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STEINSAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Dienstag, den 25. Oktober 1966, 19.30 Uhr 1. KAMMERMUSIKABEND der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Ausführende: Friedrich-Streichtrio: Eberhard Friedrich, Violine Hans Vos, Viola Manfred Rcichelt, Violoncello Hubert Gräf, Viola Helmut Rucker, Flöte Gerhard Hauptmann, Oboe Werner Metzner, Klarinette Günter Erbstößer, Horn Helmut Radatz, Fagott Johann Sebastian Bach 1685 -1750 Fuge F-Dur aus dem „Wohltemperierten Klavier“ (I) Einrichtung und Adagio-Einleitung für Violine, Viola und Violoncello von Wolfgang Amadeus Mozart KV 404 a Erstaufführung Max Reger 1873 -1916 Trio für Violine, Viola und Violoncello d-Moll op. 141b Allegro Andante molto sostenuto con variazioni Vivace Erstaufführung Pause Jacques Ibert 1890-1962 Drei kurze Stücke für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott Allegro Andante Assez lent — Allegro scherzando Zum ersten Male Wolfgang Amadeus Mozart 1756 -1791 Quintett für Horn, Violine, zwei Violen und Violoncello Es-Dur KV 407 Allegro Andante Allegro ZUR EINFÜHRUNG Das Erlebnis Wolfgang Amadeus Mozarts um das Jahr 1782 hieß Bach. Am 10. April dieses Jahres schrieb er seinem Vater: „ . . . ich gehe alle Sonntage um 12 uhr zum Baron van suiten - und da wird nichts gespiellt als Händl und Bach. - ich mach mir eben eine Collection von den bachischen fugen. - So wohl Sebastian als Emanuel und fried- mann Bach. - Dan auch von den händlischen; und da gehen mir nur diese noch ab • . Der Musikenthusiast und Musikdilettant Gottfried van Swieten (1730 - 1803) vermit telte Mozart die Bekanntschaft von Bachs „Kunst der Fuge“, Abschriften des „Wohl temperierten Klaviers“, der Orgeltriosonaten und vielleicht auch einiger großer Prä ludien und Fugen für Orgel - in Wien damals vollkommen unbekannte Werke. Diese Begegnung löste in Mozarts Schaffen eine Revolution und Krise aus, bedingt durch den Zwiespalt zwischen „galantem“ und „gelehrtem“ Stil, in den er damit geriet. Daß er ihn später genial löste, braucht hier nicht erst erwähnt zu werden. Am Anfang seiner intensiven Auseinandersetzung mit der Kunst Bachs, die ihn außerordentlich befruch tete und u. a. eine Zeit der Fugenkomposition einleitete, stehen sechs Fugen-Arrange- ments aus dem „Wohltemperierten Klavier“, der „Kunst der Fuge“, der zweiten Orgelsonate und von Wilhelm Friedemann Bach für das Streichtrio seines Gönners van Swieten, denen er Präludien im langsamen Tempo voranstellte. Die Mozartsche Einrichtung der F-Dur-Fuge aus Johann Sebastian Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ (I. Teil) mit Adagio-Einleitung aus KV 404a für Streicbtrio eröffnet unser heutiges Programm. Max Regers Trio für Violine, Viola und Violoncello d-Moll op. 14lb entstand in glücklich-unbeschwerter Musizicrlaune in Jena im Frühjahr 1915 und ist bezeichnender Ausdruck jener Mozartschen Durchsichtigkeit und kunstvollen thematischen Filigran arbeit, die den Spätstil des Komponisten charakterisiert. Es ist eine Kostbarkeit intimer Kammermusik, voller Klangzauber. Dem ausdrucksmäßig tief schürfenden Einleitungs satz (Allegro) folgt der innige Gesang des Variationssatzes (Andante molto sostenuto) mit sieben vorwiegend melodisch-figuralen Veränderungen. Die abschließende froh gelaunte Tanzfuge (Vivace), deren Engführungen selbst noch locker balanciert werden, macht das Werk besonders fesselnd. Der Aufbau ist geistvoll-spielerisch. Das Fugen thema wurde aus Motiven des Variationsthemas entwickelt. Der französische Komponist Jacques Ibert, Schüler des Pariser Konservatoriums, 1919 mit dem Rom-Preis ausgezeichnet, lebte vorwiegend freischaffend in Paris. Von 1937 war er Direktoriumsmitglied der Academie de France (Sitz in Rom) und 1955/56 Direktor der Pariser National-Oper. Ibert gilt als der Typus des kultivierten, eleganten französischen Musikers, der aus der Tradition etwa eines Mozart, Rameau, Chabrier und Debussy Anregungen für seinen gemäßigt-modernen Stil gewann, der durch Bevor zugung kammermusikalisch fein zeichnender Mittel gekennzeichnet, aber auch dem Dramatischen (vor allem auf dem Gebiet der komischen Oper) und Effektvollen (in verschiedenen Orchesterwerken) zugewandt ist. Daß Ibert ein Meister der flüssigen, parlandomäßigen musikalischen Diktion ist, zuweilen nicht ohne einen ironischen, aber immer liebenswürdigen Zug, beweisen seine „Drei kurzen Stücke für Bläserquintett“ (1930), klangfreudige, farbige Sätze, deren jeder durch eine ebenso originelle wie individuelle Bläserbehandlung entzückt. Dem temperamentvollen ersten Satz (Allegro) folgt ein zweistimmiges kurzes Andante, das zunächst nur von der Flöte und Klari nette bestritten wird, ehe dann in den Schlußtakten die anderen Partner hinzutreten. Ein für den Komponisten besonders bezeichnender dritter Teil (Allegro scherzando) rundet die gefällige, unterhaltsame Komposition ab.