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dabei gestanden Haven. Die plötzliche Wandlung in -ein strengen Naiierncharakter hatte er sich nicht er klären können. Ein Kind — mein Kind hatte das Wunder bewirkt und anS einein kaltherzigen Herren menschen für sich und sein Muttchen einen wvhlwvllen- deu Beschützer gemacht. . . Ein historischer TintemkLex. Sim Kl. April 1826 wurde Bau! Louis Courier, der Klassiker der französischen Hnllcnistcu, den einst auch Goethe hoch anerkannte, das Opfer eines Menchelmör- -erS. Courier fiel als Opfer einer dörflerischen Ver schwörung, die sich gegen den niisilievigen Grundbesitzer richtete, und die Verschwörer wahrten ihr Geheimnis so gnt, das; eine Ucberführnng und Bestrafung des Mörders nicht möglich war. Courier, der, nach seinem Studium in Paris, in französische Kriegsdienste getreten war, ist vor allem als Griechenforscher bekannt geworden. Sein lite rarischer Ruf datiert merkwürdigerweise von dem Tag «n dem er daö Pech hatte, ein Tintenfas; über eine alte griechische Handschrift ausznschütten. Im Jahre 1807 Hatte Courier, der in jener Zeit in Calabrien als Ar- tilleriehauptmann Dienst tat, Urlaub genommen, um eine Erholungs- und Vergnügungsreise durch Nord- italieu anzutreten. In Florenz, wo er längeren Auf enthalt nahm, erwachte seine alte Liebe für die alt- gricchifche Literatur wieder. Die berühmte Bibliothek von San Lorenzo bot ihm reichlich Gelegenheit, die rvicdererwachte Neigung für die hellenistischen Studien zu befriedigen. Besatz sie doch einen kostbaren, aus einem alten Kloster stammenden Schatz von klassischen Handschriften, der hier vollständig unbeachtet und brach Erg! Nicht einmal der Oberbibliothekar von San Lo- »enzo, Del Furia, hatte diesen unschätzbaren Handschrif ten je auch nur einen Blick gewidmet. Dabei befanden sich unter ihnen die vier vollständigen Bücher des altgriechischen HirteurvmanS :„Daphnis und Chloo" von Longos. Courier war sich sofort klar über die Wichtigkeit dieses Fundes, den er in der Folge in einer meisterhaften Uebcrsctzung der Oesfcntlichkcit Angän gig machte und damit der Weltliteratur wiedergewanu. Ta er inzwischen den Beseht erhalten hatte, zu seinem Regiment zurückzukehren, legte er das kostbare Manu skript, ohne ein Sterbenswörtchen über seinen hohen Wert verlauten zu lassen, fein säuberlich wieder in das Negal zurück, dem er es entnommen hatte. Zwei Jahre später kehrte Courier, der inzwischen an der Schlacht von Wagram teilgenommen hatte, nach Florenz zurück. Unterwegs hatte er in Bologna den Pariser Verleger Nenouard getroffen und ihn be stimmt, sich ihm anzuschlietzen. Als die beiden eines Tages in der Bibliothek San Lorenzo arbeiteten, ent- Müpfte Courter das Geständnis seiner Entdeckung. Man öffnet die Handschrift des Longos und stellte nach Angehendem Studium fest, datz es sich hier wirklich mv ein unbekanntes klassisches Bruchstück handelte. Courier ging sofort daran, mit Hilfe von Del Furia und Renouard die Handschrift zu kopieren, um Pe später zu übersetzen und im Verlage Renouard er scheinen zu lassen. Im Eifer der Arbeit warf Courier jedoch das Tintenfaß um und im Handumdrehen er goß sich die auslaufende Tinte über die Seite und machte etwa zwanzig Schriftzeilen unleserlich. Sechs Tage später entdeckte Del Furia den Schaden. Wütend beschuldigte er Courier, daß er das Tintenfaß absicht lich umgestoßen hätte, um, nachdem er seine Abschrift ge nommen, im Alleinbesitz des Textes zu bleiben. Be leidigt hierüber reiste Courier und Nenouard nach Paris ab, während Del Furia einen offenen Bries ge gen Courier drucken ließ. Das war sehr unklug, denn Courier stellte nun seinerseits den unfähigen Oberbibliothekar, -er die Kostbare Handschrift katalogisiert hatte, ohne auch nur M ahnen, was sie enthielt, in einer glänzend geschrie benen Broschüre an den Pranger der Lächerlichkeit. Tel Furia war von Stund an ein erledigter Mann, währen- Courier als Entdecker des klassischen Hirten- vomans von der ganzen Welt gefeiert wurde und selbst Goethe zu seinen Verehrern und Bewunderern zählen -nrfte, Die findige Post. Mit welcher Geschicklichkeit die Post manchmal Briefe mit rätselhaften oder ungenauen Anschriften an die richtigen Adressaten zu befördern versteht, zeigt ein Fall, der vor Jahren dem bekannten, im vorigen Fahre verstorbenen Musiker Laver Scharwenka wider- Mhr. Der Künstler erhielt eine Postkarte, auf -er nur Ain Porträt gezeichnet und als Bestimmungsort Ber kin angegeben war. Auch die Wiener Post lieferte einmal ein hübsches Beispiel ihrer Findigkeit. Als im Jahre 1863 der füns- »gste Todestag Theodor Körners begangen wurde, und «m Grabe zu Wöbbelin eine große Trauerfeier abge- Halten werden sollte, lud man dazu auch die noch lc- Aende Braut Körners, die einstige Burgschauspieleriu Antonie Adamsbcrger, die sich später mit dem Numis matiker und Archäologen Arneth verheiratet hatte, ein, 'daran teilzunehmen. Da die alte Dame jedoch die Auf regung der Reise und der Feier scheute, so schickte sie yur einen großen Lorbeerkranz. Daraufhin sandte der Berliner Schriftsteller Friedrich ein Telegramm «u sie ab, in dem er mit einem Grütz vom Grab zu Wöbbelin meldete, -aß ihr Kranz in Gegenwart vieler Tausender am Grabe niedergelcgt worden sei. Dieses Telegramm jedoch war nur adressiert: „An Toni, Kör ners Braut, Wien." Zuerst verursachte die Aufschrift freilich manches Kopfzerbrechen. Das Rätsel wurde schnell gelöst, und nur mit einer eintägigen Verspä tung gelangte das Telegramm in die Hände der rich tigen „Tont". Buntes Allerlei. Die höchsten menschliche» Sledelnngen liegen in Westtibet 4864 Meter über dem Meere. Hirten, Herden und Hunde gehen bis 6000 Meter hinauf. Noch höher aber leben in Horhasicn andere Säugetiere: Wildsclmse und Steiuböcke steige» bis 6800 Meter empor, Wölfe gegeu 6600 Meter, Hasen bis 6600 Meter. Für flie gende Raubvögel, Adler und Geier werden 7000 Meier als äußerste Höhe angegeben. In größeren Höhen überfällt auch die Tiere, wenigstens Säugetiere, eine Art „Bergkrankheit", die mit der Verminderung des Luftdrucks, also Sauerstossmangel, zusammenhängt. Dke höchste Höhe, die von Bergsteigern ohne Sauerstoff apparate erreicht wurde, beträgt 6780 Meter, die mit Sauerstoffapparaten errichte (am Mvuut Everest) 8320 Nieter. Amundsen hat vom amerikanischen Alkoholverbot nichts verspürt. Ter bekannte Nvrdpolsahrer Amund sen, der auch in diesem Jahre einen neuen Flugversuch nach dem Nordpol unternimmt, hielt kürzlich eine Reihe von Vorträgen in Amerika und hat sich nun einer Kopenhagener Zeitung gegenüber über seine Eindrücke von der Fahrt ausgesprochen. Am bemer kenswertesten sind seine Ausführungen über das Al koholverbot. Er sagte wörtlich: „Ich habe selten auf einer Reise so viel Getränke vorgesetzt bekommen. Bei allen großen Essen floß der Wein in Strömen, und gute Freunde glaubten mir einen Gefallen damit zu tun, wenn Sie mir bei der Abreise mein Gepäck mit Wiskyflaschen füllten. Ich mußte schließlich mich mäch tig vorsehcn, damit ich nicht vergaß, -aß ich Abends vor einem größeren Zuhörerkreis einen Vortrag hal ten sollte." K. Urmdfrral. Doniierriaa. 22. April. 12.15: (». Dresd. aus): Dr.Loh»: Haut- pßcge. S 4 u. 5.05: Funlorch. Strauh: Ouv. Die Fledermaus. — Gröschel: Im Reiche der Venus. — Rubinstein: Lichternlanz der Bräute. — Pop»: Orientalische Suite. — Kockerl: Amorette»- ständchen. — Metra: Serenade espaanole. — Komzak: ABL.-Pow. Dazwischen: lvon Chemnitz aus): Stavtschularzt Dr. Rothfeld: „Wesen u. Aufgabe d. schulärztlichen Fürsorge". D 6.30: Aufwertung. S 6.45: Steuer. S 7: (von Dresden aus): Architekt Prof. Schnee gans: ..Kleinwohnungen im Ausland und bei uns". S 7.30: Hauptschriftleiter L. Lehmann .Berlin: „Wie die Rcichsregicrung arbeitet". D 8.15: Dresden: Schumann-Abend. Mitw.: I. Lorreck von der Staatsoper, Bariton: Trude Meper-Svlett, Klavier: Th. Blumer, Klavier: h. Tessmer, Dramaturg der Staatsoper, Nezitat.: Dresd. Streichquartett. Lieder (Lorreck). — Vorl. a. d. Schumann- Erz. „Der klingende Weg" (Tessiner). — Variationen für zwei Kla viere (Trude Mer>er, Th. Blumer). — Lieder (Lorreck). — Vorl. a. d. Schumann-Erz. „Der klingende Weg" (Tessmer). — Streichquar tett A-moll. D 10: Funkpranger. D 10.15: Dresden: heiterer Abend. Mitw.: Walpurga Stober-Becker, Annaliese Würtz vom Alberttheater Dresden, Kammersänger H. Rüdiger. W. Rüdiger, Stolz nm Stolz. Brunhilde empfand tiefes Mitleid mit dem ein samen. kranken und fast hilflosen Mann. „Ich werde dich jetzt oft besuchen, lieber Onkel", sagte sie, „und nach dem Rechten sehen." „Ja, und bring mir den Christoph Wackernagel mit. Er ist so spaßhaft und kann einen ordentlich ausheitern." 16. „Ich muß dich leider wieder verlassen, Onkel Christoph", sagte Brunhilde, ihren Hut ablegend und ihr schönes Haar vor einem kleinen Wandspiegel ordnend. „Nanu?" fragte der klein« Maler, ruhig an seiner Zeichnung fortstrtchelnd. „Du bist ja eben erst zurück- gekommen. Wohin willst du denn schon wieder?" „So meinte ich eS nicht, Onkel. Ich muß dich für lange Zeit verlassen, ich kann nicht mehr bei dir bleiben." „Wieso? Weshalb? Warum?" fragte Christoph, erstaunt ausblickend. „Willst du etwa den Fürstlich Sonnensteinschen Hofphotogrüphen heiraten?" „Nein," lachte Brunhilde. „Na, daS wäre nicht das schlechteste Geschäft. Der Kerl hat ein unverdientes Glück! Jetzt hat er ein Prachtatelier in der Leipziger Straße und verdient mit deinen übertünchten Porträts ein Bombengeld. Also, wenn es mit dem nichts ist, was hast du denn vor?" „Ich kann Onkel Hildebrandt nicht länger allein lassen." Christoph Wackernagel sprang erregt auf. „Du wirst doch den alten, kranken Mann nicht heiraten?" „Aber wer spricht denn vom Heiraten?" entgegnete Brunhilde unmutig und doch wider Willen lachend über das komische Erschrecken des kleinen Malers. „Ich will den armen Kranken pflegen, ich will ihm in seiner Vereinsamung Gesellschaft leisten — kurz, ich will ihm das Leben bequemer und erträglicher machen." „Also Samariterdienste? Na, wenn du dir da mit nur Dank verdienst." „Auf den Dank kommt es nicht an, Onkel Christoph. Aber du hast selbst bei unseren Besuchen gesehen, wie vernachlässigt alles in der Wohnung ist, die bei Ordnung und Sauberkeit ganz angenehm sein könnte. Auch der arme, alte Mann wird vernachlässigt. Frau Ritter versinkt immer mehr in ihren Trübsinn. Sie kümmert sich um nichts mehr und quält den armen Onkel obendrein mit ihren salbungsvollen Reden und ihren Ermahnungen zur Geduld." „Ja, da hast du recht. Tas Weibsbild Hütte ich schon längst zum Kuckuck gejagt!" „Er hat nicht mehr die Kraft sie fortzuschicken. Und mit einer fremden Person würde es noch schlimmer werden." „Da sollte er seine Tochter zurttckrufen!" „Du weißt doch, Onkel Christoph . . ." „Jawohl, ich weiß, daß sic sich in der Welt her umtreibt! Künstlerin — dramatische Künstlerin nennt sic sich! Na, mit ihrer Kunst scheint es aber nicht all zu weit her zu sein. Ta sollte der Alte ein Einsehen haben und sie zurückrufen." „Das ist ja schon versucht worden, Onkel. Ich selbst habe an Marh geschrieben; sie hat mir geant wortet, daß sie sich glücklich in ihrem Beruf fühle und ihn nicht aufgeben könne." „Nun, zum Henker, das ist doch kein Grund, mir altem Kerl den Trost und die Stütze meines Alters zu rauben! Was soll ich denn ohne dich anfangen, Hrldchen?" „Es tut mir auch sehr leid, unser gemütliches Heim verlassen zu müssen, Onkel Christoph. Aber stehst du, es geht doch nun einmal nicht anders — die ' höhere Pflicht der Nächstenliebe geht vor. Und dann, i Onkel Christoph, ich komme jeden Tag hierher, um nach dem Rechten zu sehen. Frau Bender, die unsere ' kleine Wirtschaft besorgt, ist eine brave Frau; sie ! wird während meiner Abwesenheit unsere Wohnung i schon in Ordnung halten. Es ist ja nur für einige Monate, Onkel. Wenn Walter Hildebrandt zurückkehrt, dann bin ich bei dem Onkel nicht mehr nötig." „Dann wirst du erst recht nicht zu mir zurück- ; kehren." Brunhilde errötete. , „Doch, Onkel Christoph, ich verspreche cs dir. Ich fühle mich jetzt verpflichtet, Onkel Hildebrandt zu helfen, er hat sa auch mir geholfen, als ich von aller Welt verlassen war." „Hab' ich dich etwa auch verlassen?" brummte Christoph. „Nein, Onkel — aber mit uns beiden ist das ganz etwas anderes. Wir gehören zusammen und helfen uns gegenseitig, wo wir nur können. Ich habe dich von Herzen lieb und bin dir sehr, sehr dankbar — ich bin wie deine Tochter, nicht wahr, Onkel Christoph? Aber du hast mich jetzt nicht so nötig, wie Onkel Hilde brandt. Du selbst hast ihn ja in seinem bemitleiden, werten Zustande sehr bedauert. Und wir trennen un» ja auch nicht, Onkel Christoph. Ich komme jeden Tag auf ein Stündchen zu dir, und am Abend kommst du zu uns. Dann plaudern wir zusammen oder spielen mit Onkel Hildebrandt eine Partie Skat. Du sollst sehen, wie gemütlich das wird!" „Ja, ja. Aber wo bleibt deine Kunst?" „Die gebe ich natürlich nicht auf. Ich muß ja Geld verdienen. Ich habe mir schon ein Zimmer in Onkels Wohnung ausgesucht, das mir als Atelier dienen soll. Ich werde fleißig sein, denn ich will Onkel Hildebrandt nicht zur Last fallen." Nach einigem weiteren Hin- und Herreden mutzte sich Onkel Christoph fügen. Er schalt zwar brummend und knurrend über die Undankbarkeit der Welt im allgemeinen und die der Frauen im besonderen, aber im Grunde seines guten Herzens sah er ein, datz Brunhilde recht handelte, und er bewunderte sie nur um so mehr wegen ihrer opferwilligen Handlungsweise. So siedelte denn Brunhilde nach einigen Tagen — sehr zum Mißvergnügen der Frau Ritter, aber zur innigsten Freude Hildebrandts — zu diesem über, und jetzt begann ein neues und schöneres Leben für den kranken Mann. Es kam wieder Ordnung in sein Leben. Luft, Licht und Sonne drangen in die Zimmer und Vertrieben die düsteren Schatten, welche die trübsinnige, mürrische Laune und die melancholische Weltanschauung Frau Ritters heraufbeschworen hatten. Und auch diese selbst wurde durch das frische, energische Wesen Brunhildens umgewandelt. Anfangs brummte sie wohl und schalt über die viele unnötige Arbeit, über die Quälerei den ganzen Tag lang, über das Lachen Brunhildens, mit dem diese der üblen Laune der grillenhaften Frau begeg nete, aber dieses Lachen und diese fröhliche Geschäftig keit Brunhildens wirkten ansteckend, und schließlich wurde Frau Ritter wieder eine verständige, fleißige Frau, die sich willig den Anordnungen Brunhildens fügte. Der Kommerzienrat aber lebte förmlich auf. Er konnte wieder lachen und sich freuen über die Blumen, den Sonnenschein und den blühenden Früh ling. Selbst körperlich erstarkte er wieder und konnte weitere Spaziergänge in dem Tiergarten unternehme». Brunhilde brachte ihm Bücher und Zeitschriften, mit denen er sich den Tag über beschäftigte. Am Nach mittag machten sie oft einen gemeinsamen Spaziergang oder tranken Unter den Zelten eine Tasse Kaffee und lauschten dabei den munteren Weisen der Konzertmusik. Am behaglichsten aber waren die Abende, wenn Christoph Wackernagel erschien und Schnurren und Witze machte. Dann konnte der Kommerzienrat wieder herz haft lachen und er vergaß sein Unglück und seine Krankheit. Oder es wurde eine Partie Skat gespielt, bet der zuweilen der Fürstlich Sonnensteinsche Hofphoto- gravh den dritten Mann abgab. Denn auch Herr Egin- haro Dettmer war in den behaglichen KrelS ausgenom men worden, da er öfters zu Brunhilde kam, um mit ihr über dieses oder jenes Porträt zu sprechen. Er war stets außerordentlich höflich gegen den alten Kom merzienrat, dessen frühere Verhältnisse er noch nicht vergessen konnte. Er hielt ihn noch immer für eine» wohlhabenden Mann, denn Brunhilde verstand es, selbst mit den bescheidensten Mitteln einen Hauch der Vor nehmheit und Eleganz über das einfache Hauswes«! zu breiten. So schienen alle glücklich und zufrieden zu sein. Nur eine Sorge warf zuweilen ihre düsteren Schatten in das stille Glück — der Gedanke an Mary. Sie hatte seit Monaten nichts mehr von sich hören lassen. Das Stadttheater in Elberfeld hatte sie ver laffen; niemand wußte, wo sie geblieben war. Ihre letzte Nachricht war aus einem kleinen Orte am Rhein gekommen, in dem sie als Mitglied einer wandernden Thcatertruppe sich aufhielt. Seitdem war keine Nachricht mehr von ihr einge troffen. Und auch ein anderer Gedanke quälte Brunhilde: die Erinnerung an Walther! Nur spärliche Nachrichten kamen von ihm. U»d wenn ein Brief von ihm cintraf, so erzählte dieser von. wilden Kämpfen, von Hunger und Durst, von Krankheit und Tod, von Mühseligkeiten und Strapazen aller Art. Umringt von Gefahren und von dem Tod in seiner grausigsten Gestalt wußte Brunhilde den noch immer geliebten Mann, und sie erzitterte in tiefem Bangen, wenn sie in den Zeitungen von neuen Gefech ten, von neuen Opfern in dem Kampfe mit den wilden Völkern im fernen Südwestafrika las. In ihrem Arbeitszimmer hing das Bild, das Walter gemalt, vor welchem sie beide einst in seiner Wohnung gestanden und dem Brunhilde die Bezeich nung „Entschwindendes Glück" gegeben.