über Berge. Täler und Heiden dahinbrause . . "