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Weißeritz-Zeitung : 12.05.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-05-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1761426109-192605120
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1761426109-19260512
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1761426109-19260512
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Weißeritz-Zeitung
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-05
- Tag 1926-05-12
-
Monat
1926-05
-
Jahr
1926
- Titel
- Weißeritz-Zeitung : 12.05.1926
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lebhaft Slein- mcht? Dabei .Aber Bolle. Das Orakel. Humoreske von Heinzluidwig Raymann. .Rat nial, wo ich heute war?' fuhr meine Verlobte auf mich ein, als ich kaum bei ihr eingetreten lvar. Bei Heiner Schneiderin, Heti." .Nein, diesmal nicht." „Im Ausklärungsfilm: Wie sag ichs meinem Kinde?" „Du bist nicht gescheit. Raten, raten!" „Mit beinern neuen Freunde, dem Depp, spazieren." „Gell, sei nicht so frech!" blitzte mich Heti funkelnd an. ich sehe schon, hu errätst es hoch nicht. Ich war bei Frau Nun staunst hu, was!" „Bei Frau Bolte . . . Bolle . . . keine Ahnung!" „Na, das ist doch hie berühmte Wahrsagerin in der „Was, Heti, «in Neger!" „Ach bu, ein schwarzhaariger Mann!" „Ach, Has ist dieser W. C. Müller!" „Lin brauner ..,.!" „Ha, der schöne Willi, ganz richtig!" „Und ein blonder — und Has scheinst du zu sein!" „So, jetzt gib mal endlich Ruhe, Tünchen, und last dir er zählen, wies war. Komm her zu mir. Jetzt zündest du dir zu nächst eine Zigarette an, damit hu den Mund hältst!" Ich setzte mich an getis Seile und nahm eine Zigarette. Was blieb mir anderes übrig? Wenn Heti energisch wird, ist sowieso nichts zu machen. Na, wenn sie mal erst meine Frau ist, werde ich energisch. AedrigenS ist Heti ein so süßer leckerer Malzbrock, straße!" „Was, hu warst bei einer Kartenlegerin? Solche Verrückt heit! Was volltest hu dort?" „Ihr Männer s>abt aber auch gar kein Verständnis für so- was. Ich war oben begierig zu erfahren, was sie über meine Zukunft sagen würde." „Deine Zukunft bin ich!" „Nur nicht so geschwollen, Anton! Frau Bolte Hal erklärt, Hatz sich um meine Zukunft drei Männer bemühten!" „Ha, Falsche, also hoch! Ich habe es immer schon geahnt. Also drei Männer. Wer sind diese Zukunflssterne? Gestehe!" „Aber nein, Anton", entgegnete Heti ironisch, „du glaubst doch an „solche Verrücktheit nicht". „Allerdings nicht. Aber drei Verehrer — Has geht über hie Hutschnur!" — „Jedenfalls war eS sehr interessant." „Eine Fran findet eS immer interessant, wenn ihr drei Ver ehrer angedichtet werden." „Angedichtet? So! Vielleicht stimmts doch!" „Also hoch? Ich Habs ja gleich gesagt. Du leugnest also küßte Heti mich so lieb, haß ichs glauben mußte. „Großes Glück würde ich haben, hat sie weiter gesagt und drei Kinder würbe ich bekommen." „Drei Kinder! Donnerwetter, Heti, Has hätte ich dir gar nicht zugetraut!" „Du kriegst glei so a Schelln!" Heti stand auf und fuhr wütend im Zimmer herum. Wenn Heti zornig ist, spricht sie mllnchnerisch. Dann wirds Zeit. „Und hie Anni?" lenkte ich ab. „Denk dir, hie Anni geht zur Bühne und wird berühmt." „Mas du nicht sagst! Trotz ihrer Rvkokobeine? — Sag mal, hat sie dir uicht gesagt, wer dich von den drei Zuklmftssternen heiraten wird?" „Nein. Sie hat erklärt, dann würde ich solch einen Schrecken Kriegen . . .!" dabei blitzte Heti mich lächelnd und augenzwinkernd an. „Gell, da hat sic recht gehabt, hu wütiger Anton, du!" — „Und du glaubst nun fest an Has Gequassel? Es ist doch nicht schwer, einem jungen hübschen Mädel . . Heti schaute mich mißtrauisch an drei Verehrer anzudichten. Das stimmt immer. Ich finde hrei in heinem Falle sogar etwas beschämend wenig. Sechs hätte auch gestimmt'. — Heti kam drohend näher. — „Ich meine, haS hätte mehr deinem Wert entsprochen." „Gleich gibst hu Ruh! — Eigentlich glaube ich ja selbst nicht daran. Aber man kann nie wissen!" „Liebst du mich nicht, Heti?'' fragte ich streng. „Wie kannst du nur fragen, süßer Depp!" „Aber ich bin doch nicht reich." „Das wirst du noch. Du gewinnst vielleicht das große Los, machst eine großartige Erfindung oder beerbst einen Dollaronkel. Alles ist möglich." „Na, mir falls recht sein!" Nun bin ich schon lange mit Heti verheiratet. Vier von den drei Kindern hat Heti schon. Aber reich find wir noch nicht. Als ich das Heti kürzlich vorhielt, erklärte sie rundweg, daß ich sie zur Frau hätte, fei eben mein Reichtum. Vielleicht Hobe die Wahrsagerin es fo gemeint, nur etwas orakelhaft ausgedrückt. Ob sie nicht recht geihabt hätte. . Heti blitzte mich scharf an. Ich gab es zu. Was will nian machen? Wie? Die Wahrsagerin hätte doch recht gehabt? Seitdem bin ich etwas verdötschl im Schädel. Auch die Anni ist berühmt geworden. Beim Film allerdings. Sie gehört zur Cdelkom- parferie. Feine Sacke! Sie ist sehr beliebt beim Publikum. Neulich noch hörte ich hinter mir im Kino jemand saoen: „Da ist ja wieder die Kalle mit dem Rundhölzern!" Annis Rokokobcine wirkten tatsächlich effektvoll. Ich bin bekehrt. Ich glaube heute an Mahrsagerei. Dem- uächft werde ich zur Frau Bolle gehen und sie fragen, wann mich der Teufel holt. Vielleicht erfahre ich fo auf dem Umweg über «in Kartenorakcl, wenn ich endlich .zu einem Auto komme, öder ob mein Drama „Pippa oder das verlegte Würstchen" Erfolg haben wird. Ich werde sie nach einem Börsentip fragen oder nach dem Ausgang des nächsten Boxkampfes, damit ich erfahre, wann meine Schwiegermutter (Käse en groS) stirbt. Noch besser wäre es, ich würde selber Wahrsager. Mit Neu gier, Gruseln, einem indischen Turban und brauner Haulfchminke (Litera K.) ist noch immer ein Geschäft zu machen. Dann werde ich bestimmt reich — bei meiner Mantasie und Schwindelanlaoe sicher. Vielleicht hatte Frau Bolle es so gemeint. Dann hätte sie ja wieder recht. Und Heti auch. Ich ebenfalls — weil ich dann den Schwindel nachweifen könnte. Ob Heti es dann ein sehen würde? Ich glaube nicht. Also, lassen wir eS. daß man ihr nicht gram sein kann. „Also, ich war mit der Anni dort. Allein war ich zu bange. — Lach nicht, Anton! Du bist fad! — Wir mußten zuerst 10 M. bezahlen. Dann hat sie uns genau betrachtet. Schließlich mischte sie die Karten und legte sie aus. Nach einer Weile erklärte sie mir, um mich bewürben sich drei Männer, ein schwarzer . . ." s Die Pralinen Doktor Baccarat. Skizze von Karl Fr. Nimrod. Die Tür zum Kartenhaus fiel Ins Schloß. Kapitän PerkinS sah auf. Dr. Hendrik, der SchissSarzt, war eingetreten, nickte ist verboten — «in im Messer feststehender Griff — Deifi, Deifi, iS deS Hochdeutsch schwaar . . .' Und die Geschichte wäre hier zu Ende, hätte nicht einen Tag später der Wachtmeister, der dem Herrn Amtsrichter gerade Be richt zu erstatten hatte, durch das Fenster geschaut, wobei es ihm die Rede säst verschlagen hätte: „Schaung S' nur grad, Herr Amtsrichter, dadrunten geht der Hieronymus, in der Hand a Spagatschntirl, und au dem Spagatschnürl ziagt er — ziagt er daS im Griff feststehende Messer. Jesses, jesses, er werd si's do' net so z'Herzen g'nommen hab'n, daß er überg'schnappk is?" Er riß das Fenster auf. Er schrie hinab: „Hieronymus, Hie ronymus, was tuast denn da!" „Was gesehlich's." „Bist naarifch?" „Naa, aber" (stellte er sich auf Hochdeutsch und Auswendig lernen um) „eS ist verboten, ein im Griff feststehendes Messer zu tragen - - no ja, nacha ziagS i'S halt." Die Eisheiligen. Plauderei von Otto Gorbach. Alan singt jo gern vom wunderschönen Monat Ria: und selbst ein Spötter wie Heinrich. Heine behauptet, daß am ersten Alai jeder Ladenschwengel daS Recht hat, scntimenlal zu werden. Freilich darf man nicht vergessen, daß der Wonnemond und der Monat der verliebten Leute mancherlei Gefahren, besonders für den Landmann in sich birgt, und wenn man den Kalender auf schlägt, so werden die mailichen Wonnegefühle bereits bedenklich herabgestimmt, denn um die Maimitte fallen bekanntlich die soge nannten strengen Herren, oder auch die Eisheiligen, wie sie daS Volk nennt, jene drei bösen Männer MamcrtuS, Pankratius und Servatius, die im Kalender aus den 11., 12. und 13. Mai datiert werden. Sagt uns doch schon der sogenannte hundertjährige Kalender, nach dem sich so mancher bauenischlaue Wetterprophet grundsätz lich richtet, daß zu Anfang des Maimonats das Wetter rauh und windig ist, vom 4. biS 15. es schön wärm wird, mit etwas Regen vermischt, nachher unstet und gegen Ende Nachtfröste und Regen. Sieht man sich die Bauernregeln näher an, so wird man finden, daß diese dem Betrachter mehr von nassem und Kühlen: Mai wetter erzählen als von schönen Tagen, und daß eS überhaupt dem Landmann im Interesse der günstigen Entwicklung der Saa ten lieber ist, wenn der Mai kühl und naß ist. Damit ist freilich nicht gesagt, daß cs im Sinne des Bauern ist, wenn er Nachtfröste bringt, denn diese werden den Saaten gefährlich und nicht bloß der Ackerbauer, sondern auch der Weinbauer vor allem fürchtet jene um die Mitte des Wonnemond fallenden Kalendcrtermine, über denen die Namen der drei frommen Männer flehen, die einst in der Zeit der ersten Christen wegen ihres standhaften AuS- harrcns als Bekenner der christlichen Lehre verfolgt wurden. Der Weinbauer nennt bekanntlich diese strengen Herren oder auch die kalten Heilgen, wie sie noch genannt werden, die Wein- tötcr und sicht mit bangem Blick zum Himmel hinauf, wenn sich um die Mitte deS MaimondS kalte Minde erheben und aus ge wissen Wolkenbildungcn in der Rhein- und Donaugcgend das Nahen eines kalten LuftstromS sich ankündigt, der den zarten Trieben des Weinstocks gefährlich werden kann. Pankratius und Servatius Die bringen Kälte und Verdruß heißt auch eine der vielen und schönen Bauernregeln für den Akai, und so manche Bäuerin weiß von dem letzten Worte dieses VerS- leins ein Lied zu-singen, weil nämlich ein richtiger, seine Scholle liebender Bauersmann um diesen Zeitpunkt herum lieber mit brummigen Gesicht im Hause umhergeht und zu seiner Umgebung unwirsch ist, als daß er ein freundliches Gesicht oder gar ein Lächeln aufsteckt. Es gab in katholischen Ländern bis in die Mitte der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhundert einen Kirchenbrauch, der sich mit der Gefährlichkeit der drei Eisheiligen beschäftigte. Am 11., 12. und 13. Mai zogen der Geistliche in Begleitung des Küsters und der Chorknaben von der Kirche mit Fahne, Mon stranz und Weihrauchsah ein Stück über den Ort hinaus und wandte sich betend und beschwörend in der Richtung deS soge nannten WetterwinkclS, aus dem nach einer alten im Orte üb lichen Wahrnehmung das schlechte Wetter kam, um durch sein Ge bet eine ungünstige Wendung der Witterung zu verhindern. Dieser Brauch ist freilich im Laufe der letzten Jahrzehnte abhanden ge kommen. Nur in eingen Ortschaften Tirols hält man es in diesen Tagen wie beim Wettcrschießen in der Gcwitkerperiodc. Man feuert Böllerschüsse ab, nicht um damit die Eisheiligen etwa zu erschrecken oder zu verscheuchen, sondern um dadurch den Ernst der Lage auch denjenigen Mitbewohnern des OrteS vor Augen zu führen, die nicht in den Kalender sehen wollen, oder denen dieser noch nicht eindringlich genug im Gedächtnis sitzt. Der mo derne Gärtner respektiert auch die drei gestrengen Herren und paßt gut in seinem Gewächshaus auf, daß in jenen gefürchteten Mainächten nicht durch daS Eindringen von Frost Schäden an den Pflanzen entstehen, wie er überhaupt jede große Veränderung in seinem Gewächshaus erst nach dem Termin der drei Eis heiligen vornimmt. In verschiedenen Gewächshäusern der Pfalz, Badens und auch Württembergs namentlich solchen, die im 18. Jahrhundert von Staats wegen angelegt worden sind, findet man an dem einen nach Osten zu gelegenen Eingang die drei Eisheiligen in Form kleiner Steinfigürchen an der Innentür des Gewächshauses ober halb des Eingangs angebracht. Wir besitzen hiervon sogar Nach bildungen, und zwar im Stadtmuseum in Heilbronn a. N. und in einer bekannten Privatsammlung in Kaiserslautern in dec Pfalz. Anter den Heilgenfiguren im Dome von Speyer befinden sich üb rigens auch die der gefürchteten drei Eisheiligen, nach deren Namen in Süddeutschland und vor allem in Tirol vielfach aAh Landmanns Söhne genannt werden. Das im Griff Feststehende. Von Fritz Müller—Partenkirchcn. Niederbayern hak sonst nichts Italienisches. Aber auch dort gehen die Messer von selber los. Allo man hat sie verboten, die im Griff Feststehenden, wie es gesetzlich heißt. Und drei Tage Gefängnis wurden eingeführt für jeden Fall der Zuwiderhandlung. „Z'widerhandlung?" buchstabierte der Hieronymus vor dem Gesehesanschlag an der Gemeindetasel „waar net z'wider — a z'wlderne Handlung is' ja des ganze G'seh selm, und z'widerne Sachen könne' mir Überhaupts — halt, naa, können mich über- haupks —" „Im Namen des Gesetzes", sagt hinter seiner der Wacht meister, „das ist eine gesetzliche Verhöhnung!" „WaS ist eine gesetzliche Verhöhnung?" „Daß das ganze Gesetz dir überhaupls oder dich Über haupts —" „Mir oder Mich Überhaupts, hab' i g'sagt, net dich oder dich übcrhaupts!" „Das ist ganz gleich." „So, so, gleich is' des? Siehgst, mit hat heut Nacht 'traamk, du hältst zu mir g'sagt, i' kunnt dir oder dich überhaupls. Aber weil's gleich is, wie d' jetzt sagst, is' mir's scho' lieber, daß du mir oder mich überhaupls — verstehst d' mi'?" Der Wachtmeister verstand ihn, und es gab ein Protokoll des Wachtmeisters, dann einen Prozeß des Wachtmeisters und des Hieronymus, und schließlich drei Tage Sitzen des Hieronymus allein. DaS sand der Hieronymus ungerecht. Z'wider stand er nach Verbüßung vor dem im Griff feststehenden Gesetz auf der Ge- meindctafel, also murmelnd: „Dir oder dich war nix? Mir oder mich war nix? Nacha halt ihm oder ihn!" und schlug sein im Griff Feststehendes mit solcher Gewalt in daS Gesetz, daß die Tafel und das Messer zitterten. Auch der Wachtmeister zitterte. Erstens vor Wut. Zweitens den Hieronymus vorS Gericht. DaS amtliche „zitieren" sprach er nämlich immer aus wie „zittern". Also zitterte er den Hierony mus von den Amtsrichter. Wegen Durchlöcherung des Im Griffe feststehenden Messergesehes. „Was? Durchlöchert hätt' t's!" verteidigte sich der Hierony mus, „nacha hast es du aa durchlöchert!" „Ich, mit was?" „Mit die vier Reißnaggerln in die Ecken. Ein Nagerl is aba'fall'n g'welen. Gnaden Herr Amtsrichter, daß 'S die eine Ecke» immer yin- und herg'fetzt hat. I bin an ordentlicher Mensch, Herr Amtsrichter, i kann so was net sehng, nacha hab' i's halt ang'nagelt —" „Mit dem im Griffe feststehenden Messer?" „No ja, waS ma' halt grad bei der Hand Hal." „Schön, Hieronymus", lächelte der Amtsrichter, „wegen des AnnagelnS bekommst du eine Belobung und wegen des im Griff feststehenden Messers die üblichen drei Tage, damit du Zeil halt, den Satz auswendig zu lernen: Es ist verboten, ein im Griff fest stehendes Messer bei sich zu tragen. Abtreten — der nächste." Die üblichen drei Tage fielen dem Hieronymus nicht allzu schwer. Schwerer, schien eS, schon das Auswendiglernen. Denn auch nach der Entlassung hörte man ihn noch immer vor sich hinbrummen: „Ein im Griff feststehendes Messer bei sich zu tragen, wortlos mit denk Kops und setzte sich dem Kapitän gegenüber. Er schien verwirrt und fuhr sich mit gespreizter Hand über Stirn und Augen. „WaS gibt es?" fragte PerkinS. Der Doktor sah eine Weile In Gedanken verloren durch eines der kleinen Fenster hinaus aus die spiegelglatte, blaugraue See. Dann sagte er, sich dem Kapitän zuneigend, leise und langsam: „Wir haben Cholera an Bord!" Der Kapitän fuhr wie von einem elektrischen Schlag getroffen in die Höhe: „Doktor, find Sie des Teufels?" ächzte er. „Wir haben vierhundert Passagiere'an Bord. Es kann nicht sein!" „ES ist kein Zweifel möglich!" sagte Hcndrik unerbittlich. „Miß Gerard kam heute morgen zu mir mit 39,5 Fieber. Sie er brach sich. Wir untersuchten die Sekrete. Cholerabazillen. Jetzt ist sie bewußtlos, liegt in einer der Krankcnkojen unten." „Weiß jemand —?" „Nein. Niemand. Nur Andrews natürlich, mein Assistenz arzt. Sie reist allein. Neugierigen Fragern wird der Steward sagen, daß sie einem vom Klima bewirkten häßlichen Ausschlag habe und ein paar Tage ungestört liegen wolle." Der Kapitän nickte tief aufatmcnd: „Und der Bazillenherd?" Hendriks Stimme klang im Flüsterton: „Wir sind nun seit vierzehn Tagen auf hoher See. Ich lasse mich hängen: Biese Ba zillen kommen nicht von ungefähr!" PerkinS ließ die Faust auf den Kartentisch fallen, daß der Zirkel in die Höhe sprang. „Wollen Sie damit sagen, daß . . ." „Ich will damit sagen, daß diese Infizierung bcwcrstelligk wor den ist. Ob verbrecherisch oder leichtfertig, das weiß ich noch nicht. Sie wissen, ich war in den Cholerajahren in Kaschgar Assistenzarzt des Professors Wellington. Der Mageninhalt der Miß Gerard bestand durchweg auS Pralinen. Ich fragte sie darnach, aber sie glitt schon in Bewußtlosigkeit hinüber und murmelte nur immer den Namen eines GlückspieleS: Baccarat!" Der Kapitän erhob sich wie unter hypnotischem Zwang, griff vom Regal die Passagicrliste, blätterte eine Weile, fuhr endlich mit dem Zeigefinger eine Seite herunter und hielt bei einem Na men. Der Doktor las: Dr. Baccarat, Chemiker, Antwerpen. „Kennen Sie ihn?" „Nein," sagte Hendrik, der am gemeinsamen MittagSlisch nicht leilnahm und daher nur den kleineren Teil der Passagiere kannte. „Für mich ist dieser Kerl daS Gegenteil von einem geistig nor malen Menschen. Ich habe ihn ost beobachtet. Sein Blick ist manchmal der eines Teufels!" Der Arzt ging zum Fernsprecher und ließ sich mit dem Büsfct 1. Klasse verbinden. Fragte halblaut ein paarmal, sagte „Schluß" und kam zurück. „Doktor Baccarat hat vor mehreren Tagen eine große Schach tel Pralinen gekauft." Bevor der Kapitän zu Worte kommen konnte, beugte sich Hendrik über den Tisch: „Können Sie heute nachmittag zwischen vier und fünf den Doktor Baccarat von seiner Kabine fernhaltcn? Haben Sie einen zweiten Schlüssel zu seiner Kabine?" PerkinS verzichtete aus Fragen. „Ich werde ihn nicht von der Seite lassen. Somme» Sie!" Dann gab er ihm den Schlüssel. Am Abend, nach der Abendmahlzeit, sah Hendrik mit einigen Bekannten im Rauchsalon. Man unterhielt sich angeregt. Plötz lich wurde mit Gepolter die Türe geöffnet. Herein trat Baccarat. Seine Glotzaugen überflogen die Anwesenden, sein Gesicht verzog sich zu einem eklen Grinsen. DaS sah aber nur Hendrik, der außerhalb deS Lichtkreises saß. Baccarat nahm plump Platz, machte ein paar alberne Späße, über die man aus purer Höflich keit ein wenig lachte, und zündete sich eine lange schwarze Zigarre an, an der er schmatzend sog. Nun bemerkte er Hendrik. „Ah, der Herr SchissSarzt?" „Ganz recht!" sagte Hendrik gelaßen und nannte seinen Na ben. Der andere tat das Gleiche, wechselte seinen Platz und setzte sich dem Arzt gegenüber: „Keine Kranken an Bord?" „Nichts Ernstliches!" „Wirklich nicht?! „Zweifeln Sie daran?" Statt einer Antwort lachte Baccarat gellend auf, so daß die llebrigen aufmerksam wurden. „So eine kleine Cholera-Epidemie wäre doch eine böse Ueber- raschung, wie, mein Herr Doktor?" „Ausgerechnet Cholera, Herr Doktor Baccarat? Das kann uns gar nicht passieren. Anmöglich!" sagte Hendrik und zündete sich eine Zigarette an. Die Umsihenden erbauten sich an seiner sicheren Art. Baccarat krächzte weiter: „Eine Epidemie kann überall aus brechen. Das weiß man nie vorher. Oder sind Sie allwissend?" „Vielleicht", antwortete Hendrik kurz. Baccarat meckerte vor Vergnügen, aber seine Augen blitzten tückisch. Er griff in die Rocktasche und holte einen Karton mit Pralinen hervor. Erst bot er dem Arzt an, dann den Anderen. Man nahm nur, um ihn nicht zu reizen. Der Doktor steckte als erster das süße Zeug in den Mund und nickte anerkennend mit dem Kopf. „Gut!" „Gut, ja, sehr gut! Adio, meine Herrschaften — und gut be- kommS!" Mit einer gellenden Lache stolperte Baccarat hinaus. „Ein widerwärtiger Bursche!" sagte einer, und die anderen gaben ihm, in Gedanken oder Worten, recht. Dem Schifssarzt wurde eine Funkdepesche überbracht. Er las sie, entschuldigte sich und eilte zur Kapitänskajüte. „Nun?'' fragte Perkins, der ihn seit der Unterredung Im Kartenhaus nicht mehr gesehen hatte. „Ich habe seine Kabine bis in den letzten Winkel durchsuN', alle Behältnisse geöffnet und, so gut das ging, wieder verschlossen. Ergebnis: Eine Schachtel mit Pralinen, von denen jede mittels einer Subkutanspritze mit Cholerabazitlen infiziert war. Das nadelgroße Loch kaum bemerkbar. Ich stellte eine andere Schach tel hin. Hätte ich das nicht getan, hätten wir vor ein paar Mi nuten ein Dutzend neuer Cholerafäile bekommen." And er er zählte vom Rauchsalon. „Die Bazillenkulturen habe ich auch ge funden und unschädlich gemacht. Außerdem fand ich Papiere, auf Grund derer ich an die Kriminalpolizei in Liverpool funken ließ: Hier ist die Antwort: „Hopkins alias Baccarat entsprungener Irrsinniger. Hat Bazillenkulturen und größere Geldsumme bei sich. Erbitten Un schädlichmachung auf jeden Fall. Kriminalpolizei Liverpool." In diesem Augenblick gab es draußen einen fllrcbterlichen Spektakel. Die Tür wurde aufgerissen, und herein stürzte, Schaum aus den Lippen, der Doktor Baccarat. „Man hak micb befohlen!" brühte er. „Ihr babl bei mir eingebrochen, ihr Lumpenpack, ihr Gaunerpack " H Da blieb keine andere Wahl. Der Kapitän kielt dem wie rasend um sich Schlagenden eisern den Mund zu. Zwei Minuten später war der Tobsüchtige mit einer Zwangsjacke gefesselt und trug einen Knebel im Mund, der ihm das Atmen erlaubte d"s Brüllen aber unmöglich machte. In der gepolsterten Tobßicbls- zelle unken im Kielraum wurde der Knebel wieder entfernt. Dort konnte einer brüllen, soviel er wollte, ohne daß ihn jemand oben hörte. Den Passagieren teilte man ganz offen mit, daß Baccarat Tobsuchtsansälle habe. Niemand wunderte sich groß, denn für normal halte Ihn keiner gehalten. Fünf Tage später wurde er ln Liverpool der Polizei übergeben, die ihn gründlich desinfizierte und dann Ins Irrenhaus zurückbrachte. DI« Passagiere mußten sich eine mehrtägige Ouarantäne und allgemeine Desinfektion gefallen lassen. Sie schickten sich mit gutem Humor drein, denn die Schiffahrtsgesellschaft sorgte für jede Unterhaltung und war zur Schadenersatzleistung bereit. Von Cho lera siel kein Wort. Jeder — mit Ausnahme des streng diskreten Hafenarztes — glaubt an Miß Gerards „typhöses Fieber". Sie selbst auch. Schon bei der Ankunft in Liverpool war sie wieder munler und konnte aufstehen. Doktor Hendrik war nicht umsoyst zwei Jahre in Kaschgar gewesen. Als die letzten Passagiere das Schiff verlassen hatten und für Perkins wie für Hendrik zwei Wochen Urlaub winkten, drückten sich die beiden wortlos die Hände und sahen sich als Freunde in die Augen. »e Pf« Nr «a »»»«»» Nr. ZurE den Grund darf enteij schädigung tümer Mo Dies: 1902 mit Personen, kntelgnun persönliche Entschädig einer Fris vom Ersch Amtshaup haben, w! nehmerin rechnet wi Drei stink Wege Oberfrau« Der 1 Oberf Dippe lehrervere Damen zu rasenen 4 gefetzten f lange Tas nah und f milie eing Form ein Ton und und Ehrui beseelen, der „Eint: Oelsa und Violine, Flügel) sc rung. 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