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Man hüte sich, auf Grund dieser Verehrung Wagners die eigenschöpferische Leistung Bruckners zu verkennen. Wohl besteht eine äußere Gemeinsamkeit der beiden großen Künstler, die sich in der Anwendung gleicher harmonischer und orchestraler Klangmittel manifestiert, doch trennt den Sinfoniker Bruckner, der Zeit seines Lebens ein schlichter, bäurischer Mensch und streng gläubiger Katholik bleibt, eine tiefe Kluft von dem luxusbedürftigen, ganz dem Musiktheater ver schriebenen Weltmann Hichard Wagner, der in seiner Jugend von den Ideen des utopischen Sozialismus schwärmt und im Alter, arriviert, seinen Frieden mit der Bourgeoisie macht. In seiner 3. „heldischen“ Sinfonie ist Bruckner ganz er selbst. Nichts mehr von Kleinmut oder Zweifel. Das Trompetenthema des Beginns gibt uns mit eindring licher Markierung einen Begriff von seiner kraftvoll männlichen Persönlichkeit. Das zweite, gesangvolle Thema ist inspiriert von der Idylle der niederösterreichi schen Landschaft. Als drittes Thema wird wie ein Bekenntnis ein Zitat aus der d-Moll-Messe eingebaut. — Dieser in gewaltigen Dimensionen aufgetürmte Satz mag für den Bruckner-Biographen Auer der Anlaß gewesen sein, die 3. Sin fonie als Bruckners „Eroica“ zu bezeichnen. Zum langsamen Satz gibt uns der Meister selbst Anhaltspunkte. Die von den Streichern geführte, wehmutsvolle Melodik der 3 Themen rufen das Gedenken an die verstorbene Mutter wach, an derem Geburtstag dieser Satz geschrieben wurde. Das Scherzo, thematisch eng mit dem Hauptthema des 1. Satzes verknüpft, führt uns wiederum auf den bäurischen Tanzboden, zu einfachen Menschen, die sich am Ländler freuen. (Trio.) Zum Finale hat Bruckner selbst gesagt: „So ist das Leben. Aus einem Palais am Schottenring drang in der Faschingsnacht Tanzmusik, und im nahen ,Sühnhaus 1 war der Dombaumeister Schmidt aufgebahrt. — Die Polca bedeutet den Humor und den Frohsinn in der Welt — der Choral das Traurige, Schmerzliche in ihr.“ Mit dem dritten Thema des Finales, mit dem warmen Glanz seiner Bläserakkorde und dem in lichtem D ur als sieghafte Krönung des Riesenwerkes wiederkehrenden Kopfthema des 1. Satzes gibt uns Bruckner ein eindeutiges, triumphierendes „Ja!“ zum Leben. Fritz Spies Literaturhinweise : „Konzertbuch“, erschienen 1958 im Henschel-Verlag, Berlin; E. Descey: „Bruckner“ ; II. Abert: „Mozart“