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Hochschulabsolventen ohne Perspektive? Ein aufschlußreiches Gespräch mit Dr.-Ing. Günter Heinrich, Technischer Direktor des VEB DKK Scharfenstein Das nachstehend teilweise wieder gegebene Interview wurde von G. Leuteritz aufgezeichnet und in „Neues Deutschland“ vom 14. 1. G4 in Vorbereitung des 5. Plenums des ZK der SED veröffentlicht. Frage: Genosse Dr. Heinrich, es gibt eine Reihe von Betrieben, bei denen die Einsparung von Arbeits kräften und die Veränderung des zahlenmäßigen Verhältnisses zwi schen Arbeitern und Angestellten so gehandhabt wird, daß der Anteil der Wissenschaftlichen Intelligenz zurück gegangen ist. Wie ist das bei Ihnen? Dr. Heinrich: Eine Verringerung des ingenieurtechnischen Personals ist doch in unserer Zeit ein ökono mischer Widersinn, sie kommt für uns nicht in Frage. Wenn wir mit Weltniveau produzieren wollen, dann müssen vor allem Forschung und Entwicklung auf ein hohes Niveau gebracht werden. Ingenieurkader um das Fünfzehnfache gestiegen 1956 gab es bei uns im Betrieb 12 Fachschulkader, 1963 waren es 129 Ihre Frage Unsere Antwort Was ist schöpferisch? = Idi sehe den Hauptaspekt = = von „schöpferisch“ in „wissen- = E schaftlich". Schöpferisch stu- E = dieren, das heißt mit wissen- E E schaftlichen Methoden sich auf E = die ökonomischste Art wesent- E E liehe, notwendige und fundierte E E Kenntnisse anzueignen, sie E E kritisch zu überprüfen, in der E = Praxis zu erproben und damit E = für die Gesellschaft nützliche E = Ergebnisse zu erzielen. Von E E diesem Gesichtspunkt aus sehe = E ich Möglichkeiten für jeden = E Studenten, von Beginn des = E Studiums an schöpferisch zu E = studieren, indem er bewußt E = mit wissenschaftlichen Prinzi- E = pien an sein Studium heran- E = geht. = Unschöpferisch ist es, nur E E des Praktikumsscheines oder E = der Prüfung wegen zu lernen = E oder mit unexakten Methoden = E Aufgaben und Analysen zu er- = g ledigen. Unschöpferisch ist das § E Studium, bei dem der Student = E vor der Prüfung lernt — nach = g der Prüfung begreifen will und = E vor neuem „Paukstoff“ den E g alten vergißt. Unschöpferisch g E ist auch der Assistent, der mit E E Fakten allein zufrieden ist und E g seine Studenten nicht zum = g Nachdenken zwingt. Für un- E g schöpferisch halte ich auch die = = Verantwortlichen für einen = E Studienplan, der den Studen- E = ten nicht Zeit und Möglichkei- g = ten gibt, im Selbststudium und E E im Streitgespräch das Gelernte g = zu durchdringen, im Zusam- = g menhang zu verstehen und g g richtig anzuwenden. E Diplomchemiker Dieter Faßler g g (Aus einer Schrift der Jenen- = E ser Universität zum 70. Ge- g E burtstag Walter Ulbrichts.) illllllllllllllllllllllllllllllllllllilllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll!^ „Hochschul-Spiegel“ Seite 6 Fach- und 26 Hochschulabsolventen, Ende dieses Jahres werden es insge samt 142 Ingenieure und 53 Diplom ingenieure sein. Das heißt: Die Zahl der ingenieurtechnischen Kader steigt auf das Fünfzehnfache gegenüber 1956. Und an allen wichtigen Aufga ben sind führend junge Menschen eingesetzt. Mit diesen Fachleuten war es uns möglich, den Automatisie rungsgrad unserer Produktion im Durchschnitt von 28 auf 54, in der Fertigung von Haushaltkühlschrän ken sogar auf 65 Prozent zu erhöhen. Für das wissenschaftliche Niveau, das wir erreichen wollen, brauchen wir jedoch noch weit mehr Kader. Mit Zustimmung der Abteilung Che mieanlagen im Volkswirtschaftsrat könnten wir in diesem Jahr noch rund 50 Ingenieure zusätzlich einstel len und das Tempo des wissenschaft lich-technischen Fortschritts damit noch beschleunigen. Diese Zustim mung war aber noch nicht zu errei chen. Assistentenzeit ist überholt Frage: Wie werden die jungen Fach- und Hochschulabsolventen im Betrieb aufgenommen, und wie lange dauert es, bis sie mit verantwor tungsvollen Aufgaben betraut wer den? Dr. Heinrich: Früher zwang uns der Mangel an hochqualifizierten Fach kräften, die Hoch- und Fachschulab- solventen ohne Assistentenzeit sofort mit verantwortungsvollen Aufgaben zu betrauen. Diese einstige „Notlö sung“ haben wir zu einer bewährten Regel gemacht und sind dabei gut gefahren. Denn eine klarumrissene Aufgabenstellung, eine angemessene Verantwortung ist für den jungen In genieur viel interessanter als ein Durchlaufen aller Betriebsabteilun- gen. So hat zum Beispiel der junge Di plomchemiker Günter Tischer im Oktober des vergangenen Jahres bei uns im Betrieb angefangen, heute bearbeitet er schon selbständig den Forschungsauftrag „Anwendung der neuen Isolierstoffe für Haushaltkühl schränke“. Ich selbst kam 1957 als junger Diplomingenieur in dieses Werk und wurde nach verhältnismä ßig kurzer Zeit als Direktor einge setzt. Aus eigener Erfahrung bin ich gegen eine Assistentenzeit, ich halte sie für überholt. Der Nutzeffekt ist jedoch noch größer, wenn sich der Student bereits im letzten Drittel seiner Studienzeit auf seine künftige Tätigkeit im Be trieb vorbereiten kann. Der Vorver trag allein ist ein • Stück Papier. Manche Studenten meinen, damit sei „ihre Perspektive gesichert“. Seine Perspektive muß man sich aber selbst erarbeiten. Je eher, desto besser. Der heutige Leiter unserer physi kalischen Abteilung, Diplomingenieur Gottlieb Polzer, hatte bereits als Student das Projekt unseres Isoto- penlabors für Verschleißmessungen projektiert, beim Bau dieses Labors geholfen und als Absolvent sofort die Leitung übernommen. Er lernte schneller selbständig und schöpfe- risch-wissenschaftlich arbeiten, weil er konkrete, fest umrissene Aufgaben erhielt, an denen er beweisen mußte, was er kann. Beizeiten schöpferisch denken Frage: Was müßte Ihrer Meinung nach in der Ausbildung der Ingeni eure an den Hoch- und Fachschulen geändert werden, damit die Studen ten besser auf ihre zukünftige Tätig keit vorbereitet werden? Dr. Heinrich: Es wäre nötig, beson ders an den Ingenieurschulen ein tieferes Allgemeinwissen auf den Ge bieten der Mathematik, Physik und Philosophie zu vermitteln. Im letzten Drittel oder wenigstens im letzten Jahr der Ausbildung sollte die Erziehung zur selbständigen Lö sung wissenschaftlich - technischer Probleme in den Vordergrund treten. Bereits in diesem Studium sollte al len Studenten in Zusammenarbeit mit ihren künftigen Betrieben ein angemessenes Maß an persönlicher Verantwortung übertragen werden. Das würde die jungen Ingenieure wahrscheinlich auch besser befähigen, wissenschaf t’ich vorauszuschauen und aus der Fülle der Aufgaben jeweils die wichtigsten auszuwählen. In 7 Jahren versiebenfacht Frage: Welche ökonomischen Er gebnisse hatte Ihr Betrieb durch den stärkeren Einsatz wissenschaftlich- technischer Kader? Dr. Heinrich: Unsere Produktion hat sich in den letzten 7 Jahren ver siebenfacht. Die Arbeitsproduktivität stieg in dieser Zeit um das Fünf fache. Während 1957 pro Monat 500 Haushaltkühlschränke produziert wurden, beträgt heute der Ausstoß an einem Tag 850 Stück. Die Absolventen setzten wir früher meist nur spezialisiert als Technolo gen oder Konstrukteure ein. Heute brauchen wir aber, um größere öko nomische Ergebnisse zu erreichen, mehr und mehr Grundlagenwissen schaftler, wie Physiker, Elektroniker und Mathematiker,um mit ihnen un sere Entwicklungsrichtung nach 1970 erarbeiten zu können. In Vorbereitung des 5. Plenums des Zentralkomitees der SED haben sich die Freunde der Jugendhalle des VEB Erste Maschinenfabrik Karl-Marx-Stadt hohe Ziele gestellt. Im I. Quartal wollen sie eine neuentwickelte Rollen- schmiedemaschine für die Papierfabrik Schwedt sowie gemeinsam mit der sozialistischen Brigade „5. FDGB- Kongreß" bis 31. März eine Konfektioniermaschine und ein Lagermagazin für PKW-Reifen als Musterbau fertig stellen. Der Betrieb setzt großes Vertrauen in die jungen Arbeiter der beiden sozialistischen Brigaden „Manfred von Brauchitsch“ und „Sozialismus“. Sie werden es rechtfertigen — so wie sie bereits im vergangenen Jahr ihre Verpflichtung in Auswertung des Jugendkommuniques erfüllten. Sie arbeiteten zum ersten Male nach dem Bau- kastenprinzip. Und es hat sich bewährt. Unser Bild zeigt die Querschneider in der Montage. Werkfoto