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M IT TEILUNGEN DER HOCHSCHULE FÜR MASCHINENBAU KARL-MARX-STADT 1. Jahr Mai 1958 Nr. 2 Unsere Aufgabe Das Ziel ist klar. Es gilt, aus Universitäten und Hoch schulen schlechthin sozialistische Bildungsstätten zu schaffen. Der Weg wurde auf der III. Hochschulkonfe renz der SED gewiesen. Die Aufgaben jedes einzelnen Studenten innerhalb dieses großen Prozesses wurden für unsere Hochschule in dem Entwurf der Erklärung den Studenten dargelegt. Diese Erklärung, entstanden auf dem Boden einer Analyse der politischen Situation an unserer Schule, stellt die Auswertung der Hochschul konferenz dar. In der Präambel dazu heißt es: „Ich erkläre feierlich, mit meiner ganzen Kraft und unter Einsatz meiner ganzen Person vorbehaltlos für die Verwirklichung die ses Zieles (der sozialistischen Hochschule) einzutreten.“ Einige Freunde im 6. Semester meinten in den ersten Aussprachen, „vorbehaltlos“ bedeute Unterdrückung der Kritik, und das heiße, die schöpferische Arbeit auf dem Wege zur sozialistischen Hochschule unterbinden. Diese Erklärung enthält nun aber ganz bedeutsame Grundsätze für die Entwicklung eines Studenten als Persönlichkeit und damit für die Entwicklung einer neuen sozialistischen Intelligenz überhaupt, so daß man solchen schwerwiegenden Vorwurf nicht unwiderlegt lassen kann. Der Studentenschaft wird als Entwurf ein Leitfaden ihrer Entwicklung vorgelegt, der später zum Dokument erhoben werden soll. Er enthält die grundsätzliche Stel lung zum Marxismus-Leninismus, zu unserem Staat, zur bürgerlichen Ideologie und Moral und ihren Erschei nungsformen, die Stellung zu Westflucht und West reisen und zur sozialistischen Praxis. Ausschluß der Mitarbeit der Studenten, Unterbindung der Meinungsäußerung, der Auseinandersetzung um diese Probleme würden diese Erklärung zum Windei machen. Nein! Ringen um jeden Punkt, den diese Er klärung enthält, streiten um hoch bessere, sinnvollere Formulierungen, klarere Darlegung unseres Wollens, das mußte erreicht werden, und man kann es trotz der Bemerkung aus dem 6. Semester mit gutem Gewissen sagen, ist erreicht worden.. Jeder Student hat den Ent wurf im Wortlaut vorliegen. Er konnte an fünf öffent lichen Parteiversammlungen teilnehmen. Er hat Ge legenheit, in den Seminargruppen seine Meinung dar zulegen. Ihm stehen Hochschulzeitungen und Wand zeitungen zum Streit um den besten und erfolgreichsten Weg, um zu unserem Ziel zu gelangen, offen. Das ist tätige Demokratie. Ja, aber vorbehaltlos . . . ? Jawohl, sind wir überein gekommen, daß der auf diese Weise formulierte Weg unser Wille ist, dann vorbehaltlos. Man kann dann nicht nach einer Woche mit Einwänden kommen, kann dann nicht fragen: „Ist der Weg richtig, gibt es nicht noch andere Möglichkeiten, warum gerade so? Da ist doch offensichtlich etwas faul.“ Im ersten Punkt dieser Erklärung heißt es weiter: „Ich werde den Marxismus-Leninismus als die Weltanschau ung der Arbeiterklasse beharrlich studieren und an allen Vorlesungen und Seminaren des gesellschafts wissenschaftlichen Grundstudiums sowie an Vorträgen und Streitgesprächen über Probleme des Marxismus- Leninismus teilnehmen. Ich bin mir bewußt, daß das Wichtigste bei der Er ziehung zu sozialistischen Studenten das Studium und die Aneignung des dialektischen Materialismus ist.“ Hiergegen wurde eingewendet: Dieser Punkt sei doch für einen religiös gebundenen Menschen gar nicht annehmbar. Dasselbe gelte auch für den Punkt 2: „Ich sehe es als meine Pflicht an, allen Erscheinungsformen der bürgerlichen Ideologie und Moral entgegenzutreten.“ Dieser Einwand wurde in vielen Aussprachen gebracht mit dem Hinweis, daß für einen religiös gebundenen Menschen eine Wandlung in drei Wochen unmöglich ist. Eben dies würde aber von ihm verlangt. Das kann man in der Tat unmöglich, auch soll keiner zum Heucheln verleitet werden, indem er diesem Punkt zwar zustimmt, im Innersten aber eine ablehnende Haltung einnimmt. Im ersten Punkt steht auch nicht, daß sich jeder Student die Weltanschauung der Arbeiterklasse, den Marxis mus-Leninismus, zu eigen zu machen habe. Er soll sie studieren, er muß mit ihr vertraut werden; denn auch ein religiös gebundener Student wird im. Sozialis mus leben, dort arbeiten, und zwar an verantwortlicher Stelle arbeiten. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, daß er dies ohne wissenschaftlich erarbeitete Kenntnis der ökonomischen und philosophischen Grundlage der Men schen, die er führt und lenkt, des Staates, für den er konstruiert und organisiert, mit optimalen Ergebnissen tun kann. Dies dennoch zu glauben, war der große Irrtum der deutschen Intelligenz in den zurückliegenden 50 Jahren. Die grausigen Erfahrungen dieser Zeit geben diesen beiden Punkten besonderes Gewicht und unterstreichen ihre eminente Bedeutung. Sie widerlegen auch den Einwand, der aus dem 2. Semester kam: Ist denn jetzt das Studium des Mar xismus-Leninismus das wichtigste? Viel wesentlicher seien doch die Fachwissenschaften. Ein Student meint: Ich kann mit dem Marxismus im Betrieb gar nichts an fangen, wohl aber brauche ich Mathematik und Mechanik. Ja, die Fachwissenschaften, das praktische Rüstzeug für uns, sind unerläßlich. Diese Erkenntnis hat jeden Stu denten durchdrungen, sonst wäre er kein Student. Sein Bestreben geht dahin, sich in den Fachdisziplinen ein so umfangreiches Wissen anzueignen, wie es ihm eben möglich ist. Dabei werden die gesellschaftswissenschaft lichen Fächer vielerorten als „Zeitklau" empfunden. Es wird beides gebraucht, beides mit gleicher Dringlich keit, um als Diplom-Ingenieur in der sozialistischen Praxis bestehen zu können. Fachwissenschaften wurden gepflegt. Die Gesellschaftswissenschaften aber werden etwas vernachlässigt, eben in dem Glauben, daß man ihrer nicht bedürfe. Um den Anforderungen der Praxis nachzukommen, um ein höchstmögliches Ausbildungs ziel zu erreichen, müssen gegenwärtig die vernachlässig ten Teile des Studiums besonders gefördert werden; sie sind gegenwärtig am wichtigsten. Unsere Aufgaben aber beginnen mit der Gegenwart. Das Ziel ist eine Aus bildung, die Trennung von Fachwissenschaft und Ge sellschaftswissenschaft nicht kennt, wo beide eine sinn volle Einheit bilden. Mit den Problemen, die im Punkt 1 und 2 dargelegt sind, die in Wirklichkeit eine Einheit bilden, soll der Prozeß der Klärung eingeleitet werden und nicht eine Radikalkur. Es muß sich jeder, ob Christ oder Atheist, ob bürgerlicher Herkunft oder Arbeiterkind, darüber Rechenschaft ablegen, inwieweit seine Handlungen, seine Ansichten, sein Verhalten mit den objektiven Realitäten der Gegenwart in Einklang stehen. Daß bei einem denkenden Menschen auch nach gewisser Zeit ein gewisser Abschluß dieser Entwicklung sichtbar werden muß, ist wohl selbstverständlich. So und nur so