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Universitätszeitung
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- 1989
- Erscheinungsdatum
- 1989
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- Deutsch
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- A 812
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- Universitätsbibliothek Chemnitz
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- Universitätsbibliothek Chemnitz
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Band 1989
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Nach der Demo - ein Essen, ein Bier zu erschwinglichen Preisen Betrachtungen zur Subventions- und Preispolitik von Doz. Dr. sc. oec. E. Pohle, Sektion W In den Diskussionen um die Sub ventionspolitik muß keinem Ge sprächspartner die unbestritten gro ße Bedeutung stabiler und subven tionierter Preise für die soziale Lage der Verbraucher erläutert werden. Wer ärgert sich schon — für sich be trachtet — über niedrige Preise bei gleichbleibendem oder wachsendem Einkommen? Niemand, weder An gehörige unterer Einkommensgrup pen noch Besserverdienende! So schön diese allgemeine Freude, so klar das Problem (a), die Subven tionen kommen auch jenen zugute, für die sie nicht primär gedacht oder nötig sind. Die mit der Stützungs praxis verbundene Verfehlung der Zielgruppen ist heute augenschein lich, wenn subventionierte Kinder kleidung von kleinen Erwachsenen getragen und von ausländischen Touristen nicht nur zur Selbstver sorgung gekauft und ausgeführt wird. Oder denken wir an den schlimmen Kreislauf der Verfütte- rung subventionierter Nahrungsmit tel z .B. für Kaninchen, die in den Aufkaufstellen mit Vergütungen be zahlt werden, die höher sind als die Ladenpreise. Gewiß ist es richtig, mit diesen Vergütungen den Beitrag zum Aufkommen an Fellen (Export artikel) zu berücksichtigen und da für zu sorgen, daß eine angemessene Bereitstellung von Futtermitteln die Neigung eingrenzt, Haferflocken zweckentfremdet einzusetzen. Trotz dem bleibt das Unbehagen, ob per saldo nicht Verluste begünstigt wer den. Für jene Warenpreise des Grund bedarfes sowie für Mieten, Tarife und Dienstleistungen, die in der DDR seit Jahrzehnten nicht ver ändert wurden, verwendet der Staatshaushalt 1988 Subventionen in Höhe von 49,8 Mrd. Mark. (1) Das ist ein Geldbetrag, dessen Größe 18,5 Prozent des im gleichen Jahr produzierten Nationalein kommens entspricht. Ein Blick auf die Statistiken (1970 = 100) zeigt, daß die Subventionen bis heute sehr viel schneller angewachsen sind (na hezu auf 600 Prozent) als die Netto geldeinnahmen (auf 205 Prozent) und der Einzelhandelsumsatz (198 Pro zent) der Bevölkerung. Dieses An wachsen der Subventionen ist seit 1958, dem Jahr, in dem die ratio nierte Versorgung mit Lebensmittel karten wegfällt, begleitet von einer Entwicklung der durchschnittlichen monatlichen Bruttoarbeitseinkom men vollbeschäftigter Arbeiter und Angestellter von 555,- M (1960) auf 1269,-M (1988). Vor dem Hinter grund dieser Einkommensentwick lung sind folgende Sachverhalte we sentlich: — Mit durch Stützung stabil ge haltenen Preisen werden auch die Preisrelationen nicht verändert, die ursprünglich bei einem durch schnittlichen Monatseinkommen von 555,- M Kaufentscheidungen beein flußt haben. Mit steigenden Löhnen verlieren die Preise ihre stimulieren de Wirkung (b) zur Förderung einer volkswirtschaftlich wünschenswer ten Verbrauchsstruktur. Die Preis differenz ist nicht maßgebend für Verbrauchsalternativen, sondern an dere Tatbestände und Überlegungen, darunter die gerade gegebene Ver fügbarkeit oder die Qualität der Er zeugnisse. — Eng damit zusammenhängend ist, daß mit subventionierten Preisen ein zweckmäßig sparsamer Ver brauch aller betroffenen Waren und Leistungen nicht gefördert wird (c), für deren Bereitstellung ausnahms los nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen. Die gedankenlose Verschwendung von Brot und Bröt chen, der „großzügige“ Energie- und Wasserverbrauch oder der doppelt und dreifache Erwerb von Weih nachtsbäumen für einen einzigen Haushalt gehören zu den beklagens werten Folgen solcher Preisgestal tung, die, wie das Leben zeigt, nicht durch „Seelenmassage“ und Apelle an vernünftiges Verhalten verhin dert werden können. Subventionen begünstigen eine ge ringe Transparenz der Aufwand strukturen (d), was für die Produk tion und Verbrauch der Güter und Leistungen gleichermaßen schädlich ist, ihre Verrechnungen erfordern beträchtliche buchhalterische Arbeit (e). Vpn den o. g. insgesamt gezahl ten Subventionen entfallen 31,9 Mrd. M oder 64 Prozent auf Zu wendungen für Lebensmittel. Bei ei nem Nahrungsmittel-Einzelhandels umsatz von 38,1 Mrd. M im Jahr 1988 bedeutet dies im volkswirtschaftli chen Durchschnitt, daß der Verbrau cher bei einem Lebensmitteleinkauf für 100,- M Subventionen in Höhe vo 83,-M in Anspruch nimmt. Die Zahlen verweisen darauf, daß der tatsächliche gesellschaftlich not wendige Aufwand zur Bereitstellung der Nahrungsmittel um 83 Prozent höher ist, als es die Preissumme aus weist. Es wird der Eindruck vermit telt, als sei, gemessen an den Le bensmitteln, der Reproduktions aufwand für die Arbeitskraft in der DDR niedrig, (f) Gleichzeitig ent steht insgesamt ein falsches Bild von der für die Strukturpositionen des Einzelhandelsumsatzes aufzuwen denden gesellschaftlichen Arbeit. Während, nach den Preissummen beurteilt, die Industriewaren mit et wa 50 Prozent scheinbar den größten Anteil haben, wird in der DDR für die Waren des Einzelhandelsumsat zes tatsächlich der Löwenanteil ge sellschaftlicher Arbeit, nämlich etwa 55 %. für Nahrungsmittel auf- gewendet und nur, grob gerechnet, 34 % für Industriewaren sowie ca. 11 Prozent für Genußmittel, (g) Angesichts des im europäischen Maßstab vergleichsweise hohen Pro-Kopf-Verbrauches an Nah- rungs- und Genußmitteln in der DDR besteht deutliche Veranlas sung, die Proportionen in der Ver wendung gesellschaftlicher Arbeit zugunsten der Produktion industriel ler Konsumgüter zu verändern. Ob gleich das vor allem auf dem Wege entsprechend differenzierter Wachs tumsraten geschehen muß, sind viele Preisveränderungen denkbar, die diesen Prozeß gezielt unterstützen. Es gibt noch ein interessantes Pro blem. Die Subventionierung der Mieten und der Tatbestand, daß die Mehrheit der Wohnungen für die Nutzer keinen einmaligen Aufwand erfordert, wie wir es z. B. bei AWG- Wohnungen und Eigenheimbau ken nen, berührt die Sparmotivation der Bevölkerung. In der Liste der Ziele, wofür gespart wird stehen Autos und andere Wünsche mehrheitlich an vorderster Stelle. Der mit dem Sparen in der Zeit geleistete Kon sumverzicht ist tatsächlich ein Bei trag für die Stärkung der Akkumu lationskraft der Volkswirtschaft. Werden die so für die Akkumulation gewonnenen Mittel nicht entspre chend der Sparmotivation einge setzt, sondern für den so dringend wichtigen Bau von Wohnungen, wird eine gute Sache mit dem Ärger aus nicht erfüllten Erwartungen be lastet. (h) Etwa seit dem ersten Drittel der 70er Jahre beeinflussen enorme Ko sten- und Preissteigerungen für Rohstoffe und Materialien auch den Aufwand für die Herstellung jener gestützter Erzeugnisse, für die die Aufrechterhaltung stabiler EVP folglich wachsende Subventionen er forderlich machten. Bei solchen, vor allem industriellen Konsumgütern und Genußmitteln, bei denen mit dem Endverbraucherpreis über Ko sten und Betriebsgewinn hinaus eine produktgebundene Abgabe zugun sten des Staatshaushaltes zu bezah len ist, bedeutet eine Erhöhung des Herstellungsaufwandes eine Redu zierung der produktgebundenen Ab gabe — wenn der EVP nicht ver ändert werden soll. Die produktgebundenen Abgaben werden in der Haushaltrechnung für 1988 mit einem Gesamtbetrag von 43,1 Mrd. Mark ausgewiesen, ihre Bemessung im Detail hat. ebenso wie die Subventionspraxis, wesentliche Konsequenzen für Niveau und Struktur des Verbrauches. (2) Die o. g. ökonomische Lage in den 70er Jahren — einerseits wachsen de Staatshaushaltsausgaben für Subventionen, andererseits geringere Einnahmen aus produktgebundener Abgabe — legte die Schlußfolgerung nahe, den Kreis der bis dahin stabil gehaltenen, darunter subventionier ten Endverbraucherpreise zu redu zieren. Das ist geschehen, und zwar so, daß bis heute der harte Kern des Grundbedarfs im Interesse niedriger Basislebenshaltungskosten vor allem der unteren Einkommensgruppen nicht, oder soll man sagen, noch nicht berührt wurde. Ausdruck die ser Entwicklung sind nicht nur die (in den 70er Jahren im Vergleich zu heute noch bescheidenen) Exquisit- und Delikatläden-Umsätze, sondern zahlreiche Regelungen, die es bis heute gestatten, für andere Sorti mente aufwandsbezogene Preise festzulegen, die angemessene Gewin ne enthalten (Jugendmode. Gaststät tenpreise, ausgewählte Tarif und Dienstleistungen, neue oder verän derte Erzeugnisse. Aus meiner Vor tragstätigkeit zu diesem Gegenstand und den sich anschließenden Diskus sionen weiß ich. daß das damit ver bundene Ansteigen jedes Preisni veaus und in Sonderheit viele Ein zelpreiserhöhungen für die Ge sprächsteilnehmer meistens Anlaß waren, ihre heftige Empörung zum Ausdruck zu bringen. Während nach Verlautbarungen (3) von 1980 in demselben Jahr noch 80 Prozent des Warenfonds für die Bevölkerung zu den seit Jahrzehnten unveränderten Preisen verkauft wurden, hat. gemäß Aussage eines Staatssekretärs im DDR-Fernsehen (1. Programm) vom 2.11. 89. dieser Warnfonds 1988 nur noch einen Anteil am Einzelhandels umsatz von 57.7 Prozent. Ärger der Konsumenten über Preiserhöhungen ist m. E. um so größer, je weniger die Öffentlichkeit in die Meinungs bildung rechtzeitig vor dem Inkraft treten solcher Entscheidungen ein bezogen wird. Notwendig sind eine klare Offenlegung ökonomischer Zwänge. Erläuterungen zum Hand lungsspielraum für gleichzeitige Senkung anderer Preise z. B. durch Reduzierung der produktgebundenen Abgaben sowie Darlegungen über zu erwartende Belastungen für unter schiedliche oder wesentlich betroffe ne Einkommensgruppen, mit denen im Vorfeld Maßnahmen zum finan ziellen Ausgleich diskutiert werden müssen. Das alles ist nicht leicht, so wohl weil die Produzenten und Preisämter lernen müssen, dazu eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, als auch deshalb, weil die Materie schwierig ist — viel schwie riger, als es manchem scheinen mag, wenn er in Gesprächsrunden mit di stanzierter Ruhe von der nötigen Abschaffung der Subventionen spricht. Nachfolgend aufgeführte Varianten möglicher Preisverände-» rungen sollen Anregungen geben für die weitere Diskussion. Dabei ist der übergreifende Gesichtspunkt, die Si gnalwirkung der Preise zu erhöhen, um einen zweckmäßig sparsamen Verbrauch zu fördern und die Ver brauchsstruktur zu verbessern. V ariante 1 Für jene Erzeugnisse und Lei stungen, deren Verbrauch reduziert werden soll, werden die Preise er höht, d. h. jeder Bürger wird, ab hängig von seinen Verbrauchsge wohnheiten direkt belastet. Das führt wegen differenzierter Ein kommen und unterschiedlicher so zialer Lage sowie unterschiedlichen Verbrauchsgewohnheiten zu einer unterschiedlichen Belastung der Verbraucher. Sollte bei dieser Ver fahrensweise lediglich die Strei chung der Subventionen das Maß der Preiserhöhung bestimmen, ist die stimulierende Wirkung der neuen Preise sehr unterschiedlich, z. T. fraglich, weil der Wegfall der Stützungen im einzelnen Preiserhö hungen von 20 bis 400 Prozent zur Folge hätte. (4) Der Preis eines Fahrrades (jetzt 300 bis 400 M) würde z. B. 700 bis 800 M betragen, der Preis von Butter (2,50 M) etwa 5,00 M, der . von Brot (0,62 M), etwa 4,50 M). Unterstellt, der neue Preis für Brötchen (0,05 M) sei 0,20 M oder der für Benzin (1,50 M) sei 1,80 M — würde da die erhoffte stimulierende Wirkung eintreten? Variante 2 Es wird eine verbrauchsabhän gige Preisprogression eingeführt, diese wäre theoretisch generell möglich, ist aber eher sinnvoll und praktikabel für ausgewählte Wa ren, die im bestimmten Umfang mit niedrigem Preis verkauft wer den, während darüber hinausgehen der Verbrauch bezahlt werden muß (Benzin, Energie, Wasser, Kohle, Wohnraummieten usw.). Variante 3 Saldierung von Preiserhöhungen und Preissenkungen mit dem Ziel, durch eine Veränderung der Preis relationen eine gezielte Verbrauchs reduzierung ausgewählter Waren zu erreichen. Jede Preissenkung muß von vornherein die davon mit unter schiedlicher Elastizität ausgehende Nachfragesteigerung in Rechnung stellen, so daß jeder Abbau produkt gebundener Abgaben vor allem pro duktionsseitig durch die Bereitstel lung entsprechender Erzeugnisstück zahlen begleitet sein sollte Reflek tiert man auf die Reduzierung von Exporten zügunsten des Inlandab satzes (industrielle Konsumgüter, z. B. Autos) sind Ideen zum Aus gleich der Devisenausfälle gefragt. Variante 4 Preiserhöhungen (wie Variante 1) flankiert durch sozialbestimmte Ein kommensveränderungen zur Ver ¬ meidung einseitiger Belastungen be stimmter Einkommensgruppen, ein Weg mit guten Chancen für die Be seitigung oder Milderung vieler o. g. Probleme. Variante 5 Generelle Rationierung ausge wählter Erzeugnisse ohne Preispro gression und zusätzliche Kaufmög lichkeit. Das ist zweifellos die häß lichste Variante, die kein Mensch ernsthaft in Erwägung ziehen möch te. Sie ist nach 1958 vorübergehend Anfang der 60er Jahre und 1982 an gewendet worden. Diese Varianten sind so oder in unterschiedlichen Kombinationen nach bestimmten Erzeugnissen oder Erzeugnisgruppen anwendbar und bei den preispolitischen Maßnahmen der Vergangenheit z. B. in den RGW-Ländern auch nachweisbar. Es ist klar, daß eine verantwortungs bewußte Politik auf diesem Gebiet immer auch — selbstverständ lich — der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet sein muß, weshalb bei dem so wichtigen Bemühen um die Stärkung des Prinzips, daß die Lei stung das Ausmaß des Verbrauches bestimmt, klug bemessene Subven tionen auch in Zukunft m. E. für Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht ohne Bedeutung sein werden. Die Nutzung des wirtschaftspolitischen Instruments — Subventionen — ist, wie nicht erläutert werden muß, weltweit verbreitet und immer auch umstritten in den kapitalistischen Ländern. Ganz anders dagegen wird argu mentiert bei der Verteidigung einer wirklich interessanten Idee, nämlich die Subventionen gänzlich zu strei chen und die 49,8 Mrd. Mark voll ständig einkommenswirksam zu ver teilen. Das bedeutet, jeder der 16,5 Millionen Einwohner der DDR, ob Kind, Rentner oder im arbeits fähigen Alter, erhält zu den jetzigen Bezügen (Kindergeld, Rente. Lohn, Lehrungsgeld usw.) pro Jahr 3018,- M zustzlich oder pro Monat 251,- M. Schön, der Gedanke, daß ei ne 4köpfige Familie auf diese Weise gleich über 1004,- M pro Monat mehr verfugen könnte. Würden aber alle mit diesem Lohnausgleich auskom men? (siehe Variante 1) Ohne Stüt zungen müssen die Familienhaus halte in ihrer Höhe wechselnde EVP verkraften, wie geht das, wenn sie mehr steigen als fallen und differen zierte Lohnerhöhungen erst zeitlich verzögert durchgesetzt werden? Welche Konsequenzen hätte eine solche Einkommensentwicklung auf die zahlungsfähige Nachfrage nach industriellen Konsumgütern bei ge gebenem Preisniveau ? Für jede der aufgeworfenen Fra gen sind mannigfaltige Ideen und Vorschläge denkbar. Sorgen wir da für, daß sie immer ohne Tabus und ideologische Scheuklappen diskutiert werden können. Anmerkungen (a) — (h) Numerierung der ange sprochenen Probleme (1) soweit nicht anders vermerkt, be ruhen die Zahlen auf Statistisches Taschenbuch der DDR 1989, Staats verlag 89, und eignen Berechnungen. (2) ND v. 9. 6.1989. S. 3 (3) Mittag, G., Aus dem Bericht des Politbüros an das ZK der SED, 13. Tagung des ZK 1980, Dietz Verlag Berlin, 1980, S. 41 (4) ND v. 14. 2.1989, S. 3 (5) Aus Gesprächen mit Fachleu ten. Brauchen wir noch eine Neuerer bewegung? In der „Tribüne“ vom 6.11.1989, speziell aber vom 7.11,1989, war zu lesen, daß der Bundesvorstand des FDGB sein Einvernehmen zur Neuererver ordnung aufkündigt und weiter hin verlangt, die Bestimmungen über die statistische Erfassung und Abrechnung der Neuerertä tigkeit außer Kraft zu setzen. Erst vor vier Jahren war es ebenfalls der Bundesvorstand des FDGB. der in Abstimmung mit dem Amt für Erfindungs- und Patentwesen der DDR eine Richt linie zur Leitung und Planung der Neuerertätigkeit für den Zeit raum von 1986 bis 1990 erarbeite te. Ein Punkt dieser Richtlinie war die Einführung der Orientie- rungskennziffern. Ich persönlich bin der Mei nung, daß sich die Gewerkschaft mit ihrer Distanzierung von die sen Bestimmungen und Über einkünften auf einfache Weise ihrer Verantwortung entzieht. Dabei möchte ich noch feststel len. daß die Gewerkschaft unse rer Universität dieser Verantwor tung in den vergangenen Jahren sowieso nicht wahrgenommen hatte, denn diese trug allein die staatliche Leitung. Es gibt Meinungen, die sagen, wir brauchen keine Neuerer bewegung. Daß dieser Standpunkt keine Lösung ist, meine nicht nur ich, sondern auch jene, denen das eigentliche Anliegen der Neuerer bewegung noch bewußt ist. Zu Recht würde jeder Neuerer sich fragen, wozu habe ich meine Freizeit geopfert, habe Ideen ge habt, um die Arbeit zu effektivie ren, die Arbeits- und Lebensbe dingungen zu verbessern und viel zu oft, um Mangelwirtschaft zu überbrücken. Frei nach der Devi se „aus alt mach neu“ und dazu noch dem Weltmaßstab angepaßt. Nicht nur einmal wurde unter diesem Motto geneuert, und mit Erfolg. Das Ergebnis einer jeden Neuerung ist doch ein Nutzen, manchmal klein, selten groß, oft nicht in Geld meßbar, aber es ist doch ein Nutzen für die Universi tät, für die Volkswirtschaft und letztlich für uns. Auf den Nutzen müssen wir uns wieder besinnen! Da halfen in der Vergangenheit keine Kennziffern und keine Be auflagungen, erreicht wurde oft mals das Gegenteil, der Elan der Neuerer erlahmte. Das können wir uns aber nicht leisten, und aus diesem Grunde wird es ab 1990 keine Orientierungskennziffern für die ' Struktureinheiten der TUK mehr geben. Das allein reicht aber noch nicht aus. Unregelmäßigkeiten im Neuererwesen können nur besei tigt werden, wenn sich die staat lichen Leiter ihrer Verantwor tung gegenüber dem Neuerer und dem Neuererwesen überhaupt, noch bewußter werden und ober flächliches Arbeiten nicht mehr geduldet wird. Darüber hinaus erwarten wir von der Gewerk schaft klare Positionen und neue Impulse. Denn gerade jetzt brauchen wir sie, die Neuerer! Karen Hoffmann, Mitarbeiter Neuererwesen Problemkreise soziale Sicherheit und Preispolitik sind heute neu zu durchdenken An den Anfang möchte ich meine Position zur Erneuerung in unserem Land mit wenigen Bemerkungen umreißen. Ich halte u. a. all das für gut und erstrebenswert, •was den Sozialismus in der DDR für alle Menschen reicher und at traktiver werden läßt. • was den Sozialismus als Lei stungsgesellschaft gestalten und ent wickeln hilft, O wodurch soziale Sicherheit und Geborgenheit stärker und untrennbar mit den objektiven Bedingungen der Leistungsentwicklung (als der öko nomischen Grundlage der sozialen Sicherheit) verbunden werden, spür bar und verbindlich für jeden ein zelnen, * was die ökonomische Aktions fähigkeit und Flexibilität unserer Republik erhöht, vor allem auch ge genüber äußeren Einwirkungen, • was das Gesamtsystem der sozia listischen Demokratie wahrhaft wei terentwickelt in Richtung des histo rischen Prozesses des Übergangs von der Macht im Namen des Volkes zur Macht des Volkes. Nachfolgend möchte ich meine Auffassung zu den Problemkreisen soziale Sicherheit und Leistungs prinzip äußern, um eventuell mit diesem oder jenem Gedanken An regungen für erforderliche Lösungen zu geben. Ausgehen sollte man von der Wir- kungskette Bedürfnis, Arbeit, Geld, Realisierung des Geldes in materiel len und anderen Leistungen. Bedürf nisbefriedigung. Zur Zeit ist diese Wirkungskette mehrfach gestört. Aus der Analyse der Störungsursachen möchte ich zu mindest folgende wichtige Bedin gungen für die Funktionsfähigkeit der Wirkungskette ableiten: 1. Jeder Mensch muß die Möglich keit haben zu arbeiten (Damit gren ze ich mich eindeutig zu Modellen ab, die die Arbeitslosigkeit als not wendige Bedingung auch für den Wirtschaftsmechanismus im Sozia lismus ansehen). 2. Zu Geld kann man nur über ei gene Arbeit kommen, zu mehr Geld nur durch mehr und bessere Arbeit. 3. Das Geld muß sich in materielle und andere Güter und Leistungen für jeden realisieren lassen. Daraus folgen Anforderungen und Ziele, u. a.: 1. Konsequente Durchsetzung des Leistungsprinzips bis zum einzelnen. 2. Schrittweiser und konsequenter Abbau der großen Diskrepanz zwi schen Geld und Ware (u. a. volks- wirtschafliche Proportionen zwi schen Kauffonds und Warenfonds) über die Planung. Hier ist ein äu ßerst wichtiger Ansatzpunkt für die Qualifizierung der zentralen staat lichen Planung zur Gewährleistung der Einhaltung volkswirtschaftlicher Steuergrößen gegeben. 3. Entschlossener Abbau nicht ge rechtfertigter Beziehungs- und Be- vorrechtungssysteme. Dadurch kann wesentlich beige tragen werden, daß der Sozialismus schrittweise — eine wirkliche Leistungsgesell schaft wird, — auf einer Grundlage ein höheres Maß an Interessenübereinstimmung erreicht und die politisch-moralische Einheit des Volkes gefestigt wird. Außer diesem Grundmechanis mus, welcher die persönliche Lei stung als Kernpunkt und die Sicher heit für einen Arbeitsplatz dem Grunde nach enthält, sollten für die Gestaltung des Systems der sozialen Sicherheit u. a. folgende weiteren Gesichtspunkte als Orientierung gel ten: 1. Einbindung der Sicherheit des Arbeitsplatzes an gesellschaftlichen Mindestverhaltensnormen des ein zelnen, die nicht Banalitäten, son dern wirkliche Anforderungen sein müssen. 2. Bei sozialen Maßnahmen, deren Aufwand ganz oder teilweise von der Gesellschaft getragen wird, muß u. a. gefragt werden: a) Sollen diese Maßnahmen für al le gleichermaßen wirken oder diffe renziert nach sozialen Gruppen? b) Welche Form der Zuwendung bzw. Subvention (Preis oder direkter Zuschlag mit Gewährsbedingun gen) ist der geeignetste zür Durch setzung des Grundsatzes daß die Zuwendung zielsicher bei dem lan det, für den sie gedacht ist? Hier sollte doch stärker die Richtung ein geschlagen werden: Je nach Ge währungsbedingungen erhält jeder von der Gesellschaft einen Sozial betrag. mit dem er eigenverantwort lich wirtschaften kann. Wir sollten auch hier mit Gängelei des einzel nen aufhören. Auch diese eigene Entscheidung ist ein Stück Verant wortung und Mündigkeit des Bür gers. In dem Zusammenhang könn ten die jahrelangen repräsentativen Haushaltsrechnungen von Bürgern, Familien usw. genutzt werden für die Festlegung der Beträge. Daraus müssen dann die entspre chenden Schlußfolgerungen gezogen werden für die sicher etappenweise Gewährung des Sozialbetrages bei gleichzeitiger Veränderung der Prei se. Sicher ist diese Problematik sehr heiß. Andererseits bin ich allerdings der Meinung, daß wir uns der Objek tivität der ökonomischen Gesetze der Warenproduktion einschließlich der Ware-Geld-Beziehungen, der Er höhung der Wirksamkeit des Geldes als allgemeines Äquivalent nicht län ger in Größenordnungen ver schließen können. Damit würden auch die ökonomischen Schäden durch den Schwindelkurs und mas sierte Abkäufe von bestimmten Wa ren durch Ausländer reduziert. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn Stabilität und ökonomische Kraft unserer Wirtschaft das erlauben, kann an eine Änderung der Preise im Zusammenhang mit dem schritt weisen Ausbau der produktgebunde nen Abgaben gedacht werden. 3. Wir müssen unser gesamtes Sy stem von Sozialmaßnahmen ganz sy stematisch danach überprüfen, wie wir Mißbrauch und Schmarotzertum gegenüber der Gesellschaft konse quent unterbinden können. Man kann nicht den Mißbrauch noch, durch Stützungen aus dem Staatshaushalt belohnen. 4. Es ist notwendig . zu dem Grund satz zurückzukehren, daß wir erst besser arbeiten müssen, um dann in der Folge besser zu leben. Wir kön nen nicht auf Vorgriff schon ver brauchen. was wir meinen uns künf tig erarbeiten zu können. Wir brauchen größere tatsächliche Reserven in unserer Wirtschaft, mög lichst zu einem Teil in konvertier barer Währung, um aus ständiger Zwangssituation herauszukommen. 5. “Das Verhältnis Produktivität zu Lohn und seine Entwicklung wird zum Dreh- und Angelpunkt der ge schäftlichen Entwicklung auf lan ge Sicht. In den 90er Jahren brauchen wir ein überdurchschnitt liches Entwicklungsverhältnis zu gunsten der Produktivität. Das Ver hältnis Produktivität zu Lohn wird hier dem Grunde nach für jede n Arbeitsplatz gesehen, also sowohl für die Bereiche der materiellen wie auch außerhalb der materiellen Pro duktion. Dies ist ein grundlegendes Erfordernis unserer Wirtschaftspoli tik, um schrittweise mit jedem Jah resplan die Schere zwischen Geld und Ware zu schließen. In dem Ma ße, wie diese Aufgabe gelöst wird, wird sich die Produktionsweise der Wirtschaft und der gesamten Gesell schaft auf der Grundlage des Lei stungsprinzips stabilisieren. 6. Wenn einerseits die Langfristig keit der Problemlösung herausgeho ben wurde, muß andrerseits aber auch gesagt werden: Bereits jetzt können wir durch bessere und ge rechtere Verteilung des vorhandenen Produkts zu Teillösungen kommen., z. B. können und müssen wir schnellstens darüber nachdenken, wie wir unser gesamtes Arbeits vermögen besser strukturieren und umverteilen. Hier müssen wir bis zu jedem einzelnen Arbeitsplatz, ganz gleich an welcher Stelle, die Frage nach der Wirkung auf die Produkti vität und deren Erhöhung stellen. Die weitere Diskussion um die Er höhung der Eigenverantwortung der Kombinate und Betriebe im Zusam menhang mit Eigenerwirtschaftung und Eigenfinanzierung, die Über legungen zur wesentlichen Umge staltung des gesamten politischen Systems in der Richtung einer spür bar größeren Wirkung für die Stär kung und Weiterentwicklung des So zialismus werden uns noch viele konkrete Wege eröffnen. Vor allem sollten wir der Qualität die un bedingte Priorität vor der Quantität einräumen. Wenn man es richtig an packt. kann weniger auch mehr sein. Abschließend möchte ich noch sa gen, daß mir die Einseitigkeit der gegenwärtigen Diskussion — auch im Herangehen führender Funktio näre — nicht gefällt. Reiseregelun gen und ähnliche Dinge werden oft dargestellt, als ginge es um den end lich zu zeigenden guten Willen, Rei seregelungen und vieles andere sind stabil überhaupt nur möglich, wenn die ökonomischen Grundlagen dazu geschaffen und ständig reproduziert werden. Offensichtlich müssen wir auch den Menschen sagen, daß unser gegenwärtiger Effektivitätsstand nicht alles gleichermaßen, sondern manches leider nur alternativ zu läßt. Wir müssen uns überall, vor al lem aber auch auf ökonomischem Gebiet zur vollen Wahrheit durchringen. Doz. Dr. Freier, Sektion W
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