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— Die Jntcralliierte-Militär-Kontrollkommission hat einen neuen Vorstoß gegen die Stellung deö Generals v. Seeckt nnternvinmen. — Die FilmprüsnngSstellc hat den Film „Panzerkreuzer Potcmkin" im ganzen Reichsgebiet verboten. — Das englisch-französische Schulbenabkomme» ist in London unterzeichnet worden. — Der spanische Diktator, Primo de Nivcra, ist in Paris Gegenstand lebhafter Protestkundgebungen gewesen. — In Bozen fand die Grundsteinlegung des italienischen „Siegcsdenkmals" statt. Auch der König v. Italien nahm an der Feier teil. Gerüchte um Caillaux. Das Kriegsschuldenabkommcn zwischen England und Frankreich ist am 12. Juli abends 8 Uhr vom französischen Ftnanzminister Caillaux, der nachmittags Programmäßig auf dem Flugplatz bei Lon don gelandet war, und vom englischen Schatzkanzler Churchill unterschrieben worden. Was das Abkom men alles enthält, ist noch nicht restlos bekannt, doch beginnen schon einige Gerüchte durchzusickern, daß Caillaux' Hoffnungen nicht alle erfüllt worden sind. Dies aber kann man behaupten: Nach dem Abschluß der französischen Kammerdebatte, nach dem unbestrittenen, wenn auch knappen Siege Caillaux' und nach den ersten Erfolgen bei den Schuldenverhandlungen in London ist es verständlich, daß die jetzige französische Regierung nicht mehr im Zeichen Briands steht, sondern daß CaUlaux der erste Mann geworden ist. Wie lange? Nicht lange! Schon jetzt kommt völlig unerwartet die Nachricht von einem neuen, geradezu katastrophalen Sturz des französischen Fran ken. Kurz nach Caillaux' Rückkehr aus London nannte man für ein englisches Pfund 202 Franken, was 992 Franken für 100 Mark entspricht. Der belgische Fran ken allerdings liegt noch schwächer. Womit kann dies Zusammenhängen? Doch wohl nur damit, daß Gerüchte im Umlauf sind, die Ungünstiges über das unterschrie bene Abkommen verbreiteten. Kaum daß Caillaux sei nen theatralischen Flug nach London hinter sich hat, kaum daß die schwungvollen französischen Illusionen zerplatzt sind, spricht man schon wieder von einer Regierungskrise. Aber das mag ja rasch wie der ins Gegenteil umschlagen. Die heutige Stimmung in Paris ist so nervös, daß sie unberechenbar geworden ist. Caillaux wird klug genug sein, sich einige kleine sichtbare Erfolge zu sichern, und zwar auf Grund seiner Vollmachten. Er wird ferner klug genug sein, die Ra tifizierung des Schuldenabkommens mit Ame rika nicht zu übereilen, da dieses Mellon-Borenger- Abkommen höchst unpopulär ist, wie die Demonstratio nen bewiesen haben. Andererseits steht aber auch fest, daß Amerika nie eine Anleihe geben wird, solange nicht eine Ratifikation erfolgt ist. Die Gerüchte um Caillaux schwirren nur so. Schon hört man jetzr, daß die Herabsetzung der Armee- stärke Tatsache werden soll und zwar zunächst in den besetzten Gebieten. Dies wird, wenn es wahr ist, nicht so leicht durchzuführen sein, denn wenn auch der Kricgsminister Caillaux' Freund ist, so wird der Protest der Generalität nicht ausbleiben. Die Frage des Tages aber ist und bleibt doch die Frank st abili- sierung. Sparsamkeitsmaßnahmen können den Etat entlasten, der ja aber schon seit einigen Monaten aus- balancicrt ist. Die Hauptsache ist und bleibt die feste Währung. Der Frank fällt trotz der fieberhaften Tä tigkeit Caillaux' immer weiter und man scheint den Gedanken an eine Stützungsaktion mit schwachen Mit teln völlig aufgegcben zu haben. Wenn inan einmal eingreift, dann soll cs auch so geschehen, daß der Frank endgültig stabilisiert wird und vielleicht selbst die Basis einer neuen Währung gibt. Es ist seltsam, daß man immer wieder davon redet, Deutschland würde bei dieser endgültigen Stabilisierung mitwirken, und zwar um den Preis beschleunigter Räumung der besetzten Gebiete. Wenn dies nach den bekannten Aeußerungen der zuständigen Rcichsstellen auch sicher unrichtig ist, England und Amerika werden einem Manne wie Cail laux schon ihre hilfcreiche Hand bieten, — wenn auch erst nach Erledigung gewisser strittiger Fragen. Das Schuldenabkommen. Die Londoner Abmachungen zur englisch- französischen Schuldenregelung. Meldungen aus London entsprechend soll das jetzt von Caillaux und Churchill unterzeichnete Abkommen acht Artikel enthalten, wozu einige Anlagen kommen und ein Briefwechsel über die Schutz klau sei. Diese Schutzklansel soll eine Revision des Abkommens herbei- führcn, falls von Deutschland die Reparationszahlun gen verspätet eintressen. Die Frage des französischen Golddepots bei der Bant von England ist so behandelt worden, daß Frank- keich die Möglichkeit hat, dieses Pfand zurückzuerhalten. Von dein insgesamt 77p2 Millionen betragenden Gold betrag erhält Frankreich gegenwärtig bereits 2-l Mil lionen zurück, mit deren Rückführung schon be gonnen ist. Ter erste von Frankreich an England zu zahlende Fahrcsbelrag soll an? vier Millionen Pfund festgesetzt morden sein, und erst von li):;r an auf Vic volle Summe von I2>/2 Millionen anwachsen. Nach dem Echo de Paris betrügt die französische Schuld bei England gegenwärtig insgesamt 85.8 Mil lionen Pfund Sterling einschließlich 5 Prozent Zinsen. Durch das zwischen Caillaux und Churchill geschlossene Abkommen wird dieser Betrag, so fügt das Blatt hinzu, um 00 Prozent ermäßigt, so daß die in 02 Annuitäten zu zahlende Summe auf 280 Millionen Pfund Sterling berechnet werden kann. Primo de Rivera iu Paris. Schwere Beleidigungen gegen den spani schen Diktator. Am Montag abend ist der spanische Diktator Primo oe Rivera in Paris angctommcm Am Bahnhof war besonders starker Sicherheitsdienst. Als der Diktator < sein Auto bestieg, ertönten laute Pfiffe und Pfui-Rnfe. LS entstand im Publikum eine Schlägerei, in deren Verlauf verschiedene Polizisten Vertvnndet wurden. 17 Personen sind verhaftet worden. ... . 2 Ein französisches Blatt kritisiert in schärfster Weise diesen Besuch: „Unsere Armee wird nicht stolz sein, am Jahrestage der Erstürmung der Bastille vor diesem Soldaten ohne Ruhm, diesem Mann ohne Stolz, diesem Minister ohne Ehre zu defilieren." Die sozialistische Partei des Seine-Departements hat einen Aufruf erlassen, in dem der Besuch Primo de Riveras in Paris als eine Herausforderung und Be leidigung der Arbeiterklasse bezeichnet wird und die Gemeindevertretcr aufgcfordert werden, dem Empfang im Rathaus fernzubleiben. Der Besuch trifft bekanntlich mit dem Besuch des Sultans von Marokko zusammen, so daß sich vermuten läßt, daß es sich bei diesen Besuchen um eine Propaganda-Aktion großen Stils handelt, um dem Pu blikum die „glückliche" Beendigung des ganzen Marokko- Abenteuers recht deutlich vor Augen zu führen. Primo de Rivera wird das Marokko-Abkommen unter schreiben und dabei dem Präsidenten der französischen Republik Doumergue, den Drde» des Goldenen Vließes überreichen. * Las französisch-spanische Marokko-Abkommen unter zeichnet. Am Dienstag vormittag ist im Pariser Außen ministerium das französisch-spanische Marokko-Abkom men offiziell unterzeichnet worden, von spanischer Seite durch General Primo de Rivera, von französischer Seite durch den Ministerpräsidenten Briand selbst. Politische Rundschau. — Verlin, den 14. Juli 1926. - — Die Demonstrationsversammlung der Kommunisten In Schictzwerder bei Breslau, die am Dienstag stattsindcn sollte, ist verboten worden. — Die Harriman-SchisfahrtSgeseNschaft hat an die Ham burg-Amerika-Linie die Schiffe „Resolute", Beliance" und „Cleveland" verkauft. * :: DstPrcnßenfahrt des Ncichsrats. Unter Füh rung des Reichsinnenministcrs Dr. Külz haben die Mitglieder des Reichsrats eine Reise durch Ostpreußen angetreten. Die Reise begann in Marienburg. Dort wurden die Reichsratsmitglieder bei der Besichtigung der Ordensburg im Auftrage des Preußischen Staats- ministcriums und in Vertretung des Oberpräsidenten von Ostpreußen vom Oberpräsidialrat Dr. Herbst will kommen geheißen, der in einer Ansprache daran er innerte, daß das deutsche Ostpreußen einst im Mittel alter von fast allen deutschen Stellen, die Kolonisten nach dem Osten sandten, geschaffen worden sei. Von Marienburg aus ging die Fahrt über Elbing weiter nach Königsberg. Am Nachmittag fand im Königsber ger Rathause eine Begrüßung durch die Stadt Königs berg und anschließend eine Rundfahrt durch den Königs berger Industrie- und Handelshafen statt. Von Kö nigsberg aus führt dann die Reise nach Tilsit, von dort' über Trakehncn, Goldap, Marggrabowa nach Lyck und weiter durch das Seengebiet nach Allenstein und Oste rode. Reichsminister Dr. Külz will die Gelegenheit zur persönlichen Information über die ostpreußischen Verhältnisse wahrnehmen. In NIlenstein soll das Min derheitenproblein in seiner Bedeutung für Ostpreußen besprochen werden. :: Verbot des Pvtcmkin-Films. Tie Berliner Filmobcrprüfstelle hat sich am Montag auf den Protest hin, der von den Negierungen Bayerns, Württembergs, Thüringens, Hessens und Mecklenburgs eingcbracht wor den ist, erneut mit dem Film „Panzerkreuzer Potcm kin" befaßt und nach längerer Verhandlung den Be schluß gefaßt, das Verbot für die Aufführung im ganzen Reich auSznsprechcn. :: Waklmüdigkeit in« Saargcbiet. Am letzten Sonntag haben im Saargcbiet die Gemeinde- und Kreis tagswahlen stattgefunden. Die Wahlbeteiligung war verhältnismäßig gering, im Höchstfall betrug sic 05 Prozent. Die Sozialdemokraten und Kommunisten ha ben in den beiden größten Städten Saarbrücke!: und Neunkirchen ihre Mandatsziffern erhöhen können. Das Zentrum hat sich im großen und ganzen behauptet; es bleibt in der Saarbrücker Stadtverordnetenversamm lung mit 17 Mandaten die stärkste Fraktion, ebenso in Neunkirchen mit >2 Mandaten. In Saarbrücken haben die Dcutschnationalen drei Mandate gewonnen, während die deutsch-saarländische VvlkSpartei drei Man date verlor, ebenso wie die Demokraten zwei Man date cinbützten. ; :: Der Deutsche Krankeukaffcnkonareß in Dort- > wund, der durch den Vcrbandsvorsitzenden und Reichs- ' tagsabgeorductcn Behrens-Berlin eröffnet worden ist, stellte fest, daß das Durcheinander, daß heute noch auf dem Gebiet der Vcrsichcrunqswahlen herrscht, bald einer durchgreifenden Reform Platz machen müsse. Eine stärkere Beteiligung der Arbeitgeber in den Organen der Krankenkassen sei dringend nötig. Unter den zahl reichen Ehrengästen bemerkte man auch den Vorsitzen den des Deutschen Gewcrkschaftsbundes, Stcgerwald. Rundschau im Auslände. Im Brüsseler Minislcrrat wurde ein Gesetzentwurf beschlossen, der dem Kenig auf Jahr die Bollmacht gibt, ohne bas Parlament alle Maßnahmen zur Währungsstüt- zung zu treffen. t In London wird eine portugiesische Schuldenfundle. rungSkommission erwartet. j: Die Kabinettsbildung in Griechenland gestaltet sich sehr schwierig. Zavttsanos hat den Auftrag zurückgegeven, worauf Pangalos jetzt Zilimon beauftragte. t Die Beratung des Pariser Ermächtigungsgesetzes, das Caillaux verspätet einbringt, wird erst am 20. Juli beginnen können. t Die Lage im englischen Kohlenbergbau hat sich weiter verschärft. Man befürchtet neue Tumulte. Ein Parlaments, abgeordneter schlug vor, alle englischen Bergarbeiter sollen sich gegen London in Marsch setzen. * Mussolinis scharfe Zunge. j: Die italienische Note über daS Tängerstatut soll, wie auS London gemeldet wird, recht scharf gehalten sein. So wohl in London wie in Paris hat Italien in ganz undiplo matischer Form Vorstellungen erhoben, daß Großbritannien und Frankreich sich irrten, wenn sic annähmcn, daß Italiens Kolonialbcstrebnngcn durch Abtretung eines Stückes von Abessinien befriedigt werden könnten. Anklage gegen Bnndcskauzler Ramel. j: Wie aus Wie« gemeldet wird, hatte die österreichische Regierung die Absicht, der bedrohten Zentralbank Deutscher Sparkassen mit 60 Millionen Schilling zu helfen. Die So zialdemokraten haben nun gegen Namek und andere Mit glieder der Negierung Anklage erhoben und sie „verbrecheri scher Leichtfertigkeit" beschuldigt. " > — Immer noch Entwaffnung. Neue Forderungen der Militärkontroll- k 0 m m i s s i 0 n. Vor einigen Tage,« hat der Reichskommissar für Cntwaffnungsfragcn, Generalleutnant Pawels, mehrere Roter« -es Vorsitzenden der Interalliierten Militär- kontrollkommissio», Generals Walch, erhalten, in denen dieser einen nencu Vorstoß gegen die Stellung des Chefs der Heeresleitung, Generaloberst von Seeckt, nnternimmt. Nach einer Verordnung des Reichspräsidenten vom Jahre 1920 war bekanntlich dem General von Seeckt eine vorgesetzte Stelle über die gesamte Reichswehr übertragen worden. Durch die Verhandlungen, die vor der Räumung der Kölner Zone mit den alliierten Mächten stattfanden, sind dem General von Seeckt diese Befugnisse damals genommen worden. Seitdem ist er als Chef der Heeresleitung lediglich Orga» der Reichswehr. Die gegenwärtige Note erklärt nun, daß General von Seeckt zwar formell nicht mehr Oberbefehlshaber der Reichswehr sei, tatsächlich jedoch noch derartige Be fugnisse habe. Hierzu wird von amtlicher deutscher Seite darauf hingewicscn, daß vcrfassungsgemäß der Oberbefehl über die gesamte Neichswehrmacht dem Reichspräsidenten mit dem Neichswehrminister obliegt. Von einer Stellung des Generals von Seeckt als Oberbefehlshaber der Reichswehr könne also gar keine Rede sein. Die gegenwärtige Stellung des Gene rals von Seeckt innerhalb des Reichswchrministeriums ist bereits in einem umfangreichen Notenwechsel der Interalliierten Militürkontrollkommission dargelegt worden. Tie Kontrollkommisfiou hat nnumchr in ihrer letzter« Note weiter gefordert, daß bei der Reichswehr -er Poste» eines Generalissimus geschaffen werden soll, und zwar in der Weise, daß einem -er beiden Reichs» wchr-GruPPcilkommaudcnrc der militärische Oberbefehl über die gesamte Reichswehr übertragen würde, mit anderen Worten, die Stellung des General- oberste» v. Seeckt als Chef der Heeresleitung soll vollbsmmcn anfgelöst werden. Hierzu ist darauf hinzuwcisc», daß der Poste» eines Generalissimus der dcntfchc» Reichswehr im Versailler Vertrag nicht vor gesehen ist- Tie Ncichsrcgierttng hat zi« dieser Forde rung bisher noch keine Stellung genommen. Die Bozener „Siegesfeier". Die Stadt selbst nimmt keinen Anteil. In Bozen beging Italien eine große „Siegesfeier". Besser gesagt, es sollte eine — werden, ist jedoch reichlich nüchtern verlaufen. Es fand die Grundstein legung zn einem Kriegerdenkmal statt, zu der auch der italienische König erschien. Aber schon der Emp fang, wozu fast ausschließlich Italiener erschienen wa ren, zeigte, wie wenig dys Ganze eine Bozener An gelegenheit war. Von dcr Stadt selber wurde jedenfalls au der „Siegesfeier" kein Anteil genommen. Das bewies auch die Tasache, daß von den Behörden lediglich die Aus schmückung jener Straßen vorgeschrirweu war, die der Fcstzug passierte. Im Nathanse waren beim Empfang außer den ita lienischen Behörden und dem königlichen Gefolge auch die beiden deutschen Abgeordneten zugegen, die die Einladung hierzu erst in letzter Stunde erhalten hatten. Nnr die a»niesenden Faschisten begrüßten den König, stie meisten Deutschen enthielten sich jeder Ber fa l l s l> c z c n gu ng. Die Eröffnung des Kongresses der Kriegsteilnehmer und die Gruudsteiulegung des Siegcsdenkmals waren ausschließlich italienische Feiern, bei denen aber auch z»m Verdruß dcr Veranstalter große Lücken hinter den Gruppen der offiziellen Per sönlichkeiten zu beobachten waren. Das explodierte Arsenal. Sechs weitere Pulvermagazine in Lake Denmark in die Luft geflogen. — Seither 19 Leichen geborgen. — Vierhundert Ver letzte. Wie ans Ncw Nvrk berichtet wird, siu-, nachdem kaum die Vcrgungsarbciteu in Lake Denmark begonnen hatten, sechs weitere Pulvermagazine ii« die Luft ge flogen- Tic Bergungsarbeiten wurde» dara»fhin so fort abgebrochen. Tas Picatinntz-Arsenal ist infolge Umschlagens des Windes crnent sehr gefährdet. Bis«