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LHVSNV7N rv^ «««»,<ni^ p<» i-«r^rpi«^ „Die haben seht gesehen. was w»r können; nun ist es an Ihnen, zu wollen Und wenn Sie wollen, Io haben wir ein« Kunsti" Diese Worte sprach Richard Wagner nach dem Schluß der ersten Aufführung der Nibelungen-Tetralogie in Gegenwart des Königs Ludwig von Bayern in dem unter unendlichen Sorgen errichteten Festspielbau in Bayreuth. Und seine Mahnworte sind nicht ungehört verschallt; ge wiß, die erste Festspielzeit hatte unter schweren geldlichen Mißständen zu Kämpfen, aber heute ist Wagners Festspiel gedanke Eigentum der gesamten musikalischen Welt geworden. Ein Schiller schrieb 1801 in seiner „Jungfrau von Orleans" die Worte: Es soll der Sänger mit dem König gehn, sie beide wohnen auf der Menschheit Höhn." Was Schiller versagt blieb, ward Wagner beschert. Er hatte 1862 in dem jungen Kapellmeister Wendelin Weißheimer, einem geborenen Rheinländer, eine treue und strebsame Kraft gefunden. Dieser Musiker war es, der zuerst den Festspielgedanken anregte und den Plan einer National subskription für Wagner anregte, eine Art nationale Spende, wie man sie seinerzeit für den Grafen Zeppelin gesammelt hatte. Aber Weißheimers Plan zerrann bald in nichts, und Wagner erkannte nunmehr zwei Wege, den Festspielgedanken zu verwirklichen: eine Vereinigung kunstliebender, vermögender Männer und Frauen, oder ein — Fürst findet sich als Mäzen Wagnerscher Kunst. Wagner schrieb damals hoffnungslos: „Wird dieser Fürst sich finden? Ich hoffe nicht mehr, die Aufführung meines Bühnenfestspiels zu erleben." Und doch fand sich der Fürst: eben jener König Ludwig von Bayern, der Wagner in München eine Heimstätte bot, und hier war es, wo Wagner mit seinem Freunde, dem Architekten Gottfried Semper, und dem Könige die letzten Einzelheiten eines im größten Stile und in monumentaler Architektur vor gesehenen Festspielhauses durchsprach, das Wagners For derung nach einem unsichtbaren Orchester, einem omphi- theatralisch aufgebauten Zuschauerraum und einer den Nibelungendramen entsprechenden Bühne in jeder Be ziehung genügte. Aber die Feinde Wagners waren stärker als die Macht des kunstbegeisterten Königs; sie verkannten eifersüchtig die Bedeutung eines „neuen Operntheaters", das der König seinen Münchenern schenken wollte, und setzten es schließlich durch, daß Wagner München verlassen mußte. Die nächste Zeit brachte dem Meister einige Erholung, so daß er 1868 in München die erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg" wagen durfte. Sie wurde zum Triumph für Wagner wie für das deutsche Bürger tum, das er verherrlicht. Und doch: die Sorgen um das tägliche Leben blieben, aber auch um so lebendiger blieb der Gedanke an das Festspielhaus. Allerdings: München hatte Wagner aus der Zukunft seines Wirkens gestrichen, nur Bayern wollte er treu bleiben, und so fiel eines Tages sein Sinnen auf B a y re u t h, als einer von allen persön lichen und kleinlichen Widerwärtigkeiten entfernten kleinen Stadt, in der man „neidige Luft" nicht kannte und die deshalb wohl geeignet war, der „Deutschen Nationalbühne" eine Heimstätte zu sein. Jedoch die Geldfrage! Der Freunde Dritzigen, endlich seinen Widerstand gegen öffentliche Sammlungen aufzu geben, entsprach er und gestattete die Gründung eines „Patronatsvereins". Tausend Patronatsscheine zu je drei hundert Talern sollten die finanzielle Grundlage bilden. Und von Mannheim aus erging ein Aufruf zur Gründung eines „Richard-Wagner-Vereins", und in kürzester Zeit entstanden in allen großen und mittleren Städten Orts gruppen. Das Festspielhaus war gesichert, und just an dem Orte, von dem einst, 1813, dem Geburtsjahre Wag ners, Jean Paul die vorahnenden Worte gesprochen hatte: „Bisher warf der Sonnengott die Dichtergabe mit der Rechten, die Tongabe mit der Linken zwei so weit aus einander stehenden Menschen zu, daß wir noch bis auf diese Stunde des Mannes harren, der eine echte Oper zu gleich dichtete und setzte." Am 22. Mai 1872 fand die Grundsteinlegung zum Festspielhause statt, aber schon im nächsten Fahre stockte der Bau wegen Geldmangels, die Patrone und Mäzene hüllten sich in Schweigen, auch die deutschen Fürsten, nur der greise Kaiser Wilhelm zeichnete 25 Patronatsscheine und der Sultan der Türkei zehn. Eine allgemeine Natio- nalsubskription brachte ganze 6 Taler, und die hatten einige Göttinger Studenten gestiftet. Da endlich, als die Not am höchsten gestiegen war, gewährte König Ludwig einen Kredit von 100 000 Talern, und so konnte der Bau vollendet werden, aber die Aufführungen wurde bis zum Sommer 1876 erschoben. Inzwischen war auch das von. königlichen Freund- Wagner gestiftete Wohnbaus -- Wahnfried — fertiggestellt worden. Mit unendlicher Sorgfalt hatte sich Wagner seine Künstler, vom Heldentenor bis zum letzten Techniker, zu sammengestellt, und in einer Unzahl von Proben wurde ein Meisterwerk größter Ausgeglichenheit geschaffen. Zu den Hauptproben hatte sich der damals schon menschen scheue König Ludwig angesagt, zur Eröffnung aher er schien Kaiser Wilhelm mit vielen anderen deutschen Fürsten, kurz: Bayreuth war der Mittelpunkt der Kunst- begeistrrung geworden und ist es bis beute geblieben. Aber so großen künstlerischen Erfolg die Eröffnung des Festspielhauses am 14. August 1876 auch bot. finanziell schloß sie mit einem Fehlbetrag von 160 000 Mark ab. Und wieder waren die Sorgen Wagners stete Begleiter, und nur ganz allmählich begann sich die Ueberzeugung von Wagners künstlerischer Großtat in Deutschland durchzu- etzen, und als die Proben zu Wagners Bühnenweihfest- piel „Parsifal" begannen, grünte auch die Hoffnung, daß >as Werk von Bayreuth gesichert sei. Alle Versuche der ;ämischen Neider, Wagner noch jetzt niederzuringcn, 'cheiterten nach dem „Parsifal", dessen Aufführungen so gar einen kleinen Ueberschuß erbrachten. Wer heute die Bayreuther Festspiele besucht, ahnt nichts mehr von dem sorgenvollen Ringen des Meisters vor 60 Jahren. Doch der Besucher spendet ihm unend lichen Dank für das Große und Hehre, was dieser einzig artige Mensch da geschaffen hat. Wenn man aber von Bayreuth und Wagner spricht, darf man München nicht vergessen, denn dort sprach seine Nibelungen- und Meister- singermusik zum ersten Male zur Welt, und München bringt auch heute noch die vollendetsten Wagner-Auffüh- rungen heraus. In diesem Jahre, wo Bayreuth ge schlossen bleibt, springen die Münchener Festspiele ein, um den Iubeltag würdig im Geiste des Meisters begehen zu lassen. Als Wagner Anfang der sechziger Jahre auf Konzert- reisen ging, um Mittel für die Durchführung seiner Fest spielhauspläne zu beschaffen, gab er einige Konzerte auch in Wien. Hier lernte Iohannes Brahms Magners Kunst kennen und — schätzen, wenn er auch nach außen kühl blieb. Nur als er Bayreuth erlebt hatte, ging er aus sich heraus und schrieb: „Ich habe es einmal zu Wagner selbst gesagt, daß ich heute der beste Wagnerianer bin . . . Wenn das Bayreuther Theater in Frankreich stände, brauchte es nicht so Großes wie die Wagnerschen Werke, damit Sie und olle Welt hinpilgerten und sich für so ideal Gedachtes und Geschaffenes begeisterten." Schon oben 'l betont woroen, wie i hr gerade das deutsche Bürgertum Wagner zu danken Hal: Lie „Meister singer? sind und bleiben eine Herrlichkeitsentfaltung deut schen Bürgergeistes auf breitester Grundlage, vor allem rm letzten Akt mit dem Aufzuge der Zünfte auf der einen Seite und mit dem Preise des Rittertums auf der anderen. So Haus Sachsens große Ansprache: Verachtet mir die Meister nicht, und ehrt mir ihre Kunst! Was ihnen hoch zum Lobe spricht. f'e> reichlich euch zur Gunst ... - — Habt acht! Uns drohen üble Streich': — zerfällt erst deutsches Volk und Reich, >n falscher welscher Majestät, Keir Fürst dann mehr sein Volk versteht; und welschen Dunst und welschem Tand sie pflanzen uns ins deutsche Land. Was deutsch und echt müßt' keiner mehr, lebt's nicht in deutscher Meister Ehr'. Drum sag' ich euch: Ehret eure deutschen Meister: dann bannt ihr gute Geister! Ist es nicht, als ob Wagner in dichterischer Vorahnung Deutschlands Geschick einer späteren Zeit hier gemalt hat? Aber dasselbe hohe Vaterlandsgefühl spricht auch aus seinen übrigen Werken. Wir neunen hier nur die An sprache des Königs Heinrich iw „Lohengrin": „Nun ist es Z>>'t, des Reiches Ehr' zu wahren; ob Ost, ob West, das gelte allen gleich! Was deutsches Land heiß», stelle Kampscsscharen. dann schmäht wohl niemand mehr das Deutsche Reich!" Daneben stoßen wir bei Wagner auch stets auf tieihes Verständnis für urdeutsches Junen leben, wie es so herr lich im „Tannhäuser" aus Wolframs Munde über die todesahnende Dämmerung erklingt: „O du, mein holder Abendstern, wohl grüßt' ich immer dich so gern: von Herzen, das sie nie verriet, grüße sie. wenn sie vorbei dir zieht, wenn sie entschwebt dem Tal der Erden ein sel'ger Engel dort zu werden." Ureigens für Bayreuth schuf Wagner den „Parsifal". Eine tief sittliche und tief religiöse Natur, sah er i» der Verbindung von Negilion und Kunst ein vollkommen natürliches Verhältnis. Bereits damals, als er den „Lohengrin" schrieb, wuchs in ihm die Gralssage zu einem überragenden Weihegebüude mit dem Parsisal-Ideal empor: die Ueberwindung des egoistischen Wollens als Quell des Lebens und des Heils, die Verklärung der Liebe und aller Lebenskraft zum Religiösen. Aber erst zwanzig Jahre später konnte er das herrliche Werk, gleichsam seinen Schwanengesang, vollenden. Eine un endlich einfache und schlichte Handlung ist diesem Fest spiele eigen, aber in ihm wirkt eine ganze Welt innerer Erlebnisse, innerer Wandlungen, innerer Katastrophen. Und über allem eine heiligende Weihe der Stimmung ohne gleichen. Dieselbe ursprüngliche Gewalt, die einst die Bergpredigt Jesu atemlos lauschen ließ, wird in den religiösen Elementen der Dichtung dort lebendig, wo sie zu den Heilslehren und dem herzergreifenden Wunder des christlichen Mysteriums sich hinwendet und den heili genden Geist sühnenden Mitleids und erbarmender Liebe anruft. Im Augenblicke höchsten Leides tritt Parsifal aus dem Gewirr der Nitterschar mit dem erhobenen hei ligen Speer, um Amfortas Wunde zu schließen: Der Er löser ist gekommen: Sei heil, entsiindigt und gesühnt! Denn ich verwalte nun dein Amt: Gesegnet sei dein Leiden, Das Mitleids höchste Kraft Und reinsten Wissens Macht j Dem ganzen Toren gab. Parsifal ist Gralkönig, Weh und Schmerz verstummen, geheiligt durch selbstloses Mitleiden: Erlösung dem Er löser! Ein Wcihespiel hat Wagner seinen „Parsifal" ge nannt und sich mit ihm selbst geweiht für alle Ewigkeit. Des soll mau im heurigen Jubeljahre von Bayreuth ge denken.