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Unsere Paten schaft Was haben wir in Schönerstadt erreicht? — Ein Gespräch mit Genossen Gerhard Kirsch, Leiter der Kommission für Landwirtschaft an der TH Es war im Dezember 1962, als unsere Hochschule die Patenschaft über die Landwirtschaftliche Pro- duktionsgenossenschaft in der nahe Oederan gelegenen Gemeinde Schö- nerstadt übernahm. Viele meinten damals vielleicht: Was soll eine Hochschule schon auf dem Dorf? Ein Produktionsbetrieb — ja, das ist doch was anderes. Dort sind viele Ardei- ter, bei uns sind aber doch Wissen schaftler! Wir wollen hier nicht nachträglich mit diesen Skeptikern diskutieren. Möglicherweise haben sie inzwischen verstanden, daß in unserer sozialisti schen Republik die Wissenschaftler den Bauern ein ebenso notwendiger Bündnispartner sind wie die Arbei ter. Wir wollen vielmehr darüber berichten, wie Angehörige unserer TH in Schönerstadt praktisch mitge holfen haben, die LPG zu stärken und das Vertrauen der Bauern zu unserem Staat zu festigen. Das dürfte zugleich auch die überzeu gendste Antwort an jene sein, die an fangs glaubten, wir hätten nicht die Kraft und die Voraussetzungen, Pro bleme der Landwirtschaft lösen zu helfen. Wir unterhielten uns kürzlich mit dem Leiter unserer Kommission für Landwirtschaft, Genossen Gerhard Kirsch. „Ja, es sind jetzt fast zwei Jahre her, seit wir den ersten Kon takt mit Schönerstadt aufnahmen. Zu Beginn unserer Arbeit war es doch recht schwierig. Man sagte: Aha, wieder mal welche, die uns gute Ratschläge geben wollen, aber uns doch nicht helfen. Tatsächlich war dort schon man ches versprochen, aber wenig gehal ten worden. Abgesehen von der un mittelbaren Hilfe bei der Ernte und der ökonomischen Entwicklung der LPG gab es im Ort verschiedene un gelöste Probleme, um die wir uns kümmern mußten. Wir mußten erst einmal praktisch beweisen, daß wir nicht nur reden konnten. Kurz gesagt: Wir mußten uns das Ver trauen der Bauern und aller Ein wohner erwerben.“ Wie sieht es nun damit aus? Wie haben unsere Kollegen von der Kom mission und andere Hochschulange hörige gearbeitet, um dieses Ver trauen zu erringen? Blieb es bei guten Vorsätzen? Bisher haben nicht wenige Mitarbeiter und auch eine ganze Anzahl Studenten in der Ge treide- und Hackfruchternte mitge holfen. Das haben die Bauern aner kannt, doch war das nicht die haupt sächliche Ursache dafür, daß unsere Hochschule heute wirkliches Ansehen in Schönerstadt genießt. „Jetzt sagen die Bauern: Ja, unser Patenschaftsbetrieb ist in Ordnung! Sie freuen sich, wenn wir hinaus ¬ kommen in die Bauernversammlun- gen der LPG, zu Gemeinderatssit- Zungen und Einwohnerversammiun- gen. Wir haben ihr Vertrauen ge wonnen. Wie wir das erreichten? Es war sehr viel Kleinarbeit nötig. Da war zum Beispiel folgendes Problem: Es ist bekannt — wer dort war, weiß das —, daß der Ort ver kehrstechnisch sehr ungünstig liegt. Es gab keine Bus-Verbindung und zur nächsten Eisenbahnstation muß man immerhin 40 Minuten laufen. So war es der Wunsch der Schöner städter Einwohner schon lange, di rekt an das Verkehrsnetz ange schlossen zu werden. Sie wollten eine Bus-Verbindung nach Oederan. Leider waren alle entsprechenden Schritte der Gemeinde bisher ver geblich gewesen. So kam es, daß man auch unser Bemühen die Sache endlich doch einmal ins reine zu bringen, zunächst recht skeptisch be trachtete. Tatsächlich haben wir viele Monate dazu benötigt, bevor die Bus-Verbindung eingerichtet war. Aber nun fährt er wenigstens! Seit Frühjahr 1964 gibt es eine Buslinie, die Schönerstadt mit Oederan ver bindet. Natürlich haben wir das nicht allein schaffen können, aber haben doch wesentlichen Anteil an diesem Erfolg. Genauso war es auch bei den Ver ¬ handlungen der Gemeinde wegen dem Bau der Straße nach Oederan. Was haben wir aufbieten müssen, um zu erreichen, daß sie endlich be fahrbar gemacht wird’ Oder der Feuerlöschteich, der entschlämmt werden mußte! Doch wir haben es geschafft und freuen uns darüber ebenso wie die Einwohner des Ortes." Viel Zeit haben unsere Kollegen aber auch für die Vorwärtsentwick- lung der Genossenschaft aufgewen det. So manchen Abend haben sie mit den Bauern beraten. „Die Marse der Bauern in Schönerstadt arbeitet in der LPG vom Typ I. Daneben gibt es im Ort eine Brigade vom Typ III. Der Schwerpunkt unserer Arbeit“, berichtet Genosse Kirsch weiter, „ist die LPG Typ I. Sie ist wirtschaftlich recht stark, hat hohen Viehbestand und liegt in Ablieferung an führender Stelle im Kreis Flöha. Was die Bauernarbeit betrifft, so ver stehen sie dort wohl ihr Handwerk! Aber es gibt eben doch noch man ches. wo wir ihnen helfen könnten. So beispielsweise in technischen Dingen, wie beim Traktorenkauf und anderem. Vor allem versuchten wir — auch mit gewissem Erfolg —, bei der Entwicklung der genossen schaftlichen Arbeit mitzuwirken. Wir gaben den Mitgliedern der LPG Hin weise zu bestimmten ökonomischen Fragen und halfen ihnen, die Per spektive der LPG zu klären.“ Wie in vielen Genossenschaften, so ist in den Zeiten der größten Arbeits belastung, besonders in der Hack- fruchternte, der Arbeitskräftemangel auch in Schönerstadt ein Problem. Die Bauern sind deshalb dankbar für die praktische Hilfe, die unsere Hochschule leistet. Sehr zufrieden waren sie mit den Studentengrup pen, die im vergangenen Jahr dort gearbeitet haben. Auch in diesem Jahr sind Studenten unserer TH wie der in Schönerstadt, und es ist sicher, daß sie diese gute Tradition fortset zen wenden. Den Vorteil davon haben nicht nur unmittelbar sie selbst (unsere Genossenschaftsbauern sorgen nämlich für fleißige Ernte helfer ausgezeichnet!), sondern wir alle haben den Nutzen davon. In diesem Sinne muß man unseren Kollegen von der Kommission für Landwirtschaft unbedingt für ihre bisherige Arbeit danken! Sie nah men ihre Aufgabe ernst und haben durch ihren persönlichen Einsatz dazu beigetragen, las Bündnis zwi schen Stadt und Land zu festigen. H. M. „Hochschul-Spiegel“ Seite 1