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I B I R I •em u N beeindruckendes Beispiel des wachsenden Kommunismus Exklusiv-Interview mit dem Rektor der TU Dresden, Professor Dr. Dr. h. c. Kurt Schwabe (Aus der Universitäts zeitung der TU Dresden, Nr. 12/64) tung und Industrialisierung Sibiriens ein? Magnifizenz, Sie waren als Rektor unserer Universität Mitglied der Partei- und Regierungsdelegation, die kürzlich die UdSSR bereiste. Würden Sie bitte kurz schildern, welchen Ein druck Sie von 'der sowjetischen Wirk lichkeit und ihren Menschen gewin nen konnten? Wie beurteilen Sie das Verhältnis der sowjetischen Bevölke rung zu unserer Republik? Antwort „Besonders starke Eindrücke haben wir von den großen sibirischen Indu striezentren gewonnen, über die ich bisher nur sehr wenig informiert war. Dabei hat sich gezeigt, daß in Sibirien Großstädte von durchaus mitteleuropäischem Charakter ent standen sind, mit großen Wohn- blödes, modernen Industrieanlagen, gut ausgestatteten Geschäften, kultu rellen Einrichtungen, wie Kinos, Theater usw., und mit modernen Verkehrsmitteln. Besonders auffällig war, daß alle diese Großstädte wie Nowosibirsk, Krasnojarsk usw. so angelegt sind, daß der ständig wach sende Verkehr bereits berücksichtigt ist und daß außerdem überall Grün anlagen das Stadtbild auflockern, so daß diese Städte in vieler Hinsicht ein schöneres Bild bieten als viele europäische Großstädte. Außerdem sind sie mit Denkmälern und anderen das Stadtbild schmückenden Einrichtungen ausgestattet. Die Be völkerung ist offensichtlich mit den Lebensbedingungen sehr zufrieden, wenn auch die klimatischen Verhält nisse natürlich gegenüber denen Mitteleuropas ungünstiger sind. So wohl aus der Kleidung der Bevölke rung wie aus den Auslagen in den Geschäften kann man einen recht hohen Lebensstandard entnehmen. Aus der in allen von uns besuchten Städten festzustellenden außer ordentlich herzlichen, ja stürmischen Begrüßung durch den größten Teil der Bevölkerung bei allen Fahrten durch die Straßen bis zu den Flug plätzen kann man schließen, daß das Verhältnis der sowjetischen Bevölke rung zu unserer Republik sehr freundschaftlich und positiv ist.“ Frage , Während Ihres Aufenthaltes in Moskau hatten Sie auch eine Begeg nung mit führenden Repräsentanten der KPdSU und der Sowjetregierung. Würden Sie, bitte, über Ihren persön lichen Eindruck von dieser Begeg Antwort „Das Wachstum des Industrie potentials der UdSSR durch die Indu strialisierung Sibiriens erfolgt in einem Tempo, das für jeden, der Sibirien zum ersten Male sieht, außerordentlich überraschend ist. In den letzten zehn Jahren sind in den Städten Sibiriens Industrieanlagen und Energieanlagen entstanden, die die Grundlage für eine noch raschere Steigerung des Industriepotentials der Sowjetunion als in der Vergan genheit darstellen. Da sich insbeson dere Wasserkraftanlagen von enor men Ausmaßen im Bau befinden und zum Teil schon fertiggestellt sind, können größte Industriewerke mit hohem Energieverbrauch wie Alu miniumfabriken und andere Elektro lysebetriebe erstellt werden, zumal die erforderlichen Rohstoffe in Sibi rien bzw. am Ural zur Verfügung stehen.“ Frage Welche Erfahrungen konnten Sie auf Ihrer Reise hinsichtlich der raschen Ueberführung und Anwen dung wissenschaftlicher Ergebnisse in die Praxis sammeln? Antwort „Die Ueberführung wissenschaft licher Ergebnisse in die Praxis er folgt nach den bei dieser Reise ge wonnenen Eindrücken in der Sowjet union dadurch sehr rasch, daß die die Forschungseinrichtungen in eng ster Verbindung mit der Industrie arbeiten und zum Teil direkt in un mittelbarer Nachbarschaft zu den Industriebetrieben errichtet sind. Zum Beispiel sind in Omsk in un mittelbarer Nähe des gigantischen Erdölverarbeitungskombinats eine Reihe von Forschungsinstituten er richtet worden, die im engsten Kon takt mit dem Erdölverarbeitungs werk ihre Forschungsarbeiten durch führen. Auch in Nowosibirsk konnte festgestellt werden, daß die Institute der .Stadt der Wissenschaft' in per manenter Zusammenarbeit mit Indu striebetrieben sowohl der chemischen wie der Kerntechnik ihre Forschungs arbeiten durchführen. Die maschi nelle Rechentechnik findet zur Be rechnung und Steuerung von tech nologischen Prozessen, insbesondere auch in der chemischen Verfahrens technik, breite Anwendung.“ nung sprechen? Antwort „Meine Begegnung mit führenden Repräsentanten der KPdSU und der sowjetischen Regierung hat mich da von überzeugt, daß diesen Persön lichkeiten eine loyale und freund schaftliche Zusammenarbeit mit der Regierung der DDR und allen Bür gern der DDR, die ihrerseits an einer solchen Zusammenarbeit interessiert sind, am Herzen liegt. Dabei glaube ich, daß, wie bei jeder echten freund schaftlichen Zusammenarbeit, sich die Interessen beider Partner begeg nen.“ Frage Könnten Sie aus den Erfahrungen dieser Reise heraus sich zu den Ent wicklungstendenzen von Wissen schaft, Technik und sozialistischer Produktion im Hinblick auf die Orientierung auf volkswirtschaftliche Schwerpunkte äußern, denen ja auch in unserer Republik große Aufmerk samkeit gewidmet wird? Antwort Frage Wie schätzen Sie. Magnifizenz, das Wachstum des industriellen Poten tials der UdSSR durch die Umgestal „Die Sowjetunion behandelt in Sibirien — zweifellos in richtiger Er kenntnis der Tatsache, daß die Energie, insbesondere die Elektro- energie, die’Grundlage jeder weiteren industriellen Entwicklung ist — als besonderen Schwerpunkt die Erzeu gung von Elektroenergie. Dabei kommt ihr natürlich der Vorteil zu gute, daß dort Wasserkräfte in bei nahe unbeschränktem Umfange zur Verfügung stehen. Aber die Tatsache, daß man sich in Nowosibirsk auch mit dem Problem der Kernfusion be faßt, zeigt, daß für längere Zeiträume auch die Versorgung mit Kernenergie eine bedeutende Rolle in dem For schungsprogramm der Sowjetunion spielt. Für die DDR ist die Frage der Energieversorgung wesentlich kriti scher als für die Sowjetunion, zumal in Sibirien in den letzten Jahren so wohl riesige Kohle- wie Erdöllager gefunden wurden, und deswegen verdienen bei uns alle Arbeiten, die diesem Problem gewidmet sind, eine bevorzugte Behandlung. Allerdings muß auch hier insofern eine enge Koordinierung zwischen der wissen schaftlichen Forschung und der Praxis gesichert sein, als nur solche Arbeiten durchgeführt werden soll ten, für deren praktische Realisie rung technische und rohstoffmäßige Voraussetzungen in der DDR gege ben sind. Die experimentelle Bear beitung des Problems der Kernfusion in breitem Umfange würde zum Bei spiel die technischen Möglichkeiten der DDR übersteigen; hier sollte eine enge Zusammenarbeit mit der Sowjetunion erfolgen, wobei bei uns in erster Linie theoretische Unter- suchungen durchzuführen wären. Die Schwerpunkte der Forschung für industrielle Aufgaben sollten sich an gesichts unserer Rohstoff- und Ener gielage vor allem auf solche Gebiete richten, bei denen mit einem gerin gen Rohstoffaufwand sehr hochwer tige Produkte erzeugt werden kön nen, z. B. also die Elektronik und Er zeugnisse der chemischen Industrie wie Pharmazeutika und sonstige hochwertige Chemikalien. Besonders vorbildlich erschien mir die Zusam menarbeit chemischer, physikalischer, technischer und biologischer Institute in der ,Stadt der Wissenschaft' — in Nowosibirsk —, an großen komplexen Aufgaben der Forschung. Sie setzt voraus, daß die Wissenschaftler der Institute ihr Arbeitsgebiet der Ge samtthematik unterordnen und per sönliche Ambitionen in Einklang mit der gemeinsamen Aufgabe bringen. Unter dieser Voraussetzung werden materielle und personelle Hilfsmittel reichlich zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise ist eine echte Schwer punktbildung in einem so großen Forschungskombinat wie der .Stadt der Wissenschaft' oder der TU mög lich,“ Frage Höhepunkte der Reise der DDR- Delegation war der Abschluß des Vertrages über Freundschaft, gegen seitigen Beistand und Zusammen arbeit. Welche Bedeutung messen Sie diesem Ereignis hinsichtlich der Lösung der nationalen Frage in Deutschland bei? Antwort „Uber den Abschluß des Freund schaftsvertrages und der gegenseiti gen Unterstützung und Zusammen arbeit ist in dem Kommunique das Wesentliche gesagt worden. Ich glaube, daß alle politischen Konse quenzen, die sich aus diesem Abkom men ergeben, in diesem Kommunique in voller Klarheit dargelegt sind, , so. daß es sich erübrigt, darüber weitere Ausführungen zu machen. Man kann nur hoffen, daß die deutsche Frage dadurch in absehbarer Zeit einer be friedigenden Lösung zugeführt wird.“