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Die Reichsregierung hinter Mütter. Von zuständiger Stelle verlautet: Der Schritt des Generals Müller bei der sächsischen Regierung ist im EtnvernehmenMitdem Reichspräsident««, dem Reichskanzler und dem Reichsweh«. Minister erfolgt. Zugrunde liegt ihm die Erwägung, daß sich die Regierungen der Länder den von der Reichsregierung herausgegebenen Richt» linienunterordnen müssen, Falls General Mül ler vom sächsischen Ministerpräsidenten, wie dieser das angekündigt hat, keime Antwort erhält, wird der Ge neral weitere Weisungen der Neichsregierung erhalten. Keine Finanzierung -er SachlieseruWN durch Seuischland. Die neue st en Schritte in Paris und Brüssel. Wie bereits kurz gemeldet, hat die Reichsregierung am Mittwoch durch den Geschäftsträger in Paris nochmals die Auffassung der Neichsregierung Uber die Regelung der Verhältnissei mbesetztenGebiet darlegen lassen. Der Geschäftsträger hat mit Nachdruck darauf hin gewiesen, daß die bisherige Riethode der Verhandlungen zu einer völligen Zersplitterung, Ratlosigkeit und Untätigkeit im besetzten Gebiet geführt habe und daß daher die von Deutschland gewünschten einheitlichen Per- Handlungen eine tatsächliche Notwendigkeit seien. Auf anderem Wege werde sich das von Frankreich angestrebte Ziel, nämlich die Wiederherstellung des Zustandes vor dem 11. Januar 1823, nicht erreichen lassen. Als wichtigsten Puntt der von Regierung zu Regierung zu verhandelnden Fragen hat der Geschäftsträger die Frage ber Kohlen- und Kokslieserungen an Frankreich und Belgien hingestellt. Er hat dem französi schen Ministerpräsidenten im einzelnen dargelegt, bah Deutschland gegenwärtig schlechterdings außerstande sei, diese Finanzierung seinerseits vorzunehmem, und hat im Zusammenhang damit auf die außerordentlich gefährlichen Folgen hingewiesen, die sich ergeben würden, wenn die Kohlenzechen die Arbeit zwar zunächst wieder aufnähmen, aber schon nach wenigen Tagen infolge mangelnder Zahlungsmittel wieder aufgeben müßten. Nachdem die Unterstützungszahlungen des Reichs eingestellt worden seien, würden sich die Verhältnisse im Ruhr gebiet binnen kürzester Zeit dahin zuspitzen, daß SSO 000 Bergarbeiter mit ihren Familienangehörigen ohne irgendwelche Subsistenzmittel dem Berhungern gegenüberständen» und daß dazu uoch Millionen Ar- beiter und Angestellte anderer Industrien kämen, deren Beschäftigung vollständig von dem regulären Betrieb der Kohlenzechen abhänge. Die deutsche Regierung sehe diese zwangsläufige Entwicklung klar vor Augen, stehe ihr aber, wenn Frankreich eine Verständigung ablehne, machtlos gegenüber. — Was die weitere Behandlung ber allgemeinen Reparatiousfrage anlangt, so hat der Geschäftsträger zum Ausdruck gebracht, daß auch nach Ansicht der deutschen Regierung die Verhand- lungen hierüber mitallenbeteiligtenAlliierten stattfinden müßten. Die Reichsregierung halte es für ratsam und glaube auch den vielfach von Poincare geäußerten An- sichten zu entsprechen, wenn sie sich zur Klärung des gegen- wärtigen Standes der Reparationsfrage alsbald mit der R e p a r a t i o n s k o m m i s s i o n in Verbindung setze. poincare ist alles gleich. Der französische Ministerpräsident lehnte trotz die ser Vorstellungen die Aufnahme von Regierungsver Handlungen kategorisch ab. Tas allein Ausschlag gebende sei für ihn die restlose Wiederher st el lung des tatsächlichen Zustandes vor den ll. Januar t»Ä3. Die deutschen Erklärungen über di« Unmöglichkeit der Finanzierung der Sachlieferungen könne er nicht anerkennen; er müsse sie im Gegen teil als ein Element des Wider st andes bezeich nen. Aus welche Weise die deutsche Regierung die Fi nanzierung der Sachlieserungen fertig brächte, sei ihm völlig gleichgültig. Die Erörterung etwaiger beutscher Vorschläge durch die Reparationskommission werde er so lange nicht zulassen, als nicht der beutfche Widerstand nach französischer Auf fassung re st los ausgegeben worden sei. InBrüsselist durch den deutschen Geschäftsträger ein dem obenstehenden entsprechender Schritt unternommen worden. Hugo Stinnes hat am Mittwoch vormittag die Okkupationsbehörde in Düsseldorf aufgesucht. Der Petit Parisien schreibt über diesen Besuch: Hugo Stinnes und die Herren Klöckner und Bögeler wünschten den Direktor der Micum, Herrn Franzen, > zu sprechen. Da dieser aber zurzeit in Paris weilt, wurden sie von seinem Vertreter, Herrn Nevejans empfangen. Gleich ! zu Eingang der Unterredung spielte der deutsche Industrielle ? auf die Erklärung vr. Stresemanns an, wonach dieReichs - regierung sich außerstande sähe, die Ruhr- industriellen für ihre Materialleistungen an Frankreich zu entschädigen. Herr Stinnes erklärte aus Fragen des Herrn Nevejans: „Solange die Reichsregierung uns nicht für die Zurückerstattung Gewähr bietet, können wir nicht an die Wiederaufnahme der Liefe- rungen irgendwie denken." Vie Sozialdemokratie für Aufhebung -es Belagerungszustandes. Der Vorstand ber Sozialdemokratischen Partei hat sich laut Vorwärts mit bem militärische« Belagerungs- znstand und den durch ihn geschaffenen Zustäude» in den Ginzelstaaten beschäftigt. Er ist dabei zu der Ueberzeu- gung gelangt, daß biefchleunigeAufhebung deS militärischen Belagerungszustandes not wendig ist, um im Verhältnis deS Reiches zu de« Ein- zelstaaten die Rechtsgleichheit wiederher,«stelle«. Der Abgeordnete Hermann Müller machte Reichskanzler und Reichspräsidenten einen Besuch, um in dieser Krag« vorstellig zu werden. Abends trat dann das Reichskabi nett zur Beratung zusammen. -/Aach russischem Muster." Die Erklärung der n.euen thüringischen Regierung. Nunmehr hat auch die neue thüringische Regierung ihre programmatische Erklärung abgegeben, die sowohl im Aufbau wie in der Wahl der Ausdrücke stark an die vor kurzem von Herrn Zeigner gehörte erinnert. Sie lautet ungefähr wie folgt: „Die Regierung Thüringens ist eine Regierung der republikanischen Verteidigung, und ihr Ziel ist die Abwehr der faschistischen Gefahr, die die Tätigkeit und sogar das Leben der arbeitenden Klassen bedroht. Sie ist eine Regierung des Kampfes gegen die Forderung: Nieder mit dem Marxismus! Die neue thüringische Regierung fühlt sich in erster Linie als Beschützerin der ausgebeu- reten Massen. Ihre besondere Sorge gilt dem Wohls aller proletarischen Schichten. Sie wird beim Reiche dahin wirken, daß als erster Schritt zur Besserung der Lage die wirkliche Erfassung der Sachwerte, als zweiter das Han- delsmonopol nach russischem Muster einge- fürht wird. Sie stütztsich b e s o n d e r s auf alle Organi- sationen des arbeitenden Volkes und auch auf dessen Schutz, und Kampforganisationen." Inland un» Ausland. Kommunisten im Reichsrat. Der sächsische kommunistisch« Finanzminister Böttcher und Wirtschaftsminister Heckert sind zu Mitgliedern des Reichsrats ernannt worden. Der nationalsozialistische Völkische Beobachter und das Kampfbundorgan Heimatland, die zehn Tage verboten waren, sind jetzt bei Wiedcrerscheinen voll von Kritiken an der Tätigkeit des Generalstaatskommissars von Kahr. Die Verhandlungen der Sachverständigenkommission der Koalitionsparteien Uber das Arbeitszeitgesetz wurden am Donnerstag im Reichstage in Anwesenheit des Reichsarbeits- j Ministers Brauns fortgesetzt; sie hatten im wesentlichen j nur informatorischen Charakter. Die Enteignung der früheren ErzherzSge. Der Oberst« Gerichtshof in Prag hat die Beschwerde de: früheren Erzherzöge Hubert Salvator uni Joseph Ferdinand gegen die Entscheidung des Mini- steriums des Innern, wodurch sie als Mitglied des eh maligen Kaiserhauses dem Enteignungsgesetze unterstellt wurden, abgelehnt. Damit ist auch in einer ähnlichen Klage des Erzherzogs Friedrich, des einstigen Oberkomman dierenden der österreichisch-ungarischen Armee, präjudiziert. Seneralstreikgefahr in Polen. Der Zentralausschuß der Gewerkschaften in Polen hat beschlossen, von der Re - gierung die Garantierung der Teuerungs zuschläge und Lohnerhöhungen für die Arbeiter der Industrie und bei den Staatseisenbahnen zu ! fordern. Die Beträge sollen allwöchentlich neu festgestellt , werden. Für die Unterstützung dieser Forderung wird ein j General st reik in ganz Polen vorbereitet, dessen j Zeitpunkt im Einvernehmen mit der sozialdemokratischen > Fraktion im Warschauer Parlament festgesetzt werden soll. Die Reinigung der spanischen Justiz. Im Bezirk von Barcelona sind 25 höhere Gerichtsbeamte abgesetzt worden. — Nach der Meldung einer Nachrichten-Agentur aus Madrid wird der Präsident des Direktoriums General Primo de Rivera den König auf seiner Reise nach Rom be gleiten. Hochverratsanklage gegen die kommunistischen Mitglieder des finnischen Reichstags. Der finnische Reichstag trat am Dienstag nach den Ferien wieder zusammen. Der Reichs tagspräsident teilte mit, das Hofgericht von Abo habe an den Präsidenten ein Schreiben gerichtet, in dem es erklärt, alle r Mitglieder der kommunistischen Reichstags- j gruppe würden wegen hochverräterischer Um- s triebe unter Anklage gestellt werden. Das Hofgericht s habe daher verfügt, daß die im August verhafteten Abgeord- j neten weiter in Haft zu behalten und die noch freigebliel«nen ! fünf kommunistischen Abgeordneten zu verhaften sind. Ein Brot 620 Millionen. " Berlin, 19. Oktober. > Der Zweckverband der Bäckermeister Groß-Berlins teilt j mit: Die Hoffnung der Bäckermeister, den bisherigen Brot- > preis wenigstens diese Woche hallen zu können, hat sich leider nicht erfüllt. Der Preis für den Doppelzentner Mehl hat sich ! von Montag bis heute um 7 Milliarden, d. h. um 35 Millionen Mark je Pfund, erhöht, so daß eine Heraufsetzung des Gebäck preises ab Freitag sich nicht umgehen ließ. Von morgen ab kostet daher das Brot 620 Millionen, die Schrippe 18 Millio- ! nen Mark. Die Berechnung soll nach den weiteren Mitteilun- - haben. ! Aufhebung von Kartoffelansfuhrverboten. Berlin, 18. Oktober. Die von den Militärbefehlshabern in Königsberg und » Breslau erlassenen Ausfuhrverbote für Kartof- feln aus Ostpreußen und Schlesien nach anderen Teilen des Reichsgebietes sind aufgehoben worden. Die belgischen Borschläg« der Reparatlonskommission überreicht. Pari», 18. Oktober. Der belgische Delegierte de la Croix hat, wie Haoas , mitteilt, heute der Reparatlonskommission die im Monat ; Juni von der belgischen Regierung ausaearbeiteten belgischen - Studien Uber die Reparattonsfraae übermittelt, damit sie einer allgemeinen Regelung der tionsfrage dienen könnten. Arve Aoie an die AeparationSkommisflon? Stresemann-Interview mit einem englischen Berichterstatter. Reichskanzler Stresemann erklärte in einer Unterredung mit dem Berliner Berichterstatter der „Daily News", die deutsche Regierung strebe mit allen Mitteln, die in ihrer Macht liegen, danach, der finanziellen und politischen Schwie- rigkeiten im Innern Herr zu werden. Dies könne ihr jedoch nur gelingen, wenn sie eine Periode der Ruhe in bezug auf die auswärtige Politik erhalte. Ueber den Völkerbund erklärte Stresemann, Deutschland sei von ihm bereits schwer enttäuscht worden. Daß der Völkerbund sich weder mit der Frage der Reparationen noch mit der französisch-belgischen Ruhrbesetzung befaßt hat, sei leider Beweis genug dafür, wie wenig Bedeutung er augenblicklich habe. Wo er eingegriffen habe, wie in der oberschlefischen Frage, könne Deutschland nicht zugeben, daß seine Entscheidung mit Recht und Gerechtig- kett übereinstimmt. Zum Schluß habe der Reichskanzler bestätigt, daß Deutsch, land daran sei, eine neue Note an die Repara- tionskommission zu senden, habe es jedoch abgelehnt, ihren Inhalt zu erörtern. Hoßbach spricht in München. Aus München wird gemeldet: Der aus der Hast ent- lassen« Roßbach wird am Freitag bei der Feier der Roßbach- Abteilung München und des Deutschen Kampfbundes im Löwenbräu mit einer Rede vor seine Anhänger treten; auch Hitler wird dort sprechen. Oie Antwort -er Schweiz an Frankreich. Keine weiteren Verhandlungen. — Gin Schied«, gericht vorgeschlagen. Der Bundesrat ließ am Mittwoch durch den Gesandten in Paris Ministerpräsident PoincarS seine Antwort auf die französische Note in der Zonenfrage erteilen. Unter den durch Frankreichs einseitiges Vorgehen geschaffenen Um ständen tkönne der Bundesrat nicht weiter verhandeln. Er schlägt vor, die Streitfrage dem Inter nationalen StändigenGerichtshof im Haag oder irgendeiner anderen Schiedsinstanz zu unterbreiten, die der französischen Regierung genehm wäre. Die Note schließt: „Frankreich und die Schweiz sind in gleicherWeiseMitgliederdesVölkerbundes, zu dessen erhabensten Zielen es gehört, Streitigkeiten zwischen den Staaten unter Ausschluß von Gewalt einer gütlichen Lösung zuzuführen. Der Bundesrat gibt sich gern der Hoff nung hin, die Regierung der Republik werde bestrebt sein, die guten Beziehungen, die die beiden Staaten seit Jahrhunderten verbinden, aufrecht zu erhalten." „Vassillsn-Sturm" in Herde. Nach Hamburger Meldungen kam es am Dienstag in Heide (Holstein) infolge der Verhaftung des Führers der dortigen Kommunisten zu Unruhen. Gegen 11 Uhr wurde versucht, den Verhafteten gewaltsam aus dem Amtsgerichts gefängnis zu befreien. Zwei mit Karabinern be waffnete Kommunistentrupps drangen in die innere Stadt ein und forderten die Freilassung des Führers. Auf die Ablehnung dieses Ansinnens feuerten die Kommunisten eine Salve ab, worauf sich die Be amten in den Gefängnishof zurückzogen. Von dort aus wurde das fortgesetzte Feuer der Kommunisten mit Ne volverschüssen erwidert; auch die zweite Kommu nistenabteilung griff mit Gewehrfeuer in die Schießerei gegen das Gefängnis ein. Als die Kommunisten den Mißerfolg der beabsichtigten Ueberrumpelung einsahen, stellten sie' das Schießen nach Eintreffen eines Zuges Schutzpolizei ein. Bei der Vornahme von Haussuchungen erfolgten mehrere Ver haftungen. Die Ll-ruhen in Mannheim. haben auch am Mittwoch den-ganzen Tag über angedauort. Die Arbeiterschaft hat zu einem erheblichen Teil der Auf forderung der Betriebsräteversammlung zum 24 stündi gen» Generalstreik Folge geleistet, wodurch die Gas- und Wasserbelieferung der Stadt empfindlich gestört wurde; die Straßenbahn verkehrte von 10 Uhr vormittags nicht mehr. Im Laufe des Tages kam es in verschiedenen Stadtteilen zu Zusammenstößen mit der Polizei, die Plünderungen, wenn auch nicht Sachbeschädigungen ver hüten konnte. Bei Räumung der Straßen sind zahlreiche Personen verletzt worden; die Zahl der Todes opfer läßt sich noch nicht genau feststellen. Im Krankenhaus erlagen fünf oder sechs Personen ihren Verletzungen, und weitere Tote wurden in die Leichenhalle eingeliefert; unter den Verwundeten befindet sich auch der Polizeihauptmann Vaterrodt. Durch einen nachmittags er folgten Anschlag des Bezirksanits wurde angekündigt, daß die Polizeistunde auf abends 9 Uhr festgesetzt sei, und außer dem bekanntgemacht, daß nach Z 4 der Verordnung des Wehrkreiskommandos sonst mit Zuchthaus bedrohte Ver brechen mit dem Tode bestraft würden und Aufforderung zum Generalstreik oder Bürgerkrieg unter die fraglichen Gesetzes bestimmungen falle. Auch die Franzosen haben in der von ihnen besetzten Neckarvorstadt jede Ansammlung verboten. Die am Abend eingetretene Ruhe hielt die Nacht über an. Au« aller Welt. Der VNkttbunddelegttrte als »abarettküustler. „Ein Delegierter zum Völkerbund singt und tanzt allabendlich in einem Pariser Kabarett!" Diese Ankündiauna in dem An-