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Flöten und Klarinetten erscheint, bewußt nicht als Kontrast angelegt. Sichere Beherr schung der klassischen Durchführungstechnik zeichnet diesen lebensvollen Satz aus. Wienerische Gemütlichkeit bringt das Andante, dessen Mittelteil durch unvermutete Harmoniewechsel überrascht. Beethovensche Einflüsse läßt der dritte Satz, ein sprühend-schalkhaftes Scherzo, mit seinem plötzlichen Übergang zum Trio und seinen ausgehaltenen Holzbläsertönen deutlich erkennen. Mit dem Finale der ,,Sechsten“ gelang Schubert seine bis dahin stärkste sinfonische Leistung. Typisch wienerische Töne, Praterstimmung, Leierkasten- und Karussellmusik, Walzerklänge prägen — unter Rossinis Einfluß, der damals ganz Wien bezauberte — dieses (wie es einmal treffend genannt wurde) ,,realistische instrumentale Volksstück“. Wie ein lockeres Divertissement aufgebaut, sind in diesem Satz Haupt- und Nebenthemen fast einander gleichwertig, werden sie doch gleichermaßen zu sich ablösenden Episo den ausgebaut. Das ausgelassene Volkstreiben, das dieser Satz fast bildhaft deutlich schildert, besticht durch seine Unverfälschtheit, durch seine Laune. In allen Konzertsälen der Welt gilt Ludwigvan Beethovens „Sinfonia eroica“ Es-Dur, op. 55, als eines der populärsten sinfonischen Meisterwerke der musikalischen Welt literatur. Die einzigartige Größe dieses Werkes ist breitesten Hörerschichten ver traut, die immer wieder begeistert werden von der Idee und dem wahrhaft revo lutionären Kraftstrom dieser Musik. Es ist daher kaum mehr notwendig, in einem Einführungstext formale Einzelheiten von Beethovens ,,Dritter“ anzuführen; es sollte darum mehr das große Ganze, das Epochale dieses einmaligen Werkes heraus gestellt werden. Fast legendär schon ist die Entstehungsgeschichte dieser Sinfonie. Beethoven, noch aus seiner Bonner Zeit ein glühender Anhänger von Aufklärung, Demokratie und der Französischen Revolution, empfing 1798 von General Berna dotte, dem Wiener Gesandten der französischen Republik, die Anregung, ein großes Musikwerk zu Ehren des Revolutionsgenerals Bonaparte zu schaffen und ihm zu widmen. Begeistert griff Beethoven den Vorschlag auf, doch zögerte er mit der Aus führung so lange, bis die Werkidee einer ihm vorschwebenden Heldensinfonie mehr und mehr in ihm reifte und er auch die technische Meisterschaft zu einem solch großen Vorhaben besaß. Erst im Jahre 1801 sind Skizzen für den Trauermarsch und das Finale nachweisbar. Die genaue Konzeption und schließliche Ausarbeitung seines Projektes begann Beethoven erst 1803 und beendete sie im Mai 1804. Zweifel los hatte der Meister in Bonaparte den ersehnten Freiheitshelden und Vollstrecker einer neuen gesellschaftlichen Ordnung gesehen, vermerkte er doch auf dem Titel blatt seiner neuen Sinfonie: ,,Geschrieben auf Bonaparte.“ Doch als sich am 18. Mai 1804 der erste Konsul der französischen Republik zum Kaiser ausrufen ließ, tilgte Beethoven, grausam enttäuscht über die Wandlung seines Idols zum Tyrannen, die Widmung und überschrieb das fertige Werk nun ,,Heroische Sinfonie, komponiert, um das Andenken eines großen Mannes zu feiern“. Darin aber liegt auch die ganze programmatische Idee des Werkes begründet, das ganz allgemein „die Idee vom Heldentum eines von republikanischen Tugenden erfüllten großen Mannes, in dessen Erscheinung sich Beethoven die fortschrittlichen, politischen und gesellschaftlichen Ziele seiner Zeit repräsentiert vorstellte“ (K. Schönewolf) gestaltet, nicht etwa Epi soden aus dem Leben Bonapartes. Erstmals ging Beethoven in der „Eroica“ — als Konsequenz seiner revolutionär-demokratischen Weltanschauung — von einer bestimmten programmatischen Idee aus. Diese wiederum hatte zur Folge, daß er zu neuartigen künstlerischen Lösungen kam, ohne dabei etwa die sinfonische Tradition aufzugeben. Dieses Neue, Epochale der schon rein umfangmäßig ungewöhnlichen 3. Sinfonie bewirkte auch, daß die Uraufführung des Werkes am 7. April 1805 im Theater an der Wien selbst bei den innigsten Anhängern Beethovens keineswegs auf vollstes Verständnis stoßen konnte. Ungewohnt aber erschien Beethovens Zeit genossen nicht so sehr das scheinbar Maßlose einer bis dahin unerhörten „Musik entladung“, sondern mehr noch die neue Ordnung dieser Sinfonie, die das bei Haydn und Mozart Gewohnte unermeßlich steigerte. Es war, kurz gesagt, die erstmals konse quent angewandte Technik der „durchbrochenen Arbeit“, ein differenziertes Ent wicklungsprinzip des thematisch-motivischen Materials, das seinerseits zur Ent faltung neuer, erweiterter Proportionen bedurfte. Das sinfonische Schwergewicht ist auf die wesentlich erweiterte Durchführung, namentlich des ersten Satzes, gelegt; auch die abschließende Coda hat an Profil und Bedeutung gewonnen. Denkt man an Beethovens 1. und 2. Sinfonie, so werden die Unterschiede gegenüber der 3. deutlich : der beträchtliche Sprung vom Einfachen zum Komplizierten in geistiger, formaler und instrumentatorischer Hinsicht. Die schroffen Dissonanzen und wilden Aus brüche, die unerwarteten Modulationen verleihen dem ersten Satz seine bestechende Wirkung. Einmalig in der gesamten sinfonischen Literatur ist wohl die Trauermusik des zweiten Satzes. Zum ersten Male voll ausgeprägt ist Beethovens Scherzotyp im dritten Satz der „Eroica“ mit seinen hartnäckigen Wiederholungen und dämonischen Steigerungen, die im Trio durch romantischen Hörnerklang unterbrochen werden. Klassische Variationsform und barocke Kontrapunktik bestimmen schließlich die ungewöhnliche Anlage des Finales mit seinem tänzerisch-sieghaften Ausklang. Dieter Härtwig LITERATURHINWEISE Kalbeck: Johannes Brahms, Brahms-Gesellschaft 1912 Vetter: Der Klassiker Franz Schubert, Leipzig 1953 Bücken: Ludwig van Beethoven, Potsdam 1934 2. Außerordentliches Konzert und i. Abend im Anrechte für Betriebe 6184 Ra III-9-5 861 1,4 It-G 009/62/61