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f Nun ist sie drinnen im Zimmer des Arztes. Schweigend sitzt sie dem alten Sanitätsrat gcgen- Aber, schlingt krampfhaft die kalten Hände ineinander kund versucht, Mut zn gewinnen beim Anblick -es grei fen, wvhlwvllenden Gesichtes, dessen kluge Augen jetzt ruhig prüfend ans ihr ruhen. Ein Gefühl des Zutrau ens wallt in ihr hoch gegen den alten Herrn, der schon von langher ihixr Familie Berater, ihres Vaters sFreund gewesen. „Nun, wie ist cS Ihnen ergangen, liebe Helene? Haven Sie in letzter Zeit viel zu leiden gehabt?" fragte jetzt die freundliche Stimme des Arztes. Er hat für jeden seiner Kranken ein bereitwilliges Interesse, vor- ob für diese Patientin, die ihm als alleinstehende Waise immer besondere Teilnahme einflößt. „Ja — nein — das heisit -"Ihre Worte verwir ren sich. Sie fühlt, wie ihr das Blut stromweise ins Gesicht schiebt und senkt in peinvoller Verlegenheit die Augen. „Oder führt Sie heut ein anderes Anliegen zu mir?" vollendet sicher und aufmerksam der Arzt, sich mit feinem Verständnis in die ungewöhnliche Erregt heit seiner Patientin hineinfühlend. „Ach ja, Herr Doktor das ist esl — raten Sie mir! ich, ach Gott — tch bin vor die Frage gestellt, in die Ehe treten zu sollen - " Sie hält einen Augenblick inne, um mit ängstlicher Sorge dem Eindruck ihrer Worte auf dem Gesichte des Arztes nachzuforschen, beruhigt sich aber beim Anblick seiner gleichmäßig ruhigen, beherrschten Züge und fährt mit größerer Sicherheit fort. „Ich bin nicht mehr jung, Sie wissen, lieber Herr Sanitätsrat, mir ist diese Frage -er Heirat schon öfters nahegetreten, es ist mir bisher niemals schwer gewor den, abzulehnen, weil ich bet meiner schwachen Gesund heit nicht Lie Kraft in nnr fühlte, solch eine Verantwor tung auf mich zu nehmen, und weil ich fühlte, daß meine Ablehnung auf der anderen Seite keine großen Schmerzen bereitete." „Aber jetzt ". Sie spricht hastiger und leiser, „jetzt begehrt mich einer zum Weibe, dem mein „Nein" Ler grausamste Schmerz sein würde, — einer, dem ich alles, alles /ein soll! — Lasten Sie mich Namen und Umstände verschwei gen. sie tun nichts zur Sache. Sagen Sie, was soll ich tun? Ich fürchte, ich sehe hier nicht klar genug, nm allein das Rechte zu treffen. — Ich habe weder Vater, noch Mutter, — helfemSie mir! Sie kennen mich von Kind an, raten Sie mir nach Ihrem besten Wissen!" Sie sieht ihm mit flehendem Blick in die Angen, Laß es ihm Lurchs Herz geht. „Und Sie selbst, Helene?" fragt er leise, „wie stehen Sie zu der Frage?" „Ich habe ihn so lieb!" flüstert sie nrit erschüttern dem Ausdruck. Ehrerbietig tritt der Arzt zurück, ihm ist's, als dürfe er in ein Heiligtum schauen,' noch nie hat er bisher Las vornehme, zurückhaltende Mädchen so hilf los, so gänzlich ihres Stolzes beraubt, so offen ihrem Gefühl hiugegeben gesehen. Er schweigt. „Wenn's nur um mich wäre!" hebt sie wieder leise an, mit einer Stimme, in der ihre innere Bewegung vibriert, „tch wollte gern leiden, gern sterben, wenn ich ihn nur ein Jahr hätte besitzen, hätte so glückselig sein dürfen! Aber er! Ihm Lars ich nicht weh tun, eine sieche Frau, was wäre das für ihn jahraus, jahrein! Welch ein Hemmnis fiir sein kühnes, vorwärtsdrän gendes ManneSlcben! Und eine Last, ein Kreuz für ihn zu sein, — daß er wünschen müßte — O Gott, nein! ich ertrüg's nicht! WaS soll ich tun? Im letzten Jahr ging's mir ja besser; — und manchmal hab' ich das Gefühl, als schlummere in mir noch soviel ungelebtes Leben, so viel ungebrauchte Kräfte — und das warte alles nur auf ihn, nm mit ihm, für ihn zu leben! Herr Sanitätsrat, erbarmen Sie sich, sprechen Sic! Muh ich nein sagen oder ." Der Arzt ist aufgestandcn und geht im Zimmer auf und ab, so schwer ist ihm seine Klarheit über ihren Zustand noch nie geworden. Endlich bleibt er hart vor ihr stehen, schaut mit zwingendem Blick in ihr gespannt emporlauschendes Gesicht und legt mit festem Druck seine Han- auf ihre verschlungenen, eisigkalten Hände. „Sie haben ihn so lieb, Helene. Sie müssen nein sagen!" spricht er tiefernst und bestimmt. Es ist geschehen. Unheimlich laut und deutlich, fast wie von einem Dritten gesprochen, tönen ihm die eigenen, schicksals schweren Worte im Ohre nach. Es ist totenstill im Zimmer. Der Arzt ist ans Fenster getreten, aus -cm er an gestrengt hinausznschauen scheint. „Armes, armes Kindl" so geht cs ihm schmerzlich durch die Seele. Allein er wendet sich nicht, er kommt ihr mit keinem Worte zu Hilfe. Nur jetzt kein Mitleid zeigen, keine Weichheit verraten! Das würde sie schwächen, sie läh men. Und das darf nicht sein. Er weiß, -atz sie -lesen Kampf allein -urchkämpfen muß. Und -urchkämpfen wird! Nicht umsonst fließt Edelblut in ihren Adern, nicht umsonst ist sie eines ritterlichen Vaters Tochter. In dem schwachen Körper wohnt eine starke Seele. > Eine kurze Weile nur währt das Schweigen. Dann kündet das leise Rauschen -es Frauenac- wandes dem Arzt, -aß seine Patientin sich erhoben hat. Er wendet sich um zu ihr, nimmt die Hand, die sie ihm entaegcnstreckt, und fühlt einen kurzen, aber festen Druck. Er bemerkt, wie ihre Haltung sich auf- richtet, und spürt, wie öiese Kraftanspannnng zugleich ein seelisches Sichstraffen bedeutet, bis hinein in die Tiefen. Die ebenmäßigen Züge ihres bleichen, schönen Gesichtes haben ihre vollkommne Nnhe wiedcrgewon- i nen, ja sie zeigen einen fast herben Ernst, als sie mit ( klarer Stimme jetzt spricht: ! „Ich danke Ihnen für Ihr offenes Wort. Sie haben mir Klarheit gegeben. Jede Klarheit ist neue Hilfe. Ich sehe jetzt meinen Weg vor mir, und Gott wird mich stärken, ihn zn gehen." Er schaut ihr in tiefem Mitgefühl in die Augen. Der schwache Schein eines Lächelns erscheint aus Ihrem Gesicht, eines Lächelns, das dem Beschauer weher tut als der Anblick vieler Tränen. „O nein, fürchten Sie nicht für mich, ich werde nicht unglücklich sein. Es ist für sein Glück. Das gibt mir Kraft." Sie ist hinausgegaugen. j Der greise Arzt blickt ihr gedankenvoll nach. Einige Augenblicke lang steht er in ernstem Sinnen, ehe er . die Tür öffnet für den nächsten Patienten. (4S. Fortsetzung.) Im Richterzimmer ging es lebhaft her. Der Vorsitzende der Oberlandesgerichtsrat, sprach eifrig mit dem Staats anwalt. Er sprach fast allein. Der Staatsanwalt hörte mit halben Lächeln zu „Ihre Gesinnung In Ehre. Herr Vorsitzender, nicht! gegen Ihr gutes Herz, aber es ist hier nicht am Platze. E ist der geriebenste Verbrecher, den ich kennen lernte, vor lassen Sie sich darauf." „Das ist ganz unmöglich, Herr Doktor. „Bestimmt, der Bursche ist raffiniert, er operiert geschick mit seiner Offenheit. Seine Freimütigkeit ist ein Täu schungsmanövcr. Warten Sie mein Plädoyer ab Ich hab' noch den Haupttrumpf. Den werde ich nachher ausspielen Sie haben recht, Herr Oberlandesgerichtsrat, es ist oft matz los hart, unser Amt auszuüben, aber eine gewisse Befne digung gewährt es doch, einen Mörder, einen hartnäckige« Leugner zu überführen." Da schmieg der Vorsitzende. Er dachte an dos arme Wesen das im Gerichtssaale zusammcngebrochen war. n -t- ch Unter atemloser Spannung des Publikums begam Staatsanwalt Dr. Wälfung sein Plädoyer. Er begann mit dem Lebenslauf der Brüder, schildert ihre Verhältnisse, als sie noch in Thüringen auf den Michaelshof weilten. Schrittweise lieh er ihre Lebens geschichte an dem geistigen Auge der Lauschenden vorüber ziehen, lictz den Hatz, der sie beide von ihrem Siiesbrude trennte, riesenhaft erstehen. In den grellsten Farnen mait er. Er versuchte begreiflich zu machen, datz durch die vhä nomenale Laufbahn als Läufer eine Art Größenwahn i den Seelen der Brüder entstanden sei, der ihre Handlun entscheidend beeinflußte. Zum Hatz gegen den Vater des Toten kam der Hatz zr dem Toten selbst, er verstärkte sich mit der Erbitterung über den erlittenenen Verlust des Vermögens, und so entstanl in der Seele des Hauptangeklagten Klaus Michael jenei raffinierte Mordplan, der fast völlig geglückt wäre. Meine Herren Geschworenen, meine Herren vom, Ge> richtshof, lassen Sie sich nicht blenden von dem gewinnender Aeutzeren der Angeklagten. Suchen Sie nicht in der eifer neu Ruhe und Selbstbeherrschung der beiden ihre Ent lastung, bedenken Sie, datz Sie es mit Sportsleuten vor höchster Eignung zu tun haben, mit halb grötzenwahw sinnigen Naturen, die sich jenseits von Gut und Böse düw ken. Die menschliche Gesellschaft muß solche Schädling« ausrotten mit Stumpf und Stiel." In diesem Tone ging es weiter, und es war bewunderns würdig, wie es der Staatsanwalt verstand, selbst alle Punkte die geeignet zur Entlastung waren, als Schuldbeweise zr verwenden. Die Brüder Michael aber saßen da mit zulammengebisse nen Zähnen. In ihren Gesichtern zuckte kein Nerv. „Denken Sie an die hohe Intelligenz des Hauptangeklag' ten. Er studierte Medizin. Und hören Sie das Urtei seines Professors, des Geheimrats Penndorf, des großer Gelehrten: Klaus Michael war bestimmt einer der Befähig sten unter dem Nachwuchs, seine Studien auf dem Ge biete der Lepra-Forschung haben unter dem Aerztekollegiun der Universität das größte Aufsehen erregt, und man ha ihm als Arzt eine große Zukunft vorausgesagt, der ich mict bedingungslos anschließe, vorausgesetzt, daß nicht wie of bei so zeitigem Können, ein gewisser Größenwahn einsetzt der die normale Weiterentwicklung glatt unterbindet. Dieser Größenwahn ist bei dem Angeklagten eingetretei und hat ihn dazu verführt, seinen Mordplan in der raffi nicrtesten Weise durchzusühren. Meine Herren Geschwo renen, Sie sind berufen, das Urteil über einen der gerieben sten und gemeinsten Verbrecher zu fällen." „Halt! Kein Wort mehr, Herr Staatsanwalt!" Klaus Michael war aufgestanden. Seine Augen braun ten vor wilder Empörung. „Stören Sie mich nicht, Angeklagter!" donnerte bei j Staatsanwalt. „Und ob ich Sie stören will," schrie ihn Klaus an. „Ein« Stunde habe ich Sie angehört, eine Stunde lang habe ick die gemeinsten Anwürfe von Ihnen hinnehmen müssen, nur nicht eine Minute länger." „Herr Vorsitzender, bringen Sie den Angeklagten zur Ruhe!" „Herr Vorsitzender, stehe ich vor einem deutschen Ge richtshof? Stehe ich vor Männern, die sich der heiliger Aufgabe, Recht zu sprechen, bewußt sind? Oder habe ich er ! in Ihnen nur mit einer Gruppe van Menschen zu tun denen Rechtsprcchen nichts anderes ist als ein täglicher Handwerk?" Seine kraftvolle Stimme drang durch. Totenstille mar im Raume eingetreten. Der Vorsitzende sowie das ganze Nichterkollegium starrten auf den An geklagten, der in schier wilder Schönheit hinter der Bar riere stand und mit leinen Blicken den Vorsitzenden nich i aus den Augen ließ. „Sie klagen mich des gemeinen Mordes an. Ich kanr mich von dem Verdacht nicht befreien, der so schmachvoll au mir und auf meinem Bruder lastet, denn mit Ihnen ist der tückische Zufall im Bunde Mit diesem tückischen Zufall be Buntes Allerlei. Höllenstein — ein sonderbares Wort! Er wird j schon seit Alters für ein Salz gebraucht, das -er Che- ! miker „salpctersaures Silber" nennt und das sich bil- , -et, wenn man Silber tn Salpetersäure auflöst. Beim i Abdampfen der Flüssigkeit bleibt dann das weiße Salz zurück. Der Name Höllenstein kommt nun daher» -aß j -ieses Salz stark ätzt, „wie die Hülle". Man sieht -ieS z. B. daran, -aß es die Haut schwärzt, d. h. eigentlich s schwärzt es selbst nicht, sondern es ist das Tageslicht, welches so wirkt, indem es nämlich den Höllenstein ' zersetzt und die Ausscheidung von sehr fein verteiltem, daher schwarzem Silber veranlaßt. Uebriaens wirkt es so auch auf Papier und Wäsche, weshalb Höllenstein lösung fiir letztere als „nnauSlöschliche Tinte" benutzt wird. Der Arzt verwendet Höllenstein vielfach alS Aetzmittel. — Bekanntlich beruht auf jener leichten ! Zersetzbarkeit von Silbersalzen auch die Photographie; denn sowohl bet -er negativen Platte wie bei dem j positiven Papierbild handelt es sich um Ausscheidung von fein verteiltem Silber. Dt. Für die Lachmuskeln. - „Wie ich es anffassc." Aber, Kleiner, was ist denn geschehen, daß du so furchtbar weinst?" — „Dort -er unartige Junge hat mir mein Brot drüben ins Wasser hineingcworfen." — „Mit Absicht?" — „Nein mit Him- beermarmclade." Sein eigener Detektiv. „Herr Wirt, Ihre Köchin trägt wohl seit gestern abend zum erstenmal einen Bu bikopf?" — »Wer hat Ihnen ^cnn das verraten?" — „Braucht gar niemand zu verraten. Seit heute finde ich nämlich in der Snvve nur noch kleine Haare." Sinnfprüche. Was kein Ohr vernahm, maS die Augen nicht sah'n, eS ist dennoch, das Schöne, das Wahre! Es ist nicht draußen, da sucht es der Tor! Es ist in dir, du bringst es ewig hervor. Schiller. * Man kann nicht füx jedermann leben, besonders nicht für ! den, mit dem man nicht leben möchte. Goethe. ! * Trau nicht der Welt, trau nicht dem Gelb, trau nicht dem Tod, trau nur auf Gott. Alter Hansspruch. Völker werden nie entehrt, wenn sie sich selbst treu bleiben. Buckle. ! * Das rechte ernstliche Streben ist ein halbes Erreichen, v. Humboldt. Rundfunk Leipzig (Welle 452), Dresden (Welle 294) Wochentags: 10: Wirtschaft. S 11.45: Wetter. S 12: Mittags- musik. S 12.55: Nauener Zeit. Q 1.15: Börse, Presse. G 2.45: Wirtschaft. D 3—4: Pädagog. Rundfunk Deutsche Welle 1300. <2 3.25: Berl. Devisen, Prod.-Börse. S 4.30 u. 5.30: Konzert des Leipz. Funkorch. S 6: Börse, Wirtschaft. S Anschl. an die Abend- Veranstaltung: Preise, Sport etc. Sonnabend. 10. Juli. 6.30: Funkbastelstunde. D 6.45: Wie bleiben wir gesund? D 7: Vorlesung aus englischer Prosadichtuna: Mik Elizabeth Harper. S 7.30: Bortrag Staatsanwalt Dr.FIotow: „Der Jugendliche im heutigen Strafrecht." 2. Teil. S 8.15: Dresden: Mar Reger-Abend (geb. 1873, gest. 1916). Mitw : Dresd. S reich- qnartctt (Fritzsche, Schneider, Niphahn, KropholIer), TH. Blumer (Klavier). Sonate für Klavier und Lelio, op. 116 (A-moll). (Blumer, Kropholler). Schlichte Weisen. Streichquartett. (Streichqu.) Anschl.: Dresden: Bunter Abend. mühen Sie sich, eine Schuld zu finden und uns zu üben führen. Ist das Ihre Aufgabe?" Tief atmete er auf und sprach dann rasch weiter: „Meine Herren vom Gerichtshof! Wir grollen Ihner nicht, daß Sie uns anklagen das mußten Sie auf Grund dei Beschuldigungen eines vom Schicksal schwer getroffener alten Mannes tun. Wir verstehen, daß Sie an meim Schuld glauben lernten, und ich weiß heute, datz Sie de« Stab über einen Menschen, dessen Hände rein von allei Schuld sind, brechen werden. Aber eins, meine Herren kann ich nie begreifen." Seine Stimme stieg an. wurde härter, daß die Worte wb Hammerschläge fielen. „Ich vermag nicht zu fassen, datz ein Leben ohne Makel wie wir Brüder Michael es bei Gott geführt haben, das alle Anerkennung, die uns von gerechten Menschen, die uw kannten, gezollt wurde, nichts gilt Herr Vorsitzender, e, ist unwürdig, datz der höchste Vertreter des Rechts, de Staatsanwalt jedes und alles, was nach rein menschlicher Zefühl für eine Schuldlosigkeit sprechen mutz, verdreht und ils angeblichen Schuldbeweis gegen uns verwendet, sprechen Sie Recht, meine Herren, nach Ihrem Gewissen. Ich will es Ihnen nicht Nachträgen, wenn ich einmal in nner besseren Welt darüber nachdenke, datz in einem staate, dessen Nechtspslege so hoch steht, ein solch furcht» mrer Justizirrtum möglich ist. Aber meine Herren!".