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Mozarts brieflicher Bekenntnisse, daß das Leben jeden Beiz für ihn ver loren habe“, sagt Alfred Einstein in seinem hochbedeutenden Mozart- Buch. „Er hatte zwei furchtbare Jahre hinter sich, Jahre der Enttäuschung in jedem Sinne, und das Jahr 1790 war noch furchtbarer gewesen als das Jahr 1789. Und er lehnt sich nicht mehr auf gegen sein Schicksal wie in der g-Moll-Sinfonie, zu der dies Konzert eine Art von Komplement ist, und nicht bloß in der tonartlichen Beziehung ... Die Resignation bedient sich nicht mehr lauter oder starker Ausbrüche; alle Regungen der Energie werden abgewiesen oder abgedämpft; aber um so unheimlicher sind die Abgründe der Trauer, die in den Schattierungen und Ausweichungen der Harmonik berührt werden .. . Dies letzte Klavierkonzert ist auch wieder um ein Werk letzter Meisterschaft in der Erfindung — Erfindung von jener uns bekannten .zweiten Naivität“, reichster und innigster Beziehung zwi schen Solo und Tutti, des transparenten Klanges, der Verschmelzung von .Galant“ und .Gelehrt“. Sie ist so vollkommen, daß die Frage des Stils we senlos geworden ist. Der Abschied ist zugleich die Gewißheit der Unsterb lichkeit.“ In diesem zu Unrecht weniger bekannten Werk hat Mozart eine einzig artige Einheitlichkeit und Verinnerlichung seiner Tonsprache erreicht. Vom Solisten wird wie stets eine glänzende Technik gefordert. Doch im Vorder grund steht die musikalische Gedanklichkeit, deren Entwicklung auch das schon an Beethoven gemahnende Dialogisieren zwischen Soloinstrument und Orchester dient. Gleich der Beginn des Konzerts durchbricht den Rah men damals üblicher „Gesellschaftsmusik“: ein lyrisch-versonnenes B-Dur- Thema, dem unerwartet ein scharfer Bläserruf antwortet. Resignation und Schwermut liegen über diesem Satz wie über dem ganzen Werk. Unver mittelt eintretende Moll-Partien verstärken diesen Zug. Konfliktreich ge staltet sich die Durchführung: Streicher und Bläser konzertieren gegen das Soloinstrument. Mit einer überraschenden Modulation tritt die Reprise ein. Verklärt-träumerische Innigkeit kennzeichnet das romanzenhafte Lar ghetto. Von einzigartiger Wirkung ist es, wenn das Hauptthema vom So listen schließlich aufgegriffen, von Flöten und Violinen mitgespielt wird. Das Refrainthema des verschleiert-fröhlichen Rondo-Finales hat Mozart wenige Tage nach der Fertigstellung des Konzerts für das Lied „Sehnsucht nach dem Frühling“ (Komm lieber Mai und mache die Bäume wieder grün) noch einmal verwendet. Maurice Ra v e 1. einer der prominentesten Vertreter französischer Musik um die Jahrhundertwende, begann zunächst in direkter Nachfolge Debussys. Später erst fand er zu einem eigenen Stil. „Ravel ist ein typischer französischer Musiker: auf dem gleichen Boden erwachsen wie Couperin und Rameau, und wie der letztere verbirgt er meisterhaft die Kunst eben durch die Kunst selbst“, schrieb einmal H. Prunieres. Was ist es, das an Ravels Musik so fasziniert? Das Unbeschwerte, Graziöse, Charmante, Wit zige, aber auch das klanglich Rauschhafte. Charakteristisch sind für sein Schaffen auch die Beziehungen zur spanischen Folklore, die sich am er regendsten wohl in dem berühmten ..Bolero“ niederschlugen, aber auch in der „Rhapsodie espagnole“, in der einaktigen Oper „Eine spanische Stunde“, in „L’Alborado del Grazloso“ zum Ausdruck kommen. „Das Spa nische bedeutete im Lebenswerk von Maurice Ravel mehr als eine pitto reske Note, eine farbige Nuance. Der Sohn eines Franzosen und einer spanischen Mutter fühlte sich seinem Wesen zutiefst verbunden“ (A. Hie- bener). In seinem Spätschaffen, das u. a. von Strawinsky und Schönberg nicht unbeeinflußt war, wurde sein Stil — im Gegensatz zu Debussys — kräftiger, realistischer und erstrebte wieder klarere Formen. Ravel, der Spätromantiker, typischer Vertreter des Fin de Siede, verkörperte die ab- kiingende bürgerliche Musikkultur seines Landes wie in Deutschland etwa Richard Strauss oder in Spanien Manuel de Falla. Das Ballett „Daphnis und Chloe“ schuf der Komponist im Auftrag Sergej Diaghilews, der mit seinem berühmten russischen Ballett 1909 nach Paris gekommen war und dem dortigen Musikschaffen damit starke neue Im pulse gegeben hatte. Ravel begann das Werk, dessen Libretto von Michael Fokin stammte, bereits 1909, beendete die Partitur jedoch — nach mehreren Unterbrechungen und Umarbeitungen — erst drei Jahre später, im April 1912. Am 8. Juni 1912 wurde die vom Komponisten als „Choreographische Sinfonie in drei Teilen“ bezeichnete Tanzdichtung durch das Diaghilew- Ballett in Paris uraufgeführt und von Publikum und Kritik mit Wärme aufgenommen. Der Stoff des Werkes, das zu den bedeutendsten und um fangreichsten Kompositionen Ravels gehört, ist im griechischen Altertum angesiedelt und kreist um die Liebe zwischen dem jungen Schäfer Daphnis und der Schäferin Chloe. Chloe wird bei einem Einfall von Seeräubern entführt, durch das Eingreifen des Gottes Pan aber- wird sie wieder gerettet und ihrem Geliebten Daphnis zurückgegeben. „Das Werk ist sinfonisch aufgebaut, nach einem sehr strengen tonalen Plan, mittels einer kleinen Zahl von Motiven, deren Durchführungen die Homogenität des Werkes sichern“, schrieb Ravel zu seiner Musik, die sich keineswegs auf eine bloße Illustrierung der Handlungsvorgänge beschränkt. Die musikalische Sprache von „Daphnis und Chloe“ offenbart eine starke Gestaltungskraft, einen außerordentlichen Erflndungsreichtum und zeichnet sich vor allem durch eine glanzvolle Instrumentierung von größter Farbigkeit und ungewöhn lichem Klangreiz aus. Die wesentlichsten und besten Teile der Komposi tion wurden von Ravel zu zwei Konzertsuiten zusammengestellt („Sinfo nische Fragmente“), eroberten sich in dieser Form bald die Konzertsäle der Welt und gehören heute zu den bekanntesten und meistgespieltesten Wer ken des Komponisten. In der zweiten, heute erklingenden Suite wird im ersten Satz das „Er wachen des Tages“ geschildert. Mit Vogelrufen bricht der Tag an, während Daphnis noch schlafend vor der Nymphengrotte liegt. Schäfer ziehen mit ihren Herden vorüber, Hirtenlieder ertönen. Erwachend sucht Daphnis seine Chloe, die endlich, von Schäferinnen umgeben, erscheint. Beide um armen sich, aufs neue vereint. In der folgenden „Pantomime“ stellen Daph nis und Chloe das Abenteuer dar, das der Gott Pan einst mit der Nymphe Syrinx erlebte und um dessentwillen er Chloe rettete. Den Abschluß bildet ein freudiger „Allgemeiner Tanz“, der der Vermählung von Daphnis und Chloe folgt und sich zu einem rauschenden, leidenschaftlichen „Bacchanal“ steigert. Urte Härtwig / Dr. Dieter Härtwig Vorankündigung: 12./13. Dezember 1964, 19.30 Uhr 5. Außerordentliches Konzert Dirigent: Horst Förster Solisten: Hansen-Trio, Hamburg Werke von Eisler, Brahms und Beethoven Freier Kartenverkauf! 25-/26. Dezember 1964, 19.30 Uhr 6. Außerordentliches Konzert Dirigent: Horst Förster Solistin: Eva Ander, Dresden Werke von Gluck. Beethoven und Brahms Freier Kartenverkauf! s. PHILHARMONISCHES KONZERT 196./ III 9 14 EMZ 1264 02 It-G 009/72/64