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Die blonde Drossel. Noma« von E. Kahrow. Deutsche» Provinz-Verlag, Berlin W. 66. ISLü. 1. Kapitel. Aus -ein grauen Hause mit der San-steintreppc und der Säulenhalle an der Stidseite trat Frau Karo line Ulrich und stemmte die Arme in die Seiten. Gleich darauf entsann sie sich, daß sie sich dies ja abgewöhnen wollte- sie liek die Arme sinken und fuhr in -er fach- gemäßen Prüfung des Gespanns vor der Tlir fort. ES ivar ein stattlicher Landauer mit zwei statt lichen Etappen und einem ebenso stattlichen Kutscher. Dieser blickte bewegungslos geradeaus, bis seine Her rin sagte: „Morsen, Knfkel" „Morjcn, jnä' Frau," erwiderte er und wartet, weiter. Frau Ulrich kam die Stufen herab und trat an da8 Handpferd heran, dem sie tastend über das rechte Knie fuhr. „Immer noch nicht ganz in Ordnung, Kuske," sagte sie. „Wird woll vvch nischt mehr, jnä' Frau. In unseu Alter fängt man an, klapprig zu werden." Fran Ulrich lachte, wobei ihr großes, klargeschnit- tenes Gesicht plötzlich jünger anssah. Er hatte ja recht, der Kuske, sie waren alle zusammen nicht die Jüngsten mehr. Aber es ging doch noch. ES „ging" allerlei noch in F-rau Ulrichs reichem Hausstand und Leben, wofür andere Leute längst Er satz geschafft hätten. Sie war aber konservativ in dieser Hinsicht, während sie politisch den allerfreiesten An sichten huldigte. Ein wenig ungeduldig blickte sie hinüber nach dem Eingängen dem Nebengebäude, über dem eine grobe Uhr die vierte Stunde anzeigte. Doch in demselben Augenblick öffnete sich die Tür, .und ihr Vcrmögcns- verwalter und Faktotum, Herr Berber, trat heraus, wie gewöhnlich verdrieblich und vertrocknet aussehend. Da er seine Prinztpalin warten sah, kam er eilig heran. „Punkt vier Uhr, Frau Ulrich," sagte er. Hieraus zog er den Hut, wodurch er seine schimmernde Glatze enthüllte, und fugte hinzu: „Ergebenster Diener! — Wohin fahren wir'?" „Nach 'm Tiergarten," erwiderte Frau Ulrich und stieg ein, nachdem Berber den Wagenschlag geöffnet hatte. Er folgte ihr behende und nahm aus dem Rück sitz Platz. Anders tat er es nicht seit fünfzehn Jahren. Auch fuhr man seit fünfzehn Jahren aus diesem fernen Osten täglich nach dem Tiergarten, was nicht hinderte, dasi Berber Tag für Tag dieselbe Frage stellte und stets die gleiche Antwort erhielt. „Ja, ja, wir sind Gewohnheitsmenschen," sagte Krau Ulrich nach einer langen Weile, als habe sie einen setvsiverstüttdttkhen Gedaukeugang verfolgt. Und dann abspringend: „WaS machen wir nun mit Ihrer Nichte, Berber: So gebt eS doch wohl nicht, wie das Mädel eS sich denkt. Er nahm den Hut ab, wischte sich mit dem feinen, duftenden Taschentuch die Stirn und räusperte sich. Dann sprach er zögernd: „WaS will ich da machen! Wer A gesagt hat, mub auch B sagen. Ich hätte sie eben nicht aus dem Hause lassen sollen." „Unsinn, Berber! Das ist ja blvsi so eine Redens art, wie man sie ausspricht. Warum mnsr man denn durchaus B sagen, wenn mau A gesagt hat? Da müsste man ja auch dann C und das ganze Alphabet durch bis zu Ende herbeien! Und Ja nnd Amen ztt allem sagen, was so ein Mädel sich in den Kops setzt, bloß weil man ihr erlaubt hat, sich ans eigene Kübe zu stellen?" „Sie ist eben nicht leicht zu leiten, die Therese. Sie hat sich vorgcnommen, dasi sie ganz selbständig sei, mir nichts weiter schulden will als die gute Erziehung, die > ich ihr ja gottlob geben lassen konnte ..." „Und die mehr wert ist als Geldl" unterbrach sie ! ihn energisch. „Gott, der gelehrte Krimskram ist es ja nicht, der den Menschen macht, sondern die Gesinnung ' Aber Bildung ist — ist schon was wert!" Dies kam mit einem vielsagenden Seufzer heraus > Herr Berber blickte seine Prinzipalin mit unbegrenz- ! ter Hochachtung an, wobei sein griesgrämiges Gesicht - sich nur wenig veränderte. „Herzensbildung!" sprach er mit Betonung ! „Ans d t e kommt es an!" „Na ja, schon gut. Ich weitz schon, wie Sie es ) meinen. Und über Ihre Therese reden wir noch. Sehen f Sie mal, die Kachelfabrik hier. Die hat auch mein Karl - gegründet, das heißt, der Gedanke stammte von ihm, : ans Sand auch solche bunten Dinger zu breuuen. Und . dann hat er seinem Freunde Halwich das Geld vor- ' geschossen, damit der ansangen könnte. Und zum Dank > dafür hat ihn nachher -er feine Halwich nicht mehr an- - gesehen, als er reich geworben war." ' z Berber warf einen verächtlichen Blick aus das f Backsteingebände und tat es dann mit einer fort- ! wedelnden Handbewcgung ab. „Kränken Sie sich nicht mehr über den Menschen," sagte er, indem er mit künstlicher Aufmerksamkeit nach der anderen Seite blickte. „Außerdem ist er ja tot un feine Herren Söhne werden bald genug das Geld ver- f pnlvert haben. Der Wagen federt aber gar nicht mehr j gut, Frau Ulrich!" ! Sie überhörte diese Bemerkung, wie immer, wenn Berber auf Neuerungen und überflüssige Anschaffun gen hinsteuerte. UeberdieS hatte diesen Landauer noch ihr seliger Karl angeschafft, und deshalb war er ihr heilig. Man war endlich im Tiergarten anaelanai. und m oer Ätaye -es großen Sterns stiegen die J„, fassen aus. Pünktlich wie ein Uhrwerk zog Berber ein Blau mit Notizen heraus und wollte den täglichen Rappoy beginnen. Aber zu seinem Erstaunen legte ihm Fra^ Ulrich die Hand auf den Arm und sprach: „Lasten Sie -aS jetzt, Berber. Ich habe anderer mit Ihnen zu besprechen, waS mir wichtiger ist." Herrn Berbers spärliche Augenbrauen zogen M in die Höhe. Erstens begriff er nicht, was wichtige, sein sollte als sein Geschäftsbericht, und dann wun derte er sich überhaupt über die heute so sprunghaft, Manier seiner Herrin. Immerfort brach sic ab und fing von neuen Dingen an. Wurde sic etwas nervös auf ihre alten Tage? Wer aber die große, starke Gestalt an seiner Seit, betrachtete, der mußte zunächst den Eindruck eine, cisenfcstcn Gesundheit bekommen. Das volle, kräfitz aefärbte Matroueugesicht, das lebhafte, klare, blau, Ange, die glänzenden, dunklen, ein wenig grau ge sprenkelten Haare, aus denen ein nicht ganz moder ner Hnt mit seidenen Nindebändern saß, das alles sprach vop nichts weniger als Nervosität. Und jetzt blieb Fran Ulrich stehen, stemmte wicd« die Arme in die Seiten und seufzte vernehmlich. „Ich halte es nicht mehr aus!" ries sie. „Ich mus; Eie ins Bertrnnen ziehen. Ich hatte schon lange dies, Absicht. Aber das ist nicht so einfach. Ich will, und ich will auch nicht." Berber machte „Hm" und wartete. „Nämlich", fuhr sie fort, indem sie ihn bedeutungs voll ansah, „es betrifft meinen Bruder." „Aha!" sagte Berber. Es klang, als wisse er nu» Bescheid,- aber er wußte gar nichts. Frau Ulrich ging weiter und sprach jetzt schneller. „Daß ich einen Bruder hatte und daß er vou jeher eine verdrehte Schraube war, das wissen Sic ja. Er ging nach Amerika, als er jung war. Und daß er drüben nicht die erhofften Goldklumpen gefunden hatte, das ersahen wir aus seinem Schweigen. Ich frei lich, ich konnte damals keine Briefe erwarten, denn ich war ein dummes Tiug von fünfzehn Jahren. Aber meine Eltern, die habe ich oft seufzen hören, daß ihr Einziger fortgegaugen war, anstatt ihnen arbeiten zn Helsen." „Das ist lange her," murmelte Berber. „Nachher kam ja daS Glück." „Ach, was man so Glück nennt! Das hätte ja auch ebensogut ein Unglück sein können! Ich verheiratete mich eben mit Nachbars Karl, dem der Rübcuboden ge hörte, welchen wir gepachtet hatten. Denn Karls Eltern waren einfache Büdner nnd meine waren so gar bloß Arbeitsleute. Und Karl und mir ist eS nicht an der Wiege gesungen worden, -aß wir mal mit Tra kehnern fahren würden." SorGchnng doW. c 1 N Da Willi Stoll trrmint M Hof „e 111 km 48, S2, Forst »st kam zi schaffen und des wunder «n» hei »oll des Aonnto Züge, d »er Bi Borkeh Groß v aufwär: waren heimisä gefolgt Albern! war do Külte s