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In diesen drei Worten ist der weite Bereich der modernen Werkstoffe umrissen. Eine Lehrschau über die Herstellung, Verarbeitung und Anwen dung hat in der DDR die Abteilung Chemie der Staatlichen Plankommission in Berlin zusammen- Fast 7000 sind in die Lehrschau ge strömt und waren hocherfreut über die vielen schönen, bunten und nützlichen Dinge, welche aus den neuen Werkstoffen hergestellt wer den. Wohl alle sind überzeugt, daß die Anwendung von Kunststoffen keine vorübergehende Modeströ mung ist. Was hat die Ausstellung für den Maschinenbau aufgezeigt? Vereinzelt ist die Frage gestellt worden: Warum werden nicht auch die Maschinen aus Plasten her gestellt, sondern nur einzelne, wenige Teile? Zu sehen waren Zahnräder, Lagerschalen, Bedien teile, Schutzgehäuse, Auskleidun gen, Treibriemen und verschie dene Kleinteile. Ist das überall so? Gewiß, davon kann man sich in jedem Raum überzeugen, in wel chem Maschinen aufgestellt sind. Selbst die allerneuesten Anschaf fungen weisen nur wenige Teile aus Kunststoffen auf. Auch bei neu entwickelten Konstruktionen, die auf Messen vorgeführt werden, ist es nicht viel anders. gestellt und in Moskau, Budapest und vielen an deren Städten gezeigt. In unserer Stadt war sie vom 16. Januar bis 4. Februar 1961 in den Räu men des Zentrums Neue Technik, Annaberger Straße 24, zu sehen. im Maschinenbau voraussagen? Die Antworten auf solche und ähn liche Fragen gaben meine beiden Vorträge im Rahmen der Lehr schau im Hause der Technik: „Makromoleküle, die Bausteine un serer neuen Werkstoffe“ und „Der Einsatz der makromolekularen Werkstoffe im Maschinenbau“. Kühl und nüchtern wurde das Für und das Wider abgewogen und aufgezeigt, daß die Anwendung von Kunststoffen im Maschinen bau bestimmt steigerungsfähig ist, vielleicht sogar erheblich. Aller dings ist es erforderlich, daß man sich die Mühe macht, die neuen Werkstoffe in ihrem chemischen und physikalischen Aufbau und den dadurch bedingten Eigenschaf ten genauestens zu studieren. Dann ist man befähigt, Fehl- und Rückschläge zu vermeiden und werkstoffgerecht zu konstruieren, das heißt, nicht schablonenhaft die Metallbauweise auf die Plaste zu übertragen, sondern für jeden Kunststoff die seinen Eigenschaf ten entsprechende Konstruktion und Gestaltung zu finden. Denselben Eindrude vermitteln die Werbeschriften der Hersteller werke und der Verarbeitungsbe triebe, ebenso die Zeitschriften und Fachbücher. Und wenn man die Statistiken sich anschaut, so findet man zahlenmäßig belegt, daß in allen Ländern nur wenige Prozente der Kunststoffproduktion den Weg in den Maschinenbau finden. Und dabei spricht man voller Überschwang vom Jahrhundert der Kunststoffe. Was sind die Ur sachen? Stimmt es, daß nur das labrhundert der Kunststoile ? Beharrungsvermögen, das Festhal ten am Alten, am Überkommenen der Grund dafür ist? Können die Konstrukteure von heute nur noch in Stahl und Eisen denken und konstruieren? Hat man vergessen, daß im Erzgebirge jahrhunderte lang z. B. die Web- und Werk stühle fast ganz aus Holz gebaut wurden? Warum also heute nicht aus Kunststoffen? Welche Zukunft kann man den neuen Werkstoffen Die Redaktion der HOCHSCHULNACHRICHTEN bat Herrn Dr.-Ing. Kurt Billig, Leiter der Abteilung Kunststoffe im Institut für Chemie, sie auf einem Gang durch die Lehrschau „Elaste — Plaste — Chemie fasern“ im „Zentrum der neuen Technik“ zu begleiten. Die Lehrschau gliederte sich in einen technologischen und anwendungstechnischen Teil. Der technologische Teil zeigte die Herstellung und Verarbeitung der unter dem Ausstellungsthema gezeigten Exponate. Herr Dr. Billig nahm die Gelegenheit wahr, an Hand vorhandener übersichtlich gestalteter Tafeln uns in das Reich der Kunststoffe einzuführen. Im anwendungs technischen Teil der Ausstellung fanden wir die Plaste im Maschinen- und Apparatebau eingesetzt sowie in der Bauindustrie, in der Elektro industrie, im Schiffsbau und anderen Industriezweigen. Auch der Sektor Konsumgüter wurde unter dem Begriff „Tausend kleine Dinge“ veran schaulicht. Die gezeigten Haushaltartikel präsentierten sich in einer Form und Farbe, wie sie der Verbraucher wünscht. Nicht immer jedoch verspürte man die glückliche Zusammenarbeit von Chemiker, Maschinen bauer und Künstler. Oft wird die Meinung vertreten, Chemiefasern finden meistenteils bei der Herstellung feiner Wäsche und Stoffe Ver wendung. In Wirklichkeit wird sich in den nächsten Jahren das Verhält nis von Chemiefasern in der technischen Industrie auf 70 Prozent, in der Konsumgüterindustrie auf 30 Prozent belaufen. Große Vorteile bieten Polyester besonders im Schiffsbau und in der Flugzeugindustrie, weil sie säurefest, korrosionsbeständig und überaus leicht sind. Ein Beispiel mag das beweisen: Eine gußeiserne Badewanne wiegt gut und gern ihre 50 kg, eine Wanne aus Polyester dagegen nur 8 kg. Alles in allem — eine Lehrschau, die man sich gern ansah. Plaste %o Msehsenbe Was sind Plaste oder Kunststoffe? Werkstoffe, welche in erster Linie aus Makro-Molekülen bestehen, d. h. aus Groß-Molekülen mit Mole kulargewichten von etwa zehn tausend bis zu vielen Hunderttau senden und noch weit darüber. Sie sind organischer Natur, also Ver bindungen des Kohlenstoffs, und von der verschiedenartigsten Zu sammensetzung. Sie können Koh lenwasserstoffe sein, Halogenver bindungen, Alkohols, Säuren, Ester, Amine, Säureamide und vieles, vieles mehr. Die Zusammen lagerung der Atome kann zu den verschiedensten Anordnungen füh ren, zu Kugel-, Ring- oder Ketten molekülen, die wieder verzweigt sein können, außerdem gestreckt oder geknäuelt oder vernetzt mit allen Übergängen. Makromoleküle sind in einer un vorstellbar großen Zahl existenz fähig. So entstehen mit Hilfe von hoch siedenden Lösungsmitteln, den Weichmachern — wie der Name schon sagt — aus harten Plasten weiche, geschmeidige, fast gummi artige. Ein charakteristisches Bei spiel ist das Polyvinylchlorid. Stabilisatoren u. Alterungsschutz mittel erhöhen die Beständigkeit gegenüber Wärme, Licht, Witte rung, Chemikalien, usw. Füllstoffe oder Harzträger sind nicht nur im Stande, Plaste einzusparen, son dern ihnen auch erhöhte Festigkei ten zu verleihen usw. Holz, Papier, Fasern Gewebe, Leder, Glas, Me talle usw., ergeben mit Kunststof fen vereinigt neue Verbundwerk stoffe von äußerst vielseitiger An wendbarkeit, denen eine große Zu kunft bevorsteht. Die Folge von dieser Unbegrenzt heit ist, daß die im Handel sich be findenden Produkte vöh einer ver wirrend großen Menge sind. Ins gesamt werden mehrere Tausend in aller Welt angeboten. Für jedes findet die Industrie und das täg liche Leben Anwendungsbereiche. Gibt es auch Eigenschaften, welche sämtlichen organischen Groß-Mole külen gemeinsam sind, außer den hohen Molekulargewichten und den Kohlenstoffatomen als den ent scheidenden Bausteinen? Gewiß. So sind eS beispielsweise die Dich ten. Bei allen Plasten sind sie mit 0,9 bis etwa 2,3 sehr viel niedriger als bei den gebräuchlichen Kon struktionsmetallen mit z. B. 7,5 bei Stahl. Dann die elektrischen Eigenschaf ten. Im Gegensatz zu den Metallen leiten sie den elektrischen Strom nicht, sie sind mehr oder weniger gute Isolatoren. Was lag näher, als daß sofort die Elektrotechnik da von Gebrauch machte? Darüber hinaus erkannten hier die Ingenieure von Anfang an die Kon struktionsmöglichkeiten, welche durch die so überaus leichte Form gebung bedingt sind, die z.B. durch Spritzguß die kompliziertesten Teile fast mühelos entstehen läßt. Die Elektroindustrie im weitesten Sinne ist dadurch einer der stärk sten Verbraucher der neuen Werk stoffe. Ohne Übertreibung kann man sagen, daß sie ihren heutigen hohen Stand nur mit Hilfe der Kunststoffe erreichen konnte. Weiterhin sind alle organischen Verbindungen nur innerhalb be grenzter Temperaturbereiche be ständig, die großmolekularen nicht ausgenommen. Die Kohlenstoff atome haben bei höheren Wärme graden das Bestreben, alle Fremd atome abzuschütteln und sich nur mit ihresgleichen zu verbinden. Es bilden sich dabei je nach den Bedingungen Ruß oder Koks neben gasförmigen und flüssigen Zer- Setzungsprodukten. Diesem Ver halten verdanken ganze Industrien ihr Bestehen: die Holzkohlenge winnung, die Leuchtgasfabrikation, die Kokerei und in neuester Zeit die Crack- oder Spaltverfahren der Petrolchemie. Diegeringe Hitzebeständigkeit hebt die Kunststoffe scharf von den Konstruktionsmetallen des Ma schinenbaues ab und versperrt ihnen alle Anwendungsmöglich keiten, welche mit höheren Tem peraturen im Zusammenhang ste hen. Darüber hinaus ist das ge samte thermische Verhalten grund verschieden, also außer der Hitze- u. Glutunbeständigkeit die Kälte-, Wärme-, Kochfestigkeit, ferner die spezifische Wärme, die Wärmeleit fähigkeit und die Wärmeausdeh nung. Alle Werte sind ganz erheb lich anders und ungünstiger und führen zu weiteren starken Ein schränkungen gegenüber den Kon struktionsmetallen. So erweichen Polyvinylchlorid schon von 60 bis 80° an, Polystyrol von etwa 80° an, Polyäthylen, je nach dem Her stellungsverfahren, zwischen 105 und 130°, usf. Duroplaste, vollstän dig ausgehärtet, werden in der Hitze nicht weich, genauso wenig wie Holz, aber zersetzen sich. Phe nolharze über 160°, Epoxydharze gegen 200°, Silikonharze gegen 300°. Damit ist aber auch schon die Ant wort gegeben auf die Frage: Kunststoffe, die Metalle der Zu kunft? Niemals können sie dazu aus ersehen sein, die Metalle, insbe sondere Stahl in allen Fällen zu ersetzen. Dagegen sprechen auch die mecha nischen Eigenschaften, die Festig keiten gegenüber den Beanspru chungen durch Ziehen, Drücken, Drehen, Schlagen, Stoßen, Scheren, Ritzen, Kerben, Spalten, Biegen, Brechen, usf. Die Werte für die meisten Kunststoffe liegen viel tiefer, oft um eine Zehnerpotenz. Andererseits sind in den glasfaser verstärkten Polyesterharzen neue Werkstoffe geschaffen worden mit stark erhöhter mechanischer Festig keit. So geben ungesättigte Poly esterharze ohne Glasfasern z. B. Reißfestigkeiten von etwa 500 kg/em?, aber mit Glasfasern von etwa 3000. Es finden sich sogar An gaben mit 7900 bis 9200! Zum Vergleich: Die verschiedenen Stahlsorten be sitzen Werte von etwa 3500 bis 7000. Der Wettbewerb gegenüber Stahl wird also möglich, ist be reits aufgenommen worden, aber nur auf Gebieten, welche keine höhere Wärmebeständigkeit er fordern. Günstig wirkt sich gleich zeitig die geringe Dichte aus von etwa 1.7 bis 1,9 gegenüber 7,5. In der DDR arbeitet auf diesem hoch wichtigen Gebiet vor allem das In stitut für Kunststoffe in Berlin- Adlershof, das unter Führung von Herrn Direktor Dr. Wende steht. Die Kunststoffe, welche für den Maschinenbau in die engere Wahl kommen, sind meist außerordent lich widerstandsfähig gegenüber chemischen Einflüssen. Sie benöti gen keinen Korrosionsschutz, im Gegenteil, sie selbst können den Oberflächenschutz von Metallen übernehmen. Dazu kommen wei tere entscheidende Vorteile: Die billigen, fast unerschöpflichen Roh stoffquellen, wie Erdöl, Erdgas, Kohle, usw., die ausgereiften groß technischen Verfahren der Her stellung der Vor-, Zwischen- und Endprodukte, die meist überaus leichte Formgebung durch spanlose und auch spangebende Verarbei tung, der Wegfall fast jeder Nach bearbeitung, die laufenden Ver besserungen, Weiterentwicklungen und Neuschöpfungen durch die Forschungs- und Entwicklungsstel len der Institute, Hochschulen und Betriebe, das ständige, wenn auch geringfügige Absinken der Ge stehungskosten. Durch all diese Faktoren sind die Voraussetzungen für Massenfabrikationen gegeben. Bis jetzt werden im Maschinenbau mit Erfolg eingesetzt: die Phenol harze, besonders als Preßstoffe und Schichtpreßstoffe, Aminoplaste, Po lyamide, Polyurethane, Polyester harze, Polyäthylen, Polypropylen, Polystyrol, Polyvinylchlorid, Poly formaldehyd, Polyfluorkarbone, Silikone und einige andere. Dr. Ing. Kurt Billig