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lehnt jede musikprogrammatische Deutung ab. Das Werk ist viersätzig wie eine klassische Sinfonie in der Reihenfolge Allegro—Adagio—Scherzo—Finale und betont den alten Kunstsatz „Vom Dunkel in das Licht“, — der sieghafte Hymnus des letzten Satzes ist zweifelsfrei die Krönung des ganzen Werkes. Vielleicht ist Janäceks Brief an Kamilla Stössel ein Hinweis: ,,In Prag wird am 2. März (1928) meine Kompo sition Capriccio Vzdor aufgeführt!“ Vzdor ist tschechisch und heißt auf deutsch ,,Trotz“. Mit dieser Bezeichnung wird man dem äußeren Anlaß des Werkes wie dem Titel Capriccio (= Laune, Grille) gerecht: Das Orchester ist ein fast militantes Bläserensemble mit einer Flöte (auch Piccolo-Flöte), zwei Trompeten, einer Tenor tuba und drei Posaunen, und das Scherzo hat Humor, Galgenhumor im Kampf gegen das harte Schicksal. Der Pianist unseres Konzertes, Prof. Siegfried Rapp, der der Dresdner Philharmonie u. a. seine interessante Korrespondenz mit dem ersten Interpreten des Janäcekschen Werkes, Otakar Hollman, zugehen ließ, äußerte sich zum Concertino (Konzert für die linke Hand) von Bohuslav M artinü: ,,Im böhmischen Policka am 8. Dezember 1890 geboren, gehörte Martinü 10 Jahre lang der Tschechischen Philharmonie als Geiger an und war Kompositionsschüler von Dvoraks Schwiegersohn Josef Suk, ließ sich dann in Paris nieder, wo er bei Albert Roussel studierte und starke Anregungen vom französischen Impressionismus, von Strawinski, Honegger und Milhaud empfing. Martinü übersiedelte im Jahre 1941 nach den Vereinigten Staaten. Dort hat er neben seinem Schaffen auch eine Lehrtätigkeit ausgeübt. Nach Europa zurück gekehrt, nahm er seinen Wohnsitz in der Nähe von Basel, wo er am 28. August 1959 starb.“ „Das frisch musizierte, melodiöse Concertino mutet wie eine Visitenkarte des Komponisten an: der erste Satz enthält etwas von der dramatischen Kraft und vielgestaltigen Schilderungsfähigkeit des Opernkomponisten, das Finale mit seinen anmutig-tänzerischen Konturen gibt eine Probe der Ballettwerke Martinüs, und das Andante ist lyrisches Sinnen mit oft pastellfeinen Klangbildern. Das Lebens und Musizierfreude atmende Werk spricht den Hörerkreis unmittelbar ohne Er klärung an. Aus der Entstehungsgeschichte des Concertinos sei vermerkt, daß es 1926 in Paris auf Anregung des einhändigen Pianisten Otakar Hollman geschrieben wurde der trotz seiner tschechischen Nationalität im ersten Weltkrieg in der österreichisch ungarischen Armee kämpfen mußte und mit verkrüppelter rechter Hand von der Front zurückkehrte.“ Ähnlich wie bei der zweiten Sinfonie eröffnet die Siebente Sinfonie in A-Dur von Ludwig van Beethoven eine lange, ausführliche Introduktion, bei deren Schönheit man fast vergißt, daß es nur eine Einleitung ist. Plötzlich bricht Beethoven die „erhabene Schwärmerei“ ab und lenkt ein zum munteren Vivace des ersten Satzes. Reich ist der Satz an Modulationen (= harmonische Veränderungen) und unvermittelt-dynamischem Wechsel, was die exzentrische Stimmung außerordentlich behebt. Die Durchführung beginnt ähnlich sprunghaft. Wir sind plötzlich aus wildem Lärm (natürlich aus Beethovenschem „Lärm!“) in eine verschwiegene Idylle geraten. Und die Coda tritt unter ganz seltenen Zeichen ein: Nach einer Generalpause über rascht uns eine vollkommen neue Harmonie! — Der zweite Satz ist von alters her berühmt, das Allegretto wird sofort verstanden. Als die weich singende Klarinette einsetzt, wirkt der einfache Kontrast zwischen Moll und Dur mit ganz ursprünglicher Elementarkraft. — Im prachtvollen Scherzo entzückt besonders das Trio mit dem (nach Abbe Stadler) einem österreichischen Wallfahrtsgesang entnommenen Thema. Hier, in dem Trio, hat Beethoven den Effekt einer sogenannten „liegenden Stimme“ angebracht — den ganzen Triosatz durchschimmert der gleiche Klang eines a, bald schwebt dieser Ton in den Violinen über dem Orchester, bald leuchtet er aus den unteren Instrumenten in den Gesang des Orchesters hinein. — Das Finale ist einer der ausgelassensten Sätze in der ganzen Musik. Beethoven ist nicht nur „aufgeknöpft“ sondern voll der wilden, trotzigen Lustigkeit, wie er uns in den letzten Streich quartetten gelegentlich entgegenkommt. Höchste Kühnheit der thematischen Ent wicklung erreicht er auf dem kolossalen Orgelpunkt der Coda. Eine „ungebändigte Persönlichkeit“ nennt Goethe den Beethoven in einem Brief an Zelter — einen gebändigten Humor finden wir in diesem tollen Schlußsatz. Prof. Dr. Hans Mlynarczyk LITERATUR HI NWE ISE Jaroslav Vogel: Leos Janäcek, Prag, 1958 Musik der Zeit (Janääek und Martinü), Bonn 1954 Hermann Kretzschmar: Führer durch den Konzertsaal, Leipzig 1921 Vorankündigung: Nächste Konzerte im Anrecht A Sonnabend, 18. Februar 1961, 19.30 Uhr, Anrecht A 1 Sonntag, 19. Februar 1961, 19.30 Uhr, Anrecht A 2 Einführungsvortiäge jeweils 18.30 Uhr 3. Kammermusikabend, Anrecht D Dienstag, 7. Februar 1961, 19.30 Uhr Werke von J. A. Hasse — L. v. Beethoven — J. P. Thilman — P. Hindemith Freier Kartenverkauf! 3 » * 6. PHILHARMONISCHES KONZERT 6043 Ra III-9-5 161 1,4 ItG 003/7/6: