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Max Trapp, der 1887 in Berlin geborene bedeutende Komponist, schrieb neben Kammer» musik, fünf Sinfonien usw. drei Konzerte, eines für Violine, eines für Klavier und eines für Violoncello. Das Violinkonzert wurde eine Zeitlang viel gespielt und ist zu Unrecht etwas in den Hintergrund getreten. Denn es ist musikalisch ungemein wertvoll und bietet darüber hinaus dem Solisten zwar schwierige, aber doch dankbare Aufgaben, die nie ins Virtuos- Leere abgleiten. Einsätzig in der Anlage, läßt es trotzdem die klassische Dreiteilung klar erkennen. Ein „Urmotiv“, das gleich im ersten Takt von den tiefen Streichern gebracht wird und auch in den letzten Takten noch einmal notengetreu wiederkehrt, hält die drei Teile als formale Klammer zusammen. Bei aller harmonischen Freizügigkeit und Kühnheit ist auch die Einheit der Tonart gewahrt: im großen gesehen geht der Weg von a-moll nach A-dur, viele Ausblicke in benachbarte und entferntere Ton-Landschaften machen ihn reiz voll abwechslungsreich. Dem ersten „Satz“ geht eine mehrteilige Einleitung voraus, die schon eine kurze Solo-Kadenz enthält, die eigentliche große Kadenz steht im zweiten „Satz“, einem Adagio, dem ein dritter „Satz“ mit einem sehr frisch zupackenden, energischen Hauptthema folgt. Anton Bruckner starb über seiner letzten, der neunten Sinfonie. Sic ist sein Testament. Die Zusammenfassung dessen, was er uns zu sagen hatte. Feierlich wie die Pforte eines Heiligtums tut sich der Eingang zum ersten Satz vor uns auf. In dieser ausgedehnten, reich gegliederten Einleitung spielen außer einem großen Thema vier Motive eine Rolle, die dann später im ersten Satz auftauchen. In das letzte dieser Motive, das man seines unruhigen Charakters wegen das „Motiv der großen Weltangst“ nennen könnte, in seine Bangigkeit, in die Stürme seines Zweifels hinein braust wie mit Pfingstgewalt der Gottesruf des ersten Hauptthemas, das einen choralmäßigen zweiten Teil, man könnte auch sagen, einen choral mäßigen Anhang hat. Eine verhältnismäßig kurze Überleitung führt uns zum zweiten, zum Gesangsthema. Es ist ein wahres Wunderwerk. Voll melodischer Süße und zugleich ein Abgrund kontrapunktischer Kunst. Es ist nämlich im dreifachen Kontrapunkt geschrieben, so daß man also drei Stimmen einfach vertauschen kann, daß aus der Melodiestimme Be gleitung, aus der Begleitung Melodie werden kann. Ganz herrlich ist es, wie Bruckner den Gesangssatz auch harmonisch in immer größere Wärme hineinsteigert und dabei kolo ristische Reize von fast impressionistischem Zauber entwickelt. Der gewaltige Strom dieser Musik endet dann in einem C-dur-Zwischensatz. Aus der Idylle des zweiten Themas geht das dritte Thema wieder zurück in die große Pathetik des ersten, nimmt aber dann in seinem zweiten Teil ebenfalls Gesangscharakter an. Mit diesem reichen, überreichen Material arbeitet Bruckner in der Durchführung. Dabei ist alles völlig niet- und nahtlos aneinander angeschlossen, so daß es wie ein gewaltiges Fluten an dem unbefangenen Hörer vorbei zieht. In der Koda aber werden schließlich in magischer Weise das Einleitungs-Hauptthema und das eigentliche Satz-Hauptthema miteinander verschmolzen und zu neuer Funktion erweckt. Das Hauptthema ist verkörpert durch die Akkordsäulen in d-moll und durch die Abwärts-Oktavsprünge der Fagotte und Posaunen, während das Einlcitungsthema dieses d-moll in den Trompeten gellend durchschneidet. Ohne die erlösende Terz in Dur, die selbst dem „Fliegenden Holländer“ beschieden war, endet der Satz in absoluter Trostlosigkeit. Sie wird nicht im nächsten Satz, im Scherzo, sondern erst im langsamen Satz von uns genommen. Schon in dieser Zusammengehörigkeit ist es begründet, daß man den langsamen Satz als vollwertigen Ersatz für das fehlende Finale anschen kann. Liebte es doch Bruckner, im Finale die Antwort auf die ungelösten Fragen der ersten Sätze zu geben. In diesem Adagio greift Bruckner das in der Exposition aufgestellte Themenmaterial, aber auch das früherer Werke auf, als tauche er unter in der Erinnerung eines ach so armseligen und doch so reichen Lebens, und das alles fügt er aneinander zum großen Abschied vom Leben, zum Requiem und zugleich zur Opfergabe, mit der er vor Gott treten wollte. So hat sich Bruckner, wie Mozart, selbst sein „Requiem“ geschrieben. Bei ihm, dem Sinfoniker, konnte es nur eine Sinfonie sein. Und der Meister des Adagios sollte, da er die Skizzen zum Finale nicht mehr ausführen konnte, mit einem Adagio Abschied von uns nehmen. Dr. Karl Laux.