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Amerikanische Groteske von Maximilian Scheer Der Direktor Dwight Boastman nahm den Fahrstuhl ins 56. Stockwerk des „Rockefeller Centre“ an der Fünften Avenue in New York. Er wollte nicht mehr an die Katastrophe denken. Mit einem Sprung in die Tiefe sollte alles vorbeisein. Aber zum ersten Mal war sein Denken stärker als er. Wie im Film drängte sich in seine letzten Minuten alles zusammen, was zu der Katastrophe geführt hatte. Er entsann sich genau. Es begann an einem Samstag. Am Vorabend war er mit seiner Frau, zwei jungen Töchtern und Sekretärin — mit seinen vier Frauen, sagte er — fürs Wochen ende in sein Landhaus am oberen Hud son gefahren. Es war Anfang Oktober und abends schon recht kühl. Man hatte am offenen Kamin gesessen, das bren nende Holz knisterte, Freunde kamen, man trank Whysky, und Dwight er zählte vergnügt die letzte Variante sei nes Lieblingsthemas. Er war nicht wenig stolz auf seine originellen Pläne und trank sich groggy. Sehr früh am ande ren Morgen — an jenem Samstag — schrillte das Telefon, und dann blieb es nicht mehr still. So fing das Unglück an. Der Fahrstuhl öffnete sich. Das höchste Stockwerk des „Rockefeller Centre“ war erreicht. Den Kopf voll letzter Gedanken, ging Dwight Boast man mechanisch der Plattform zu. Er kannte den Weg. Nach ein paar Schrit ten stand er im Freien, in einer Art Loggia, hinter der das Gebäude zur Spitze anstieg. Nur das Gitter trennte ihn vor der Tiefe. Unter sich sah er die frühen Abendlampen der Stadt und über sich die Lampen des Himmels. Der Mond stieg gerade um die Ecke der Rückwand und grinste ihn an. Wahrhaf tig, der Mond grinste. Ein Strom von Haß schoß dem Direk tor durch die Adern. Der Mond war an allem schuld. Der hatte ihn angelächelt, verlockend und verheißungsvoll, als er. Dwight Boastman, den genialen Einfall gehabt hatte, den Mond zu verkaufen. Und jetzt grinste erl Natürlich hatte Dwight nicht.an den Großhandel mit dem Mond gedacht. Er wollte ihn im Kleinhandel verhökern, Parzelle um Parzelle, jede groß genug, für ein Landhäuschen im Mondsommer. Die amerikanische Wis senschaft, so sagten die Zeitungen, war weit genug, die Fahrt zum Mond bald zu verwirklichen. Nun kam es darauf an, der erste Geschäftsmann auf dem Mond zu sein. Wer dort als erster er schien, hißte das Sternenbanner, steckte so viel Land ab, wie er wollte - da# beste natürlich —, dann konnte der Ver kauf von Bauparzellen beginnen. Aehnlich hatte man es ja auch in allen Kolonien auf der Erde gemacht, ähnlich sogar in New Mexico und den anderen weiten Landstridien, die von den Vereinigten Staaten von Amerika dem Staate Mexiko erst vor hundert Jahren abgeknöpft worden waren. Dwight lehnte sich an das Gitter hoch über der Stadt und quälte sich in Er innerungen. Als er den genialen Einfall gehabt hatte, war er schon Direktor einer Bank gewesen, die nach der letz ten schweren Krise gegründet und in Gottvertrauen auf ihre Dauer „Eternity Bank“ (Ewigkeitsbank) genannt Worden war. Dwight weihte die Mitdirektoren wegen der immer spionierenden Kon ¬ kurrenz in einer Geheimsitzung ein. Die Direktoren waren begeistert, lobten den kühnen Denker, und einer, der einen französischen Namen trug, pries ihn als Napoleon des Mondes. Dwight in weher Trauer, beugte sich vor und sah in die Tiefe. Ein Pärchen, das ziemlich schweigsam gewesen war, hatte die Loggia verlassen. Dwight blieb mit seinen Erinnerungen allein. So war es weitergegangen: Die Eter nity Bank erließ einen Aufruf. Darin sagte sie, der kühne amerikanische Geschäftsmann, der in allen freien Län dern der Erde emsig Honig sammle und den Honig in die Vereinigten Staaten trage, dürfe beim bald zu erwartenden ersten Mondflug nicht fehlen. Niemand wisse, .ob nicht ungeahnte Schätze vom freien Mond geholt werden könnten. Sei dies möglich, dann sei der Ameri kaner, wie auf der Erde, so auch auf dem Mond der erste Pionier, die Schätze in die Vereinigten Staaten zu holen. Lägen indessen die Reichtümer nicht wie Diamantfelder auf dem Mond — was für ein wunderbars Abenteuer wäre es, ein Landhäuschen auf dem Mond zu haben! Das sei kein Traum. Das sei möglich. Die Eternity Bank erfüllte die ver wegensten Träume. Nur müsse die Eter nity Bank den ersten Weltraumflug ihres genialen Direktors Dwight Boast man finanzieren. Sie habe bei der Re gierung die Teilnahme am ersten Flug angemeldet, habe sich zur finanziellen Beteiligung erboten und werde nun Zah lungen von mindestens 1000 Dollar der Interessenten annehmen, um sie als An zahlung auf eine Mondparzelle zu ver wenden. Es gab natürlich viele Ameri kaner, die an der Rüstung und an der Uebernahme neuer ausländischer Märkte verdient hatten. Der Ansturm' war überwältigend. Halbwüchsige be- stüriten ihre begüterten Väter um des Abenteuers willen, Bräute ihre gel tungsbedürftigen Verlobten um der Hochzeitsreise willen. Liebeshungrige drängten sich um der Anonymität auf dem Monde willen, Kitzelbedürftige um der Sensation willen und schließlich Hunderte und Tausende um des Profits und guten Tones willen. Wie man frü her vonAts"gesägt httetiL,Haben Sie schon den neuen Chrysler?“, so fragte man jetzt: „Sie haben doch schon eine Parzelle auf dem Mond?!“ Ja, einige kleine Leute fragten sogar an, ob sie das Häuschen im Mond nicht in Raten abzahlen könnten. Die Eternity Bank erhielt 20 Millionen Dollar als Anzahlung für Parzellen auf dem Mond. Dwight war der Mann der Stunde. Nun mußte man warten, bis die Wissenschaftler die letzte Vorbereitung getroffen hatten. Es wäre Irrsinn ge wesen, solange das Geld brachliegen zu lassen. Das weise Direktorium be schloß, zwei Millionen für Fahrtkosten zum Mond bereitzuhalten und achtzehn Millionen in die Waffenindustrie zu Investieren, die von den internationalen Spannungen seit Jahren In der Hoch konjunktur glänzend lebte. Was für ein Erfolg! Was für ein Gedanke! Das Geld lag einfach auf der Straße, man brauchte nur ein magnetisches Gehirn zu haben wie der einzigartige Dwight Boastman. So war es noch an jenem Samstag im Landhaus, am wärmenden Kamin. Am nächsten Morgen, als das Telefon schrillte, war es anders, Dwights be ¬ nachbarter Freund, Bankdirektor wie er, der sich zehn Parzellen gekauft hatte, um neun mit hohem Profit weiterzuver kaufen, dieser erste Freund de« un glücklichen Samstags am Telefon, schrie wie bei einem Schiffsuntergang mit kreischender Stimme: „Die Russen sind im Weltraum!“ An diesem Tage wußte man noch nicht den Namen des ersten künstlichen Erdtrabanten, der bald in aller Welt Sputnik hieß. Dwight hatte verstört ins Telefon ge antwortet: „Was heißt das?", und der andere schrie: „Deine Mondhäuser sind zum Teufel. Die Russen sind vor uns da.“ Dwight Boastman, vom 56. Stock werk des „Rockefeller Centre“ am Git ter in die tödliche Tiefe starrend, weinte. Tränen der Rührung und des Abschieds näßten seine eingefallenen Wangen. Mit einer letzten Raffung wie im Film dachte er daran, daß gleich an jenem Samstag von Mondparzellenkäu fern ein Sturm auf die Eternity Bank begann, die ihr Geld zurückverlangten. Der Reklamechef der Bank, der Psy chologie in Amerika studiert hatte, gab sich verzweifelte Mühe, die Aufgewühl ten zu beruhigen. Es gelang ihm nicht. Die Parzellenträumer schrien und johlten. Polizei kam. Die Bank wurde geschlossen. Passanten hörten, sie sei zahlungsunfähig. Sie rasten zu ihrer Bank, um ihr Guthaben abzuheben. Un summen wurden in kurzer Zeit abge zogen. Manche Banken folgten dem Bei spiel der Eternity Bank und machten ihre Schalter zu. Panik fieberte. Da die Banken Samstags kurz nach Mittag schlossen, konnten sich alle nach weni gen Stunden ins Wochenende retten. Schon die Abendblätter veröffentlichten bestellte Artikel über die „künstlich er zeugte Unruhe" Die Sonntagszeitungen und alle Sender hämmerten den Lesern und Hörern ein, es bestehe nicht der leiseste Grund zur Besorgnis; die Kon junktur sei stabil; die Banken seien un antastbar sicher; die einzige Ausnahme sei vielleicht die Eternity Bank, die sich In verständliche, aber gewagte Speku- lationen eingelassen habe. Tatsächlich konnte, die Eternity Bank das Geld nicht rasch genug flüssig' machen und stellte ihre Zahlungen ein. Sie war für alle Ewigkeit pleite. Die anderen Banken erholten sich nicht von dem einmal geweckten Mißtrauen. Im Gegenteil. Das Mißtrauen sprang auf die Industrie über, die Käufe auf Raten gingen rapide zurück, die Arbeitslosig keit stieg in die Millionen. Der Boden der freien Wirtschaft schwankte wie ein steuerloser Kahn im Sturm. Die Krise war wieder da. Der Gescheiterte sah als Ursache nur die Mondhäuser, ob wohl andere von anderen Gründen spra chen. Verzweiflung zernagte Ihn. Dwight stand am Ende seines Denken« und Lebens. Er hob ein Bein, um das Gitter zu Übersteigen, und landete in der Tiefe unversehrt, weil er schließlich doch lieber den Aufzug benutzt hatte. Er erinnerte sich nämlich in der aller letzten Sekunde daran, daß ihm ein naher Freund des Präsidenten gesagt hatte, es genüge von ihm ein Wort, und er könne Propagandachef für die Atom propaganda der Regierung werden. Sie brauchten in Washington einen neuen Mann mit kühnen Ideen. Auf diese Weise entging Dwight Boastman dem Tode um ein Haar. Wir sahen „Toska“ im Theaterring Für unsere Rätselfreunde Waagerecht: 1. Pelztier 5. Zustand zwischen Ebb? und Flut, 8. Tragödie von Shakespeare, 9.Grasland, 11, dänisch-norwegisches Längenmaß, 14. Stadt in z.südfrakreich, 15. eurpäische" "Landes hauptstadt, 17. bedeuteh- der Schriftsteller („Er folg“), 20. antarktischer Vulkan, 23. Tanzschritt, 26. Strom in Sibirien, 27. Preisverzeichnis, 28. Oeffnung eines Vulkans, 29. Stromsammler, 30. indischer Physiker und Nobelpreisträger. Senkrecht: 2. Opern gestalt von Tschaikowski, 3. sittlicher Begriff, 4. Handschuh, 5. Komponist der Oper „Martha“, 6. forstwirtschaftliches Raummaß, 7. arabische Hafenstadt, 10. Insel kette im nördlichen Stil ¬ len Ozean, 12. fortschrittliche Schrift stellerin („Stahl“), 13. Insel in Mikro nesien, 16. französischer Zeichner und Karikaturist, 18. lichtstarkes Fotoobjek tiv, 19. Nebenfluß der Elbe, 21. Turn gerät 22. Stadt am Kaspischen Meer, 24. Verpackungsgewicht, 25. Stadt in Italien. Auflösung aus Nr. 5 Waagerecht: 1. Gabler, 5. Aloe, 8. Tau, 10. Gosau, 12. Raman, 14. Iridium, 16. Ala, 17. Renn, 19. Au, 20. Blume, 21. Ei, 22. Blei. 24. Ohr, 26. Geselle, 30. Arena, 31. Aeros, 32. Mai, 34. Mons, 35. Ressel. Senkrecht: 1. Gogh, 2. Basil 3. Etui, 11, Arabien, 13. Aureole, 15 Daube, 16. Aul. 18. Ner, 19. Abraum, 23. Egeln, 25. Heros, 27. Sam, 28. Laie, 29 Asyl, 33 Ar. Bücher schenken - Freude machen! Giovanni Boccaccio. Das Dekameron 2 Bände, 665 Seiten in Ganzleinen 33 DM. Reich Illustriert von Prof. Wer ner Klemke. Gerhard Kiesling. Zwischen Krim und Kaukasus Etwa 14 Seiten mit 112 Schwarzweiß- und 8 Farbtafeln. Halbleinen 19,70 DM. la das Urlaubspradies der sowjeti ¬ schen Werktätigen führt dieser Band. Odessa, Sewastopol, Jalta, Sotschi, Su- chumi, Batumi sind die Hauptstationen einer Ferienfahrt auf den Spuren Iphi- geries und der Argonauten. Martine Monod. Normandie-Njemen Etwa 352 Seiten, Leinen, etwa 6,50 DM. Das Buch zum gleichnamigen Film. Teheran — Sammelpunkt für die Ange hörigen des künftigen Geschwaders Normandie. Von überallher sind die französischen Piloten gekommen, aus Algerien und England, aus Libyen und Syrien, aus Aegypten und von Malta, begierig zu kämpfen. Bald ist es soweit: Sie setzen ihren Fuß auf sowjetischen Boden und werden Teilnehmer an der Schlacht um die Befreiung der Völker vom Faschismus. Max Walter Schulze. Wir sind nicht Staub im Wind 688 Selten, Ganzleinen, etwa 7,50 DM. Eine These, die zum Nachdenken auf fordert, die das Interesse weckt — ein Romantitel. In seinem Roman gestaltet der Autor das wechselvolle, erregende und doch folgerichtige Schicksal von Menschen unserer Zeit, macht er zwin gend klar, daß jeder die Türen in der Flucht der Jahre seit 1945 nacheinander durchschreiten und nacheinander hin ter sich zumachen mußte, um wirklich an den Punkt des Hier und Heute zu gelangen. In der Darstellung des We ges zu sich selbst kommen die Roman gestalten zur Einsicht, daß sie nicht Staub im Wind slndl Konstantin Simonow. Die Lebenden und die Toten Etwa 600 Seiten, Ganzleinen, etwa 10.80 DM. Es ist kein Kriegsroman Im üblichen Sinne, sondern muß viel welter ge spannt und aufs Prinzipielle gerichtet verstanden werden. Der Krieg ist ge sehen mit den Augen eines Zeitgenos sen, der durch den Mund seiner Helden die Frage stellt: Wie konnte es 1941 überhaupt zu den ersten Rückschlägen kommen? Mit schonungsloser Offenheit spricht Simonow die Wahrheit aus, deckt er einzelne Fehler auf, die am Vorabend und zu Beginn des Krieges begangen wurden. Man nimmt die Ge wißheit mit, daß sich ein zweites 1941 in der Geschichte nie wiederholen wird. Neue Belustigungen und fröhliche Plaudereien 615 Seiten, Ganzleinen 45 DM. Illu striert von Prof. Werner Klemke. ». . . und schließlich sprach man von ihm nur als von dem, der sich selbst gehörnt habe.“ William E. Dodd. Diplomat auf heißem Boden. Etwa 460 Seiten, Leinen 8,90 DM. Au« der Sicht eines amerikanischen Diplomaten und kompromißlosen Libe ralen nimmt Dodd in seinem Tagebuch Stellung zu entscheidenden politischen Ereignissen der Jahre 1933 bis 1937, in denen er auf dem heißen Boden Berlins als Botschafter tätig war. Ernst Schäfer. Das Erzgebirge und sein Handwerk 150 Seiten, 18,50 DM. Ein Bildband von dem bekannten Bildautor Emst Schäfer. Das Buch ent hält eine Fülle schöner Fotografien, zum Teil farbig, aus unserer schönen erz- gebirgischen Heimat. * Denken Sie beim Einkauf von Büchern an den Volksbuchhandel! Hecausgegeben von der SED-Hochschul- Parteiorganisation der Hochschule für Maschinenbau. Karl-Marx-Stadt Verant wortlicher Redakteur: Hansjörg Model. Veröffentlicht unter Lizenz-Nr 13« K des Rates des Bezirkes Karl-Marx-Stadt. Druck: Druckhaus Karl-Marx-Stadt. 2708