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u "V-- 434 Tagesgeschichte. Deutschland. Preußen. Berlin, 4. Mai. Vom 15. d. M. ab wird die Vermit telung von Zahlungs-Anweisungen unter und bis 50 Thlr. auch durch den Telegraphen zulässig sein, und zwar übernehmen die innerhalb deö preußischen PostgebietS belegenen StaatS-Telegraphen-Statione» die Anweisungen nach an deren Orten des preußischen PostgebietS. Reicht die Verbindung durch den StaatS-Telegraphen nur streckenweise, so wird zur Weiterbeförderung der De peschen die Post benutzt. Behufs der ZahlungS-Vermittelung ist der Tele graphen-Station des Aufgabeorts gleichzeitig mit dem auszuzahlenden Betrage eine Depeschen-Anweisung zu übergeben mit genauer Adresse des Empfängers und dem Bestimmungsort nebst Angabe deS eingezahlten Betrages in Buch staben und Ziffern. Unter der Rubrik „Sonstiges" kann die Depeschen-An- weisung noch Mittheilungen für den Empfänger enthalten. Derartige Mit- theilungen muß der Absender unterschreiben, sonst ist die Unterschrift des Ab senders immerhin zulässig, aber nicht nothwendig. Die Depeschen-Anmeisungen werden dem Publicum unentgeltlich geliefert. Von dem Absender sind an Ge bühren zu entrichten: 1) Der Betrag für Beförderung der Depeschen-Anweisung vom Aufgabe- bis zum Zahlungsorte, nach den gewöhnlichen Sätzen. Dieser Gebühr t^tt, im Falle die Depeschen-Anweisung von der letzten Telegraphen- Station mit der Post weiter zu befördern ist, eine Gebühr nach dem Satze von 6 Sgr. zu. Ist die Adressirnng poste rvztrnt« erfolgt, so tritt noch eine Gebühr von 2 Sgr. ein. 2) Eüie Gebühr für die Einzahlung bis 25 Thlr. und beziehentlich über 25 bis 50 Thlr. Die Garantie für richtige Auszahlung des Geldbetrages ist dieselbe, wie bei den Post-Anweisungen. Was mit Sicherheit vorauszusehen war und was wir auch bereit- vor acht Tagen vorausgesagt haben, ist in Erfüllung gegangen: Das Abgeordne tenhaus hat das neue Militürgesetz mit einer Ungeheuern Majorität — mit 258 gegen 33 Stimmen — in der Sitzung am 5. Mai abgeworfen. Alle Anstrengungen des Kriegsministers waren sonach vergeblich, die Gesetzesvorlage zu retten und in der Sitzung am 5. Mai ging cs abermals sehr heiß und hart her. Der Hauptredner in der Sitzung am 5. Mai war der Berichter statter vr Gneist. Wir sind, wegen deS Raumes, nur im Stande den Schluß seiner mächtigen Rede hier mitzutheilen. vr Gneist betont schließlich, daß die behauptete Versöhnlichkeit der Regierung lediglich in Worten bestehe und wie es klägliche Verdrehung der Wahrheit sei, wenn nian dem Könige sage, das Haus wolle die Macht der Krone schmälern oder ein Parlamentsheer cin- führen. Dann schließt er: „Der Kriegsminister ist von der Bortrefflichkeit seiner Schöpfung überzeugt, das bezweifle ich nicht. Er ist ein politischer und auch ein religiöser Mann, und darum frage ich ihn: ob er denn wol glauben kann, daß diese Reorganisation mit dein Kainszeichen des Eidbruches an der Stirn — (Lärm auf der äußersten Rechten; Bewegung links. Erneuertes Murren recht-, wiederholte- Bravo! links. Der Präsident ist genöthigt, die Rnhe mit der Glocke herzustellen.) bestehen würde!" (Zischen auf der äußersten Rechten, stürmisches Bravo links). Der Kriegsminister: Zu sachlichen Widerlegungen werde ich bei derSpe- cialdi-cussion Gelegenheit haben; jetzt habe ich nnr eine persönliche Bemerkung zu machen. Der Referent hat mich einen politischen Mann genannt, jedoch mit Unrecht; er hat mich dann einen religiösen Mann genannt, ich könnte ihm dankbar dafür sein, wenigsten- ist immer mein Streben gewesen, diesen Namen zu verdiene». Aber er hat die- in Verbindung gebracht mit dem Kains zeichen deS Verfassnngs- und Eidbruchs, den die von mir vertretene Armee reorganisation, wie er behauptet, an der Stirn trage. Darin liegt ein so schwerer persönlicher Vorwurf, wie er in allen Parlamenten Europas noch nicht vorgekommen ist, und ich muß mich wundern, daß der Herr Präsident den Referenten deshalb nicht zur Ordnung gerufen hat. Nachdem dies jedoch nicht geschehen, bleibt mir nicht- übrig, als die Erklärungen des Referenten über die Reorganisation meinerseits dahin zu beantworten, daß dieselben eine Ueberhebung und Unverschämtheit sind. (O, o! und Lärm link-, Bravo! rechts.) Bicepräsident v. Unruh: Ich gebe zu, daß der vom Referenten gebrauchte Ausdruck in Parlamenten wenig vorkommt, aber doch mar ich nicht in der Lage, den Herrn Referenten unterbrechen zu können, weil ich überzeugt bin, daß die Aufrechthaltung der Reorganisation ohne Eid- und Verfassungsbruch nicht möglich ist. UebrigenS hat jetzt der Herr Kriegsminister selbst die par lamentarischen Grenzen weit überschritten und das Präsidium wird bei ähn lichem Verhalten künftig wol kaum noch in der Lage sein, die Minister schützen zu können. Da- Endergebniß der Debatte wqz; aber, wie schon oben mitgetheilt, die Verwerfung der Regierungsvorlage nzit einer großartigen Majorität. So viel steht uunmehr unbestritten fest: Das Ministerium Bismarck bringt mit diesem Abgeordnetenhause die Militärreorganisation nicht zum Abschluß. Welchen Weg man nun Seiten der Regierung einschlageu wird, muß abgewartet wer den. — Hier wieder ein Beweis, welcher kecke und herausfordernde Ton jetzt von manchen preußischen Zeitungen angeschlagen wird. So schreibt der„Pu- blicist" in einer seiner neusten Nr.: Die Demokratie in Preußen muß den Einheitsstaat und zwar um jeden Preis wollen. Der deutsche Bundesstaat mit seinen 30 Fürsten mag für alle diejenigen, die in Schlafrock und Pan toffeln die Revolution machen möchten, ein bequeme- Aushängeschild sein, um ihre Freiheit dahinter zu verstecken. Die Demokratie, die sich ihrer klaren Ziele und ihrer rücksichtslosen Energie zu rühmen gewohnt ist, wird alle Halb heiten verachten und die Annexion als den einzigen, wenngleich minder gefahr vollen Weg mit der ganzen Macht ihres großen Einflusses energisch fordern, Berlin, 1. Mai. In Folge deS Gtrike der Schneidergescllen ist heute ein Commerzienrath in zerrissenem Leibrock an der Börse erschienen. Sollte diese Arbeitseinstellung noch einige Wochen dauern, so sind selbst hier varadie- sische Zustände zu erwarten. * » Nassau. Der Landtag ist am 4. Mai aufgelöst worden, nachdem der Streit unter den Mitgliedern der Rechten und Linken mehre Wochen lang gedauert hatte. Die Motivirung Seiten der Regierung über die beschlossene Auflösung lautet in der Hauptsache: Nachdem sich durch da- Ausbleiben der Minorität aus der II. Kammer die Fortführung der Geschäfte dort, und durch das Aus scheiden von 20 Mitgliedern aus der Ständcversammlung die Bewilligung der Steuern als unmöglich erwiesen, habe der Herzog die Auflösung der Stünde- versammlung verfügt. Krankreick Paris, 4. Mai. Man beruhigt sich immer mehr über die Abwesenheit des Kaisers, und die Berichte, welche dieser an seine Gemahlin schreibt, lau ten sehr günstig. — Wir sehen einem Senatsbeschlusse entgegen, welcher Co chinchina zu einer französischen Colonie erklärt. — In Nordamerica soll die Stimmung gegen einige fremde Mächte, und unter diesen gegen Frankreich, einen Augenblick eine so schlimme gewesen sein, daß Contre-Admiral Bosse, der Commandant der französischen Schiffs-Division in den amerikanische» Ge wässern, Befehl erhalten hat, in keinen Hafen der Bereinigten Staaten von Nordamerika einznlaufen, nm nicht zu unbequem werden könnenden Kundge bungen Anlaß zu geben. Paris, 4. Mai. Der Telegraph meldet heute die glücklich erfolgte An kunst des Kaisers in Algier, wo er mit großem Jubel empfangen worden. DaS Meer war während der Ueberfahrt etwa- unruhig, aber der Kaiser er freute sich während der ganzen Reise des besten Wohlseins. Sämmtliche Maire- und Provinzialräthe der afrikanischen Colonie befinden sich gegenwärtig in Al gier, nm die Interessen und Wünsche ihrer Bezirke dem Kaiser vorzutragen. Bezüglich der Rückreise LouiS Napoleons ist noch kein definitiver Plan festge stellt. England. London, 4. Mai. Berichte ans Newhork vom 22. April melden: Prä sident Johnson erklärte beim Empfang des englischen Gesandten und seines Personals: Civilisation und Menschlichkeit erfordern gute Beziehungen zwischen England und Amerika, und er müsse anerkennen, daß die Königin Victoria stet- eine union-freundliche Gesinnung an den Tag gelegt habe. — In Washing ton und Newyork ist die Initiative zu einer öffentlichen Subscription im Be trage von einer Million Dollars ergriffen worden, welcher Betrag demjenigen, der Booth lebendig einlicfert, auSgezahlt werden soll. London, 4. Mai. Die amerikanischen Blätter veröffentlichen ein au- dem Jahre 1864 datirendeS Schreiben W. Booth's, worin er sich in der ent schiedensten Weise dahin ausspricht, daß die Secession eine gerechte Sache und die Sklaverei eine der größten Wohlthnten sei, die Gott einer begünstigten Nation zuwenden konnte. Booth erklärt in diesem Schreiben, er sei stolz darauf, zur Hinrichtung des Abolitionisten John Brown durch dessen Verhaf- ung beigetragen zu haben. Alle Gesinnungsgenossen Brown's im Norden ver dienten den Galgen. Belgien. Brüssel, 3. Mai. Der König leidet an einer Hnntwassersucht, und wir müsse» zu unserm tiefen Leidwesen die traurige Mittheilung machen, daß die Aerzte, trotz der optimistischen Zeitungsnachrichten, an seinem Aufkommen verzweifeln. Wie uns versichert wird, dürfte Belgien höchstens noch einige Wochen lang seinen vielgeliebten und in der ganzen Welt so hochgeachteten Monarchen besitzen. Nordamerika. Newyok, 19. April. Ucber den neuen Präsidenten nud dessen Familie bringen die amerikanischen Blätter noch folgende Notizen: Die Familie des Präsidenten Johnson wohnt gegenwärtig zu Nashville in Tennessee. Sein Sohn Robert ist 29, sein Sohn Andrew 12 Jahre alt; sein Sohn Charles fand als Militärarzt im Jahre 1863 seinen Tod durch einen Sturz vom Pferde. Einer seiner Schwiegersöhne, Oberst Stover, fiel an der Spitze sei nes Regiments in der Schlacht bei Nashville am 18. December vorigen Jah res; sein zweiter Schwiegersohn ist Richter Patterson in Nashville. Die vie len Drangsale und Verfolgungen, von denen der unionstrene Johnson und seine Familie während der siidstaatlichen Militärhcrr^chaft in Tenncsse heim gesucht wurden, haben die Gesundheit der Frau Johnson so sehr erschüttert, daß MN ihrer Stelle wahrscheinlich die Tochter, die Wittwe des Obersten Sto ver, dem Haushalte des Präsidenten vorstehen wird. — Folgende Worte ei nes Correspondenten, welcher Herrn Johnson vor dessen Wahl zum Viceprä sidenten in Nashville besuchte, haben, im Juli vorigen Jahres geschrieben, jetzt ein doppeltes Interesse gewonnen: „Ich fand in Andrew Johnson einen ru higen, einfachen, nichts weniger als anmaßenden Mann von mittlerer Größe, mit breiter, wohlgebauter Stirn und intelligenten Zügen. In der Unterhal tung war er bedachtsam und gemessen. Er beklagte die Lage des Volkes, den Druck, den die Aristokratie ausübte, den Mangel einer Mittelklasse; aus Al lem, was er sagte, sprachen Scharfsinn und ein practischer Blick. Wenn die Wahl auf ihn füllt, so wird Lincoln eine tüchtige, verläßliche Stütze an. ihm haben, und sollte Lincoln durch den Tod seinem Wirkungskreise entrissen wer den, einen tüchtigen und weisen Nachfolger." Könistreick Sachfen. Heute Sonnabend früh 8 Uhr ist ein den Herren Richter u. Comp. zu gehöriges und H Meile von Freiberg im Muldenthale gelegene- Pulvermerk durch eine Explosion in die Luft geschleudert worden. Leider sind dabei auch zwei Menschenleben zu beklagen, die, wie ich höre, in den Werken beschäftigt waren. Der Eine von diesen, Namens Müller, ist noch nich lange von Bau tzen nach hier übergesiedelt und Vater von 8 Kinderm Der Andere ein alter Arbeiter, auch Familienvater, hatte bereits zwei solcher Explosionen, u. A. die vor zwei Jahren in demselben Etablissement stattgefundene, erlebt, ohne Scha den genommen zu haben. Die Ursache dieser Explosion ist noch unbekannt, und wurde dieselbe hier in Freiberg nicht einmal wahrgenommen.