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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Freitag, den 11. November 1966, 19.30 Uhr Sonnabend, den 12. November 1966, 19.30 Uhr Sonntag, den 13. November 1966, 19.30 Uhr 3. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur, Berlin Solist: Oscar Gacitua, Chile, Klavier Christoph Willibald Gluck Aus der Ballettmusik „Don Juan“ 1714-1787 Ouvertüre - Andante grazioso Allegretto tranquillo Allegro molto, Grazioso Larghetto e Allegro non troppo Manuel de Falla 1876-1946 „Nächte in spanischen Gärten“ Sinfonische Impressionen für Klavier und Orchester Im Gcneralife (Allegretto tranquillo e misterioso) Ferner Tanz (Allegretto giusto) In den Gärten der Sierra von Cordoba (Vivo) Zum 90. Geburtstag des Komponisten am 23. November 1966 und zum 20. Todestag am 14. November 1966 PAUSE Dmitri Schostakowitsch geb. 1906 Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47 Moderato Allegretto Largo Allegro non troppo Zum 60. Geburtstag des Komponisten am 25. September 1966 KURT MASUR wurde 1927 in Brieg (Schlesien) geboren. Sein Musikstudium begann er an der damaligen Landesmusikhochschule Breslau und schloß cs 1946 bis 1948 an der Hochschule für Musik in Leipzig ab, unter anderem bei den Professoren H. Bongartz und K. Soldan (Diri gieren). Als Solorepetitor und Kapellmeister ging er zunächst an das Landestheater Halle, 1951 als erster Kapellmeister an die Städti schen Bühnen Erfurt und 1953 an die Städti schen Theater Leipzig. 1955 bis 1958 war er als Dirigent an der Dresdner Philharmonie tätig - seitdem den Dresdner Musikfreunden in be ster Erinnerung - und wurde darauf als Gene ralmusikdirektor und musikalischer Oberleitcr an das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin berufen. 1960 bis 1964 wirkte er als Chefdiri gent an der Komischen Oper Berlin, der er noch als Gastdirigent neben seiner freiberuflichen Dirigententätigkeit verbunden ist. Kurt Masur gastierte bisher unter anderem mehrfach in Polen, Finnland, in der Sowjetunion, in Belgien, Ungarn, in der CSSR (so dreimal zum „Prager Frühling“)» in Bulgarien, Rumänien und - in jüngster Zeit — in Italien. Im Rahmen dieser Gastspiele dirigierte er führende Klangkörper der genannten Länder, wie zum Beispiel die Moskauer und Leningrader Philharmonie, die Warschauer und Budapester Philharmonie, das Orchestre National de Belgique, das Moskauer Rundfunkorchester, die Slowakische Philharmo nie und viele andere mehr. Ferner machte er zahlreiche Rundfunkaufnahmen, darunter sechs Opern-Gesamtaufnahmen und etwa einhundert sinfonische Werke. OSCAR GACITUA, der zu den führenden chilenischen Pianisten gehört, wurde 1925 in Talca geboren. 1932, im Alter von sieben Jah ren, begann seine musikalische Ausbildung, die er zwei Jahre später am Staatlichen Konserva torium bei Alberto Spikins fortsetzte. Bereits 1936 konzertierte er erstmalig öffentlich. Von Claudio Arrau gefördert, erhielt er 1950 ein Stipendium, um in den USA, bei Mieszicslaw Horzowsky, seine Ausbildung zu vervollkomm nen. Sein amerikanisches Debüt in der New Yorker Town Hall im November 1952 fand bei Publikum und Presse eine ausgezeichnete Reso nanz. Nach der Teilnahme am Internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau 1955, bei dem er eine Auszeichnung für die beste Interpreta tion der Chopinschen Nocturnes erhielt, unter nahm der chilenische Künstler eine erfolgreiche Konzerttournee durch Polen und die Sowjet union, wo er unter anderem mit der Moskauer und Leningrader Philharmonie konzertierte. 1959 wurde er Preisträger eines nationalen chileni schen Wettbewerbes. Wiederholt musizierte er mit dem Philharmonischen Orchester von Santiago und mit dem Nationalen Sinfonie orchester seines Heimatlandes. ZUR EINFÜHRUNG „Die Einfachheit, die Wahrheit und die Natürlichkeit sind die festen Grundlagen des Schönen in allen Werken der Kunst“ — dieses Bekenntnis, das Christoph Willibald Gluck in der bedeutsamen Vorrede zu seiner Oper „Alceste“ niederlegte, umschloß die künstlerische Zielsetzung des großen Opernreformators und Schöpfers klassischer Musiktheaterwerke wie „Orpheus und Eurydike“, „Paris und Helena“, „Iphigenie in Aulis“, „Armida“ und „Iphigenie auf Tauris“. Die Musik dieses Meisters, die zu Un recht viel zu wenig Beachtung findet, ist dort am stärksten und überzeugendsten, wo sie mit dramatisch-szenischen Vorstellungen und Stimmungen verbunden ist. Das gilt auch für das 1761 komponierte Ballett „Don Juan“, aus dem eine ausdrucksstarke, farbige viersätzige Konzertsuite unser heutiges Programm eröffnet. Mit seinem „Steiner nen Gast“ schuf Gluck einen für jene Zeit neuen Typ des tragischen Balletts. In Zusammenarbeit mit seinem Librettisten Calzabigi formte er den Don-Juan-Stoff, den Da Ponte später hiernach für Mozart gestaltete, zu einer dramatischen Tanzpantomime, deren leidenschaftlicher Ernst sich auch der Musik mitteilte. Mit „Don Juan“ war Glucks Weg als Reformator der Oper klar vorgezeichnet. Die Schlichtheit seiner Tonsprache, die in lied- und volksliedhafter Melodik Inniges ebenso gut wie Hochpathetisches mit ge sammelter Kraft zu sagen vermag, ist gerade für uns Heutige, die wir im komplizierten technischen und wissenschaftlichen Zeitalter leben, von wohltuender Eindringlichkeit. Durch den Welterfolg einiger Werke ist Manuel de Falla eine Art Repräsentant oder Idealtyp des spanischen Musikers geworden. Dabei war er eine höchst empfindsame, mimosenhaft zarte, leicht verletzliche Natur - kränklich und zurückgezogen lebend; sein Leben verlosch, als er längst die andalusische Heimat und Europa verlassen hatte, irgendwo in der Emigration in den argentinischen Bergen. Weniges nur und oft Widersprüchliches ist an Dokumenten und Bildern aus seinem Leben bisher, zwanzig Jahre nach seinem Tode, an die Öffentlichkeit gedrungen. Doch ist de Falla, zu dessen Schülern übrigens der Dichter Lorca gehörte, zweifellos in der Musik des 20. Jahr hunderts neben dem frühen Strawinsky, neben Kodäly, Bartök, Janäcek, Chatschaturjan u. a. der bedeutendste Erneuerer aus dem Geist nationaler Volksmusik heraus. Das spanische Volkslied, der Volkstanz seiner Heimat, der maurisch-exotische Rhythmus sind in seinem umfangmäßig geringen, aber höchst bedeutenden Oeuvre zu einer genia len Synthese mit Einflüssen des französischen Impressionismus gebunden. Für den Stil de Fallas, dem mit Debussy, Ravel und Dukas eng Befreundeten, der gewissermaßen der Ravel Spaniens wurde, ist neben dem Ballett „Der Dreispitz“ vor allem sein volkstümlichstes Werk, die in den Jahren 1909 bis 1915 entstandenen sinfonischen Impressionen „Nächte in spanischen Gärten“ für Klavier und Orchester, bezeichnend. Das virtuos behandelte Klavier ist dem Orchesterklang als Farbwert ein gefügt. Der erste Satz trägt die Überschrift „Im Generalife“. Der Generalife ist die nahe Granada gelegene uralte Residenz der maurischen Könige - eine monumentale Architektur, von Garten- und Wasserkünsten umgeben, in einer kargen Landschaft. Dieses national-historische und landschaftliche Bild bestimmt den musikalischen Grund gehalt, die Stimmung des Satzes. Dazu wird mit verschwimmenden, samtenen Farben, Tönungen und Schattierungen und erregenden, gleitenden Rhythmen der verführerische Zauber einer südländischen Nacht „gemalt“. Aus einer am Beginn von den Bratschen vorgetragenen Grundmelodie, die im Sinne der südspanischen Folklore erfunden wurde mit cngschrittigen und monotonen Intervallen, entwickelt sich in mehrfacher freier Variierung der ganze Satz. Das Thema des zweiten Satzes ist aus dem des ersten ge wonnen worden, während das des dritten Satzes an Motive des zweiten anschließt. „Ferner Tanz“ ist der zweite Satz überschrieben - wie von weit her klingt eine schlichte, ausdrucksvolle Tanzweise auf. Bisweilen ist es, als trage sie der laue Nacht wind nahe heran. Aber schließlich sinkt sie wieder zurück in die nächtliche Ferne. „In den Gärten von Sierra Cordoba“, wohin uns der dritte Satz führt, erleben wir ein leidenschaftliches musikalisches Geschehen, sammeln wir bunte, grelle Eindrücke. Über dem Ganzen aber liegt schließlich nächtliche Stille.