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Frankreich. Von Paris qu- wird in der neusten Zeit bittere itt-ge darüber geführt, daß fast jeden Tag so vstle englische und deutsche Zeitungen, Hi mit der Nist kdMckech innerwehalten, d. h. mit Beschlag belegt iverden. Die stanz. Behörden haben nämlich zeither alse stemden Zeitungen dann mit Beschlag belegt, „wenn sie Dinge bringen, welche von den stanz. Blättern nicht ge bracht werden dürfen." So hat man am Pfingstsonntag in Pari--zwölf verschiedene englische Zeitungen mit Beschlag belegt und vop den vielen deut schen Glätten durfte nur der „Preußische Staat-auzeiger" cm-gch«e« werden. Dafür ist auch Frankeich da- Land der — Freiheit! England. London, 10. Juni. Auf der Great Western Eisenbahn ereignete sich gestern nicht weit von der Station Redual ein große- Unglück. Ein an-32 Wagen bestehender, von 2 Maschinen gezogener DergnügungStrain entglitt den Gleisen. Da die Locomotiven nicht rasch genug zum Stehen gebracht werden konnten, wurden sie mit mehrern Wagen auf die Seite geschleudert und zer trümmert. Von den 8—900 Pasiagieren blieben 9, damnter 2 Kinder, todt auf dem Platze, 50 andere sind beschädigt, einige darunter lebensgefährlich. Weitere Einzelheiten werden erwartet. So viel ist aber bereit-gewiß, daß die Schuld de- Unglücks den Beamten oder Arbeitern der Compagnie anheimfüllt. Ed waren nämlich an der Stelle, wo da- Unglück sich ereignete, neue Schienen gelegt, aber nicht fest genug angeschraubt worden. Dadurch ent stand ein heftiges Schwanken der Locomotiven und Wagen, durch da-sie schließ lich von den Schienen geschleudert wurden. Königreich Sachsen. Leipzig, 8. Juni. Mit den Nachmittags- und Abendzügen verläßt der weitaus größte Theil der schon gestern sehr decimirten fünfzehnten allgemeinen deutschen Lehrerversammlung unsere Stadt. Der Theilnehmer an der heurigen Versammlung waren nach dem Schlußwort des Vorsitzenden, Oberlehrer Hoff mann au- Hamburg, nicht weniger denn 2600 Lehrer und Nichtlehrer, dar unter Deputirte au- dem fernsten Osten, au- Nikolajeff, au- St. Petersburg und Bessarabien. Die Versammlung von 1865 stand also in Frequenz hin ter der von Mannheim, d. i. der vierzehnten allgemeinen deutschen Lehrerver sammlung von 1863, nicht zurück. Auch im Geiste blieb sie hinter derselben nicht zurück. Vortrefflich sprach heute früh al- Referent der Schnlvorsteher Tiedemann au- Hamburg zur Beantwortung der Frage: „Wie muß der Re ligions-Unterricht beschaffen sein, wenn er die Schüler wahrhaft religiös machen soll." Der wackere Schulmann, ein rüstiger Veteran der Pädagogik, der an sich selber so recht „das Jungbleiben der Lehrer" Deutschlands veranschaulichte, wurde mit großem Beifall von der Versammlung angehört. Tiedemann wünscht dem Religions-Unterrichte eine der ersten Stellen angewiesen zu sehen, eö schmerzt ihn, denselben bei manchen Schulen sammt dem Gesang- und Turn oder Waffenunterricht auf den Samstag verlegt zu sehen. Aber er will die sen Unterricht nach wahren pädagogischen Grundsätzen ertheilt wissen. Er verlangt Methode und Abstufung, wie sie dem Entwicklungsgänge de- kind lichen Geiste- entspricht. Aus der Debatte erwähne ich nur eine kurze Rede des hiesigen Rabbiners Dr. Phil. Goldschmidt, der mit begeisterter Anerken nung der-Ideen des Vorredners begann und dann sein Judenthum bekannte, aber auch auf das seine Kirche mit der christlichen verbindende, allgemeine, menschliche und nationale Element hinwies. Bekanntlich erwartete die Ver sammlung den in der deutschen Lehrerwelt berühmten Dr. Diesterweg, den energischesten und beharrlichsten Kämpfer für Lehrfreiheit; da verbreitete sich die Trauerbotschaft, Diesterweg sei durch Erkrankung seines Sohne- ferngehal ten. Professor Schreiber, Mitglied des Wiener Lehrervereins „Die Volksschule", beantragte sogleich, die allgemeine Lehrerversammlung möge dem hochgeehrten deutschen Manne, dem Vorbilde der Lehrer, ihr Bedauern über dessen Fern bleiben ausdrücken und zugleich den Wunsch verbinden, Vater Diesterwcg, an dessen Geschick Alle den innigsten Antheil nehmen, werde recht bald durch die Wiedergenesung seines Sohnes erstellt, welchem Anträge freudig zugestimmt wurde. Das Schlußwort des Vorsitzenden betonte in dem Rückblick auf die Leistungen dieser Lehrerversammlung den in derselben zu Tage getretenen Geist der Mäßigung und Duldung und erklärte, daß obschon von den 26 angemel deten Vorträgen nur fünf zur Verhandlung gekommen seien, dennoch in den Debatten und Referaten über die Volksschule der Zukunft (Referent: Rector Fröhlich auS Rastenberg, Thüringen), über die Principien der Schulgesetzgebung für die Jetztzeit (Referent: Vorsitzender Theodor Hoffmann, Hamburg), über den Religions-Unterricht (Referent: Tiedemann, Hamburg) und über die au» dem ausländischen Erziehung«- und Unterrichtswesen (der Engländer, Franzosen Nordamerikaner) zu entnehmenden nachahmungswerthen Principien (Referent: Director Budich, Dresden), eine Fülle anregender Gedanken zu Tage geför dert, in den Nebenversammlungen so viele praktische Details vorgelegt worden seien, daß auch die heurige Lehrerversammlung eine erfolgreiche in des Wor tes schönstem Sinne heißen könne. Mit herzlichem, reichem Danke gedachte er der gastfreundlichen Aufnahme in Leipzig und Sachsen überhaupt. Geist licher Gesang beschloß diese Sitzung, sowie jede Versammlung anit solchem begonnen hatte. Oelnitz, 10. Juni. Ueber das Feuer, welche- am 7. Juni da- dem Fleischhauer Fröhlich in Lugau gehörige Wohnhaus zerstörte, kann ich die Mittheilung machen, daß ein 11ja'hrigeS Mädchen das Feuer angelegt hat, weil ihre Mutter die in dem Seitengebäude dieses HauseS wohnte, ihr zum Pfingstfest kein neue- Kleid gekanft hat Feuilleton. Wie T-chler -es Wanqmers. (Fortsetzung.) . ovdern Abend hörte man, wie der Maurer Pierre di« Nachbarn unter lautem Wehklagen zusammenrief und dir Hände verzweiflung-voll rang. ,Wa- gibt «- dem»? fragt« die Frau eiA Schuhmachers. - „Di« arme Babette windet sich in Krämpfe« ich glaube, ihr Ende ist nahe. Geschwind, Freunde, lauft nach einem Fkstker, damit ich sie tu das nächste Krankenhaus schaffen kann!" .In fünf Minute» stand ein Wagen vor der Thüre. Babette wurde, in Tücher und einest weiten Mantel gehüllt, in denselben gehoben, wobei freilich Niemand ahnte, daß unter diesem Mantel die kleine Leontine verborgen war. Erst spät kehrte Pierre zurück. „Wie geht e- der Kranken?" fragten drei bis vier Nachbarinnen. „Gost hat sie ihrer Schmerzen enthoben; sie ist gleich nach ihrer An kunft im Spital gestorben," antwortete der Bruder zerknirscht und wankte die Treppe hinauf. Dort ballte er die Faust. „Könnte ich e- dem Schurken nur «inkänkeu, der sich hier als Seemann einschlich, er müßte unter meinen Händen sterben," murmelte er, „aber so habe ich Babette einen Eid geleistet zu schweigen, und ich muß noch gute Mictte zum bösen Spiel machen! — Doch laßt ihn nur komme», ich werde Mich zusammennehmen und wie ein guter Schauspieler meine Rolle spielen, denn die Sicherheit meiner braven Schwester und der kleinen Leontine hängt davon ab." Wirklich erschien auch am andern Tage La Force. „Ich komme, mn zu fragen, ob eS bei der Landpartie, bleibt?" sagte er. „Doch wo ist Euere Schwester?" „Im Himmel? Wie soll ich da- verstehen?" „Fragt die Nachbarn. Gestern Abends wurde sie plötzlich von den hef tigsten Krämpfen befallen; ich brachte sie nach dem Spital, aber kaum nach der Ankunft in demselben starb sie in meinen Armen." In den Augen des ehemaligen Galeerensträflings glänzte ein eigenthüm- licheS Feuer, welches nichts weniger als Mitleid ausdrückte. Dennoch nahm er eine sehr theilnehmende Miene an und sagte mit betrübter Stimme: „Armer Pierre, ich bedauere Euch, denn ich begreife die Größe eines sol chen Verluste- sehr wohl. Doch Ihr seid Mann, und werdet Euch zu fassen wissen. Leider muß ich noch heute wieder nach Marseille zurück, bevor wir indessen scheiden, versprecht mir diese Verzweiflung abzuschütteln." Pierre nickte stumm mit dein Kopfe. „Lebt wohl," fuhr La Force fort, „Gott tröste Euch!" und damit war er aus dem Zimmer. „Und Gott sei Dir Schurke gnädig, wenn ich wieder mit Dir zusam mentreffe!" rief der Maurer, welcher, nachdem er eine Weile gelauscht hatte, jetzt aufsprang und die Faust drohend erhob. Der Vertraute des Arztes murmelte dagegen, als er um die nächste Straßenecke bog: - Todt ist sie, aber die Belohnung, welche Morrion mir zugesagt hat, soll mir deswegen doch nicht entgehen, Sie hätte ja ebenso gut von meiner Hand sterben können, und da mir dies in meinem Jnterresse passend erscheint, so werde ich meinen Bericht hiernach einrichten." Zwei Stunden später befand sich La Force dem Arzte gegenüber. „Schon zurück" fragte dieser. „Ich denke, Du hattest Dir so einen Plan mit einer Landpartie ausgedacht?" ^„Allerdings. Aber wenn sich eine passende Gelegenheit darbot, sollte ich sie versäumen?" „Sie ist also todt?" „Die Tropfen, welche Sie mir gaben, haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Frau starb aus dem Wege zum Spital; man wird sie ohne Weiteres be graben, denn Sie wissen ja, daß man mit solche»» Leuten nicht viele Umstünde macht." „Besonders wenn, wie hier, die Symtome der Vergiftung nicht sichtbar werden. Ich bin mit Dir zufrieden. La Force, hier hast Du Deinen Lohn, möge er Dir ein Sporn sein, mir auch ferner treu zu dienen. — Jetzt geh' und rufe mir Etienne." Während sich der verbrecherische Genosse des Doktors entfernte, zog sich gleichzeitig Hortense behutsam und leise von der Portiere zurück, wo sie ge lauscht hatte. „ES ist gut," murmelte sie, „dieser La Force enthebt mich durch seine Lügen jeder Verlegenheit, welche diese Geschichte mir vielleicht hätte bereiten können. Jetzt kann ich ruhig sein." Inzwischen war auch Etienne eingetreten. „Nun," fragte Morris», „haben Sie Ihren Auftrag auSgeführt?" „ES war nicht möglich." Der Arzt prallte zwei Schritte zurück. „Wie," rief er, „nicht möglich, hat man etwa Verdacht geschöpft?" „Das nicht, aber Arthur ist verschwunden." „Er hält sich irgendwo verborgen?" „Nein, er hat Paris gänzlich und für immer verlassen." „Wisser: Sie dies auch gewiß?" „Sein Wirth, einer jener arglosen und gutmüthigen Schwätzer, die da» Herz immer auf der Zunge haben, hat e» mir gesagt." „Aber wo ist er hin?" „Ueber'S Meer, nach einem andern Welttheil." Morrion sann einen Augenblick nach. „Diese Abreise darf nn- leinen Strich durch die Rechnung machen," sagte er. „Haben Sie über den Mann, bei dem Gervais wohnte, einige Erkundigungen eiilgezogen?" „Sie wissen wohl, daß ich da- nie versäume." „Nun, was erfuhren Sie?" „Ex ist poch ein Anhänger de» alten Regim«, sein Herz hängt an der vertrieben«» Kvnig-familit." (Fortsetzung folgt.)