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Italien. Turin, 12. Mai. Die Actions-Partei soll Miene machen, durch die gegenwärtige Haltung der Regierung Rom gegenüber ihre bisherigen Rücksich ten fallen zu lassen. Man spricht nicht bloß von herausfordernden Kundge bungen, welche Mazzini vorbereitet, um noch vor Ende dieses Monats durch bewaffnetes Ueberschreiten der Venetianischen Gränze die Regierung aufmerk sam darauf zu machen, wie weit Italien noch von seiner vollständigen Ein heit entfernt sei und wie wenig man sich in der Lage befinde, die große Be wegung im Sande der Diplomatie verlaufen zu lassen, sondern man spricht sogar auch davon, Garibaldi beabsichtige, von Caprera herüber zu kommen und zu energischem Vorgehen zu drängen. An Mönchen und Nonnen leidet Italien durchaus keinen Mangel. Das Diritto vom 12. d. M. gibt folgende Uebersicht über die Anzahl der religiö sen Orden in Italien. Es gibt ihrer 84, von denen 38 Mönchsorden und 46 Nonnenorden sind: 80 sind besitzende und 4 Bettlerorden. Es gehören diesen Orden 28991 Personen an, nämlich 17807 Männer und 14184 Frauen, und davon 20252 für die besitzenden Orden und 8229 für die Bettelorden. Es gibt 2382 geistliche Gebäude, 1506 für Männer und 876 für Frauen; 1724 gehören den besitzenden Orden und 758 den Bettlerorden. Nordamerika. Die Südstaatler zählen doch einen großen Theil recht rachsüchtiger, moralisch ganz verkommener und wirklich abscheulicher Menschen. Nachdem nunmehr die Südstaatcn vollständig im Kriege geschlagen und ihre Sache total verloren haben, gibt eS Einzelne, die von der niedrigsten und schändlichsten Rachsucht getrieben, zu den verwerflichsten und teuflischsten Mitteln greifen, um den Nordstaaten Schaden und Unheil zu verursachen. Hier folgen einige Beispiele zu unserer eben aufgestellten Behauptung. AuS Bermuda wird berichtet, daß der dortige Vereinigten Staäten- Consul einen Anschlag entdeckt habe, das gelbe Fieber in New-Jork einzu schmuggeln. Es erhellt, daß ein ve Blackbnrn von Wilmington einem nach New-Jork abgehenden Schiffe eine Anzahl Ballen, Kleider rc. aus dem Hos pital für Gelbe-Fieberkranke enthaltend, übergeben wollte. Die gefährliche Fracht wurde auf die Anzeige des ConsulS hier verbrannt. — Die Behörden der Stadt Philadelphia sind vor einem BrandstiftungScomplot gewarnt wor den, dessen Existenz durch die Entdeckung eines sorgfältig ausgearbeiteten Pla nes bekannt geworden ist. Die Regierung, heißt cs, habe in Erfahrung ge bracht, daß eine Bande von 800 Verschworenen auf die Einäscherung der be- deutendern Städte im Norden ausgehe. — Auch in Charleston ist der „Bo- .ston Post" zufolge eine dem Ausbruch nahe gewesene Verschwörung entdeckt worden. An der Spitze derselben standen die farbigen Regimenter, welche erst ihre weißen Offiziere auS dem Wege schaffen, sich hierauf der Stadt bemäch tigen und schließlich alle Weißen ermorden wollten. Zum Glück wurde das Complot rechtzeitig entdeckt, und die schwarze Truppe durch ein Ncw-Iorker Regiment abgelöst. Von den Rädelsführern sollen vier oder fünf sofort er schossen worden, zehn andere in Gewahrsam sein. New York, 6. Mai. Eine Proklamation des Präsidenten Johnson schreibt eine Belohnung von hunderttausend Dollars aus für Ergreifung von Jeffer son Davis, als Mitschuldigen am Morde Lincolns. Davis ist in Südcaro lina angelangt, verfolgt von Stoneman. Der A. Ztg. wird aus Newyork geschrieben: Lincoln war, als er zum Präsidenten gewählt wurde, ein nach hiesigen Maßstäben armer Mann; sein ganzes Vermögen mochte sich auf 6000 Dollars belaufen, die mühsame Er- sparniß einer zwanzigjährigen Praxis. Bon seinem Gehalte kann auch der anspruchsloseste Präsident nichts ersparen, am wenigsten, wenn er ihn in einer cutwertheten Valuta empfängt; denn die auch iu einen Bericht Ihres Wa shingtoner Correspondenten übergegangene Behauptung, daß der Verstorbene sich seinen Gehalt habe in Gold auszahlen lassen, war eine von den tausend elenden Verleumdungen, die der Parteihaß erfunden hatte. Der Wiederbe gründer der Republik, der Mann, dessen Name von allen künftigen Geschlech tern unmittelbar neben den Washington'S gesetzt werden wird, ist als ein ar mer gestorben. Das Volk erkennt seine Pflicht, der hinterlassenen Familie ein auskömmliches Vermögen zu sichern, und wird ihr vorläufig die Summe von 100,000 Dollar- geben, die der Verstorbene, während der Amtszeit, für wel che er gewählt war, bezogen haben würde. Dem Congreß wird es dann ob liegen, das Weitere zu thun. Feuilleton. Mer Mnmniak-Assessor unö die (Fortsetzung.) Capitel 5. Mit dieser Stunde hatte das glückliche Stillleben in Meister Nestlers Hanse seine Endschaft erreicht und der tiefste Kummer war an dessen Stelle getreten. Die Untersuchung Hegen Fran Marie war vom Crimmalgericht ein geleitet worden; ihre Aussage, die lm»ge schon zu den Todten gehörende Fran Barby, ihre Wirthin zu Güstrow, habe sie sogar an das Grab ihres Kindes geführt, ließ dem Verdachte eimS, an dem von ihr Neugebornen in der Ver zweiflung verübten Mordes — und ihre damalige Lage war ganz geeignet ein solches Verbrechen in ihrem Geiste entstehen und zur Thatsache werden zn las sen — einen allzu großen Spielraum und zeugte daher auch nicht für ihre Schuldlosigkeit. Gravirend für sie ivaren die Aussagen der noch am Leben befindlichen Nachbarn der Frau Barby. Sie erinnerten sich trotz der langen Zeit sämmt- lich, daß wenn sk die damals bei der Frau wohnende Schauspielerin Marie K tinMM gesehen hätten, wa» allerdings sehr seltenen geschehen sei, an ihr sehr rothe, von vielen Thränen entzündet« und geschwollene Augenlieder zu bemerken gewesen wären ; auch habe sie sehr scheu gethan und Niemand an geblickt. Eine MaurerSwittwe mit ihrer Tochter, damals der Frau Barby nächste Nachbarn, in ein und demselben Stockwerk wohnend, erklärten bestimmt, einigemal den Schrei eine- Säuglings in deren Wohnung gehört zu haben; aber Niemand von allen konnte sich eines Umstandes erinnern, der auf ei» Begräbnisses des Kindes gedeutet hätte. Schließlich erklärten sümmtliche Zeu gen, daß Frau Barby eben keine mittheilungslustigc Nachbarin gewesen und sie (die Nachbarn) geglaubt Hütten, da jede Spur von des Kindes Dasein ver schollen, dasselbe sei auf die Ziehe gegeben worden, was bei der schweren Krankheit Mariens ihnen auch denkbar erschienen. Meister Nestler brach unter dem entsetzlichen Ereignisse, das so unerwar tet sein HauSglück betroffen, fast zusammen. Nur selten kam der Mann noch in seine Werkstatt, er fühlte, wie cs schien, Scheu vor seinen eigenen Leuten. Der Mecklenburger legte es absichtlich darauf an, ihn zu kränken, denn er stimmte an seinem Schraubstock feilend, wenn Meister Nestler eintrat, gewöhn lich zotige Lieder an, die leicht als Anspielung auf der Meisterin Vergangen heit zu deuten waren. Diesen rohen Gesellen jetzt fortznschicken, mar gegen des Meisters eigenes Gefühl. Er wollte Niemand Anlaß gebe» zu dem Ge danken: er suche im Unglück Rache zu nehmen. Am schlimmsten hatte cS Gottlieb; der Mecklenburger turbirte ihn auf alle Weise. Der arme Junge, nichts von dem schrecklichen Verbrechen verstehend, um dcsscntwillen seine Meisterin in Untersuchungshaft saß, litt doppelt durch den Kummer um ihr Schicksal und die sich nun bis zu Handgreiflichkeiten steigernden Mißhandlungen des Mecklenburgers gegen seine Person. Heinrich, sein Lehrkamcrad, wollte sich halb todt lachen wenn ihm der rohe Mensch ei nen tüchtigen Fußtritt gab oder ihn bei den Haaren beutelte und hinterher ihm znrief: „Geh, Kühjunge, klag's Deiner säubern Frau Meisterin — sitzt in der Büttelei — hinter eisernen Vorhängen — würde sich nicht mehr über mich moquiren, wenn sie nnr hier sein dürfte." „Na, warum dämmst Du denn jetzt nicht auf, wenn der Mecklenburger Dich tractirt," fragte Heinrich, der bald Ausgelernte spottend. Gottlieb schien die Frage nicht gehört zu haben; er starrte stumm zn Boden. Mit einem Schimpfwort mahnte Heinrich ihm Antwort zu geben. Gottlieb hob langsam die Augen aus. „Dir möchte es Spaß machen," sagte er. „Versteht sich und welchen!" „Aber dem Mecklenburger nicht." Weiter äußerte Gottlieb nichts; aber daß in ihm tiefer Groll kochte, ver kündete das Beben seiner Glieder, seine Lippen kniffen sich fest aufeinander und ein paar schwere Tropfen fielen aus seinen Augen. Der Mecklenburger erfuhr von Heinrich alles wieder und überbot sich i» seinen bisherigen Bestrebungen, den armen Lchrburschen zu mißhandeln, der jetzt von keiner Seite Hilfe hatte, denn mit dem Meister war eben nur das Nöthigste zu sprechen, was auf die Arbeit Bezug hatte und die Meisterin saß im Criminalgefängniß. Schweigend ertrug der Aermste die Rohheiten seines Feindes, den selbst seine Mitgesellen auf die Selbstbeschimpfung aufmerksam machten, die er sich durch diese Quälereien an dem wehrlosen Knabe» znziehe. Wie war alles für Gottlieb so verwandelt im Haufe. Er hatte sich täg lich auf die Abendstunden gefreuet, wenn er der Frau Meisterin Wasser zum Gießen der Beete zntragen durfte, und sie mit ihm so gütig sprach, als hätte sie ihn so lieb wie ihre eigenen Kinder, und jetzt? Der Garten war öde, nur das Mädchen mit den Kinden darin; aber auch bei denen fehlte die Freude; denn die Nachbarskinder, ihre Spielgenossen, blieben ihnen jetzt fern; deren Eltern hatten Scheu, sie mit den Kindern einer Kindesmörderin Umgang pflegen zu lassen. Man fällt jederzeit leicht die härtesten Urtheile über den, auf dem der Verdacht einer schlimmen That ruht, wenn auch dieselbe mit dem ganzen We sen desselben nicht in Einklang steht. Es schien, als ob der feindlichste Wintersturm das Haus Meister Nestlcr'S durch rast und alles warm fröhliche Leben darin im Nu vernichtet hätte. Sein ruhiges bürgerliches Glück war zerstört, selbst das Mitleid, welches man dem braven arbeit samen Manne zollte, wurde eine drückende Last für ihn. Kam er irgendwohin, ver stummten die Gespräche. In den meisten Fällen mochten sie vielleicht nicht einmal dem Unglück gegolten haben, das ihn durch sein Weib getroffen, vielleicht ganz gleichgültige Vorkommnisse zum Gegenstand gehabt Haden, aber man schwieg aus Rücksichten für ihn; man wollte gern Alles vermeiden, was ihn unange nehm berühren und er als Anspielung auf den harten Schicksalsschlag, unter dem sein Hans so öde und traurig geworden, hätte auslegen können. DaS waren die Guten, die sich nicht des Unglückes ihres Mitbürgers freneten; doch es gab auch viele Schlimme, viele Schadenfrohe, denen kein Thema erwünsch ter kommt, als eins, das Stoff für ihre lieblosen Zungen bietet. (Fortsetzung folgt.) " In München hat sich in den letzte» Tagen ein kleines, den Zukunftskreisen angehöriges, sociales Vommnitz begeben welches, nachdem es jetzt genügend constatirt ist, nicht ganz mit Stillschweigen übergangen werden darf, weil es möglicherweise noch weitere Folgen haben kann. Bei einer der letzten Proben von R. Wagner' - Oper „Tristan und Isolde", welche Herr Hans v. Bülow als Dirigent leitet, stellte letzterer das Verlangen, daß dem Orchester, welches nicht Raum genug habe, mich noch die erste Reihe der Sperrsitze eingeräumt werde. Als ihm darauf von compe- teuter Seite erwidert wurde: in diesem Falle würden 40 Sitze für das Publikum (und die Kasse) verloren gehen, solle Herr v. Bülow entgegnet haben: „Was thut das denn? Dann werden eben 40 Schweinehunde weniger im Theater Platz haben." ' Als Seitenstück kann ein Vorfall gelten, der sich vor mehrern Jahre» im Dresdner Hoftheater zutrug, und der, so viel wir wissen, bis jetzt ungerügt blieb. Bei Aufführung desConcerteS „Prometheus" vou Liszt, welches, wie vielen unserer Leser noch erinnerlich sein wird, von dem Componiste» selbst dirigirt wurde, erlaubte sich das Publikum einige mißbilligende Aeuherungen, in Folge deren der anwesende Herr von Bülow sich von der erste» Bank de« Parquets erhob, sich mlt gebieterischer Geberde nach den, unruhigen Publikum umwandte und ihm das Wort „l^anaille!" zuschleuderte. Diese Aeuherung harmonirt ganz und gar mit den „40 Schweinehun den" und zeugt sür dir Achtung, in welcher da« Publikum bei Herr» von Bülow steht.