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Beilage zur Wettzeriy-Zettung Nl. 60 Freitag, am 12. März 1926 92. Jahrgang FrützUngs-chrei. Meister, ohne Tein Erbarmen must im SlbgruuS ich verzage», willst Tu nicht mit starke» Arnie» wicvcr mich zum Lichte tragen. jährlich greifet Trine Güte in die Erde, r» die Herzen: jährlich weckest Tn die Blüte, weckst in mir die alten Schmerzen. Einmal nur zum Licht geboren, aber tausendmal gestorben. bin ich ohne Dich verloren, ohne Dich in mir verdorben. Clemens Brentano (1778—1842). Der Nindermillionär. Daß ein Mann allein eine Million Rinder be sitzt, erscheint für europäische Begriffe kaum faßbar. Emil Landenberger erzählt aber von einem solchen Rindermillionär in seinen „Wanderjahrcn in Mexiko", indem er ein Reisegespräch auf der Fahrt nach Chi huahua wiedergibt. . Sehen Sie dort die langgestreckte Hacienda im Fuße des Berges. Sie sieht aus wie eine Festung, sie gehört dem Multimillionär Terazas. Dort weiden 10 000 Rinder." „Also, hat Terrazas 10 000 Rinder," sagte ich. „Menschcnskind," brüllte mein Neiscgenosse. „Wie- siek Minuten sind Sie denn in Mexiko? Wissen nicht, saß Terrazas über 100 Hacienden und über eine Mil lion Rinder besitzt? Daß ihm der ganze Staat Chi huahua gehört? Der Präsident in der Hauptstadt schlägt ein Rad, wenn Terrazas auf den Knopf drückt. Sehen Sie dort am Horizont die Ruine der nieder- gebrannten Hacienda. Vor zehn Jahren wurde sie wn einer Apachenbande ausgeräuchert. Aber nicht einer von diesen Halunken ist entkommen. Ja, wenn der Terrazas seine eigene Polizei nicht hätte! Da wird nicht lange gefackelt. Er ist der König von Chihuahua. Zunge, Junge, wo sind Sie denn aufgewachsen?" Bald darauf begannen in Mexiko die Revolu tionen. Besonders der Staat Chihuahua litt darunter. Man schoß den Neichen ihr Vieh ab und ließ es ver faulen. Sechs Jahre nach diesem Vorfall starb Herr Terrazas in Los Angeles in Kalifornien als Bettler. Vor etlichen Wochen las ich tn der Zeitung, daß auch seine Frau dort starb. Sie ernährte sich durch Waschen und Wäscheplätten. Es geht rasch in Mexiko. Madero und sein Gegner Terrazas! Heute sind beide weg. Heute rot, morgen tot. T. K. Wie rasch wächst der Bart? Berechnungen eines Mannes, der viel Zeit hat. Es gibt doch immer noch Leute, die Zeit haben. Sv hat jetzt ein mathematisch offenbar begabter junger Mann tn Stabaek in Norwegen die Schnelligkeit seines Bartwuchses berechnet und dabet festgestellt, daß der Bart in der Woche um 3,5 Millimeter (also täglich um einen halben Millimeter!) wachse. Das bedeutet, (unsere Leser haben vielleicht Muse, das nachzuprüfen — in der Stunde 0,020 823 Milli meter und in der Sekunde 0,000 007 737 Millimeter. Als der junge Mathematikus so weit in seinen Be- cechnungen war, da stellte er den sehr nayelicgensc:; Vergleich zwischen der Schnelligkeit des Bartwuchses «nd — der eines Kraftwagens an. Im gleichen Zeit raum, in dem der wachsende Bart um 0,00 000 020 823 Kilometer zunimmt, kommt der Kraftwagen 35 Kilo- «eter voran. Als der Jüngling sich jedoch einen kilometerlangen Pari wünschte, fand er zu seinem Schrecken, daß es 5495 Jahre dauern würde, bis der erste Kilometer erreicht wäre. — Worauf er glücklicherweise weiteres Rechnen ausgab. . . . -sk.- Warme und Nervensystem. Die medizinische Forschung hat sich schon vielfach mit Versuchen beschäftigt, die die Einwirkung ver schiedener Temperaturen auf das erkrankte Nerven system ermitteln sollten. Hierbei ergab sich in zahl reichen Fällen, daß sich durch eine rein thermische Behandlungswcise tatsächlich günstige Einwirkungen erzielen lassen. Im Anschluß an diese Versuche war auch der Wunsch nach Untersuchungen über die Beeinflussung ver geistigen Leistungsfähigkeit durch Wärme- oder Kälteeinwtrkungen laut geworden, und diese sind denn »uch in jüngster Zeit durch Isler zur Ausführung ge langt. Sie bestanden, wie ein Bericht in der „Zeit schrift für die gesamte physikalische Therapie" meldet, darin, daß man auf die Versuchspersonen verschiedene Temperaturen cinwirlen ließ, worauf eine Prüfung der jeweiligen geistigen Leistungsfähigkeit vorgcnom- men wurde. Die Temperatur-Einwirkungen waren kurze kühle Halbbädcr, ein kaltes Vollbad, Heißluft- behandlung auf 1 bis 2 Gliedmaßen oder den Rücken, Gltthlichtbehandlung des ganzen Körpers, ein Dampf bad und endlich auch ein Kohlensäurebad. Eine Zusammenstellung der Einzclcrgcbnissc lie ferte nun die folgenden sehr interessanten Ergebnisse. Was die Einwirkung der Kälte betrifft, wie sie bet dem kalten Vollbad zur Anwendung gelangte, so zeigte sich nur eine ganz unwesentliche Beeinflussung der geistigen Leistungsfähigkeit, während die kühlen Halb bäder, wenn auch nur bei einem Teil der Versuchsper sonen, immerhin schon Steigerungen der Leistungen s ergaveu. Lvoalü indes ausgesprochene Wärmeproze- j ouren vorgenommcn wurden, traten ganz auffallende i Leistungssteigerungen ein, und zwar am stärksten nach Anwendung der lokalen Heißluftbädcr und ferner auch , nach der Glühlichtbchandlung des gesamten Körpers, i Verhältnismäßig der geringste Einfluß war nach dem s Dampfbad festzustellen, während die Kohlcnsäurcbäder i sehr unregelmäßige Ergebnisse, darunter manchmal al- ! lerdings Stcigerüuge«, brachten. Als Ursache dafür, weshalb sich nach Anwendung j der lokalen, nur eine Extremität betreffenden Heißluft- , : badcc die besten geistigen LeisiungSergebnissc beobach- ! i ten ließen, nimmt der Forscher an, daß bei dieser Bc- s > Handlungsweise die ganze übrige Körperoberfläche , ! Wärme abgebcn kann, wozu noch die den ganzen Körper ! betreffende Erweiterung der Blutgefäße kommt. Da- i durch aber wird die, die geistige Leistungsfähigkeit z steigernde bessere Blutversorguug des Gehirns bedingt - und bewirkt. Das Patentschutz. Eine merkwürdige Geschichte von Helge Hellroth, llebersetznng aus dem Schwedischen von Bert Sanders. (Nachdruck verboten.) „Ich verlange weiter nichts, als daß Sie stets meine Interessen im Auge haben. Ich brauche einen ! entschlossenen, zuverlässigen, jungen Mann. Ihr Aeuße- ! res gefällt mir, Sie können eine Woche aus Probe hier j bleiben. Dann wollen wir weiter sehen, sagte Graf i i Pudelwitz zu dem jungen Wille Andersson. Wille verbeugte sich. Mit schwacher Hoffnung im ! Herzen und einer Anzeige in der Tasche war er vor : ! ihn hingetreten. ! Diese Anzeige, die er auf der Reise nach den ' Hauptstadt so oft gelesen hatte, daß er sie nun aus wendig konnte, lautete: „Junger, zuverlässiger Mann rus guter, bürgerliches Familie, von angenehmer Er scheinung und im Schreiben gewandt, findet Stellung", j Durch das Gespräch mit dem Grafen war es Wille ! klar geworden, daß es sich um den Posten eines Prt« »atsekretärs handelte. Es waren einige Tage vergangen. Wille dachte aarüber nach, wie lange er wohl hier bleiben würde. Seine Tätigkeit war nicht besonders anstrengend, denn der Graf sandte täglich höchstens einen Brief ab. Sonst gab es weiter nichts zu tun. Mit einem Gefühl der Beklemmung dachte Wille daran, daß er kaum Gelegenheit finden werde, eine Probe von der verlangten Entschlossenheit und Zu verlässigkeit abzulegen. Und die Woche war bald zu Ende. Einigen Trost fand er aber darin, daß er sich ju gleicher Zeit auch noch auf mehrere andere An zeigen hin um die Stellung eines Privatsekretärs be worben hatte, denn hier war seines Bleibens sicher nicht von Dauer. Jedoch war ihm bis jetzt noch kein Pries nachgesandt worden. Aber — heute hatte er ja ganz vergessen nach dem Briefkasten zu schauen. Wenn da nun ein Brief tag, der eilige Beantwortung erforderte? Es war mitten in der Nacht und ganz still im Hause. Die gräfliche Villa lag in einer der ruhigsten Straßen, in denen ein so tiefer Friede herrschte, so daß man noch bis vor kurzem, als Einbrecher anfingen, die Gegend heimzusuchen, nicht einmal daran gedacht batte, die Türen ordentlich zu verschließen. Wille war inzwischen aufgestanden. Der Brief kasten befand sich im Vestibül und ziemlich entfert von der Korridortür. In ein paar Minuten jedoch war die Sache erledigt. Er brauchte ja nur mit einem Streichholz den Briefkasten zu beleuchten. Und wenn er leise ging, würde weder der Graf noch sonst jemand im Hause gestört werden, obgleich alle im zweiten Stock schliefen. Geräuschlos öffnete Wille die Tür, ging über den kalten Steinboden und — o weh, in der Eile hatte er die Tür zugemacht, die mit einem Patentschloß versehen war, und er hatte nicht daran gedacht, einen Schlüssel mitzunehmen. Ein schwacher Trost für ihn war, daß sich im Briefkasten nichts befand. Hier draußen im Vestibül konnte er indes nicht bleiben. Er zitterte, und ein längerer Aufenthalt in der Kälte könnte eine schwere Krankheit nach sich ziehen. Da fiel dem Ausgesperrten der Boden als Zu- ! fluchtsort ein. Als er unlängst in seinem Koffer oben ! kramte, hatte er ein kleines Lager alter Decken und Gardinen gesehen, und er hoffte bestimmt, dort etwas ! zu finden, in das er sich einhttllen konnte. In dieser Hoffnung stieg er die Treppe hinauf. Aber, o weh! Die Tür zur Bodenkammer war durch ein kleines Hängeschloß gesperrt. Wille hatte jedoch kräftige Finger, und so stand nach kurzer Zeit die Tür offen. Es war stockfinster tn der Kammer. Ganz ent- ! scrnt drang jedoch durch ein kleines Fenster ein schwa- ! ches Licht. Dorthin wandte er sich. Dort mußten ! auch die alten Sachen liegen. Bum, bum, kling, kling! j Ein Poltern und Krachen hallte durch die stille § Nacht. Wille hatte einen Tisch voll leerer Flaschen und ! anderer Gesäße umgestoßen. Erschrocken hielt er nach j Vieser Katastrophe einige Sekunden den Atem an. Und i dann entstand in der gräflichen Wohnung plötzlich Le- > ven und Bewegung. j „Franz", rief der Graf seinem Kammerdiener zu, „rasch, auf dem Boden dort sind Diebe. Geh voran." ! „Fräulein Charlotte," fuhr er dann erregt fort, „wecken Sie meinen Privatsckretär und..." Der Nest der Rede verhallte in dem Lärm, den ' sie Leute im Hause verursachten. Wille überlegte ein paar Minuten, lief sodann i , L'm ^adensenster und st.Ü'e lest, daß es nicht sehr , MPvierig fei, von hier ans auf ein nahegelegenes Dach zu springen und sich von diesem zue Erde hinabzulassen. Er selbst hegte indes nicht solche Pläne. In stolzer Haltung wandte er sich der Treppe zu und be merkte einen kuriosen Aufzug, der vorsichtig herauf kam. An der Spitze Franz, bewaffnet mit einer Fcuer- zabel und einer fürchterlichen Reiterpistole, nach ihm ser Graf in gleicher Bewaffnung, den nicht sehr willi- zen Kammerdiener durch Rückenpuffe zu größerer Eile inspornend. Diesem folgte dann die Haushälterin mit ;wci Mädchen. Als Franz vom dunklen Boden her Willes weiße Gestalt auf sich zukommcn sah, rief er laut um Hilfe und beugte sich so hastig zurück, daß die hinter ihm Stehenden beinahe rücklings die Treppe hinabgefallen mären. Wille jedoch ö merkte mit erhobener, selbst- scwußter Stimme: „N?ßr, Ruhe, cS sind keine Diebe mehr da!" ! „Herrjeh", rief erstaunt der Graf, „das ist ja ver Sekretär. Haben Sie wirklich die Spitzbuben ver jagt?" „Jawohl," log Wille kräftig darauf los. „Ich liege im Bett und höre einen verdächtigen Lärm auf Sem Boden, denke mir, das muß jemand sein, der nach Sem gräflichen Eigentum trachtet, und eile ohne Zö- zern hier herauf! Die Diebe scheinen es aber vorge- wgen zu haben, die Flucht zu ergreifen und sind wahr scheinlich durch das Fenster entkommen. Jedenfalls zatte ich nicht bas Vergnügen, Äug' tn Auge mit ihnen zu stehen", bemerkte Wille, sich brüstend. „Sie sind ein edler, junger Mann", rief der Graf gerührt, „verzeihen Sie, daß ich soeben schlecht von Ihnen gedacht habe, indem ich annahm, Sie verbergen sich aus Feigheit. Sie sind ein Mann, wie ich ihn »rauche, und Sie sollen bei mir bleiben!" Als der kälteste Ort der Erde ist daS sibirische Städtchen Wjerchojansk ermittelt worden. Warum man heiratet, das setzt ein Berschen des Bremischen Kalenders von 1671 folgendermaßen auseinander: Der eine freiet um Dukaten, Der andre nur um das Gesicht; Der Dritte, weil es andre taten, Der Vierte, weils die Mutter spricht! Der Fünfte tuts, um sich zu setzen. Der Sechste denkt, es muß so sein; Der Siebente tutS ums Ergötzen, Der Achte, weil die Schulden schrei»; Der Neunte tuts nur um die Ahnen, Der Zehnte, sich sein Glück zu bahnen; Den Elften, Zwölften fragt: Warum? Sie wissens nicht: sie sind zu dumm! Praktische Ecke. Will man Speiseöl frisch erhalten, darf man die Flasche nicht fest verkorken. Man schützt den Inhalt vor Staub, indem man die Staniolkapsel einer Wein flasche mit starker Nadel durchlöchert und sie über den Flaschenhals stülpt. Kartoffeln, welche durch empfangenen Stotz oder Druck beim Kochen schwarze Stellen zeigen, koche man ab, indem man dem Kochwasser einen Eßlöffel Essig -u- setzt. Die schwarzen Stellen sind dann verschwunden und die Kartoffeln kochen weiß. Der dumpfe Geschmack bei Kisteneiern. Ktsteneier, auf welche die Hausfrau im Winter mehr angewiesen ist, als in der Legezeit der Hühner, haben oft eine« dumpfen Geschmack. Wenn der Geruch nicht allzu fest sitzt, kann man ihn vertreiben, indem man die Eier unter fließendes Wasser bringt, danach behutsam ab reibt und trocknen läßt. Die Eier werden hierauf im Rahmen luftig ins Freie gestellt, woraufhin der Ge ruch in einigen Stunden verschwindet. Koch-Rezepte. Mohrritbensnppe. Ein Pfund Mohrrüben wird geputzt, ebenso ein bis zwei Porreestangen, je nach Stärke, und eine Zwiebel. Alles wird klein geschnit ten und mit einem Eßlöffel Butter oder Fett durch geschwitzt. Man füge ein Liter Fleischbrühe oder Wasser mit etwas Fleischertrakt und zwei Schrippen hinzu und lasse es langsam kochen, bis die Rüben weich sind. Dann streiche man sie durch ein feines Sieb, gebe noch ein Liter Flüssigkeit dazu, schmecke mit Salz und Pfeffer ab und ziehe die Suppe vor dem Anrichte« mit -/<» Liter süßer Sahne ab. Als Beigabe Bröckchen. Erbsensuppe von Büchsenerbsen. Grobe Büchsen- erbscn werden mit genügend Flüssigkeit, Bouillon oder Brühwürfeln und zwei bis drei abgcricbenen Schrip pen recht weich gekocht, dann durch ein feines Sieb gestrichen und gut mit Pfeffer und Salz, einem Eß löffel Butter avgcschmeckt. Diese Art Erbssuppe kann mau auch, nicht zu dick gehalten, in Tassen reime«. Man gibt daz« winzig kleine gebackene Semmelklöß- chen oder gebackene MehlerbSchen. Tomate» und Aepsel. 1 Pfund geschälte nnd 'n 4 Teile geschnittene Aepsel werden hingestellt, 1 Pfund Tomaten in Stücke geschnitten und mit de» Aepsel« ohne Wasser aufgekocht. Die Früchte dürfen nicht zer kochen. Zum Schluß kommt Salz und in Butter ge bräunte Zwiebel hinzu. Man ißt dazu Pellkartoffeln. Ein Linsengericht für 4 Personen. 1 Pfund gut «erlesene Linsen, 1 Pfund Gulaschfleisch, für 10 Pfen nige kleingeschniticneS Suppengrün, 1 großen säuer lichen Apfel, auch kleliigcschuitten, Salz und soviel Wa ser, um die Linsen als Snppe zu essen.