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Hochschulspiegel
- Bandzählung
- 3.1965
- Erscheinungsdatum
- 1965
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- A 812
- Vorlage
- Universitätsbibliothek Chemnitz
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek Chemnitz
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770833978-196500007
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- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Projekt: Bestände der Universitätsbibliothek Chemnitz
- Saxonica
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Zeitschrift
Hochschulspiegel
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Band
Band 3.1965
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- Ausgabe Nr. 1, Januar -
- Ausgabe Nr. 2, Januar -
- Ausgabe Nr. 3, Februar -
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Band 3.1965
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über das Wechsel verhältnis zwischen dem marxistischen Grundstudium und dem Fachstudium Die nachstehend veröffentlichten Überlegungen zu dem oben genann ten Problem wurden uns von Mitarbeitern des Instituts für Marxis mus-Leninismus unserer TH zur Verfügung gestellt. Sie wurden im Auftrage des Staatssekretariats für das Hoch- und Fachschulwesen erarbeitet. Redaktion Der umfassende Aufbau des Sozia lismus und die Durchführung der wissenschaftlich-technischen Revolu tion in der Deutschen Demokratischen Republik erfordern mit Notwendig keit, ein enges Wechselverhältnis zwischen dem marxistisch-leninisti schen Grundlagen- und dem Fach studium herzustellen. Das gilt allge mein für alle, besonders aber für naturwissenschaftlich-technische Uni versitäten, Hoch- und Fachschulen und Fakultäten. Für diese Bildungsein- richtungen ist die Herstellung des ge nannten Wechelverhältnisses in der Praxis der Lehre, des Studiums und der Forschung u. E. vor allem aus folgenden Gründen unerläßlich: Erstens, um Lehre, Studium und Forschung mit den objektiven gegebe nen Entwicklungstendenzen der mo dernen Wissenschaften, die die Gren zen zwischen den Naturwissenschaf ten, den technischen Wissenschaften und den Gesellschaftswissenschaften immer fließender machen, in Überein stimmung zu bringen. Zweitens, um der unbestreitbaren Tatsache bestmöglich zu entsprechen, daß der Marxismus-Leninismus sei nem Wesen nach sowohl die wissen schaftlich-weltanschauliche als auch die methodologische Grundlage aller Menschen ist, die, gleich auf welchem Spezialgebiet, am Sozialismus/Kom- munismus bauen. Dritens, um dem Umstand Rech- nnovv +raeen-,dß. Ai~_Azfeban.,Hi~ den künftigen Ingenieur in der Pra xis erwarten, zunehmend komplex werden und von ihm, neben einem festen Klassenstandpunkt, korrespon dierende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im naturwissenschaft lich-technologisch-konstruktiven, im ökonomischen und psychologischen und im politisch-ideologischen Bereich verlangen. Aus dem Gesagten wird zunächst offensichtlich, daß die Sicherung des Wechselverhältnisses von marxi stisch-leninistischen Grundlagen- und Fachstudium in der Praxis keine ein seitige, nur den Gesellschaftswissen schaftlern obliegende Aufgabe sein kann, die durch eine sogenannte Fachbezogenheit des Grundlagenstu diums oder gar durch seine Subordi nation unter die naturwissenschaft lich-technischen Hauptfachrichtungen zu erfüllen ist. Wir sprechen betont von einem Wechselverhältnis. Und wenn schon, wie recht häufig noch üblich, die Rede von „Fachbezogen heit“ ist, dann muß man sie im glei chen Maße wie vom marxistisch- leninistischen Grundlagenstudium gegenüber den naturwissenschaftlich- technischen Disziplinen auch von die sen gegenüber den marxistisch-leni nistischen Gesellschaftswissenschaf ten erwarten. In Verwirklichung dieser Forde rung wäre z. B. schon viel getan, wenn in den Lehrveranstaltungen der naturwissenschaftlich-technischen Fächer die gesellschaftswissenschaft lichen, insbesondere die ökonomi schen und philosophischen Aspekte, die mit der Fachproblematik untrenn bar verbunden sind, angesprochen, herausgehoben und in ihrer Bedeu tung für den zukünftigen Ingenieur gewürdigt werden. Dabei wird noch gar nicht daran gedacht, daß die sich anbietende gesellschaftswissenschaft liche Problematik auch in naturwis senschaftlichen Lehrveranstaltungen grundsätzlich geklärt werden könnte. Denn schon die oben genannten Auf gaben zu verwirklichen, wird für die Vertreter dieser Disziplinen nicht weniger schwierig sein als für die Gesellschaftswissenschaftler die Her stellung der von ihnen geforderten Fachbezogenheit. In dem einen wie in dem anderen Falle wird nur eine enge Zusammen arbeit zwischen Technik-, Natur- und Gesellschaftswissenschaftlern zu Er folgen führen. Diese Zusammenarbeit ist deshalb das Alpha-Omega der Sicherung des Wechselverhältnisses zwischen marxistisch-leninistischem Grundlagen- und Fachstudium. Sie darf sich nicht, wie bisher zumeist, nur auf Fragen der Erziehung be schränken. Sie muß die Problematik der Ausbildung und Forschung glei chermaßen einbeziehen. Für die Sicherung und Herstellung des in Frage stehenden Wechselver hältnisses macht sich bezüglich des marxistisch-leninistischen Gruni lagenstudiums in erster Linie erfor derlich, den Inhalt der Lehrveranstal tungen stärker zu spezifizieren und bis zu einem gewissen Grade auf po litisch-ideologische und wissenschaft lich-theoretische Probleme zu konzen trieren, die im Zusammenhang mit der späteren beruflichen Tätigkeit der Studenten stehen Dabei kann natür lich nicht jede spezielle Fachrichtung, sondern nur die Hauptfachrichtung berücksichtigt werden, die in der Re gel mit einem Fakultätsbereich über einstimmen wird. Auch wird nicht die Industrie als Ganzes, sondern wer den nur ihre führenden Zweige dafür in Betracht kommen. Eine solche Spezifizierung und Kon zentration wird nicht selten mit der Möglichkeit begründet, die Studenten über das Ansprechen spezifischer Be rufsinteressen zu einem bewußterem Studium des Marxismus-Leninismus zu führen. Obgleich Erfahrungen immer wieder lehren, daß ein solches Interesse sich bei vielen Studenten erst im Laufe der letzten Studien jahre herausbildet und durchaus nicht immer anknüpfungsbereit bei Antritt des Studiums, gleichsam a priori, ge geben ist, kann man auch eine solche Begründung gelten lassen. Das um so mehr, als die Erfahrung gemacht werden konnte, daß es in der Tat eine Wechselwirkung zwi schen gehobenem Interesse an der Fachproblematik und gesteigertem Bemühen gibt, über damit, im Zusam menhang stenende gesellschaftswis senschaftliche Fragen Klarheit zu er langen. Doch scheint uns der entschei dende Gesichtspunkt für die Spezifi zierung und Konzentration des Grundlagenstudium s die Notwendig keit zu sein, die Studenten besser als bisher befähigen zu müssen, den Mar xismus-Leninismus vor allem auf dem Gebiet anwenden zu können, auf dem sich später ihre entscheidende gesell- schaftliche Tätigkeit im Rahmen des umfassenden Aufbaus des Sozialis mus und der Durchführung der wis senschaftlichen Revolution entfalten muß und wird. Ohne sich einerseits zuweit von dem spezifischen Lehrgegenstand ent fernen und andererseits Fachpro bleme nur als illustrierende Beispiele in der Lehre des Marxismus-Leninis mus verwenden zu müssen, erscheint die genannte Spezifizierung und Kon zentration in der marxistisch-lenini stischen Philosophie und in der poli tischen Ökonomie möglich. Das be stätigen auch die guten Ansätze, die es in dieser Hinsicht vor allem in un serer Abteilung dialektischer und historischer Materialismus gibt. Eine entscheidende Grundlage für diese Ansätze war die enge Zusammen arbeit der Genossen dieser Abteilung mit Wissenschaftlern der Hauptfach richtungen an unserer Hochschule. Den Rahmen für die Zusammenarbeit bildete der Arbeitskreis „Erkenntnis theoretische, logische und methodolo gische Probleme der Ingenieurtätig keit“, der vom Leiter der Abteilung Philosophie ins Leben gerufen und geleitet wurde. Ergebnisse der Dis kussion in diesem Arbeitskreis konn ten wiederholt für Vorlesungen und Seminare nutzbar gemacht werden. Die Erfahrungen unserer Abteilung dialektischer und historischer Mate rialismus besagen, daß es an techni schen Hoch- und Fachschulen richtig ist, in stärkerem Maße als bisher er kenntnistheoretische und methodolo gische Probleme sowie Fragen der wissenschaftlich-technischen Revolu tion zu behandeln. Insbesondere geht es um eine ausführliche Darstellung der Gesetze und Methoden der Theo rienbildung und Wahrheitsfindung. Dies gilt allerdings nicht allein für die Probleme, die im engeren Sinne das Ausbildungsziel der Studenten berüh ren, sondern auch hinsichtlich allge meiner gesellschaftlicher Entwick- lungsgesetze. Zum Problemkreis der wissenschaftlich-technischen Revolu tion müßten etwa folgende Themen umfassender behandelt bzw. neu in die Lehrkonzeption aufgenommen werden: 1. Kritik der bürgerlichen Technik auffassung, verbunden mit der Ent wicklung einer marxistischen Tech nikkonzeption. 2. Die Dialektik Produktivkräfte — Produktionsverhältnisse unter den (Fortsetzung auf Seite 3) Der „Zorn der jungen Männer" wider die CDU-„Bildungsmuffel" und die kalten Krieger Die Kundgebung am 1. Juli von über 50 000 Studenten in etwa hundert Städten der Bundesrepu blik kann man schon einen „Pau- kenschlag" gegen den Bildungs notstand nennen. Es war das erste Mal, daß die akademischen Bür ger in so großer Zahl und derart einhellig den Mißstand der Bil dung in dem ökonomisch gut situ ierten „Wirtschaftswunderlande“ vor der Öffentlichkeit demon strierten. Die Aktion lieferte der west deutschen Presse haufenweise Schlagzeilen. Die CDU fühlte sich getroffen, und ihre Prominenz rea gierte gehässig. Die Methode, den Studenten „eifersüchtige Motive“ und das „Streben zum Staatssti pendiaten“ zu unterstellen, erwies sich als untauglich. Das Forderungsprogramm des VDS wurde öffentlich verkündet. Es enthielt zwar das Verlangen nach Verbesserung der Studien bedingungen. die Mehrzahl der 10 Punkte war jedoch auf die all gemein erforderlichen Schritte zur Behebung des Bildungsnot standes gerichtet: Aufbau einer differenzierten Einheitsschule, planmäßgie Entwicklung und Finanzierung des Bildungs wesens, Ausnutzung der Bega bungsreserven, mehr Arbeiterkin der auf die Hochschulen. Es ging also um größere Probleme: um die Aktivierung der Öffentlichkeit und die nachdrückliche Aufforde rung an die Regierenden, zu ernst haften Maßnahmen im Hinblick auf die Anpassung der Bildung an die Anforderungen des wissen schaftlichen und technischen Fort schritts überzugehen. Kurz: die Studenten wollten erreichen, daß man der Bildungspolitik im Bon ner Staate endlich in der Praxis den Platz einräumen möge, den seine Exponenten in Festtagsre den oft genug als „eine Priorität“ oder „nationale Existenzfrage“ zu nennen pflegten. Der „Professor-Kanzler“ als Notstandspolitiker In Festtagslaune hatte Erhard -G .c-I negierungsanuIt ua- von gesprochen, daß die Bildungs frage im 20. Jahrhundert in ihrer Gewichtigkeit der sozialen Frage im 19. Jahrhundert gleichkäme. Professoren und Studenten hoff ten damals, daß mit dem neuen Bundeskanzler — der sich mit unter ebenso launig als „Akade miker“ und „den hohen Schulen eng verbunden“ bezeichnete — bessere Zeiten für Wissenschaft und Bildung im Anzuge seien. Die Illusionen verflogen alsbald. Die Realisierung der Denkschriften und Reformprogramme zog sich zäh und langsam hin, neue Erhe bungen wiesen die vorliegenden Projekte als überholt, weil unzu reichend gegenüber den neuen Anforderungen, aus; im Schulwe sen änderte sich kaum etwas, und überhaupt bewiesen die Kultur- und Wissenschaftsdebatten vor den leeren Bundestagsbänken so wie die Kürzung der Wissen- schaftsmittel für den 1965er Etat, was die CDU-Regierung von einer Priorität der Bildung tatsächlich hielt. Den Unmut darüber konnte man den Losungen der Demon stranten ablesen. Man hörte in fast allen Reden der Professoren und Studentenvertreter, trotz der von ihnen meist geübten Mäßi gung und Zurückhalung in der Kritik. Der Westberliner VDS- Landesvorsitzende sagte: „Wir ha ben den Deklamationen unserer Politiker lange Glauben geschenkt. Wii- haben uns geirrt und sind enttäuscht. Wir Studenten fordern in der Frage des Bildungsnot standes von unseren Politikern dieselbe Leidenschaft, die sie kürzlich bei anderen Notstands fragen entwickelt haben.“ Es ist natürlich ein Ärgernis für die CDU und ihre regierenden Exponenten, daß Professoren und Studenten immer häufiger aus sprechen, daß sie die Priorität und Proportionen der Bonnei’ Politik für gar nicht in Ordnung halten: Große Eile bei der Durchsetzung der Notstandsgesetze — lange Weile bei der Behebung des Bil dungsnotstandes; ständige Er höhung der Ausgaben für Rü stung und Militarisierung (die Notstandsgesetze bringen wieder erhebliche Mehrausgaben mit sich) —, Stagnation und rigorose Kürzung der Mittel für Wissen schaft und Bildung. Erkenntnis der Ursachen des Bildungsnotstandes setzt sich durch Die Erkenntnis dieser Zusam menhänge setzt sich langsam durch; den Notwendigkeiten ge mäß noch zu langsam. Sie trat auch bei der Aktion noch zuwe nig deutlich in Erscheinung. Es gab solche Losungen: „Statt Not standsgesetze — Bildungsnot standsgesetze“ oder „22 Milliarden für die Rüstung — wieviel für die Bildung?“ Doch in den Reden der Profes soren und Politiker wurden diese Probleme, die zu den Ursachen führen, fast durchweg umgangen. Die Kritik an der Bildungspolitik war heftig, fundiert mit Zahlen und Fakten über den ungenügen den Leistungsstand der Bildungs institutionen. Es wurden richtige Forderungen gestellt, was sofort getan werden müßte, wenn die Bundesrepublik nicht zum „Land der geistigen Kleingärtner“ absin ken solle. Bis 1970 seien minde stens 40 Milliarden Mark aufzu bringen, um eine fühlbare Ver änderung zu erreichen. Doch wo her das Geld kommen sollte, das konnten oder wollten die meisten nicht, sagen. Darauf wußten auch die SPD-Politiker keine Antwort bzw. wollten sie nicht geben. Erler forderte zwar eine Erhöhung der Bildungsinvestitioren von 3,5 auf 5 Prozent des Bruttosozialproduk tes, sagte aber nicht, auf welche Weise sich die SPD eine Realisie rung vorstellt. Einige plädierten für eine Steuererhöhung, andere für Kürzung der Sozialausgaben. Nur wenige wagten es, auch von einem Einfrieren oder einer Strei chung des Wehretats zugunsten des Bildungsetats zu reden, unter ihnen der Westberliner Ordinarius für Psychologie, Prof. Dr. Ulrich. Doch bereits die maßvolle Kri tik und die in „akademischen Grenzen“ verlaufenen Demonstra tionen (einen „Sturm auf die Ba stille“ hatte ohnehin niemand er wartet) zeitigten dennoch einige Wirkungen namentlich bei der CDU und der Regierungspromi nenz. Just in dem Moment, als auf dem Bonner Münsterplatz die Studenten ihrem Kanzler der „formierten Gesellschaft“ die „Gretchenfrage 65: Sag, Ludwig, wie hältst du’s mit der Bildung?“ stellten, nannte dieser, wenige Schritte vom Kundgebungsplatz — ---~+ din Bilb--o-ctands- diskussion schlicht und gerade heraus „einen ungeheuren Unfug“. Als Vorbild guter Familienpolitik empfahl er die frühere Zeit, wo sich „die ganze Familie krumm legen“ mußte, um einem Kinde das Privileg eines Studiums zu ermöglichen. Die Intelligenzfeind- lichkeit des Kanzlers und der herrschenden Monopolclique hat ten die 215 Professoren bereits zu spüren bekommen, indem man ih nen die politische Mündigkeit schlankweg absprach. Über den Schriftsteller Hochhuth und die Intellektuellen ergoß Erhard ebenfalls beleidigende Beschimp fungen. , Des Kanzlers Minister bliesen in das gleiche Horn: Forschungs minister Lenz kleidete seine ver ächtliche Herablassung gegenüber der Aktion in die „geistreiche“ Bemerkung, daß „der Schweiß der Edlen dem Zorn der jungen Män ner immer noch überlegen“ sei. Innenminister Höcherl, der gern „etwas außerhalb der Legalität“ wandelt, sich jedoch außerstande sah, auf die Verhinderung der Ak tion nachdrücklicher hinzuwirken, beschwor ein drohendes Verhäng nis, wenn die „Bildungsdiskus sion weiter politisiert“ wird und unter den Druck einer ungeduldi ger werdenden Öffentlichkeit ge rät. Die Monopolpresse bagatellisiert Diverse Presseorgane streuen Beruhigungsworte aus: Die Aktion sei nicht so ernst zu nehmen, es habe keine „schrillen Töne“ gege ben, nur eine „Minderheit“ der Studenten habe sich beteiligt, die Professoren und Spektabilitäten hätten sich eigens als Redner zur Verfügung gestellt, damit die Sache in akademischer Form und mit maßvollem Inhalt vor sich ginge. Das „Volk“ habe kaum No tiz genommen, es sei also gar nichts Besonderes passiert. Wenn auch die Ursachen und die Verantwortlichen für den Bil dungsnotstand nicht deutlicher bei Namen genannt und die „Formen bürgerlicher Wohlanständigkeit“, wie die „Frankfurter Rundschau“ schrieb, nicht überschritten wur den, sö fühlten sich doch diejeni gen getroffen, die gemeint waren. In der „Bonner Rundschau“ konnte man u. a. folgendes dazu nach lesen: „Wenn er (gemeint ist der VDS, K. R.) die bestehenden Ver hältnisse im Bildungswesen kriti siert, so wie sie in den vergange nen 20 Jahren gewachsen sind — wem gilt die Kritik dann sonst als vor allem der Bundesregierung?“ Aber wen anders sollte der VDS wohl kritisieren, die Schulen etwa, oder die Eltern, die Arbei ter, eine imaginäre „Öffentlich keit“? Man kritisierte die „Bil- dungsmuffel" der CDU, die Bil dungsfeindlichkeit der Spitzen der westdeutschen Monopolgesell schaft. Die Studenten wußten was sie taten, als sie z. B. den For schungsminister Lenz erst gar nicht als Redner einluden und den CDÜ-Fraktionschef Barzel kurzer hand wieder absagten. Dafür sah man in einigen Orten auch Ver treter der Gewerkschaften, die als Redner auftraten (z. B. in West berlin und Freiburg), an den Kundgebungen teilnahmen und auf andere Weise ihre solidarische Unterstützung bekundeten. Und nun lamentierte die christlich-de mokratische Presse über die „ein seitige Orientierung“ der Studen ten und unterstellte dem VDS, „daß er vielleicht auf ein neues Pferd setze, daß das Derby noch keineswegs gewonnen habe. Was die CDU am störendsten an der Sache empfand, sprach der „Rhei nische Merkur" aus: „In einigen Hochschulstädten hat man .unan gebrachtes Polemisieren’nicht ver mieden, leider! (?) In München fand sich auf einem Transparent die törichte Rechnung ,Konkordat plus Zwergschulen gleich Mittel- alter’. Oder: In einem Heidel berger Studenten-Extrablatt ... wird scharf gegen die Notstands gesetzgebung geschossen; man la mentiert, daß ,eine Düsenjäger- Flugminute 2000 Mark kostet’; die ,Bonner Rüstungspolitik’ wird mit den Bildungsnotstandsfragen verquickt.“ Es zeigt sich, daß bereits wenige Andeutungen, die zu den Ur sachen der Bildungsmisere hin führen, genügen, um als verwerf lich und töricht verdammt zu werden. Vi - der Bundestagspräsident ein Zwergschüler ist Die in Aktion getretenen Stu denten und ihre Professoren tun nur recht daran, auch weiterhin mißtrauisch zu bleiben und ihren Regierenden auf die Finger zu sehen. Zu gleicher Zeit mit der Aktion gingen zwei Ereignisse über die Bühne: In Bochum feierte man mit großer Publicity die Eröff nung der Ruhr-Universität. Man beging dies Ereignis als großes Beispiel für die Förderung der Wissenschaft. In eingeweihten Kreisen weiß man indessen, daß erst ein Zehntel des Projektes fer tig und die übrigen voraussicht lich in den nächsten zehn Jah ren (!) vollendet sein werden, daß man folglich weder das Problem der Überfüllung gelöst noch eine umwerfende Reform vollzogen hat. Der „Hochschul-Dienst“ sagt ziemlich nüchtern, daß „das Tempo des Ausbaus zu verhalten bleibt“ und die vier Neugründun gen der Denkschrift in der Lauf zeit von bisher fünf Jahren „nur auf dem Papier erfüllt“ wurden. Im Gegensatz zur lautstarken Bochumer Feier ging am 1. Juli in Bonn die Auflösungssitzung des „Deutschen Ausschusses für das Erziebungs- und Bildungswesen“ als melancholische Feierstunde in aller Stille, von den meisten Presseorganen nur in kleinen Sätzchen kommentiert, vor sich. Bundespräsident Lübke ließ es sich nicht nehmen, in seiner An sprache wiederum mit einer be merkenswerten geistigen Leistung aufzutrumpfen. Nachdem er be reits vor kurzem seine Sympathie für die Zwergschulen auf dem Lande öffentlich bekundet und sich als Beispiel für die „Auf stiegschancen“ eines ehemaligen Zwergschülers empfohlen hatte, pries er erneut den „hohen päd agogischen Wert“ der Zwergschu len und empfahl, die „Zusammen legung von Zwergschulen auf dem Lande nicht zur Regel“ zu machen. Das mußte vor diesem Gremium um so instinktloser Wirken, als der „Deutsche Ausschuß“ bereits 1959 einen Rahmenplan zur Um gestaltung und Vereinheitlichung des Schulwesens vorgelegt hatte, der damals von der CDU heftig befehdet und kategorisch abge lehnt worden War. „Der Bundespräsident war in einer Zwergschule — man merkt es“, so quittierten die Sprechchöre der Studenten am 1. Juli die gei stige Qualität ihres Staatsober hauptes. Kampf gegen Bildungs notstand — ein Teil des Kampfes um Demokratie Gegenüber den Äußerungen Lübkes, Höcherls und anderer, die die Auflösungssitzung als Schlußpunkt einer 12jährigen po sitiven Wirksamkeit des Aus- schusses (man tat so, als sei sein Programm bereits verwirklicht und seine Existenz folglich nicht mehr nötig) darzustellen versuch ten, sprach Prof. Dr. Picht in sei ner Rede vor den Heidelberger Studenten am 1. Juli die Wahrheit aus, die sich gegen die CDU, ihre Politik und Regierung richten mußte: „Schon vor zehn Jahren hat der „Deutsche Ausschuß“ fest gestellt, daß unser Bildungswesen den Erfordernissen der modernen Gesellschaft nicht mehr gewach sen ist. Hätte man ... rechtzeitig nach den Empfehlungen des Aus schusses gehandelt, so wäre die heutige Demonstration nicht nötig. Aber der „Deutsche Ausschuß“ ist politisch an der Interesselosigkeit der Regierung und Parlamente gescheitert. Inzwischen sind Wir in die erste Phase des (westdeut schen Bildungsnotstandes wirklich eingetreten ... Trotzdem hat die Mehrheit der politischen Führung aller Parteien noch nicht begrif fen, was auf dem Spiel steht.“ In der bereits genannten Rede sprach Professor Picht aus, wie es aus der Sicht des Bildungswe sens mit der westdeutschen „De mokratie“ bestellt ist: „Die Wahr heit ist, daß wegen der Vernach lässigung unseres Bildungswesens tragende Grundrechte unserer Verfassung Tag für Tag verletzt und mißachtet werden. Die Wahr heit ist, daß jene kleine Schar von Sachverständigen, die sich be mühen, den Rückstand ... zu überwinden ... immer wieder de- savoximt und im Stich .gelassen wurden. Ganz Bevolkercig2- gruppen seien von der im Grund gesetz garantierten Chancen- gleichheit ausgeschlossen. Picht griff die Politiker an, die der Be völkerung nicht die ganze Wahr heit sagen, weder über das, was wirklich ist, noch darüber, was zu tun erforderlich wäre. Dafür ver suchte die CDU, ihn als den „deut schen Bildungsmahner“ und den geistigen Urheber der ganzen Ak tion 1. Juli abzustempeln. Es wäre für die an der Aktion beteiligten Professoren und Stu denten von großem Nutzen, aus der Aktion eine Reihe von Schluß folgerungen zu ziehen, wie sie z. B. Prof. Koch von der Pädagogi schen Hochschule Essen aussprach: „Die Demonstration war ein erster Versuch, außerparlamentarisch ak tiv zu werden, ein ausbaufähiger Versuch.“ Künftig sollte man sich noch stärker auf die Kräfte orientieren, die sich auch an die Seite der De monstranten stellten, die Gewerk schafter, die jungen Arbeiter und progressiven Kulturpolitiker. Außerparlamentarische Aktivi tät erweist sich als dringend gebo ten, als richtig und erfolgreich bei der Verhinderung der Annahme der Notstandsverfassung, deren Auswirkungen auch für die Wis senschaft, die Hochschulen und ihre Angehörigen noch nicht über sehbar sind. Sie hat viele Profes soren und Studenten veranlaßt, sich der Antinotstandskampagne anzuschließen. Die in der Aktion 1. Juli in den Ansätzen sichtbar gewordene Er kenntnis, daß die Bildungspolitik kein isoliertes Problem darstellt, gilt es weiter durchzusetzen. Neue Universitäten und Institute, mehr Dozenten und Lehrer, demokra tische Schulreform, Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten für alle und die als notwendig gefor derten 40 Milliarden Mark zur Be hebung des Bildungsnotstandes werden nur erreicht im Ringen aller demokratischen Kräfte um eine neue progressive Politik in der Bundesrepublik. Die Forderungen vieler demon strierender Studenten: „Wählt Bildungspolitiker in den Bundes tag“ ist nur eine halbe Wahrheit. Erst dann, wenn die Notstands- und Revanchepolitiker den Ver tretern der Demokratie, der Ver ständigung und Abrüstung wei chen müssen, werden die Bil dungspolitiker im Sinne der pro gressiven Forderungen wirksam werden können. K. R. (Entnommen aus „Forschung — Lehre — Praxis“, August 1965.)
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