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Baiern. Der Literat und HauSbesitzer L. Wittmann in LanbShnt, wel cher bei der Schwurgerichtsverhandlung, in der er von der Anklage wegen PreßvergchenS freigesprochen wurde, erklärte: „er sei weder Katholik noch Pro testant, sondern geradeweg Christ", ist, wie die „N. Nachrichten" mittheilen, weil er jede Erklärung über die angeführte Aeußerung verweigerte, vom Or dinariat München-Frcyfing aus der katholischen Kirche ausgeschlossen (cxcom- municirt) worden, und wird die Excommunication heute über 4 Wochen von den Kanzeln LandShutS feierlich verkündet werden. Hannover. Die Aufhebung der Lotterie war bekanntlich feiten der kö niglich hannover'schen Regierung für den 1. Juli 1866 in Aussicht genom men. Die Finanzcommission beider Kammern hat äußern, Vernehmen nach der beabsichtigten Maßnahme der Regierung ihre Zustimmung ertheilt, den Eintritt indessen erst für den 1. Juli 1868 für zulässig erachtet. Schleswig»Holstein. Der Wiener „Botschafter" bemerkt zu der in preußischen Blättern mit Ostentation vorgetragenen Nachricht, Preußen beabsichtige jetzt, einen Haupt waffenplatz in Rendsburg zu errichten, und Hauptmann Schnackenberg von der 6. Artilleriebrigade sei zum Vorstand des ArtillcriedevvtS in RendSbnrg ernannt worden. — „Es scheint, daß man in Berlin, seit die Erwerbung Kiels so gut wie gescheitert ist, an die Umgestaltung Rendsburgs in eine preu ßische Festung denkt. Geht« nicht zu Wasser, so komm ich zu Land. Irgend wo hofft man sich festzubeißen. Wir fürchten indeß noch nichts, trotz des Feuerwerkslcutnants und des Hauptmanns Schnackenberg." Dasselbe Wiener Blatt berichtet im Anschluß an den gestern mitgethciltcn Artikel der „Gen.- Eorresp.": „Wie wir hören, hat auch Preußen bereits seine Bereitwilligkeit zu erkenne» gegeben, den Stand der Garnison in den Herzogthümern zu ver mindern. (Vergl. oben unter „Oesterreich.") Frankreich Paris, 2. Mai. Diesen Abend um 6 Uhr geht der Kaiser in Algier ans Land, wenn kein unvorhergesehenes Ereigniß eintritt. Die Ankunft des Monarchen ward der Bevölkerung der Stadt durch eine Proclamation ange kündigt, in der cS hieß, Sc. Majestät komme, nm mit eigenen Augen zu sehest; seine Reise sei eine Bürgschaft für die Zukunft und eine Zuversicht für das Wohlergehen Algeriens. Der Kaiser wird die Hanptsitze der Verwaltung be suchen, jedoch nicht ins Innere des Landes gehen. Der Kölnischen Zeitung wird angeblich aus sehr gut unterrichteter Quelle «von wo, sagt sic nicht) über ein in Lyon entdecktes Complot Folgendes ge schrieben: " Der Widerstand, den die Reise des Kaisers nach Algier bei den Mini stern fand, beruhte weniger auf politischen Gründen, als auf der vagen Kennt- niß eines ComplotS, das in Lyon zum Ausbruch kommen sollte. Die Ver schworenen (Italiener und einige Polen, wie man sagt, wollten sich am en gen Eingang der Rue Bourbon aufstellen und dort, etwa 60 an der Zahl, über den kaiserlichen Wagen hcrfallen. Vor einigen Tagen (Mittwoch und Donnerstag) ist nun eine Menge der Verschworenen verhaftet worden, und darauf hin wurden die Hindernisse, die der kaiserlichen Reise im Wege standen, als gehoben bettachtet, (zu bemerken ist zu dieser Nachricht, daß bis jetzt noch keine andere Zeitung etwas von dieser Sache meldet.) — In Paris ha ben nun die Schlosser, Schmiede, Wagner, Hutmacher und Färber größten- theilS die Arbeit eingestellt. Das Finanzjournal „l'Jndustrie" konnte am 1. Mai nicht erscheinen, weil auch die Typographen der Druckerei Chaix die Ar beit verweigerten. Schweiz. AuS Schaffhausen, 29. April, meldet die D. Allg. Zeit.: Gestern früh ließ ich einen Brief an Sie abgehen, in welchem ich von dem Gabcn- tcmpel unserS bevorstehenden eidgenössischen Schützenfestes als von einem archi- tektonis-hen Kunstwerke sprach. Noch denselben Tag ist dieser schöne Bau nie dergebrannt. Als Ursache deS Brandes wird angegeben, daß ein Arbeiter aus dem Dache des Gebäudes, das mit Asphalt belegt wurde, ein brennendes Zünd hölzchen wegwarf. Das Fest wird indeß dadurch keinen Aufschub erleiden, da noch hinlänglich Zeit ist, einen andern Gabentempcl zu errichten. Rußland. Die National-Zeitung schreibt aus Petersburg vom 26. April: „Ein Ge rücht gewinnt seit einigen Tagen stark an Festigkeit, obwol mir dessen Glaub würdigkeit noch immer zweifelhaft erscheint. Sofort nach der Rückkehr des Kaisers soll Rußland eine Art parlamentarischer Verfassung, ja sogar die — Ministerverantwortlichkeit erhalten. Unser Parlament soll (man denke!) aus nur Einer Kammer bestehen und zwar soll der jetzige'Senat dazu umgestaltet werden, durch Beigabe einer Anzahl von Repräsentanten ans den schon aus indirekter Wahl hervorgegangenen Gouvernemcntsversammlungen. In dieser hätten der Adel, die Bürger, die Bauern je drei (zusammen neun) Candida- ten zu bezeichnen und der Kaiser dann je einen (zusammen drei) in den Se nat zu berufen, welchem auch die Minister verantwortlich wären. (Uns kommt diese Nachricht vor der Hand wie eine sogenannte — Zeitungsente vor.) Nordamerika. New-Jork, 19. April. Die Kundgebungen der Trauer um Abraham Lincoln gewinnen die großartigsten Dimensionen. Nicht nur Deputationen aus dm Hauptstädten, auch angesehene Bürger waren auf die Nachricht von seinem Tode in Masse nach Washington geeilt. Am Spätabcnd war bekannt lich das Attentat geschehen, und fünf ihrer Riesenspalten brauchte die „Tri bune", um am Morgen ihren Lesern die über den Trauerfall cingegangenen Telegramme mitzutheilen. Noch heute erscheinen die Zeitungen mit Trauer rändern zwischen allen Spalten. Der Armee und den Staatsbeamten ist sechs monatliche Trauer anbefohlen. Militärische und geistliche Ceremonien an den Tagen der Todesseier verstehen sich Von selbst. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang wurden aller halben Stunden Kanonenschüsse gelöst. Von allen öffentlichen Gebäuden wehen Trauerfahnen. Alle Berufsstände, Handel, Industrie, Wissenschaft und Kunst legen ihre Theilnahme an den Tag. Dir Geschäfte werden geschlossen. Diese Kundgebung dehnt sich bis auf daS be nachbarte Canada aus, wo der Mayor von Montreal dazu auffordert. Wer sich unschicklicher Aeußerungen, Freudenbezeugunge» rc. schuldig macht, wird eingesteckt. Die Polizei welche selbst auf 30 Tage Trauer anlegt, hat schon mehrere bekannte Persönlichkeiten deshalb zur Haft gebracht. Wie wird noch der großartige Leichcnzug durch die Hauptstädte der Union wirken! Am 21. soll nämlich die Leiche des Präsidenten zur Eisenbahn gebracht und in kurzen Tagereisen nach seiner Heimath gebracht werden. I» allen bedeutendern Städ ten, welche der Zug passirt, wird Halt gemacht, so daß erst am 3 Mai Springfield erreicht wird. Am 18. war die Leiche des Präsidenten im Man- sionhause öffentlich ausgestellt. Stundenlang vor der bestimmte» Zeit begann sich die Menge vor den Thüren z» sammeln, nnd als dieselben geöffnet wur den, bildeten die Harrenden 4—6 Mann breit cinen Zug von wohl einer Viertelmcile. Viele kehrten um, als sie hiernach die geringe Aussicht, an die Reihe zu kommen, erkannten. ES wird daher vorgeschlagen, den Sarg noch den ganzen Donnerstag im Capitol anözustcllen. Gegen 25,000 Personen sol len heute, zum Theil unter Abschicdrnfen und Thrünen, an den» Todten vor- übcrgezogen sein, dessen Züge durch die Wunde nicht merklich entstellt seien. — Lincoln'S Mörder auf dessen Verhaftung 30,000 Dollars gesetzt sind, ist man noch nicht habhaft geworden, doch glaubt man den Verschwornen den Weg über den Potomac abgeschnitten zu haben, der scharf bewacht wird. New Yorker Berichte melden : Unter den Papieren Lincoln'S wurde der Entwurf einer Amnestie-Proclamation gefunden. Miß Ella Turner, die Geliebte W. Booth'S, hat einen Selbstmordversuch mittelst Chloroform ge macht, wurde jcdoch wieder zur Besinnung gebracht. Aus den gepflogenen Erhebungen geht hervor, daß W. Booth mehrere Stunden vor der Ausführnng des Attentats in der Loge des Präsidenten war nnd daselbst Vorbereitungen getroffen hatte. Ans Boston, 15. April, schreibt man : „Edwin Booth wurde in tiefe Trauer versetzt durch die verzweifelte That seines Bruders. Heute Abend sollte er in einer Abschieds-Vorstellung erscheinen, aber cs heißt jetzt, daß er beschlossen habe, nie wieder ans einer Bühne zu erscheinen." Und ans Cin cinnati vom selben Tage wird gemeldet: „Junins Brutus Booth, Bruder des WilkeS Booth, war heute in Picke's Opernhaus angekündigt; aber eS heißt, daß er sich genöthigt gesehen habe, die Stadt in aller Hast zu verlassen." Königreick Sachsen. Wnrzen, 3. Mai. Eine erschütternde Scene fand heute früh auf dem hiesigen Bahnhöfe statt. Es sollten nämlich mit dem um ^7 Uhr von hier nach Dresden gehenden Zuge zwei geisteskranke Frauenzimmer, Mutter und Tochter nach dem Sonncnstein geschafft werden. Sie wollten jedoch nicht gut willig einsteigen nnd gewährten durch ihr herzzereißendeS Schreien nnd Klagen und durch ihre nur mit Mühe bewältigten Versuche, sich zu befreien, ein alle Passagiere aufs Tiefste ergreifendes Schauspiel. Die Unglücklichen sind Ein wohner aus dem Dorfe Deuben, die bei dem letzten Brande daselbst ihr HauS verloren hatten und in Folge dcS Schreckes beim Ausbruch des Feuers wahn sinnig geworden waren. Crimmitschan, 4. Mai. Gestern Mittag gegen 12 Uhr brach auf bis jetzt noch nicht ermittelte Weise Feuer aus und legte 31 Scheune» mit vielen Vorräthcn an Holz, Stroh, Wagen und andere» Geräthschaften in Asche. Die Gluth des Feuers, die unter solchen Umständen auf das Höchste gesteigert wor den war, hatte bereits die anstehenden Häuser ergriffen, welche nur durch die angestrengteste Thätigkeit der Löschmannschaften gerettet werden konnte». Die Fürstlich Schönburgische Gerichtsbarkeit wird mit diesem Monat ihr Ende erreichen und am 1. Juni d. Js. in Glauchan ein königl. sächs. Bezirks gericht eröffnet werden. Feuilleton. Wer Wriminat-Msscssor unö öie Wchloffersfran. (Fortsetzung.) Arthur fand keinen Gefallen an der Gesellschaft dieses Menschen, im Ge gentheil, er verabscheute ihn wegen der geheimen Freßlust, die er an den Tag legte; aber er wünschte nicht, daß irgend Jemand den guten Ruf Mariens ge fährde» könne durch die Behauptung, er habe mit ihr geheime Zusammen künfte. So unliebsam ihm Leonhardt auch war, so gab derselbe doch immer einen Zeugen ab, welcher der Wahrheit gemäß bestätigen konnte, daß die Be suche des Grafen bei Marien stets unter seinen Augen geschähen. Während der Zeit, daß Arthur mit Baron von Witzen sich auf einer mehrere Tage in Ansprnch nehmenden Gebirgspartie befand, hatte Marie ci nen neuen Wohnungsnachbar, den OberappcllationSrath Brennlich, erhalten. Obwohl sie mit diesem alten gichtischen Herren in keinerlei Berührung kam, so wnrde ihr dessen Nachbarschaft doch sehr unbequeme, denn sein Enkel der zeit Referentar, welcher ihn hierher begleitet hatte, machte sich ihr bald bemerklich. Dieser junge Mann erwies sich als ihr Bewunderer und zwar mit einen solchen Eifer, daß Marie sich dadurch unangenehm berührt fühlte. Mit Ar- guSaugen bewachte er ihre Ausgänge; jeder Schritt den sie aus ihrer Woh- nuug that, unterlag seiner Beobachtung; er schien in dem kleinem Entree, der Wohnung seines ÖnkelS, die nur durch den schmalen Gang zur Treppe vou der Mariens getrennt war, förmlich auf der Lauer zu liegen. Sobald sie aus ihrer Wohnung trat, öffnete sich auch regelmäßig die jenseitige Thür und der Referentar stellte sich mitten in dieselbe und verbeugte sich schweigend. Viel leicht wäre unter andern Umstünde» diese stumme Huldigung Marie» nicht so widerlich und belästigend gewesen, als sie eö jetzt war; sie erschien ihr osttöS, beleidigend, und besonders war es der funkelnde Blick der grau grünlich schil lernden Farbe seiner Augen, der ihr besonders unangenehm wurde. Um dieser fatalen Musterung enthoben zu sein, und ihn auf dicUnschick- > lichkeit seines-Benehmens aufmerksam zu machen, sagte sic gelegentlich, alö cr