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1190 Feuilleton auf die Verfassung, bei welch« Gelegenheit derselbe halt» hielt: . , Wer (Fortsetzung.) „Ich dachte es doch!" sagte derselbe lächelnd. „Ich wußte, daß Sie ver suchen würden, uiir zu entrinnen) aber ich konnte es nicht zugeben, Sie so Hals über Kopf in Ihr Verderben rennen zu sehen. Sie können sich nicht aufschwingen zn sanguinischen Hoffnungen und haben keinen endgültigen Zweck, um sich zu stählen und Ihren Muth zu wecken. Umsicht und Festigkeit, uni die Fragen mit Vorsicht zu beantworten, die Ihnen überall entgegen treten werden, fehlen Ihnen gänzlich. Sie schweigen — Sie erkennen die Größe der Gefahr die Sie verfolgt — warum wollen Sie den gewissen Schutz von sich stoßen, den ich Ihnen zu bieten vermag und den ich gern biete? Sie brau chen meinen Vorschlag nicht zu fürchten. Ich wiederhole ihn nicht, werde mich sogar jeder Anspielung auf denselben enthalten. Ich möchte Sie nur retten vor den Bluthunde^der Polizei, die ohne Zweifel in allen Richtungen nach Ihnen schnobern; möchte Jhnm nur ein sicheres Versteck bieten. Ent kommen Sie meinetwegen glücklich bis an die Grenze; — was Sie auf dem Wege zu derselben mit allen Kräften zn vermeiden trachten, dort werden Sie es auf Sie warten finden. Unter meinem Dache, und unter demselben allein auf der weiten, weiten Welt finden Sie Schutz und Rettung; an den Mau ern meines Hauses endet Verfolgung und Noth. Ich lebe zurückgezogen von der Welt, habe keinen Gesuch; Ihre Gegenwart wird Niemandem auffällig oder auch nur bemerklich sein. In wenigen Wochen wird der Eifer der Nach stellung erlahmen und Sie können Weiterreisen mit neuerwachtem Muth und frisch gewonnener Zuversicht." „Muth und Zuversicht!" rief der scheue Florian, „o, daß ich Eins von Beiden nur hätte?" Er schwieg einige Augenblicke und da chte dem Gehörten nach. Der Rath des alten Mannes schien von der Weisheit selbst dictirt — er nahm das freundliche Anerbieten an. Dankbar preßte er die Hand desselben, unterdrückte jeden Seufzer, jeden Zweifel an der Uneigennützigkeit und Redlichkeit des Lit ten und sagte: „Ich will sie begleite», Alter; Gott segne Ihre Menschenfreundlichkeit, ich kann sie nicht vergelten." „Wir müssen auf dem Wege zurückkehren, auf dem ich gekommenem", sagte der Scharfrichter, indem er sein Pferd wandte, „derselbe wird unü um den Stadtwall nach meiner Wohnung bringen, die frühe Morgenstunde schützt un» vor Begegnungen. Der Hotelbesitzer ist mir verpflichtet, er sandte Sie Brüssel, 17. Dec. Der König Leopold II. hielt heutsDDPferde sei nen Einzug in die Residenz und wurde am Stadtthvre vom^Wrgermeister empfangen Der Durchzug durch die geschmückte Stadt fand unter ungeheu rem Zudrange des Volkes statt, welches den König mit jubelnden Zurufen begrüßte.^ Mittags schwur der König vor den vereinigten Kammern den Eid elbe eine Rede folgenden In- die Ofsiciösen. Die „Nordd. Allgemeine" bemerkt darüber: „Die Hoffestlich keiten zur Feier der Vermählung der Prinzessin Alexandrine und des Herzogs Wilhelm von Mecklenburg haben zu mancherlei Erörterung Veranlassung ge geben, welche sich auf Etikettefragen beziehen. Zunächst ist allerdings die That- sache zu bestätigen, daß die Botschafter Frankreichs und Englands sich nach Beendigung der Trauungsfeierlichkeit und vor Beginn der Cour zurückzogeu, weil ihren Ansprüche«, an der königliche» Tafel selbst placirt zu werden, nicht gewillfahrt war. Der Vorfall ist aber durchaus nicht als ein ernstMer Con- flict aufzusassen, noch viel weniger darf ihm eine politische Bedeutung beige legt werden. Die Sache ist von beiden Seiten nicht als ein Streit, sondern al» eine bloße Etikettefrage behandelt und als solche in der freundlichsten Weise erörtert worden, ohne auch nur im entferntesten zu einer gereizten Stim mung zu führe». Moch ym Tage vor den« Feste fand darüber, wie wir hö ren, eine Besprechung zwischen den beiden Botschaftern und dem Oberceremo- niemneister statt, in welcher man zu einer Einigung zu gelangen versuchte, die jedoch einiger Jncidenzpunkte wegen nicht zu Stande kam. In Folge dessen beschlossen die Botschafter, um ihre abweichenden Absichten zu constatiren, nur an der kirchlichen Feier Theil zu nehmen. Wie fern ihnen indeß die Absicht lag, aus dieser Frage einen Conflict zu machen, dafür spricht ihr Beschluß, sich bei den der Trauungsceremonie folgenden Festlichkeiten durch ihre Legati- onSsecretäre vertreten zu lassen, deren Placirung nun aber wieder zu einem Ltikettenstreit unter dem gesammten diplomatischen Corps führte. Uebrigens hat bei den Festlichkeiten der nächsten Tage auch der französische Botschafter selbst nicht gefehlt; derselbe ist sowohl zu dem Feste im Palais des Prinzen Albrecht, wie bei der Galaopernvorstellung erschienen; der englische Botschaf ter aber ist nur deshalb vo» diesen Festlichkeiten fern geblieben, weil inzwi schen die Nachricht vom Tode des dein Britischen Hefe so nahe verwandten Königs der Belgier hier eingetroffen war." Berlin, 17. Dec. Bei der gestern Abend von der Schlächterinnung abgehaltenen Versammlung ereigneten sich stürmische und merkwürdige Sce ne». Hr. Prof. Virchow und mehrere andere Aerzte, welche über Trichincn- gefahr sprachen, fanden wenig Beifall unter den Fleischern, aus deren Mitte vielmehr vielfach die Meinung geltend gemacht wurde, die als Trichinose be obachteten Krankheiten rührten davon her. daß das gegessene Fleisch von milz kranken Schweinen gewesen sei. Ein Thierarzt Namens Urban erklärte sich entschiede«« gegen die Aerzte und ging mit solchen Worten denselben zu Leibe — er sagte z. B., die Trichinen im Leibe seien ohne Gefahr, nur im Kopfe schienen sie den Herren Aerzten gefährlich zu sein —, daß diese ganz entrüstet erklärten, sie würden nicht wieder mit den Fleischern verhandeln. Ihren Höhepunkt erreichte die Scene, als Hr. Urban, um den Beweis dafür zu ge ben, daß er der Ueberzeugung sei, die er ausspreche, die von den Aerzten präsentirte Trichinenwurst aus Hedersleben anbiß und von ihr verzehrte. Die Aerzte constatirten übrigens, daß sich Hr. Urbai« darauf sofort entfernte, und Hr. Virchow wollte die Wurst erst darauf untersuchen, ob auch noch lebende Trichinen darin seien. Baiern. München, 17. Dec. Der Oberstallmeister Frhr. v. Lerchen feld ist ohne sein Ansuchen von dem König mit Pension in den Ruhestand versetzt, er hatte den bekannten Leibreitknecht gemaßregelt. Hamburg, 16. Dec Der von Dover nach- Calais bestimmte Postdam pfer Samphier ist durch eine«« Zusammenstoß mit der amerikanischen Bark Fanny Buck in der letzten Mittwochsnacht gesunken. Der hiesigen „Börsen halle" zufolge wurden 70 Passagiere durch das belgische Postschiff Belgigue gerettet, drei Personen ertranken. Schleswig -Holstein. Schleswig, 17. Dec. Es circulirt unter der überaus rührigen Eider- dänen-Partei in Nordschleswig wiederllin eine auf die Lostrennung der nörd lichen Bezirke hinarbeitende Adresse, welche die volle Aufmerksamkeit der Schleswigschen Behörden erregt. Belgien. Brüssel, 13. Dec. Gestern Abends ist bei Fackelschein die königliche Leiche in sechsspännigem Wagen von Laeken nach dem Brüsseler Schlosse hereingebracht worden. Die berittene Bürgergarde nnd das Guiden-Regimcnt bildeten das Geleit. Der traurige Zug bewegte sich langsam durch die von einer zahllosen Volksmenge erfüllten Straßen, Sterbensschweigen herrschte überall und jedes Haupt entblößte sich beim Borüberzuge des Leichenwagens. Niemals hat man eine solche Menschenmasse, die gewiß mehr als hundert tausend Personen zählte, eine so tiefe Ruhe, eine so ehrbare und ehrfurchts volle Haltung beobachten sehen. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Respcct vor dem belgischen Volke! Seit heute ist die Leiche in einem Saale des Schlosses ausgestellt, der mit königlichem Trauerprunk zur Todtcncapelle umgewandelt worden. Der Köllig in Generals-Uniform ruht auf einem Paradebett, vor welchem mehrere Generale der Bürgergarde und Armee Wache halten. Die Züge des Ver storbenen hat der Tod arg entstellt und die ganze Gestalt ist sehr aufgedunsen. Der ungeheure Zudrang der Bevölkerung hat leider einige ernstliche Unglücks fälle vor den Thoren des Schlosses verursacht. In den nächsten Tagen wird eine National-Subsciption zum Zweck der Errichtung eines Denkmals für den König Leopold eröffnet werden. Des Königs Testament. Das vom König Leopold hinter lassene Privatvermögen ist sehr bedeutend, und beträgt das Minimum der Schätzungen 65 Millionen Franc», während das Maximum an 100 Millio nen hinaufreicht. Daö eigenhändige, vom Jahre 1857 datirte Testament des Königs, dem noch neun Codicille angeschlossen sind, schreibt dem Herzog von Brabant, dem Grafen von Flandern und der Kaiserin Charlotte je ein Vier theil des Vermögens zu. Bon dem vierten Theile, dessen Ueberrest auf den Grafen von Flandern fällt, sollen zahlreiche Vermächtnisse und Pensionen be- halt"»" bedacht^ sämmtliche Mitglieder des königlichen Haus- „Belgien hat nicht minder als ich seinen Vater verloren. Die erste Verpflichtung, welche ich übernehme, ist die, getreulich seine Lehre» zu befol ge«, und niemals zu vergessen, welche Pflichten mir sein kostbares Vermücht- niß auferlegt. Ich verspreche, Helgien ein König zu sein, ein Belgier vo» Leib und Seele, dessen ganzcS Wen ihm gehören soll. Wie der Dahinge- fchiedene die Institution liebte, wSlche die Freiheit und Ordnung gewährleisten, diese festesten Grundlagen des Thrones, so liebe auch ich sie. Als mein Va ter den Thron bestieg, sagte er: Mein Her; kennt keinen andern Ehrgeiz als den, Euch glücklich zn sehen. Ich wiederhole diese Worte." Die Ansprache des Königs erregte unbeschreiblichen Enthusiasmus. Die Neue Preußische Zeitung sagt über den jungen König von Belgien: „ES würde vermesse«« sein, schon heute über die Persönlichkeit nnd Begabung des jungen Königs ei» definitives Urtheil fällen zu wollen. Was imr aber des senungeachtet schon heute als geiviß betrachte» dürfen, da« ist: daß er unmög lich sofort, selbst wenn er die beste Schule durchgcmacht, daß ülleS besitzen kann, was sich sein entschlafener Vater selbst nur allmählich zu erwerben'ver mochte. Außerdem glauben mir richtig informirt zu sein, wenn wir von der Voraussetzung ausgehen, daß der junge König den beiden großen Parteien keineswegs mit derselben inner» und äußer» Neutralität gegenübersteht, wel che eine Eigenthümlichkeit der Politik des Verstorbenen mar, daß derselbe viel mehr mit seiner Ueberzeugung auf feiten derjenigen Partei zu suchen sein dürfte, welche man gewöhnlich unter der Bezeichnung „klerikalen'^Wkeift. Königreich Sachsen. Werdau, 16. Dec. T^hier praklicirenden Herren Aerzte erklären die Choleraepidemie, die uns so Werordentlich lange heimgcsucht hat, für erlo schen, da seit dem 7. d. M. an der Cholera Niemand verstorben und seit dem 12. d. M., an welchen, Tage nur 2 ganz leichte, aber wieder genesende Kranke gemeldet wurden, Niemand erkrankt ist, auch sonst hier überhaupt Niemand an der Cholera ärztlich behandelt wird. Es werden deshalb die bisherigen Be richte hierüber geschlossen. Auf Anordnung der königl. Chausseedirection wird seit Kurzem in den Chemnitzer Steinbrüchen eine amerikanische Dampfsteinklovflnaschine benutzt. Dieser von einer vierpferdigen Locomobile getriebene Steinklopfer zerkleinert bei täglich zehnstündiger Arbeit und 6 Mann Bedienung 1 Ruthe Steine wäh rend sonstein ganz tüchtiger Handsteinklopfer in derselben Zeit nur eineZwölf- telruthe zu zerschlagen im Stande ist. Leipzig. Leichtsinn einer Mutter. I«, der Entbindungsschiile hat am vergan genen Freitag eine Wöchnern, Louise Vogel aus Schleiz, dm Tod ihres 3 Wochen alten Kindes dadurch verschuldet, daß sie demselben, um es in Schlaf zu brin gen, von dem für sie selbst bestimmten Morphium gab.