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Beilage zur Weiheritz-Zeikung Nr. 83 Sonnabend, am 10. April 1926 92. Jahrgang Chronik des Tages. — Ans de» Schnellzug Berlin—München wurde et« An schlag verübt, dessen Wirkung jedoch auSblieb. — Die Reichspvst beabsichtigt eine Inlandsanleihe in Höh« von 18V Millionen. ' — wtunvunt bat leine Reise nach Tripolis angetrete« und eine Rede über die Bedeutung der Marine gehalten. — Die polnische Regierungskrise hat sich verschärft. Dt« Parteien versuchen, eine neue Regierung vorzubereiten. — Der französische Innenminister Malvy ist zurückge treten. — Unweit New Mork ist der sogenannte „Mtllionärzug^ entgleist -"ovei 8 Tote und so Verletzte gemeldet werde«. Kem Mississippi sind 2 Oekdampfer explodier^ die Za.,. ..er Toten soll sich auf 109 stellen. Von Woche zu Woche. Randbemerkungen zur Zeitgeschichte. In der vergangenen Woche hatte das deutsche Boll die Freude, seinen Reichspräsidenten, den verehrten Generalfeldmarschall von Hindenburg, zu seinem 60jährigen Militärdienstjubiläum zu beglückwünschen. Aus den begeisterten Ovationen der Menge und den Lausenden von Glückwunschtelegrammen, die an diesem Ehrentag in sein Haus gelangten, kann man ersehen, wie sehr die markante Persönlichkeit unseres Reichs präsidenten die Liebe und Hochachtung unseres ganzen Volkes errungen ^rt. Unsere Genugtuung über die Freigabe des be schlagnahmten deutschen Eigentums in Amerika hat leider einen Dämpfer bekommen. Wir hören, daß die Gesetzesvorlage vor dem Senatsausschuß aus starken Widerstand stößt. Dabei ist bezeichnend, daß von verschiedenen Seiten allerstärkste Zweifel gel tend gemacht werden, ob Deutschland fähig sein werde, den Dawesplan durchzuführen. Wie sehr Deutschland in der Nachkriegszeit in Ab hängigkeit, um nicht zu sagen „Versklavung" ge raten ist, beweist der Einspruch des Generalagenten für Reparationen gegen die Biersteuer-Milde rung. Erst Ende Juni wird diese Frage zur Ent scheidung vor dem Schiedsgericht kommen und es wird sich zeigen, daß dieses Veto Gilberts ohne jede Begrün dung ist. Angenehmer ist die Nachricht aus Paris, daß die Luftschiffahrtsverhandlungen mit Frank reich kurz vor dem Abschluß stehen. Die Luftverkehrs linie Paris—Berlin wird demnächst eröffnet. Die Reichsregierung wird sich allerdings verpflichten müssen, nur solche Flugzeugunternehmen zu unterstützen, die ausschließlich dem Handelsverkehr dienen. Die französische Presse weist mit vielsagender Geste darauf hin, daß diese Verhandlungen „im Geiste von Locarno" geführt worden seien, — also „wohlwollend", was bei uns hoffentlich gebührend gewürdigt werden wird. Das Hauptereignis der Woche war aber jedenfalls das Attentatauf Mussolini, von einer irrsinni gen Irländerin ausgeführt. Gott sei Dank, — so können wir rufen —, war es keine Deutsche, die den Revolverschuß auf den Diktator abgegeben hat, sonst hätten wir uns wieder auf „Brenner-Reden" gefaßt machen können. Indem man das Attentat in Zusam menhang mit früheren, gegen den Duce gerichteten Angriffen bringt, wird man auch dies Ereignis pro pagandistisch ausnützen, um den Eindruck von der Be drohung des Diktators und des Hauptfaschistenführers nachwirken zu lassen. Dadurch aber werden die ge mäßigteren Kreise in ihrem Einfluß noch weiter be schränkt werden, wird die extreme Richtung des Fa schismus ihr Ucbcrgewicht voll ausnutzen können und vielleicht damit die Bahn frei werden zum Ausbau der imperialistischen Pläne. Inzwischen ist Mussolini nach Tripolis gefahren und hat vor seiner Abfahrt an Bord des „Cavour" noch eine Rede über die Bedeu tung der italienischen Marine im Mittelmeer ge halten, die im Ausland die allerlebhafteste Aufmerksam keit erregen wird. Frankreich scheint seines Marokkoaben teuers müde zu sein. Es hat so große Sorgen im Lande selbst, daß es heilfroh wäre, wenn erst dieser leidige Feldzug beendet werden könnte. Wären nicht gerade in diesem Augenblick Gerüchte aufgctaucht von der Friedcnssehnsucht Abd el Krims, sodaß.dt« Franzosen neuerdings Hoffnung hegen können, di« Nifkabylen doch noch niederzuringen, so wäre der Feld zug vielleicht schon zu Ende. Nun aber scheint eL so, als ob das Abenteuer noch etwas hinausgezogen werden sollte. Jedenfalls ist es jetzt noch nicht spruch reif, so sehr auch vom Frieden geredet wird. Bahmmfätte und Abbau. Eine Anfrage im Preußischen Landtag. Die Zentrumsfraktton des preußischen Landtags weist in einer Anfrage darauf hin, daß sich in letzter Zeit die Eisenbahn Unfälle stark vermehrt hätten. Von den 28000 vorhandenen Lokomotiven werden 2l Prozent ausgebcssert. Der größte Teil solcher Schäden sei auf Betriebsunfälle zurückzuführen. In der Hauptsache seien diese Schäden und die Gefährdung dem Mangel an Personal und der Neber« lastnng der vorhandenen Kräfte znznschrciben. Es fänden bei der Reichsbahn noch dauernd Entlassungen wie Riickiibcrsiihrungen von Beamten in das Arbeits- Verhältnis statt, trotzdem der Personalabbau beendet und dnrch Gesetze aufgehoben fei. Tie tägliche Dienst zeit aus verkehrsreichen und gefährlichen Betrieböstellen betrage jetzt 12 Stunden, während auf demselben Posten «nd bei gleichen Betriebsverhältniikcn in der Bor« »riegszeit das Personal mit dreifachem Wechsel in 24 Stunde« genügend belastet war. Unmittelbar vor Ostern setzt« die Arbeiterent« lassung auS den «uSbesserungs- und Bahnbetriebswer ken in verschärftem Umfange ein, trotzdem etwa S080 Lokomotiven dringend ansgebesfert werden mußten. Der Hinweis schließt mit der Anfrage, ob dem Staatsmtnisterium diese Zustände bekannt seien, und was man zu tun gedenke, um die Betriebssicherheit wieder herzustellen. Mussolinis Tripolis-Fahrt. „Italiens Zukunft liegt auf dem Wasser." Infolge des glimpflichen Verlaufs des Attentats war Mussolini in der Lage, die Reise nach Tripolis zu dem festgesetzten Zeitpunkt anzutreten. Da es das erste Mal war, daß ein italienischer Ministerpräsident die italienischen Kolonien in Nordafrika besucht, hat der Faschismus alles getan, um diesem Ereignis auch das entsprechende äußere Gepräge zu geben. Als Mussolini sich in Begleitung der Unterstaats- fekretäre der Marine, der Ministerpräsidentschaft und des Kolontalministeriums, sowie des Chefs des Ma rinestabes an Bord des vor Ostia liegenden Panzer schiffes „Cavour" einschtffte, erwarteten ihn der Ge neralsekretär der faschistischen Partei Turatt, das Direktorium der Partei und die Provtnzsekretäre an Bord. Der Duce schritt die Ehrenkompagnie ab und hielt dann, umgeben von den hohen Offizieren der Flotte, ei«»e ««spräche, worin er u. a. zum Ausdruck brachte, er habe die Sekretäre an Bord berufen, damit sie der Marine, aus der die wesentlichsten Hoffnungen für die Zukunft be ruhten, Ehre bezeugten und damit die Faschisten bei der Rückkehr dafür sorgten, daß das Bewußtsein von der Wichtigkeit der Marine vollständig erwache. Musso lini fügte noch hinzu: „Wir sind Menschen des Mittelmeeres und unsere Zukunft — ich will damit niemand kopie ren — hat immer auf dem Wasser gelegen «nd wird immer aus dem Wasser liegen." Musselin: schloß seine Rede mit dem faschistischen Rus: Alala! zu Ehren der italienischen Marine. Das Panzerschiff „Cavour" setzte sich dann mit Kurs aus Gaeta in Bewegung, während Wasserflugzeuge in der Luft kreisten. * Di« „Bvrherrschaft" im Mittelme«r. Die römischen Blätter ergehen sich in langen Be trachtungen über die Bedeutung dieser Zeremonie. Ita lien habe im Mittelmeer große Interessen, größere als alle anderen Länder, weil es seiner ganzen Ausdeh nung nach in das Mittelmeer hinetnrage. Kür Italien fei das Mittelmeer alles. Italien könne niemandem im Mittelmeer eine Bvrherrschaft einräumen. Italien glaube, daß man in Italien selbst auf den Namen „Unser Meer" verzichten könne, aber unter der Be dingung, daß keine andere Macht dieses Meer als „ihr eigenes" betrachte. Hat schon Mussolinis Tripolisfahrt im Auslande, insbesondere in Paris und in London großes Auf sehen erregt, so dürften die hochtrabenden Auslassun gen der italienischen Presse das Mißtrauen der „Verbün deten" noch erhöhen. Bekanntlich erheben sowohl Eng land als Frankreich Anspruch auf die Vorherrschaft im Mittelmeer, und es ist kaum anzunehmen, daß sie sich durch Italien aus ihrer Vormachtstellung verdrängen lassen werden. Politische Rundschau. — Berlin, den 10. April 1926. — Bel der Trauerseier für den verstorbenen deutschen Mechtsaelehrtcn Dr Adals Wach legte Neichsaerichtöpräsident Dr. SimonS im Namen des RcichßjnstizmivisteriumK einen Kranz nieder und versicherte, daß Wachs Name dauern werde, solange es eine deutsche Rechtsvslcge geben werde. — Die während der Ostcrfeicrtagc unterbrochenen deutsch-schwedischen -v a n d e l S » c r t r a g s v e r - Handlungen sind jetzt in Berlin wieder ausgenommen ' morden. Gleichzeitig sind die Verhandlungen über den Ab schluß eines vorläusigen Handelsabkommens mit Finu- land eingcleltet worden. * :: ReichSznfchnß für Saararbcitcr. Wie aus Kob- ' lenz gemeldet wird, hat das Reich zur Linderung der Not unter den Saararbeitern, die in den Randgebieten , wohnen und ini Saargebtet in Arbeit stehen, eine ein malige Beihilfe von 350 000 Mark zur Verfügung gestellt. .: Ter RcichSwehrminister in Stuttgart. Im Stuttgarter Stadtgarten veranstaltete die demokratische Fraktion des württembergischcn Landtages einen Par lamentarischen Abend, wobei auch Dr. Geßler eine Ansprache hielt. Er betonte dabet, daß die deutsche Politik in Genf vollständig richtig gewesen sei. Die Befestigung des deutschen Staatslebens bedürfe noch der i Stabilisierung, die aber erst eintrcten könne, wenn sich das gesamte Volk zu dieser neuen Staatsform be kenne. :: Die mexikanische Studienkommisfion in Bremen. Vie dieser Tage in Bremen weilende mexikanisch« j Ztudieukommission hatte einen feierlichen Empfang in ! »er Bremer Handelskammer. Der Führer der Kom- ! Mission betonte in seiner Rede, daß Bremen als erste j Macht vor 100 Jahren die Unabhängigkeit Mexikos > rnerkannt und den ersten Handelsvertrag mit ihm ab- ! geschlossen habe. Die Kommission ist jetzt in Hamburg > j etngctroffen und begibt sich dann weiter nach Kiel j ! und Berlin. ' § Rundschau im Auslande. - D«r polnische Ministerpräsident Gras Skrzy « sk'S trifft am 18. April zu einem Besuche der tschechischen Regi», rung in Prag ein. Im Anschluß daran begibt er sich «ach I Wien, um den im Herbst 1928 erfolgten Besuch des öfttztz- reichisrhen Bundeskanzlers Dr. Seipel zu erwidern. ? Das neue jugoslawische Kabinett Uzun »witsch hat tem König den Eid geleistet. i H Der amerikanische Oberst House, der ehemalige Be»- ! traute des Präsidenten Wilson, soll mit seine» Kriegseri». ' «erungen rund eine Million Dollar verdient habe». * c Rücktritt des französischen June,»Ministers. ! P Der van de,» französische« Rechtsparteien stark ange» stinket« Innenminister Malvy hat dem Ministerpräsident«« vria«d sei« RücktrittSges«ch überreicht. Die Gründe für den Rücktritt sind, wie Havas aus drücklich betont, nicht im Gesundheitszustand Malvys zn suchen, vielmehr waren lediglich politische Gründe für seinen Entschluß ausschlaggebend. Eines Ler Blätter des Kartells der Linken, die „Depesche de Toulouse", die »IS Sprachrohr der Radikalsozialistischen Partei gilt, schreibt, Malvy wolle mit Rücksicht auf die parlamentarische Un sicherheit, bet der es jede Woche zu einer neuen Krise komme, nicht die Existenz der Regierung gefährden und die Regie rung nicht hindern, die geringe Stimmenmehrheit für sich »u erobern, die seine Anwesenheit im Innenministerium in Frage stellen könne. Der Prozeß Asmutz. Die Amtstätigkeit des Oberstaatsan walts. — Chemnitz, 10. April. Im weiteren Verlag der Verhandlung gegen den Oberstaatsanwalt Asmutz, dem bekanntlich Parteiliche Begünstigung im Amt zur Last gelegt wird, kam zur Sprache, daß den Anlaß zu diesem Strafverfahren eine Anzeige des deutschvölli- schen Rechtsanwaltes Wedemann in Freiberg gegeben habe, der Asmutz beschuldigte, ein wohlwollender Be schützer von Sozialisten und Kommunisten zu sein. Aus Antrag des Dr. Asmutz erhob die GeneralstaatKan- waltschaft Beleidigungsklage gegen Wedemann, die noch schwebt. Gleichzeitig gab aber die von Wedemann er stattete Anzeige Anlaß zu einer Nachprüfung der Amts tätigkeit des Dr. Asmuß und zu seiner Versetzung irr den Anklagezustand. Es kamen dann verschiedene Ein zelfälle zur Besprechung, die zeigen sollten, daß der Angeklagte gegen links- und rechtsgerichtete Persone« nicht gleich vorgegangen ist. Unter anderem wurde auch der Fall behandell, in dem ein Techniker Winter in Freiberg an die Schaufenster jüdischer Kaufleute Zettel antisemitischen Inhalts geklebt haben soll. Die Sache wurde von Asmuß verfolgt und zwar nach An nahme der Anklagebehörde nur deshalb, weil Winter Nationalsozialist war. Winter wurde fretgesprochen und die von Dr. Asmuß eingelegte Berufung verworfen. Dr. Asmuß erklärte nochmals, daß er gegen rechtSgv- richtete Personen nicht schärfer vorgegangen sei, nl» es in Anbetracht der Sache geschehen mußte. UebrigcnS habe er mit Prozessen gegen rechtsgerichtete Leute wenig zu tun gehabt. Entgleisung des „MiMonärzuges". Drei Personen tot, fünfzig verletzt. S New Aork, 10. April. Unweit Camden im Staate Ne« Jersey ist der unter den» Name« „Millionärzug" bekannte Expreß» zug New York—Atlantic City entgleist. Das Unglück geschah in einer scharfen Kurve. Nur drei Wagen LeS Zuges sind unbeschädigt geblieben. Tote sind bisher drei gemeldet. Die Zahl der Berletzten beläuft sich auf rund 8V. Biele der Verletzten sind New Norker Ein wohner. Unter de« Todesopfern befinden sich auch der Lokomotivführer und der Heizer. Zwei Oeldampfer explodiert. lieber 180 Todesopfer. - D New Aork, 10. April. Die Explosionen, die sich an Bord mehrerer Mississippi-Tankschiffe zutrugen, stellen sich in ihre« Auswirkungen erheblich schlimmer heraus, als dies anfänglich angenommen wurde. Die erste Explosion erfolgte an Bord eines 9008- Tonnen-Dampfcrs -er Standard Oil, -er im Trocken dock von New Orleans lag. Hier erfolgten mehre« Explosionen hintereinander. An Bord befanden sich ungefähr 200 Mann. Beinahe hundert Todesopfer find zu beklagen. Die zweite Explosion trug sich fast gleichzeitig zwanzig Meilen unterhalb von New Orleans zn. Dort streß der niederländische Dampfer „Silvan,rs" mit dem Tankschiff „Thomas Wheeler" zusammen. Der „Silvalins sing sofort Feuer und ging unter. Vo» der 50 Manu starken Besatzung fehlen 35. Die ameri kanische Oeffentlichkeit ist wegen der Katastrophen un gemein erregt. Schlutzdienft. Teutsch-französisches WirtschaftS-Tettablvmmen — Berlin, 10. April. In Parts ist zwischen der deutschen und französischen Regierung ein kleines Zu satzabkommen zum Teilabkommen vom 12. Februar vereinbart worden. In diesem früheren Teilnbkomme« war Frankreich neben anderen Artikeln auch für ei« Kontingent vvn 27 000 Doppelzentnern Gemüse die zolltarifliche Meistbegünstigung zugcsagt worden. Da. dies Kontingent bereits 14 Tage nach dem Beginn der Laufzeit erschöpft war. bat sich die französische Reaie-»