Volltext Seite (XML)
In der ärmlich kleinen Kammer, Matt vom Lichtstumpf nur erhellt, Liegt der Kranke auf dem Lager. — Eben hat er mit dem Tod Wild verzweifelnd noch gerungen. Nun sank er erschöpft in Schlaf, Und der Wanduhr leises Ticken Nur vernimmst du im Gemach, Dessen grauenvolle Stille Todesnähe ahnen läßt. Um des Kranken bleiche Züge Spielt ein Lächeln wehmutsvoll. Träumt er an des Lebens Grenze Von der Kindheit goldner Zeit? Doch nicht lange gönnt der Tod Seinem Opfer Schlaf und Träume. Grausam rüttelt er ihn auf, Und beginnt den Kampf aufs neue. Lebenstrieb und Todesmacht! Welch entsetzen voll es Ringen! — Keiner trägt den Sieg davon, Und noch einmal wird es stille! Kampfesmüd zurück gesunken, Schlaflos, wie im Fieberwahn, Zug um Zug und Bild um Bild, Inn’rem Aug’ vorüberschweben. Erst der Kindheit Morgenrot, Hold in reiner Unschuld leuchtend! Dann des Jünglings keck’res Spiel — — Kräfte übend und erprobend Bis er reift zum Männerkampf, Der um höchste Lebensgüter Nun mit heißer Lust entbrennt. — Was ihm je verklärt erschien, Noch verklärter zu gestalten, Dies allein der hohe Drang, Der durchs Leben ihn geleitet. Kalt und höhnend setzt die Welt Schrank auf Schranke seinem Drän- Glaubt er sich dem Ziele nah, [gen, Donnert ihm ein „Halt“ entgegen: „Mach die Schranke dir zur Staffel,“ „Immer höher nur hinan!“ Also drängt er, also klimmt er, Läßt nicht ab vom heil’gen Drang. Was er so von je gesucht Mit des Herzens tiefstem Sehnen, Sucht er noch im Todesschweiß, Suchet ach und findet nimmer. Ob ePs deutlicher auch faßt, Ob es mählich auch ihm wachse. Kann er’s doch erschöpfen nie, Kann es nicht im Geist vollenden. Da erdröhnt der letzte Schlag Von des Todes Eisenhammer, Bricht den Erdenleib entzwei, Deckt mit Todesnacht das Auge. Aber mächtig tönet ihm Aus dem Himmelsraum entgegen, Was er sehnend hier gesucht: Welterlösung, Weltverklärung! Kammermusik Nr. 4 von Hindemlth Paul Hindemith, geb. 1895 in Hanau, Schüler von Arnold Mendelssohn und Bernhard Sekles, die stärkste musikantische Begabung der Neuesten. Durch die Uraufführung seiner Oper: „Cardillac“ (9. November 1926 in Dresden) ist in den letzten Tagen genug über ihn geschrieben und gesprochen *) Die diesen Programmen beigegebenen Erläuterungen sollen nicht verpflichten, aus den Tonfolgen gerade das Oesagte herauszuhören. Die reine Instrumentalmusik ist oft mehrdeutig, und kurze Worte können denen, die danach verlangen, nur einen von mehreren Wegen des Verstehens aufzeigen. Kr. ERLÄUTERUNGE N*> : Tod und Verklärung von Richard Strauß Richard Strauß, geboren 1864, schrieb diese seine populärste Ton dichtung im 25. Lebensjahre. Sie wird vermutlich länger leben, als manches seiner anderen sinfonischen Werke, bei denen man stellenweise schon heute das Nagen des Zahnes der Zeit merkt. Die folgende, von Alexander Ritter nach Entstehen des Werkes verfaßte Dichtung gibt eine gute Deutung der Tonfolgen.