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Dresdner Journal : 01.12.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189012011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18901201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18901201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-12
- Tag 1890-12-01
-
Monat
1890-12
-
Jahr
1890
- Titel
- Dresdner Journal : 01.12.1890
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W278. Montag, den 1. Dezember, abends. I8W. DreÄntrÄtttnal Kranz. Konst und Wissenschaft. O. B nehm ab 2t von l in A»kS»dig««ge« für die Weih«,chtSzett finden im Dresdner Io«rnat»i die geeignetste Verbreitung. Hierbei versäumen wir nicht, darauf aufmerksam zu machen, daß au- Anlaß de- Weihnachtsfeste- Handel- und Gewerb- treibende» bei Ankündigungen mit mehrmaliger Wiederholung anstrrordentliche Bergünfiignnge» gewährt werden. König!. Expedition des Dresdner Journals. (Zwingerstraße Nr. 20, in der Nähe des neuen PostgebäudeS.) Fernsprech-Anschluß Nr. 1295. Besiegter Ehrgeiz. Erzählung von Woldemar Urban (Fortsetzung) Willenskraft, wodurch das Talent erst zu seinem wah ren Ziele geführt wird. In diesem von den meisten Mitspiclenden sehr chargiert dargestellten Stücke gab Frl. Diacono die Rolle der Therese sehr überzeugend und mit feiner ge schmackvoller Haltung. Ihre Leistung stach ange spiel von Meilhac und Halevy, Walter. — „Mama must heiraten. K. Hoftheater. — Neustadt — Am 29. Novem ber: „Michel Perrin" oder „Ter Polizeispion wider Willen." Lustspiel iu zwei Akten nach Mellesville und Duvehrier von L. Schneider. Hieraus zum ersten Male: „Mariensommer". Lust Bekanntmachung. Tas Untersteueramt Liudenau wird vom 1. Ja nuar 1891 ab aufgehoben. Die Geschäfte desselben werden von demselben Zeitpunkte ab dem Hauptzoll- amte Leipzig überwiesen. Dresden, den 10. Nvvembcr 1890. Königliche Zoll- und Steuer-Direktion. Schultz. Ob es nun der Hauch listiger Versuchung war, der aus ihm sprach, oder vie reine Flamme der Be» Für die Gesamt leitung verantwortlich: Hofrat Gtto Banck, Professor der Lttteraw» und Kunstgeschichte. Luo »Um o von L»ktlo6lxnoxe» »Min-rl«: r.»lx,ig: ZV U^anärtettk»-, LommiooivoLr 6e, Ore»6oer ^ournul»; LumduiU Vorlill Viou r«Ix»tU L»»«I Lr«,I»v vr»uLe«< ». ».! vorlio Viou NuiudurU^ Lotpoi^ rrouLeurt ». >l. Nllucdou: /tuct L/o»»«,' kurt» Loüäo» LorUll -enul^kurt ». N.-»tutt^urt: Z)a«v« (?o , v-rUu: , vr«»I»u: /eabatL» Luuuooor: 0. N»U» ». «/ <s 6». Neraaoxodvrr USai^I. LrpeäiUoo 6s» Vr«6vsr Zouroulu. Vrv»6eu, 2vis^«r»tr. 20. k«rooxr«ei»-Lu»etUu»»: Ur. 1L0L. ttsraxoprst»: i^r vr«»6ea viortotzLUrlivti 2 dl. KO kt., dei 6s» L«»«rl. äout»ot»su koituuitultou viertsl- MlrNcb L dl.; uaisvriiLlb äs» 6o»t»eUs» ksicko» tritt ko»t- uuä btompslruscUI»^ viuru. kinLslos Uuwiosra: 10 1'l. L»Ett»6txil»x»xsdüdrvi»« t^Lr Lou kuuru «iusr ^««pilltsoeo LsUv dlsiusr LoUritt 20 bloter „Lio^ssuoät" 6i« 2«it« KO kk. L« ^udstlsu- uuä 2i2sr»»»t» «utopr LuüoUUuk. Lrsodelusv r UtgNcd mit LaiouUros 6er 8oou- o. ?viert»^s »veoä» koru»pr«ot» LuoetUu»»: Ur. 1LVL. Dresden, 1. Dezember. Parnell und Gladstone. Seit langem hat kein Prozeß die politische Welt Englands in solche Aufregung versetzt, wie der kürz lich in Dublin zum Austrag gekommene Ehebruchs prozeß des irischen Kapitäns O'Shea Wiker seine Gattin und den Führer der irischen Nationalliga, Charles Stewart Parnell. Der Prozeß, welcher in folge der von den „Times" wider Parnell nnd einige seiner Anhänger erhobenen Anschuldigungen im vorigen Jahre in London zur Verhandlung kam, wurde von dem englischen Publikum ja allerdings auch — na mentlich anfangs — mit der größten Spannung ver folgt, bei dem Dubliner Prozeß aber war dies wo- möglich in noch stärkeren, Maße der Fall, nnd die eines Hrn. v Stein, dessen Mißgeschick cS ist, mit feinen HciratSanträgcn stets zu spät zu kommen. — Der „Mariensommer" wurde hier zum ersten Male aufgesührt, ein altes mit Geschick gearbeitetes Stück, welches in der Rolle deS Brigueville jeden mittel mäßigen Schauspieler und zugleich auch den Erfolg des Ganzen zu Schanden werden läßt, dagegen einem Meister in der Charakterzeichnung alter, für die Grazie des weiblichen Geschlechts noch immer in allen Ehren empfänglicher alter Herren die Gelegenheit zu einer ausgezeichneten Leistung bietet. Diese wurde denn auch von Hrn. Haase mit bestem Erfolg ergriffen. Was an edlen, zum Herzen sprechenden Wirkungen, an Einfachheit der dazu verwandten Mitteln, an durch- yesührter Harmonie der Menschenzeichnung der Gast ,m Michel Perrin darbringt, ist bekannt und wieder holt hervorgehoben worden. ES verliert niemals seinen Zauber, denn dieser ist nicht nur verschmolzen und ver stärkt durch die anziehenden Eigenschaften deS mit Geist und Gemüt verfaßten echt französischen Lustspiels, son dern er ist auch an sich selbst von nie versagender Kraft. Ter Ursprung dieser Kraft kann bei allen schauspiele rischen Wirkungen Haa^cS nachgcwiesen werden: Es ist der unermüdliche, von Liebe zur Sache, von ernster Auffassung und Pflichttreue auge- sporute eiserne Fleiß, der Zeit und Mühe für nichts achtet und nicht ruht, bis er sich ganz und gar das Wesen einer Nolle zu eigen gemacht hat, bis er sich einbildet und sich bequem fühlt in der Ein bildung, der Mensch zu sein, welchen er spielt. Talent ist eine schöne Gabe, die man geschenkt bekommt, Fleiß aber ist kein Himmelsgeschenk, sondern eine mensch liche Errungenschaft, ein Ergebnis der verdienstvollen „Hören Sic mir zu. Mag es sein oder nicht, daß mir Ihr Vater berechnenden Calcul vorgeworsen hat. " „Herr Graf !" „Bleiben Sie ruhig und hören Sic mir ruhig zu; ich sage ausdrücklich, mag cS wahr sein oder nicht, daß er an Ihren Besitz, Gräfin Hertha, eine niedrige Be rechnung knüpft, ich darf mir un er keinen Umständen solche Unterstellungen gefallen lassen —" „Aber Herr Gras! " „Ich sage nochmals ausdrücklich, cS mag wahr scin oder nicht, es würden sich immer Gegner finden, die meine Ehre verunglimpfen würden. Tas darf nicht sein. Meine politische Stellung muß rein und tadel los sein, wenn ich wirken soll." „Ich kann nur wünschen, Herr Graf." antwortete Hertha wieder mit einem kühlen Ton, „daß sich Ihre Ehre mit Ihrem Glücke decken möge." „Gräfin Hertha," sagte Florin mit bittender Miene weiter, „machen Sie mir nicht schwerer, was mir ohnehin fast unmöglich erscheint. Sie wissen, ich einem Akt von Günther. (Hr. Friedrich Haase als Gast ) , Der beliebte Künstler, der in seiner Eigenschaft als Ehrenmitglied unserer Hofbühne alljährlich vor dem Wcihnachtsfeste durch ein oft etwas zu kurzes Gast fpiel die Freunde einer feinen Schauspielkunst durch eine Anzahl seiner größeren und kleineren Rollen zn erfreuen pflegt, begann auch in diesem Jahre am gestrigen Abend dieser angenehmen Gewohnheit Folge zu geben Es geschah wie gewöhnlich unter sehr reger und herzlicher Teilnahme deS zahlreich versam mcltcn Publikums, welches den Künstler durch Her vorruf und KranzeSschmuck mit wohlverdienter Hoch achtung ehrte. Hr. Haase war in allen den drei genannten Stücke» thätig, von welchen das letztere von M. und L. Gün ther neu rinstudicrt war und durch die munter an mutige Mitwirkung von Frl. Bastss Talent in den naiven Scenrn cinrn willkommenen Reiz erhielt. Mit den treffendsten Zügen auS dem übertriebenen und oft lächerlichen Gebaren alter verliebter Junggesellen spielte in diesem kleinen Scherz der Gast die Rolle nichtamtlicher Teil. Geographische Wachrichten. Paris, 1. Dczcmbrr. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Bei der gestrigen Stichwahl in Clignancourt wurde der Possibilist Lavv mit 3220 Stimmen gewählt; Lissagaray erhielt 212! Stimmen, Rom, 1. Dezember. (Tel. d. DrcSdn. Journ.) Lon den gestrigen Stichwahlen sind in ihrem Er gebniS fünf bekannt; rS wurden 4 ministerielle Kandidaten und 1 radikaler gewählt. London, 30 November. (W. T. B.) John Morley veröffentlicht einen Brief, in welchem er erklärt, daß die in dem Manifeste Parnells ent haltenen Behauptungen sehr ungenau seien. Mor ley leugnet, Parnell den Posten eines Sekretärs von Irland angcboten zu haben zum Zwecke, die irländische Partei in der englischen Politik auf- gehen zu lassen; er habe sich nur vergewissern wollen, ob Parnell an seinem Entschlusse von 1KK0 keinen Minjstervosten unter einer englischen Regierung anzunehmen, festbalte. Morley schließt seinen Brief, indem er erklärt, waS Gladstone be- treffe so sei derselbe besser in der Lage, die An- führungen Parnells zu beleuchten, aber er glaube immer, daß Parnell keine Einwendungen auf die Anträge Gladstones in Hawarden vom Jahre 18^S gemacht habe. London, 1. Dezember. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Parnell ist gestern nach Cork abgrreist, um die Meinung seiner Kähler zu hören In Cork wird ein großer Empfang vorbereitet. London, 1. Dezember. (Tel. d. Dresdn. JournO Der katholische KlcruS von Cork erklärte sich gegen Parnell. Ebenso sprachen die Erzbischöfe von Dublin und Cashel die Notwendigkeit deS Rücktritts ParnellS auS. Man glaubt, daß in der heutigen Sitzung d»r irischen Fraktion die Mehrheit sich gegen Parnell entscheiden, daß letz terer aber auch fernerhin die Führerschaft der ihm treu bleibenden etwa 22 Deputierten behalten werde. Gladstone gab der Hoffnung Ausdruck, daß dir Verbindung der liberalen Partei mit den irischen Nationalisten auch ohne Parnell ferner bestehen bleiben werde. Bukarest,!. Dezember. (Tel d Dresdn. Journ.) Er. Majestät der König empfing gestern die Prä- fidenten der Kammer und deS Senat-, Eine Ent scheidung bezüglich deS neuen Kabinetts ist noch nicht getroffen. Rosetti wurde vor Umwandlung deö Kabinett- zum Gouverneur der Bank ernannt. Sansibar,!. Dezember. (Tel d. DreSdn Journ.) ReichSkommiffar Major v. Wißmann ist heute hier eingetroffen DaS britische Protektorat über Witu ist proklamiert worden. Chicago, !. Dezember. (Tel. d. Dresdn. Journ) Dillon und O'Brien erließen ein Manifest, worin sic erklären, eS sei unmöglich, daß Parnell künftig Parteichef bleibt, und den feindlicbtn Ton deö Parncllschen Manifeste« gegen Gladstone nnd Morlcy und da- englische Volk tadeln. Chieago, !.Dezember. (Tel.d. Dresdn. Journ.) Ein von den irischen Deputierten erlassene- Ma nifest beklagt die Notwendigkeit, zwischen Parnell einerseits und der Vernichtung der irischen Sache andererseits wählen zu müssen. ParnellS Man,fest lasse die lttztt Hoffnung schwinden, ihn als Führer zu halten. Die Methode, in der Parnell, den Ursprung der gegenwärtigen unglücklichen Lage übersehend, alle Verantwortlichkeit Gladstone und Morley aufzubürden suche, könne nicht gebilligt werden. Parnell babe ein übereilte- und fatale- Verfahren eingeschlagen, worin man ihm auS Rück sicht auf das Wohl Irlands nicht folgen dürfe. Amtlicher Teil. Dresden, 1. Dezember. Ihre Königliche Hoheit die Frau Herzogin Maximilian Emanuel in Bayern ist heute Vormittag von Wien hier angekom men uud in der Königlichen Billa zu Strehlen ab getreten. Dresden, 1. Dezember. Se Majestät der König haben dem vortragenden Rath inr Justizministerium, Geheimen Justizrath Albert Ernst Gustav HedenuS das Comthurkreuz II. Klasse vom AlbrechtSorden zn verleihen Allergnädigst geruht. Dresden, 1. Dezember Se. Majestät der König haben die Versetzung des Amtsrichters Guido Valentin Boge! in Pausa an das Amtsgericht Dresden zu ge nehmigen, sowie den Assessor KommissionSrath Theodor Reinhold Jäger in Bautzen zum Amtsrichter bei dem Amtsgericht Bautzen und den Assessor Gustav Arthur Oehmichen in Ebersbach zum Amtsrichter bei dem Amtsgericht Pausa zu ernenne« Allergnädigst geruht loS zu den radikalen Whigs gezählt werden dürfen. Hr. Gladstone und seine Anhänger hatten deshalb vollauf Ursache, auf die Stimmung dieses Teiles ihrer Wähler Rücksicht zu nehmen, sie würden gegen sich selbst gewütet haben, hätten sie Miene gemacht, ihre Beziehungen zu den irischen Homerulern fortzuseden, so lange die letzteren von Parnell geführt werden. Wäre dies nicht der Fall gewesen — sie würden vermut lich kein Wort über den ganzen Handel verloren haben, die Rücksicht auf die Stimmung der Wählerschaft aber gebot ihnen, von Parnell abzulassen, um sich selber zu retten. Dem „großen Greise" selbst ist es schwer genug geworden, einen Entschluß in dieser Angelegenheit zu fassen. Er hat lange gezögert, ehe er mit einer Kundgebung an die Öffentlichkeit trat, in der er die Frage des ferneren Zusammengehen- feiner Partei mit den Parnelliten von dem Verbleiben ihres Füh rers in seiner bisherigen Stellung abhängig machte. Die Erkenntnis aber, daß ihm nur die Wahl bleibe, auf dar Bündnis mit den Iren und die 86 irischen Stimmen im Parlamente zu verzichten öder die libe rale Partei aufs ernstlichste zu gefährden, ließ ihn endlich den entscheidenden Schritt thun und den, wenn auch nur zeitweiligen Rücktritt Parnells verlangen. Hr Gladstone setzte seine Meinung in einem an feinen Parteigenossen John Morley gerichteten Schreiben auseinander, in dem er auf die Gefährdung der irischen Interessen durch da- Verbleiben Parnells in seiner leitenden Stellung hinwieS und die Schwierigkeiten darlegte, die hieran- für die englische liberale Partei erwachsen würden und in welchem er schließlich sogar ankündigte, er würde selbst aus dem öffent lichen Leben zurücktretcn, wenn ihm die Parteileitung durch Parnells Bleiben so sehr erschwert würde. Um Parnell den Rückzug zu erleichtern, gab er seinem Parteigenossen auf, den Brief geheim zu halten und lediglich an die Opferwilligkeit deS irischen Führer» zu appellieren. Dieser aber dachte gar nicht daran, einer solchen Aufforderung Folge zu leisten. Er ließ den Brief Gladstones völlig unbeachtet und nahm, nachdem er von feinen Anhängern mit überwiegender Mehrheit von neuem zum Parteioberhaupte gewählt worden war, mit der unbefangensten Miene von der Welt seinen Sitz im Unterhause wieder ein. Die Folge dieses Verfahrens war, daß Gladstone fein Schreiben in den Blättern veröffentlichen ließ und daß die ihm nahestehende Presfe Parnell mit einer ganzen Flut von Entrüstungsartikeln überschüttete. Schon damit hatte der Streit eine Wendung genom men, die eine gütliche Beilegung kaum noch envarten ließ. Die von beiden Seiten gethanen weiteren Schritte aber haben dann die Sache derartig zuge spitzt, daß eine Versöhnung der „feindlichen Brüder" zunächst ganz undenkbar ist. Parnell nämlich beant wartete die Veröffentlichung des Gladstoneschen Schreiben mit einem Manifest an das irische Volk, um dessen Entscheidung anzurufen und zugleich seinem bisherigen Gönner und Verbündeten einige recht empfind liche Seitenhiebe zu versetzen. Er erklärte, „daß der seinen Rücktritt von der Parteileitung und der parla mentarischen Thätigkeit fordernde Bries Gladstones an John Morlcy nur den Zweck gehabt habe, die Wahl des Führers der irischen Partei durch Drohungen im englischen, bcz. Gladstoneschen Interesse zu beeinflussen Indem das Oberhaupt der liberalen Partei von einer Schädigung der Homcrulesache spreche, sofern das irische Volk ihn, Parnell, den nach ihm heulenden englischen Wölfen nicht als Beute vorwerse, sehe er sich gezwungen, Thatsachen auszudecken, die bis jetzt selbst seinen Kollegen im Parlament nicht bekannt geworden seien." Sodann ließ sich der „ungekrönte König Irlands" in seinem Manifeste über die Verhandlungen aus, welche zwischen ihm und Gladstone im November 1889 gepflogen wur- liebe mein Vaterland und es ist in meinem Munde keine Phrase, wenn ich sage: bis zum Tode treu! Wenn ich nun sehe, wie hier der Patriotismus sich im Druck und in der Not des Lebens zerfasert, dort in Übermut und Habgier sich in eine grinsende, heuch lerische Maske verwandelt, wie man diese edelsten Blüten des Staatswesens auf allen Seiten mörderisch anfällt und untergräbt, wenn ich in anderen Ländern bedrohlich den flammenden Patriotismus aufleuchten sehe, so muß ich mit aller Kraft für meine Überzeu gung kämpfen, muß meinen Waffen Macht und Schärft erringen, um zum Siege zu gelangen. Ich müßte mich verachten, als Schwächling und Feigling mich schämen vor mir selber, wenn ich nicht alles aufopserte, um das Größte zu gewinne«. Ach — Gräfin Hertha, ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen, so ganz e»w dringen können in das Wollen und Denken eines Mannes, aber da- weiß ich, daß Sie mich nicht ver dammen werden. Neben Sie zu mir, Hertha, sagen Sie mir, daß ich auf dem rechten Wege bin; Sie haben ein großes, edlcS Herz, das nicht im Alltäg lichen befangen ist, sprechen Sie zu mir, damit ich Mut habe, den rechten Weg zu gehen." Gräfin Hertha war während seines Sprechens bleicher und bleicher geworden, immer tiefer sank der Kopf und je kräftiger, enffchiedener seine Rede gewor den war, je weitblickender sein Gedanke, je kühner fein Auge blitzte, desto niedergeschlagener, weicher wurde sie Thränrn stahlen sich zwischen ihre Wimpern, die sie mit hastiger Bewegung zu trocknen, zu ver bergen suchte. weiteren Folgen deS Urteil» des Dubliner Gerichts haben die Sache ru einer Angelegenheit aufgebauscht, »velche für die künftige Gestaltung der englischen Partci- verhältnisse von größter Bedeutung ist Freilich war der AuSgang des Dubliner Prozesse- auch ein wesent lich anderer, als der der Untersuchung vor dem Drei- richterausschuß in London AuS dieser ging der Führer der irischen Nationalliga erhobenen Haupte» al- Sieger hervor. Der Selbstmord des Fälscher- Pigott in Madrid war seine beste Rechtfertigung, und reiner uud fleckenloser als je stand der „ungekrönte König Irlands" in den Augen seiner Landsleute da. Der Prozeß vor dem Dubliner Gerichtshöfe aber ließ den irischen Führer in mehr als zweideutigem Lichte er scheinen. Er warf auf den Charakter desselben die aller- häßlichsten Flecke, Flecke so bedenklicher Natur, daß selbst von seinen Anhängern in England nicht nur, sondern auch in Irland sofort die Frage aufgeworfen wurde, ob Parnell noch länger die Führung der Partei behalten dürfe oder ob er nicht derselben entsagen und von der politischen Bühne scheiden müsse. Die Ant wort, welche Parnell und seine Anhänger hierauf gaben, habcn dann der Sache eine Wendung gegeben, welche die gesamte innerpolitische Lage Großbritanniens ver wandelt hat. Das Urteil de- Dubliner Gerichtshofes wurde an dieser Stelle bereits besprochen. Parnell hatte, um das dort Gesagte noch einmal kurz zu wiederholen, der Frau eines seiner früheren Anhänger, des Kapitäns O'Shea, etwas zu tief in die schonen Augen geschaut und war zu ihr in ein Verhältnis getreten, welches Hrn. O'Shea veranlaßte, eine Klage auf Ehescheidung wider seine Gattin anzustrengen. Durch das Urteil deS Gerichts wurde der Klage Folge gegeben und da mit d e Schuld Parnells und der Frau O'Shea, welche beide so vorsichtig gewesen waren, der Verhandlung fern zu bleiben, ausdrücklich anerkannt. Seildcm ist die ge samte Presse Großbritanniens Tag für Tag mit der Er örterung der Frage beschäftigt gewesen, ob Parnell noch länger die hervorragende Stellung im englischen Partei- lebcn einnehmen könne, welche er seit einer Reihe von Jahren behauptet und der Zeitungsstreit hat schließ lich dahin geführt, daß sich zwischen Parnelliten und Gladstoncanern ein vollständiger und allem Anscheine nach unheilbarer Bruch vollzogen hat. Sofort nach dem Bekanntwerden des in Dublin gefällten Urteils sprachen sich alle angesehenen eng tischen Blätter dahin aus, daß das fernere Verbleiben Parnells an der Spitze der Partei ganz unmöglich sei. Selbst die Gladstone und scinrr Partei nahe stehenden Organe forderten mit der größten Entschie denheit den Rücktritt des irischen Parteiführers und machten aus ihrer Entrüstung über den der gesamten Homcrnlepartei angethanen Schimpf kein Hehl. Man hat cs in England nicht zu allen Zeiten so ge nau mit ähnlichen Handlungen wie die Par nells genommen — dem berühmten englischen See- Helden Nelson that sein Liebesabenteuer mit Lady Hamilton in der öffentlichen Meinung ebenso wenig Eintrag wie dem greisen Palmerston der heikle Pro zeß, in welchem er während seiner letzten Lebenslage verwickelt wurde — neuerdings aber fordert die öffent liche Meinung von einem Parteiführer, daß er nicht in einer Beleuchtung vor der Öffentlichkeit erscheint, die den Gegnern willkommenen Anlaß zu den unbarm herzigsten Angriffen nnd Verspottungen bietet. Auch Charles Dille wurde vor wenigen Jahren genötigt, ins Privatleben zurückzutreten, als er sich in gleicher Weise wider die Sittlichkeit vergangen hatte, wie Par nell. In gewissen Kreisen der englischen Wählerschaft herrschen, wie zur Ehre derselben gesagt werden muß, über die Heilighaltung der Ehe und des Fami lienlebens noch sehr strenge Ansichten und gerade diese Kreise sind es, deren Mitglieder fast auSnahms-
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