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In der Ersten Sinfonie knüpft Ludwig van Beethoven an seine Vorgänger Haydn und Mozart an. So entsteht eine reine Musizier-Sinfonie, das heißt ein Werk, das noch völlig un beschwert ist von außermusikalischen Inhalten, das nur die überkommene Form der Sin fonie mit neuem Leben erfüllen will. Das persönliche Erleben spiegelt sich nicht in diesem Werk. Das erste Thema des ersten Satzes ist ein Zeichen dafür, wie Beethoven das Prinzip der durchbrochenen Arbeit, wie es Haydn in die Sinfonie eingeführt hat, fortsetzt. Aus der langsamen Einleitung führt ein auf- und abwärtssteigender Gang der Streicher in dieses erste Thema, das in seinen ersten vier Takten von den ersten Violinen gebracht wird, dann aber seine Fortsetzung in den Holzbläsern (Flöte, Oboe, Klarinette und Fagott) findet. Genau so ist die zweite Hälfte des Themas, nunmehr nach Moll umgedeutet, organisiert. Deutlich hebt sich das anmutige Seitenthema in G-Dur ab. Reizvoll die Instrumentation: die Melodie ist verteilt auf Oboe und Flöte, die Streicher geben mit Stakkato-Vierteln den Untergrund dazu, beteiligen sich aber dann sehr bald an der melodischen Führung. Die Durchführung bemächtigt sich in der Hauptsache des ersten Themas, das in allen möglichen Varianten erscheint. — Der langsame Satz ist ein heiteres Pastorale. Wolkenlos spannt sich der Himmel über einer arkadischen Landschaft. — Das Menuett trägt schon den immer mehr sich herausbildenden Charakter des Beethovenschen Scherzos, das von der Abkunft aus dem Tanz nicht mehr viel wissen will. — Der ausgelassene Schlußsatz zeigt reine Lust am Musizieren und am — Leben. Eine besondere Feinheit ist es, wie Beethoven aus der immer wieder ansetzenden Tonleiter in der Adagio-Einleitung das Thema herauswachsen läßt. Es ist, als ob ein Schütze den Bogen spannt, absetzt, ein zweites, ein drittes, ein viertes Mal die Spannkraft prüft, um endlich den Pfeil beflügelt in die Lüfte zu senden. Mit der Dritten Sinfonie hatte Beethoven den Standpunkt erreicht, den er mit seiner Fünften erneut vertritt: die Sinfonie als persönliche Aussage. „Musica appassionata“ sei ihr erster Satz, hat Hermann Kretzschmar einmal gesagt. Man kann diesen Ausdruck auf die ganze Sinfonie anwenden. Beethoven hat uns selbst einen Fingerzeig gegeben, wie das zu verstehen ist. Das Hauptthema des ersten Satzes, besser gesagt, das Urmotiv der Sinfonie, deutete er folgendermaßen: „So klopft das Schicksal an die Pforte.“ In der Tat, dieses Vier- Töne-Motiv ist die furchtbare Ankündigung einer Weende, ist das schreckenvolle Anzeichen kommenden Unglücks. Dieses Unglück hieß für Beethoven: Verlust des Gehörs. Aber Beet hoven fürchtet sich nicht vor dem Mahnruf: „Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiß nicht.“ Das war seine Kampfansage in Worten. Die leidenschaftliche Kriegserklärung in Tönen — das ist diese Fünfte Sinfonie. Sie ist „Musica appassionata“, sie ist aber zugleich auch geistigste Musik. Im ersten Satz formt Beethoven aus den vier Noten jenes Urmotivs einen Kosmos von 400 Takten, der an Einheitlichkeit, Konsequenz und Übersichtlichkeit kaum seinesgleichen hat. — Im zweiten Satz bestehen keine Beziehungen zu dem Urmotiv, der seelenvolle Gesang der Bratschen und Celli ist wie ein freundliches Intermezzo eingeschaltet. — Im dritten Satz aber brechen die dunklen Ge walten, die der erste beschwor, wieder herein. Nach dem schattenhaften Wellenschlag, den die Celli und Bässe mit ihrer auf- und absteigenden Figur erzeugen, setzen die Hörner mit dem Thema ein, das sich ohne weiteres als ein Nachklang des Hauptmotivs zu erkennen gibt. Das, was man früher das Trio des Scherzos nannte, ist hier ein Mittelsatz in Dur, in dem als von unten aufbrechendes Fugato Gegenkräfte wach werden. Sie können sich aber noch nicht durchsetzen. Sie werden atemlos, sie setzen aufs neue an und machen doch schließlich wieder den feindlichen Mächten Platz. Daun aber sagt uns eine Überleitung, die genial über einem Trugschluß-Orgelpunkt. nach As-Dur aufgebaut ist, daß der Sieg der guten Mächte bevorsteht. — Er wird verkündet in dem sieghaft hcreinbrechenden Finale, in dem noch einmal die Schatten aus dem Scherzo heroinwehen. Auf diese Weise erreicht Beethoven die thematische Zusammenfassung der ganzen Sinfonie. Denn das Scherzothema ist nichts anderes als eine Umbildung des Hauptmotivs, das auf diese Weise seine Wirkung auch in den letzten Satz hineinstrahlt. Um so freudenvoller, hymnischer ist dann der Schluß. Das Klavierkonzert in Es-Dur ist wie immer dreisätzig. Der erste Satz beginnt wie eiDe freie Improvisation und fügt sich erst, später den Gesetzen der sinfonischen Form. Der lang same Satz ist ein besonders schönes Beispiel dafür, wie bei Beethoven der Klavierspieler nicht mehr ein selbstgefälliger eitler Virtuose sein darf, sondern sich ganz mit dem Orchester verschmelzen muß. Beide, so scheint es uns, träumen miteinander von etwas Schönem und tauschen ihre Gedanken darüber aus. Im letzten Satz aber — er schließt sich ohne Pause an — tollen sie sich beide miteinander aus, sie spielen miteinander, sie jubeln miteinander sie vereinen sich zu einem hinreißenden Musikstück. Dr. Karl Laux