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Dresdner Journal : 16.12.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189012169
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18901216
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18901216
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-12
- Tag 1890-12-16
-
Monat
1890-12
-
Jahr
1890
- Titel
- Dresdner Journal : 16.12.1890
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W291 i Dienstag. den 16. Dezember, abends. 1890. ttr Vresck«» ^iertslHLstrliol, S II. 50 kk., d« äs» Liüssrl. ä«at»okvo vivrtsl- Mrrllvk 8 LI.; 6«, 6sut«ei»eo LsicNa» tritt kost- Ull6 8t«iupoIru«:Nl»e Nuum. Liorslvs Huvvmvrv: 10 kk. Anllvnckl^unxsrekltärvn« 6«s L»ow «u»or ^»»pultvovv 2sil« Illsioor Kotu-itt LV kk. Oatsr „kün^osLoät" Ni« Avils SO kl. Kei l'sdsllsv- avN 2iN«rv»»tr «vtspr. ^lllsekl»^. Lrsedvlu»», mit^iiiQ^tuQS der 8000- 0. k«ivrt»<f» »beva» k«ri»prvoli Ur. 1285. DreMerHonmal Für äi« Geiamrl«rrun^ verantwortlich r Hofrat Gtto Banck, Professor der (ttteratur- und Runstgeschichti. von ^oLvnIIxnnxen »vsvLrls» Lelpiiss: I-> Lrancktetter, XomwissionLr <iss Oresüoer lourv»!,; S»»d»r- N«rlu» Vteo l.»ip,i^ N»»«l Nr«,l»u rr»L^tnr< ». N.: «aa«enÄe,n <L kvAier, N«rU»-Vt»» LivdiuA- l.«lp»>b -krslllrtart ». U.-rtülledsv: ^««1. .1/««»«,' k»ri» I^vLckoll-LerUll ?rs»ktcrt ». tt.-8lutts»rt: «I (7o, LerUo: /nr a/itirvctanl, Lrsilso: >,nit La-xM,- Lenooeer: 0. L»U» ». S.: Lorek cö 60. Nerousxederr Lünizl. LipsNition 6e« Vresöver lourruü«. Orvsäen, Aviozerstr. 2V. kvrn»prsci»--tv»cUu,,: lir 1285. Westessungen auf das „Dresdner Journal" für das nächste Vierteljahr werden zum Preise von 2 M. 50 Pf. angenommen für Dresden: bei der unterzeich neten Expedition (Zwingerstraße Nr. 20), für «»SwärtS: bei den betreffenden Postanstalten zum Preise von 3 M. Löuigl. Expedition des Dresdner Journals. (Zwingerstraße Nr. 20, in der Nähe des neuen PostgebäudeS.) Fernsprech-Anschluß Nr. 1295. Amtlicher Teil. Dresden, 10. December. Se. Majestät der König haben dem Pfarrer und CanonicuS Carl Ludwig Junge in Seitendorf das Ritterkreuz I. Klasse vom Albrechtsorden Allergnädigst zu verleihen geruht. Se. Majestät der König haben den zum Consular- Agenten der Vereinigten Staaten von Nordamerika in Zittau ernannten Kaufmann Paul Ermrich da selbst in dieser Eigenschaft anzuerkennen geruht. Sc. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Standesbeamten Bürger in Hennersdorf das allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Polizeidiener Römer in Hartmannsdorf das allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen. Nichtamtlicher Teil. Heüegrcrphische Nachrichten. Wien, 16. Dezember. (Tel. d. Dresdn. Iourn.) Im Abgeordnetenhaus? legte der Ministervräfident heute einen Gesetzentwurf vor, betreffend ein unverzinsliches Darlehn von 500600 Gulden für Karlsbad anläßlich der Überschwemmung, und er suchte daS HauS um thunlichste Beschleunigung der Beratung. Dresden, 16. Dezember. Deutsch-österreichische Zollkonfcrenzen sonst und jetzt. Die zvllpolitischeu Verhandlungen zwischen Deutsch land und Österreich-Ungarn sind zu einem Abschlusse bislang noch nicht gediehen. Nach einer Meldung der Wiener „MontagSrevue" sollen die vor Weih nachten auf kurze Zeit zu unterbrechenden Verhand lungen soweit vorgerückt sein, daß der Schluß der Kon ferenzen noch vor Ende Januar zu erwarten ist. Auf welcher Grundlage die Verhandlungen geführt werden, entzieht sich selbstverständlich der öffentlichen Kenntnis; es rst insbesondere nicht zu sagen, ob es sich nur um einzelne Tarifänderungen handelt, welche auch den übrigen meistbegünstigten Nationen zu gute kommen würden, oder um eine deutsch-österreichische Zollunion, wie sie schon früher geplant war. Daß das letztere der Fall fein sollte, ist freilich im höchsten Maße unwahrscheinlich. Nach den bis jetzt in die Öeffentlichkeit gelaugten Mit teilungen handelt es sich vielmehr nur um die Herab setzung einer Reihe von Sätzen der beiderseitigen Zoll tarife. Auch die vorher erwähnte Meldung der Wiener „Montagsrevue", welche durch das offiziöse Telegraphen- bureau weiter verbreitet wurde, läßt nur diesen Schluß HU. Es wird darin gesagt, daß sich die deut schen Anerbietungen namentlich auf die Ermäßig ¬ ung der Getreide-, Vieh,- und Holzzölle bezögen, während Deutschland von Österreich außer der Herab setzung einiger Jndustriezölle namentlich Zugeständnisse auf jenem Gebiete verlangt habe, auf welchem ihm durch Abschaffung des Appreturverfahrens, welches bis zum Jahre 1878 bestand, Schaden erwachsen sei. Diese Nachricht deutet nicht darauf hin, daß mehr alS eine Revision des deutschen und des österreichisch-ungari schen Zolltarifs geplant wäre. Welches aber immer die den Verhandlungen zu Grunde liegenden Vor schläge sind, in jedem Falle ist anzunehmen, daß die Ergebnisse der Konferenz zu einer erfreulichen Er gänzung dcr politischen Freundschaft zwischen Deutsch land und Österreich-Ungarn führen werden. Auf beiden Seiten besteht die Geneigtheit, einander das weitgehendste Entgegenkommen zu zeigen und den In teressen der am meisten beteiligten Kreise so viel wie möglich Rechnung zu tragen. Es ist darum eine füb beide Teile thunlichst befriedigende Erledigung der Angelegenheit mit Sicherheit zu erwarten In der Münchener „Allg. Ztg." nimmt ein Mitarbeiter dieses Blattes Veranlassung, die gegenwärtigen Verhand lungen in Wien mit denjenigen früherer Jahre zu vergleichen und den Umschwung, der sich darin be kundet, des Näheren zu beleuchten. Der Genannte schreibt: Die jetzigen Handelsvertragsverhandlungen in Wien zwischen den deutschen, österreichischen und ungarischen Delegierten legen einen vergleichenden Rückblick auf die Wiener Zollkonferenzen vom Jahre l852 nahe. Österreich hatte mit Schreiben vom 25. November 1851 die Regierungen sämtlicher deutscher Bundes staaten zu einer am 2. Januar 1852 zu eröffnenden Zusammenkunft eingeladen. Preußen, die thüringischen Staaten, Mecklenburg und Holstein folgten der Ein ladung nicht AIS Ministerpräsident Fürst Schwarzen berg am 4. Januar 1852 die Mitglieder der Konfe renz begrüßte, konnte er nicht umhin, hcrvorzuheben, wie die kaiserliche Reg'eruug nicht der Ansicht sei, daß schon in der gegenwärtigen Zusammenkunft, in welcher „so manche wichtige Teile Deutschlands" nicht vertreten seien, endgiltige Beschlüsse gefaßt werden sollten. Über haupt überwiegt in der historisch bedeutsamen Eröff nungsrede des Fürsten Schwarzenberg das negative und polemische Element. Zwar wird der positive Zweck der Verhandlungen mit Entschiedenheit voraus» gestellt; dieser Zweck ist „kein anderer, als jener, wo möglich die geeigneten Verabredungen zum Behufs eines die künftige Handels- und Zolleinigung Deutschlands und Österreichs vorbereitenden und deren Verwirklichung sichcrstellenden Vertrags zu treffen." Das charakte ristische „bin anderer" dieses Satzes findet sofort seine weitere Ausspinnung in dem folgenden Satze, in wel chem Fürst Schwarzenberg hcrvorhcbt, es werde an manchem Orte noch zur Stunde die Besorgnis gehegt, daß Österreich außer dem von ihm laut verkündeten Zwecke auch noch andere zu erreichen strebe, oder daß doch wenigstens die Durchführung der österreichischen Absichten die bisherigen handelspolitischen Verbin dungen in ihrem Fortbestand unfehlbar würde gefähr den müssen. Mit großer Vorsicht vermeidet der öster reichische Ministerpräsident die Betonung der neben den handelspolitischen Erwägungen bestehenden politi schen Interessen, wohl empfindend, daß in dem damals noch mangelnden AuStrag der Frage, wer die deutsche Vormacht sein solle, die größte Schwierigkeit der Ver knüpfung politischer und handelspolitischer Interessen lag. Dos politische Interesse Österreichs wird sogar in gewissem Sinne verhüllt, wenn der Fürst her vorhebt„ Österreich könne sich nach seinen volks wirtschaftlichen Verhältnissen und Beziehungen zwar selbst genügen, „um jedoch den großartigen Gedanken eines mitteleuropäischen Zollbündnisses seiner Verwirklichung zuzusühren und die Bande der Freund ¬ schaft zwischen dem Kaiserstaate und den mit ihm im deutschen Bunde vereinten Fürsten und Völkern zu allseitigem Vorteil noch enger und fester zu knüpfen, werde Österreich sich zu den seinerseits zu bringenden entsprechenden Opfern gewiß bereit finden lassen." Wie ganz anders sind die Verhältnisse, unter wel chen jetzt der Graf Kalnoky die Mitglieder der gegen wärtigen Wiener Zollkonferenzen begrüßt hat! Heute erscheinen nicht mehr vereinzelte deutsche Staaten, welche an Macht und Bevölkerung des deutschen Ge bietes nur eine Minderheit darstellen, sondern ganz Deutschland in der geeinten, jedes innere handels politische Zerwürfnis ausschließenden Erscheinung des Reiches, unter werkthätiger Beihilfe gewiegter Sach kenner aus den nach ihrer Bedeutung und geogra phischen Lage besonders interessierten deutschen Einzel staaten Und auch auf der anderen Seite hat sich eine bedeutsame Wandlung vollzogen, indem die wirtschaftlichen Interessen Ungarns nunmehr ihren be sonderen staatsrechtlichen Ausdruck neben jenen Cislei- thaniens und der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie gefunden haben. Im Einzelfalle wild die selbständige Sprache Ungarns vielleicht recht oft die Verständigung erschweren; wenn sie aber zu stände kommt, ist sie gerade durch die vorgängige Aussprache der ungarischen Interessen um so mehr gefestigt. Der politische Kampf um die Vormacht in Deutsch land ist jetzt ausgetrogen; nun besteht auch kein Be denken mehr, der Wahrheit die Ehre zu geben nnd die hohe Bedeutung der handelspolitischen neben der politischen Freundschaft ausdrücklich hervorzuheben, wie dies in der That Graf Kalnoky in seiner Begrüßungs ansprache gethan hat. Auch in den« sachlichen Ziele der Bestrebungen be steht der größte Gegensatz zwischen jetzt und sonst. Durch die Wiener Konferenzen von 1852 sollten gleich zwei Etappen der handelspolitischen Annäherung von Deutschland und Österreich bewältigt werden In der That verständigte sich die Konferenz nicht bloß über einen Handels- und Zollvertrag, welcher am 1. Januar 1854 in Kt:aft treten sollte, sondern auch über einen mit dem I. Januar 1^50 in Wirksamkeit zu setzenden Zolleinigungsverirag. Keiner dieser beiden Vertrags entwürfe kam bekanntlich zur Verwirklichung, wohl aber auf Grund direkter Verhandlungen zwischen Österreich und Preußen ein Handelsvertrag mit Zollkartell vom 19. Februar 1853, welcher deu gesunden ^Gedanken eines Systems ausschließlicher gegenseitiger Zollbegün stigungen zur Durchführung brachte. Die jetzigen Konferenzen sind nicht durch die Wucht formulierter weitauesehender Projekte belastet; fast mochten wir meinen, daß eher das Gegenteil der Fall ist. Hoffen wir, daß der jetzt angebahnte persönliche Meinungsaustausch dazu führt, die Aussichten einer ernstlichen handelspolitischen Annäherung zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn zu fördern. Tages geschichte. Dresden, >2. Dezember. Von der feiten des König!. Finanzministeriums herausgegebenen, unter der Leitung des Professor Oberbergrat l)r. Eredner in Leipzig bearbeiteten geologischen Spezialkarte des Königreichs Sachsen ist soeben die Sektion Ölsnitz-Bergen erschienen. Der Preis eines Blattes nebst den zugehörigen Erläuterungen beträgt drei Mark. Die Karte ist nicht nur durch die Kom missionsbuchhandlung von Wilhelm Engelmann in Leipzig, sondern auch durch jede andere Buchhand lung zu beziehen, insbesondere durch die in Dresden, Leipzig, Meißen, Pirna, Döbeln, Freiberg, Chemnitz, Plauen, Annaberg, Zwickau, Glauchau, Bautzen, Berlin und Altenburg errichteten Lager, wo selbst überall Übersichtsblätter und Prospekte über die bis jetzt erschienenen und demnächst zur Veröffentlichung gelangenden Sektionen der geologischen Karte ebenso, wie die einzelnen Blätter selbst zur Ansicht bereit stehen. Berlin, 15. Dezember. Se. Majestät der Kaiser nahm heute die laufenden Vorträge entgegen und em pfing nachmittags 2 Uhr den aus Dresden eingetroffe- nen König von Sachsen und den Prinzen Georg von Sachsen, in deren Begleitung der Monarch um 5 Uhr die Reise nach Wusterhausen zur Abhaltung der großen Hosjagden anlrat. — Mit Rücksicht auf den Umstand, daß für das Jahr 1892 eine Neugestaltung der internatio nalen handelspolitischen Vertragsverhältnisse und somit auch derjenigen Deutschlands zu erwarten war, hatte das Direktorium des ZentralverbandeS deutscher Industrieller unter dem 27. November v. I. die eingehend begründete Bitte an den damaligen Reichskanzler Fürsten v. Bismarck gerichtet: „DaS Kaiser!, statistische Amt anzuweisen, auf Grundlage der von dieser Behörde veröffentlichten jährlichen Nachwei sungen über den Warenverk hr des deutschen Zollgebietes mit dem Auslande eine vergleichende Statistik festzustellen, welche die Entwickelung des deutschen Warenverkehrs mit dem Auslande mit Bezug auf Einfuhr, Ausfuhr, un mittelbare Durchfuhr und Veredelungsverkehr vom Jahre 1880 ab — in möglichster Trennung der Waren und für jedes der in Betracht kommenden Länder — zur Darstellung bringt." Hierauf ist dem Direktorium unter dem 3. v. Mts. von dem Herrn Staatssekretär des Innern der Bescheid zugegangen, daß das Kaiser!, statistische Amt angewiesen sei, dem gestellten Anträge insoweit zu entsprechen, als es nach Lage der Sache thunlich erscheint. Demgemäß werden aus den alljährlichen Spezialübersichtm über Einfuhr und Ausfuhr die Nachweisungen derjenigen einzelnen Warengattungen, welche für den Verkehr mit den ver schiedenen Staaten des Auslandes von besonderer Be deutung sind, unter Nebeneinanderstellung der Einzel ergebnisse aus den Jahren 1880 bis 1889 nach Mentze und Wert zum Eonderabdruck gelangen, und zwar in nach einander folgenden Heften, in welchen Einfuhr und Ausfuhr eines jeden Landes vereinigt dargestellt werden. In der „Conservativcn Corrcspondenz" lesen wir: In den ,,Brrl. Pol. Nachr." finden wir einen drittel, in welchem behauptet wiid, eS jprächen gewichtige Thatsachen dasür, daß die sozialdemokratische Agitation ihren Höhepunkt beieils überschritien Kade Leid r schweigt da» genannte Oigan über diee „gewichtigen" Thals.'chen, welche ihm zu seinem Urteil Anlaß gegeben hab n; d nn der Umstand, den es ansührl, daß ein iozialdcmotratiicheS Blatt zu Königs berg jein Erscheinen kinstellen muß, ist dach wchl nicht al» ein „gewichtiges" Lymptvm auszu'asiev, und der von den „Berl. Pol. Nachr." hieraus rezogene Schluß, daß .ähnliche finanzielle Kalamitäten" bei dem weitaus größten Teile der sozialdemokra tisch-n Provinzpressc herrschen, dürste ganz ebenso irrig sein, wie dir Voraussetzung, von welcher das Organ auSg. hr, daß nämlich nach Erlöschen de» Sozi'UstengefitzeS „überall in Dcutschlano Preß organe in» Leben gerufen worden sind." Bekanntlich ist die Hahl der sozialdemokratischen publizistischen Neugründungen seit dem I. Oktober überaus gering; d e Umstnrzpartei war schon während des B standes deS Sozialist, ngesetze» mit Parteiblättern vollständig zur G'nüge versehen, denn durch daS nunmehr gefallene Spe zialgesetz waren bekanntlich in dieser Hinsicht der Sozialdemo kratie in den letzten Jahren keine wesentlichen Cch-anken wehr gesetzt Wenn nun spekulative .Genossen' h.rr und da nach dem 1. Ottobcr ein Blättchen in» Leben riesen, das sich nicht als lebensfähig erwies, so bat das mit der sozialbemolraiischen Agitation im allgemeinen absolut nichts zu thnn und es ist nicht nur irrig, daraus als aus ein Symptom hinzuwcisen, sondern e» ist in dem letz-gen Augenblick, wo alles daraus ankommt, daß sich da- Bürgertum zur Abwehr des Ansturm« der Sozialrevolu tionäre fest zusammenschließi, geradezu verhängnisvoll, Nachrichten in die Welt zu setzen, die geeignet sind, die staateerhaltcuten Ele mente in eine falsche Sicherheit zu wiegen. Den sozialdemo kratischen Agitatoren dir gerade jetz' erklärt hrben, daß die Partei sich sammeln und störten, daß sie mt möglichst geringem Lullst und Wissenschaft. Besiegter Ehrgeiz. Erzählung von Woldemar Urban. »L (Fortsetzung.) Wenn Gräfin Fanny hier Herrn «O'Feunor ihren früheren Liebhaber nannte, fo geschah das nicht etwa in dem allgemeinen Sinne, den das Wort sonst hat, sondern in dem speziellen Sinne, den es für sie selbst batte. Gräfin Fanny hatte — abgesehen von einigen Jugendschwärmereien — nie in ihrem Leben irgend etwas oder irgend jemand geliebt, außer sich selbst Die Eigenliebe war die einzige, die ihrer naturalisti- 'chen Pädagogik unverdächtig und unverfänglich erschien. Alle anderen — Lieben hatte sie sich als unzweckmäßigen Ballast, als hindernde Gefühlsver- irrungen, als unklare, sentimentale Faseleien fern ge halten. Sie glaubte damit nicht etwa tugendhaft, son dern klug gehandelt zu haben. Ihr Verhältnis zu Herrn O'Fc-nnvr war ein Gemisch von Schwärmerei für den auch etwas schwärmerischen, sehr interessanten und amüsanten jungen Mann nnd von Zerstreuungs und Vergnügungssucht gewesen. Jetzt natürlich sah sie das Unzeitgemäße eines solchen Verhältnisses ein, denn sie war eine kluge Frau und sah sich solche un- vraktische Exzentrizitäten lieber auf dem Theater an. Nur wunderte sie sich, daß — der andere daS nicht auch einsehen wollte — oder konnte. Der andere Brief trug den Poststempel „Nizza" und kam von der niedlichen, gelblichen, schwarzäugigen Komtesse EasaS y Lola» „Teuerste Freundin," schrieb sie, „wo bleiben Sie denn? Ich höre, daß dort abscheuliches Wetter sein soll und hier ist cs paradiesisch Die Saison ist mit ungewohnter Pracht und Lebhaftigkeit angebrochen, alles wetteifert, sich gegenseitig zu amüsieren. Gestern war ein reizender Ausflug nach Monaco, wo ich einem Engländer zusah, der in kaum zwanzig Minuten eine halbe Million Francs verlor. Es sah zu hübsch aus und regte so eigentümlich an. Wie schade, daß Sie das nicht auch mit ansehen konnten. Es ist eine so durchaus noble Passion, das Spiel. Morgen ist die erste große Regatta Ich hoffe, Sie bald umarmen zu können und bin Ihre lustige und Ihnen immer freundschaftlich zugeneigte Mercedes, Komtesse Casas y LolaS." Und draußen stürmte und schneite es mit einer bedauerlichen Gleichmäßigkeit weiter, spritzten die Wagen rechts und links den Straßenkot herum, rann ten mürrische geschäftige Menschen Straße auf. Straße ad es war zuin Verzweifeln. — „Herr Rechtsanwalt Bärwaldt", unterbrach Martin seine nachdenkliche Herrin „Er soll kommen." Der Mann der Rechts kam. Herrn Bärwaldts naturalistische Pädagogik ging noch um einen Stich weiter, als diejenige der Frau Gräfin Florin. Er war der Mann von Grundsätzen. Sein Grundsatz war: „Was nicht verboten ist, ist erlaubt." Das Straf gesetzbuch war sein Moralkodex, die Zivilprozeßord nung sein Evangelium. „Was also haben Sie meiner Freundin für einen juristischen Rat zu geben nach all' dem, waS Sie ge hört Haden", sagte Gräfin Fanny nach einem längeren Vortrag zu Herrn Bärwaldt. „Excellenz, ich habe die Ehre, folgendes zu de merken. Wenn Ihre Freundin gericht-kundig nach weisen kann, daß Ihre Gesundheit so beschaffen ist, daß ein längeres Verweilen in unserem Klima ihr Schaden bringt, wenn sie ferner nachweisen kann, daß ein milderes Klima, z. B. das Klima von Nizza, not wendig ist zur Erhaltung ihrer Gesundheit, und ferner glaubhaft erweisen kann, daß sie die Kosten einer solchen Luftveränderung ohne Gefahr für die Familie bestreiten kann, so kann sie von niemandem hier zu rückgehalten werden." „Herr Rechtsanwalt, dazu brauche ich keinen Ju risten, um das zu wissen! Ich will wissen, wie ein solcher Nachweis am einfachsten und praktischsten ge liefert werden kann." „Durch den Arzt, Excellenz" „So, so! Ter Arzt schickt mich zum Juristen und der Jurist zum Arzt. Ich hätte mir nicht träumen lassen, daß die Geschichte so einfach wäre", sagte Gräfin Fanny ironisch. ,„Höchst einfach, Excellenz. Von den Aussagen der Arzte würde der Ausgang des Prozesses abhängig sein." „Aber, mein Lieber, cs handelt sich ja gar nicht um einen Prozeß. Es ist gar nicht daran zu denken, aus einer reinen Familienangelegenheit eine öffentliche Streitsache zu machen, die >m günstigsten Falle er ledigt sein würde, wenn die Saison vorüber ist Drehen wir doch den Spieß einfach um. Sagen wir, meine Freundin reist ohne weiteres ab. Was ge schieht dann?" „Dann hat der Gemahl Ihrer Freundin das Recht der Verfolgung innerhalb der Grenzen unseres Rechts und unseres Rcchtsgebietes" „Sehen Sie, mein Lieber, jetzt sieht die Sache schon anders aus Innerhalb gewisser Grenzen also. Wie sicht das Recht innerhalb dieser Grenzen aus?" „Der Gemahl Ihrer Freundin kann sie polizeilich verfolgen und zurückbringen lassen — wenn die Poli zei sie findet, selbstverständlich, was bekanntlich nicht immer der Fall ist. Jedenfalls ist eine solche Ver folgung mit Schwierigkeiten und großen Umständlich keiten verbunden und obendrein ein Resultat höchst unsicher." „Und außerhalb des Rcchtsgebietes hört die Ver folgung aus? Zum Beispiel auf französischem Boden?" „Auf fremdem Boden hat unsere Polizei nichts zu suchen. Dort wäre ein Prozeß notwendig, der wohl mit Leichtigkeit sechs Monate hinausgezogen werden könnte, in welcher Zeit er ja wohl gegenstandslos werden würde." „Ich verstehe!" murmelte Gräfin Fanny nachdenk lich. Sie war doch noch nicht so entschlossen, wie sie gedacht hatte. Immer und immer fragte sie sich wie der. „Soll ich den Tanz wagen?" Nach einer Pause fuhr sie fort. „Es würde sich also darum handeln, unbemerkt aus dcm — Rechtsgebiet zu kommen." „Gewiß", antwortete der Mann des Gesetzes, „und das ist ja heutzutage eine leichte Aufgabe. Handelt es sich zum Beispiel «m eine Reise nach Frankreich, so wird man natürlich nicht direkt auf dessen Grenze losfahren, sondern man nimmt vielleicht in Hamburg oder Triest daS Schiff, um so auf einem Umwege —" „Nun, ich danke Ihnen für Ihre Aufklärungen, mein Herr, und werde nicht ermangeln, meiner Freun»
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