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Dresdner Journal : 15.11.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-11-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189011159
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18901115
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18901115
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-11
- Tag 1890-11-15
-
Monat
1890-11
-
Jahr
1890
- Titel
- Dresdner Journal : 15.11.1890
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Lvrvoprsok-Ansoktnoo: Ur. 1205. Dres-nerÄnrnal. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Dtto Banck, Professor der titteratur- und Runstgeschichte. Snnakmv von LnKüncklixunxk» »uinllrlet I-elpelb: ^r. Lranckutettee, LommieeionLr Ne, vreeckner Journale; Aambnrss - LerUa Vlen 1-kixrlU L»»«l Lreelnn rrenktar» ». N.: //aarenÄri« <e boller,' v»rI«L-Vt»n-S»wdurA- ?r»^ l.«lp»i^ rr«nlttoit ». N. »üneden: kert» I-OLäon LerUv - Lren^tvrl ». U »tnttgert: t?o., N-rUo: /nrntickenckank, Kreien: Loirl L'aSat^,' Lnnnoeer: <7. Lc/iür«/er, L»U» ». > : Larct ch t,'o. Neraneekdert LSni^l. Lepeäition cke» l)r«6ner ^onrnnle. vreeäeo, ^«iazerotr. 20. kernepreck-^neckluee: k'r. 1295. Nachbestellungen auf das „Dresdner Journal" für den Monat Dezember werden zum Preise von 85 Pf. an genommen für Dresden: bei der unterzeichneten Expedition (Zwingerstraße Nr. 20), für aus wärts: bei den betreffenden Postanstalten zum Preise von 1 M. Ankündigungen aller Art finden im „Dresd ner Journal" eine sehr geeignete Verbreitung, und es werden die Gebühren im Ankündigungs- reile mit 20 Pf. für die kleingespaltene Zeile oder deren Raum berechnet; für Ankündigungen unter „Eingesandtes" sind die Gebühren auf 50 Pf. für die Zeile festgestellt. Hönig!. Expedition des Dresdner Journals. (Zwingerstraße Nr. 20, in der Nähe des neuen Postgcbäudes.) Fernsprech-Anschluß Nr. 1295. Amtlicher Teil. Le. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht^ daß der Bankier Leopold Koppel (Inhaber der Firma Koppel L Co.) in Dresden den ihm von Sr. Hoheit dem Herzoge von Sachsen Coburg und Gotha verliehenen Titel Herzoglich Sachsen Coburg- Gothaischer Commerzienrath annehme und führe. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische -Nachrichten. London, 15. November. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Krau Jameson veröffentlicht ein Schreiben Jame son- vom August 1888 an da- Emin Pascha- komitce zur Rechtfertigung gegen die Beschuldi gungen deö Dolmetschers Farran. Jameson habe nicht gedacht, daß die Taschentücher zum Kaufe von Mädchen verwendet würden, und zeichnete die Skizzen der Schlachtung erst am Abend. Kerner veröffentlicht Frau Jameson Farrans Zurücknahme seiner Beschuldigungen vor dem Emin Pascha- komitce iu London. Dublin, 15. November. (Tel. d. Dresdn. Journ.) DaS Amtsblatt meldet, daß die Nationalliga in 54 Ortschaften der Grafschaft Fermanagh und in 43 solchen der Grafschaft Monaghan verboten wurde. Dresden, 15 November Zur politischen Lage in Rußland. Die politische Lage hat zur Zeit einen ausgesprochen friedlichen Charakter. Ter Besuch des russischen Thron folgers ani Wiener Hofe gab die erwünschte Ver anlassung zu den unterschiedlichsten Kundgebungen der friedlichen Stimmung, die seit den letzten Reisen des deutschen Kaisers nach Rußland und Österreich immer offenkundiger zu Tage getreten war. Der von aller Welt rückhaltSlos anerkannte friedliche Charakter der deutschen Politik hat wohl in erster Linie diesen Wandel in der politischen Gcsamtlage bewirkt, aber letzterer wäre nicht in dem Umfange und in der Nachhaltigkeit, wie es chatsächlich der Fall zn sein scheint, eingelreten, wenn nicht in Rußland selbst während der letzten Zeit der politische Chauvinismus einer nüchternen Auffassung Lnnk und Wissen schäft. K. Hoftheater. — Altstadt. — Am 14. November: Zweites Symphonickouzert der Kgl. musikalischen Kapelle. An der Spitze des Programms befand sich Joseph Haydns l)-6ur - Symphonie (Nr. 2 Breitk. u. Härt ), «ine der schönsten Eingebungen des Meisters auf in strumentalem SchasfeuSgebiet, deren eindringliche, in lapidarem Ausdruck sich bewegende Introduktion und deren Andante mit seinen die Variationen des lied- artigen Themas durchkreuzenden freien Zwischensätzen voll tief erregten Gefühlsinhalts der genauen Betrach tung aller zu unbedachten Kollektivurteilen hinneigen den Musikfreunde empfohlen sei, die mit dem geist armen Radikalismus ihrer Kritik das Talent Haydns auf eine behaglich anmutige Jdecnsphäre beschränken wollen und die untztmein wechselseitige Begabung dieses schöpferischen GemuS durch die armselige Wendung vom „gemütlichen Vater Haydn" ohne viel Nachdenken einzucngen belieben Die gestrige Vorführung der Symphonie war eine vorzügliche und zu besonderer Vollendung im Schlußsatz durchgebildet, dessen zweiter aus dem schön gewölbten Thema (in heraus- gestaltcter, von innig warmer Tonsprache erfüllter Ab schnitt eine wunderbare Wirkung erzeugte. Tie Neuheit des Konzerts bildeten Richard Heu bergers Orchester-Variationen über ein mäßig an sprechendes Thema von Franz Schubert Zehn an der Zahl, sind dieselben durchweg mit frischer Phan tasie anmutig erfunden, mit talentvollem Geschick in Meinung in Rußland konnte fick schließlich doch nicht der Wahrnehmung verschließen, vaß der Gesichtspunkt, von dem aus sie die Tinge auf der Baltanhalbinsel seither beurteilt hatte, weder dem wirklichen That- bestande angemessen war, noch den thatsächlichen poli tischen Interessen Rußlands entsprochen hatte Die Reise des weiland Diplomaten und nunmehrigen Publi zisten S. Tatistscheff nach Bulgarien war doch der be redte Ausdruck der besseren Erkenntnis von der bis herigen Unzulänglichkeit jenes Gesichtspunktes und zugleich auch des guten Willens der Hauptvertreters der öffentlichen Meinung — der Redaktion des „Nowoje Wrenija", in deren Auftrag Tatistscheff die „Entdeckungs reise" nach Bulgarien unternommen hatte —, aus der Sackgasse, in die sich die russische Presse hineingeredet hatte, wieder auf die Bahn vernünftiger und den Um ständen angepaßter Politik zu gelangen. Es mag dem hervorragenden russischen Blatte hochangercchnet werden, daß es über sich gebracht hatte, der langjährigen Ge wohnheit und dem Nationalstolze entgegen, der mit der wenn auch nur teilweisen Anerkennung der be stehenden Ordnung iu Bulgarien unvereinbar zu sein schien, sich zur Ankuüpfung von unmittelbaren Wechsel beziehungen zu den seither als Ausbund politischer Abenteurer behandelten bulgarischen Machthabern her beizulassen. Ein derartiger Beweis außergewöhnlicher politischer Mäßigung und Celbstbesserung der ton angebenden russischen Presse muß ohne Zweifel auf einen der „besseren Erkenntnis" der letzteren ent sprechenden gründlichen Wandel in der öffentlichen Meinung in Rußland zurückgeführt und daher als ein untrügliches Anzeichen einer dauerhaften Besserung der allgemeinen Lage vermerkt werden. Für den aufmerksamen Beobachter der Dinge in Rußland gab es daselbst in letzter Zeit reichlichen Stoff zu einschlägigen Studien. In ersichtlichster Weise hat anläßlich der „bulgarischen Enthüllungen" des Hrn. Tatistscheff, das in Rußland hoch angesehene Organ der liberalen Richtung „Nedjela" diesem Wandel Ausdruck gegeben: „Unsere Presse", sagt dasselbe in einer seiner letzten Num mern, „hatte seither die üble Angewohnheit, sich über die lau senden politischen Ereignisse von andern, und zwar größtenteils von Berichterstattern ausländischer Blätter belehren zu lassen, wosern sie rS nicht mit dem Studium ver einschlägigen Stilübungen der offiziellen Vertreter unserer Diplomatie bewenden läßt. Andere Wege zur Ersorschung der Wahrheit kennt unsere Presse nicht. Wenn irgendwo in der Welt eine „brennende Frage" anstaucht, so warten wir so lange, bis es einem deutschen Korrespondenten beliebt, an Ort und Stelle dieselbe zu ergrün den und seine Wahrnehmungen in die Öffentlichkeit zu bringen. Geschieht dies nicht, so werden wir uns jahrzehntelang mit früheren, zufällig aufgegriffenen Gerüchten zu amüsieren suchen und uns in Variationen über bereits überwundene Gesichts punkte zu der betreffenden Frage ergehen, die lauge schon aufge hört hatte, das zu sein, wofür wir sie ursprünglich angenommen haben. Daß unter solchen Umständen viele unsere Begriffe über Fragen der großen Politik sich durch Hirnverbranntheit und das aus derselben naturgemäß sich ergebende Mißtrauen durch Verdächtigungen aller Art auszeichnen, kann niemanden Wunder nehmen. Alles dieses machten wir bei der bulga rischen Frage durch. Hr. Tatistscheff bemerkt richtig, daß die russische Gesellschaft während der letzten vier Jahre be züglich der Sachlage in Bulgarien sich mit der durchaus ungenügenden, weil nicht vorurteilsfreien Berichterstattung ausländischer Organe oder der bulgarischen Emigranten begnügens mußte, welch letztere namentlich aus Gründen persönlicher Interessen die Lage iu Bulgarien in der denkbar trostlosesten Weise geschildert haben Bon welcher Beschaffenheit unsere „Kenntnis" der Tinge in Bulgarien ist, beweist der Um stand, daß, während unsere Presse seither saft täglich den un mittelbar b«vorstehenden Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Bulgarien und dem Sturze des Prinzen von Koburg und seines ersten Ministers Etambulow verkündet hatte, letztere that- sächlich sich immer mehr befestigt hatte und die Stellung dies-r beiden Machthaber sich als fraglos konsolidiert erweist. Tie üble Gewohnheit unserer Publizisten, sich unter Anlehnung an Ergebnisse fremder Berichterstattung jeglicher selbständiger Ini tiative bei der Ersorschung jener Frage zu enthalten, führte zur publizistifchen Versumpfung derfelben und zur Entaitung unferer Presse Letztere ließ sich durch ihre vollständige Unkenntnis der Lage in Bulgarien zu einer Stellungnahme zn der bulgarischen der Technik, auch in der Behandlung der Instrumen tation, sehr wohlklingend gearbeitet und lassen gegen über einer schon früher durch die König!. Kapelle be kann! gewordenen Suite des jungen Wiener Tonsetzerö in ihrer Mehrzahl eine wesentlich größere Einfachheit und von pikanten Überraschungen absehende Unbe fangenheit in der Melodik, Modulation und Rhythmik sowie im instrumentalen Ausdruck mit erfreulicher Wirkung hcrvortreten. Die Variationen sind nicht zu lang, bewahren mit einziger Ausnahme der sechsten, an sich durch die schöne, warme Kantilene der Geigen eindrucksvollen Nummer bei aller Freiheit modernen Empfindens und Gestaltens und reichem Wechsel des Tempos, der Tonart und der Instrumentation die klaren Gruudzüge des Themas und haben dabei den gewichtigen Vorzug einer immer kräftigeren Steigerung bis zum breit ausgeführten Finale, das Schuberts sentimental gefärbtes Andante mit nur zu grellem Ton- kolorit in einen schwungvollen Triumphgcsang umwau- delt. Die sehr tüchtige und wirksame Arbeit Heu bergers wurde in der prächtigen virtuosen Wiedergabe von den Zuhörern mit verdientem Beifall ausgenommen. Eine unter Direktion des Hrn Hofkapcllmcister Hagen frisch belebte, in allen Sähen ebenmäßig vor treffliche, in dem verklärten Adagio wunderbar klang schöne und in dem geistsunkelnden Schluß-Allegro vor nehmlich auch seitens der Kontrabassisten bravourvolle Ausführung der 0-üur-Symphonie von Ludwig van Beethoven ergab den genußreichen Abschluß des schönen Konzertabends. r- Frage verleiten, die ihre Würde in der empfindlichsten Weise fchädigrn mußte Sie büßte den würdevollen und felbstbewuß- ten Ton ein, indem sie bci der Beurteilung der Dinge in Bul garien sich zur leidenschaftlichen, gegen die bulgarischen Macht- habcr gerichteten gemeinen Straßenzänkerei hinreißen ließ, deren Organe dann allerdings den gleichen Ton anschlugen, um ihre Patrone gegenüber ihren russischen Bngreisern in derselben un würdigen Weise zu verteidigen Mit Rücksicht daraus müssen wir Hrn Tatistscheff nur Dank wissen dasür, daß er init seinen Berichten diese geradezu absurden Wechselbeziehungen zwischen der publizistischen Vertretung deS russischen und bulgarischen Volkes in das rechte Licht gestellt halte." Auch die Monatsschrift „Wjestnik Jewropy" (die europäifche Revue) ein gleichfalls hervorragendes Organ der liberalen Partei, hatte sich anerkennend über den Versuch deS Hrn. Tatistscheff, die seither in Ruß land vervehmten bulgarischen Machthaber zu ihrer Verteidigung vor der russischen Öffentlichkeit zu Worte gelangen zu lassen, ausgesprochen. Desgleichen fanden wir auch in den Spalten des liberalslawophilen „Ten" warme Worte der Anerkennung für den genannten russischen „Bulgarienforscher", dem derselbe das Ver dienst, die russische Gesellschaft aus der unerträglichen Lage, in der sie sich dank der „eigentümlichen" Be handlung der bulgarischen Dinge von Seite der russi schen Presse seither befunden hatte, herausgrhvlfen zu haben, hoch anrechnet. Nur die „MoSkowskija Wje- dömosti" beharrten in ihrer friedensligafeindlichen „GesinnnngStüchtigkeit", in dem sie Hrn. Tatistscheff ob seiner Anerkennung des Stambulowschen Regimes in eben dem Tone, den die „Nedjela" als würde- und sinnlos verurteilt, vor der russischen Öffentlichkeit als Gesinnungsgenossen des mit dem Bannflüche belegten angeblichen Russenfeindes Stambulow annageln Man kann indes mit Fug und Recht annchmcn, daß daS Ergebnis der „bulgarischen Entdeckungsreise" des Hrn. Tatistscheff ein nicht nur dem besseren Teile der russischen Presse, sondern auch den Friedens aussichten überhaupt günstiges und wohlthuendes ge wesen ist, wenn ein Blatt von anerkannt friedens- störerischem Charakter, wie es die „Moskowkija Wjedomosti" sind, darüber außer Rand und Band geraten. Wir Deutsche haben sicherlich keinen Grund, Hrn. Tatistscheffs publizistischen Bericht über seine Wahrnehmungen ' in Bulgarien gegen die leidenschaftlichen Auslassungen des weiland Kat- kowschen Organs in Schutz zu nehmen, sofern dessen Verdächtigungen des deutschen diplomatischen Vertreters in Sofia uns jegliche Freude an der Lektüre jenes Berichtes verleidet haben. Aber diese unsympathische Seite seiner Wahrnehmungen darf uns nicht irreführen bei der Beurteilung des Gesamtwertes dieser Leistung des russischen Publizisten, sobald es gilt, die thatsäch- liche Bedeutung derselben für den Erfolg der fried lichen Bestrebungen der deutschen Diplomatie in An schlag zu bringen. Thatsächlich hatte Hr. Tatistscheff den Beweis erbracht, und die russische Presse als Ver tretung der öffentlichen Meinung in Rußland hat seine Ausführungen als solchen auch zur Kenntnis genom men —, daß der seitherige Gesichtspunkt, von dem aus man in Rußland die bulgarische Frage behandelt hatte, ein durchaus unrichtiger und der wahren Sach lage nicht angemessener gewesen ist. Da nun aber auf diesem nunmehr als durchaus mißverstanden an erkannten Gesichtspunkte die seitherige Politik der lei tenden Kreise, die soviel Anlaß zur Beunruhigung Europas gegeben, aufgebaut war, so ist aller Grund vorhanden, daß die russischen Machthaber der Politik des großen nordischen Staates künftighin eine Richtung geben werden, die mit der Wühlarbeit der eingestan denermaßen durch ihre Unkenntnis der Sachlage irre geführten panslawistischen Organe nichts gemein haben dürfte. Wir für unseren Teil wollen es zwar dahin gestellt sein lassen, ob Hr. Stambulow als angeblicher Diktator die Lage in Bulgarien in dem Maße be herrscht und in seiner Stellung durchaus unerschütterlich Besiegter Ehrgeiz. Erzählung von Woldemar llrban. >0 (Fortsetzung) „Ter schlaflose Herr Marbod O'Föunor fängt an, mir fürchterlich zu werden", murmelte sie leise vor sich hin, aber schon im nächsten Augenblick war ihr Geist wieder auf den neu aufgehenden Stern gerichtet. ES galt für sie jetzt, den Schlachtplan zu entwerfen, und mit der ihr eigenen Gewandtheit und Kraft in der Jntrigue arbeitete ihr Gehirn in fast nervöser Unablässigkeit daran. Sic kannte ihre schlechte Position wohl. Gräfin Hertha war für sie eine höchst gefähr liche Gegnerin. Aus alter einflußreicher Familie, schön, jung, reich und von jener naiven Innerlichkeit und Wärme, die manche Männer nun einmal un widerstehlich finden, hatte sie ihr eigentlich keine Truppen gcgenüberzustellen als ihren Einfluß bci Hose und jenes leichte, nebelhafte Gewebe der Jn- trigue, das auf dem Schlachtfeldc des Salons etwa das ist, was die Kavallerie auf dem wirklichen Schlacht felde. Außerdem fehlte ihr jede sichere Verbindung mit dem Grafen Flkrin. Sie kannte ihn wohl, sie liebte ihn sogar, wenn auch erst seit drei Tagen, näm lich seit er Aspirant auf das Ministerportefeuille war, aber das genügte nicht, um ihn zu erobern Nun hätte sie allerdings gewünscht und auch erwartet, daß er ihren Einfluß bei Hose suche! Das war nicht ge schehen und sie empfand das ganz richtig schon als eine halbe Niederlage Aber Fanny v Treßnitz war nicht die Frau, die sich so rasch besiegt gab. „Herr v Goncourt bittet nm die Ehre," sagte ihre Zofe wieder ist, als es Tatistscheff die politische Welt in Rußland glauben macht, und ob ein Pakt der russischen Diplo matie mit dem derzeitigen Lenker der Geschicke Bul gariens der sicherste und beste Weg zur Lösung der bulgarischen Frage sei, aber immerhin dürften derartige Bestrebungen die leitenden Kreise in Rußland früher oder später auf den Boden der bestehenden Verhält nisse in Bulgarien und in weiterer Folge auch zur positiven Ausgleichsarbeit mit den berechtigten Faktoren der Balkanpolitik führen, die die Gewähr einer dauer haften und allseitigen Beruhigung Europas bieten dürf ten. Daß der Anbahnung eines unmittelbaren Verkehrs der russischen Politiker mit dem hervorragendsten Ver treter des bulgarischen Volkes ein entschiedener Bruch derselben mit der seitherigen unfruchtbaren, aber den Berusswühlern in Rußland ans Herz gewachsenen Politik der Negation zn Grunde gelegen, davon zeugt der dagegen ebenfalls in den Spalten des „Nowoje Wremja" unternommene Versuch des Generals Kaul bars. Es fiel allgemein ans, daß ein noch aktiver hoher Militär es wagen durfte, öffentlich Hrn. Ta tistscheff mit einer Kundgebung entqegenzutreten, die neben einer Menge interessanter Einzelnheiten seiner bekannten Reiseergebnisse in Bulgarien auch reichlichen Stoff zur abträglichen Beurteilung einer erklecklichen Anzahl von Schritten, die die russische Diplomatie zum Zwecke der Wiederherstellung ihres Einflusses in Sofia unternommen, geliefert hatte Offenbar ließ sich Ge neral Kaulbars bei der Veröffentlichung seines „offc nen Schreibens" an Tatistscheff von der Absicht leiten, der Schlußfolgerung aus dessen Berichte, als wäre die bulgarische Frage ihrer Lösung im russischen Sinne nnr dadurch entrückt worden, daß die russische Regie rung es nicht verstanden hatte, für eine seinerzeitige Verständigung mit dem einflußreichsten bulgarischen Staatsmanne Sorge zu tragen, um jeden Preis die Spitze abzubrechen. Tatistscheffs Bericht läßt das politische System Rußlands in dieser Frage als ver fehlt erscheinen und die russische Gesellschaft nimmt gläubig diese Belehrung zur Kenntnis; Kaulbars da gegen verteidigt die Richtigkeit dieses Systems und gesteht nur, um die Erfolglosigkeit desselben zu be- leuchtcn, eine Anzahl Fehlgriffe zu, die die russische Diplomatie bei der Durchführung derselben sich zu Schulden kommen gelassen habe. In dieser Zusammen stellung der beiderseitigen Enthüllungen dürfte auch deren thatsächliche Bedeutung augcdeutct werden. Zugleich cr- giebt sich aus derselben aber auch der Hinweis auf die erfreuliche, weil der friedlichen Ausgestaltung der allgemeinen Lage günstige Thatsache, daß man in Ruß land bereits zur Einsicht gelangt ist, daß an der Ver sumpfung der bulgarischen Frage und der dadurch her- vorgerufeneu Gefährdung des allgemeinen Friedens nicht, wie man es seither in allen möglichen Varia tionen iu der russischen Presse lesen und hören konnte, die angebliche Rußland feindliche Ränkesucht der Frie densligomächte, sondern die eigene Unzulänglichkeit bei der rechtzeitigen Entwirrung politischer Verquick uugcn die Schuld getragen hat. Tagesgeschichtc. Drcsden, 15. November. Ihre Majestäten der König und die Königin werden Sich morgen nach mittag 1 Uhr mit Sonderzug zu einem mehrtägigen Aufenthalte nach Schloß Sibyllenort begeben. In der Allerhöchsten Begleitung werden sich be finden: Oberkammerherr Wirkt. Geheimer Rat Graf Vitzthum v. Eckstädt, Flügeladjutant Oberstlieutenant Graf Vitzthum v. Eckstädt, Oberhofmeister v Watzdorf, die Hofdamen Gräfin Einsiedel und Freiin v. Miltitz Dresden, 15. November. Der Kaiser! Statthalter in Elsaß-Lothringen, Se. Durchlaucht Fürst Hohen lohe wurde gestern von Ihren Königl. Majestäten „Goncourt ? Goncourt? Kenne ich ja gar nicht!" sagte nachsinnend Frau v. Treßnitz. Endlich besann sie sich. „Ah, das ist der kleine Sekretär im Ministerium! Was will denn ter? Nun, führen Sie ihn her — wir werden ja sehen." Herr v. Goncourt kam. ES war ein dürftiges Männchen, mit beweglichen und lebhaften Mienen, kleinem Kopf und etwas gezierter Eleganz. „Frau Obcrhofmeisterin, Sie werden vielleicht erstaunt sein, daß ich mir die Freiheit genommen habe, Sie zu belästigen —" „O, Herr v Goncourt, eine Belästigung? Es ist mir ein großes Vergnügen, Sie zu sehen " Gegenseitige Verbeugung. „Frau v. Treßnitz", begann Herr v. Goncourt, „ist nicht nur als die liebenswürdigste, sondern auch als die menschenfreundlichste Dame am Hofe bekannt —" Nochmalige Verbeugung, wahrscheinlich uiit dem beiderseitigen Gedanken, eine wie wunderschöne Ein richtung die Phrase sei und deshalb habe ich gewagt, Ihnen, Fran Oberhofmeisterin, mit einer Bitte zu nahen." „Sie ist im voraus gewährt, wenn ihre Erfüllung in meiner Macht steht." „Es ist bekannt geworden, daß das Ministerium einen Legationssekrctar nach Madrid senden will. Die Pcrsonenfrage ist noch nicht entschieden und ich bin gekommen, Ihren Einfluß zu erbitten, daß mir der nicht unwichtige und jedenfalls vortreffliche Posten an- vertraut wird." „Ich werde gern alles thun, waS in meinen Kräften steht, mein werter Herr v Goncourt, nur bin
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