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Material mit sinfonischer Impulsivität an das Soloinstrument weitergibt. Zwei Themen werden entwickelt. In den Oboen, Klarinetten und Fagotten erklingt zunächst das gcsangvollc Haupt thema, dem nach einem energischen Zwischensatz ein zweites lyrisches D-Dur-Thema der Holz bläser von bezaubernder Schlichtheit folgt. Nach der Entwicklung dieses Themas, die zu einem kraftvollen Höhepunkt mit einer neuen daraus hervorwachsenden Melodie führt, setzt die Solo geige, zurückhaltend von Bläsern und Pauken begleitet, mit leichter Abwandlung des Haupt themas in hoher Lage ein. Und nun beginnt ein herrlicher Zwiegesang mit dem Orchester. In kaum zu beschreibender Schönheit fließt der Klang der Sologeige über dem Orchester hin oder begleitet es mit beseelten Passagen. Auch nach einem zweiten kräftigen Orchestertutti setzt sich der verklärte, melodische Gesang des Soloinstrumcntes fort. Nach der Durchführung kehren in der Reprise die musikalischen Haupt- und Nebengedanken wieder, vom Orchester wesentlich getragen. Figurenreich ist der Part der Violine, der schließlich in die Solokadenz mündet. Der Schlußtcil - mit seiner besonderen Berücksichtigung des zweiten Themas - schließt mit einem schwungvoll-energischen Aufstieg der Geige. Romanzencharakter besitzt das anschließende G-Dur-Larghctto, dessen erstes Thema, von ge dämpften Streichern angestimmt, zu den Hörnern, Klarinetten und Fagotten überwcchsclt und von Passagen und Trillern der Solovioline kommentiert wird. Ein zweites lyrisches Thema gesellt sich nach einem Höhepunkt hinzu, von der Geige vorgestellt. Mit einer Kadenz leitet das Soloinstrumcnt zum Rondo-Finale (Allegro) über und übernimmt sogleich mit einem fröh lichen, dreiklangsbetonten Hauptthema die Führung, die es nunmehr durchgehend dem „Refrain“ des Orchesters gegenüber beibchält. Der tänzerische Elan dieses Satzes, der formal zwischen Rondo und Sonatensatz steht, durch heitere und auch lyrische Episoden und Einfälle aufgclockcrt, ist von geradezu mitreißender Wirkung. Die virtuosen Lichter des beglückenden Finales erzeugen den Eindruck eines bunten Wirbels. Mit energischen Akkorden verklingt das Werk. Die 4. Sinfonie in B-Dur, op. 60, komponierte Beethoven im Jahre 1806 und brachte sic im März 1807 neben anderen eigenen Schöpfungen in Wien zur Uraufführung. Der Meister war zu jener Zeit - trotz der Enttäuschungen, die er mit seiner einzigen Oper, „Fidelio“, eben erlebt hatte -, „heiter, zu jedem Scherz aufgelegt, frohsinnig, munter, lebenslustig, witzig, nicht selten satirisch“, wie uns sein Zeitgenosse Seyfried überlieferte. Seine auch nach Mißerfolgen unge brochene Schaffenskraft und jene geschilderte Stimmung haben sich in der „Vierten“, die in relativ gedrängter Zeit entstand, niedergeschlagen. Die Sinfonie weist durchweg eine inhaltliche Helle, eine heitere Atmosphäre auf, die von Haydn und Mozart gewiß nicht unbeeinflußt ist, obwohl Beethoven auch in diesem Werk - nach der Eroica - eine ganz neue Stufe seiner Ent wicklung erreicht hat, die sich etwa in der diffizilen Harmonik und der inhaltlichen Klarheit offenbart. Der Aufbau der 4. Sinfonie ist locker, fast improvisiert, sic strotzt vor musikalischen Einfällen, die den Eindruck optimistischer Lebenshaltung erzeugen. Nur selten einmal werden Schatten beschworen, Hintergründe gesucht. Geheimnisvoll wirkt zunächst die Adagio-Einleitung des ersten Satzes, aus deren verschwebcnd- erregenden Klängen sich plötzlich in frischem Allegro-Vivace-Tempo das heiter-bewegte Haupt thema mit seinem Trioienauftakt herauslöst, das für den Satzablauf bestimmend wird. Dem reizvoll-beschwingten Spiel mit diesem Thema werden noch zwei Seitenthemen in F-Dur, durch Holzbläser vorgeführt, beigegeben, die im Gefolge mit dem Hauptgedanken die urmusikantischc Stimmung der Durchführung vorantreiben. Keine Konfliktsituation kommt auf. Doch allmählich weicht die Turbulenz der Entwicklung einer Episode inniger Ruhe und Schönheit. Auf schwe benden H-Dur-Harmonien scheint die Bewegung zu Ende zu sein. Doch über einem sich stei gernden Paukcnwirbel fängt das Spiel mit dem Hauptthema noch einmal an und wird zu einem glanzvollen Schluß geführt. Der melodisch-empfindungsvolle langsame Satz, ein Adagio in Es-Dur, wird von zwei Themen getragen. Dem Hauptthema, in den Violinen erklingend, schließt sich ein schwärmerischer Seiten gedanke in den Klarinetten an. Unbeschreiblich friedvoll, traumhaft, sphärisch rein mutet dieses Adagio mit seiner differenzierten Dynamik und der eigenartigen Instrumentation an. Der Ein bruch des Leides in diese glückhafte Welt wird überwunden. Typischen Scherzocharakter besitzt der dritte Satz, Allegro vivace, mit seiner rhythmischen Ursprünglichkeit, der Derbheit seines Ausdrucks. Das Trio verarbeitet eine verspielt-heitere Ländlerweise, die in den Holzbläsern angestimmt wird. Lebenssprühend, wirblig gibt sich das Finale, Allegro ma non troppo, das zwar in Mozartschem und Haydnschcm Geiste entworfen, doch in vielen Schroffheiten den typischen Beethoven erkennen läßt. Ruhelose Sechzehntel ¬ bewegungen charakterisieren das markante erste Thema, volkslicdhaftc Melodik das zweite. Welch ein Spiel mit Motiven, Stimmungen und Steigerungen! Welch meisterlicher Humor durch pulst diese Partitur! Man achte auch auf die Überraschungen des Schlußteils mit seinen Orchcstcrschlägen und Gencralpausen. Mitreißend im wahrsten Wortsinn ist dieses Sinfonie- Finale. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNG: 24-/25. März 1962, jeweils 19.30 Uhr 11. Außerordentliches Konzert Dirigent: Siegfried Geißler Solist: Ricardo Odnoposoff, Wien (Violine) Werke von: G. F. Händel - J. M. Leclair - E. Lalo 1 i I 10. Außerordentliches Konzert 6049 Ra III-9-5 262 1,5 lt-G 009/2/62