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p ■ r o g r a m in Ottmar Gerster Fest-Ouvertüre 1948 29. 6. 1897 Frederic Chopin Klavierkonzert Nr. 2 f-motl, op, 21 1809-1849 Maestoso Larghetto Allegro vivace Johannes Brahms Sinfonie Nr. 1, c-moll, op, 68 1833-1897 Un poco sostenuto Allegro Andante sostenuto Un poco Allegretto e gracioso Adagio piu Andante, Allegro non troppo ma con brio Ottmar Gerster: Fest-Ouvertüre 1948 Der in Leipzig lebende, vor allem durch seine Opern bekannt gewordene Komponist, schreibt auch in dieser Ouvertüre eine klare, einfache, musi- kantische und vitale Musik, an die man den Maßstab echter Volkstümlich keit legen darf. Als Einleitung zu Veranstaltungen und Konzerten ist sie Gebrauchsmusik im besten Sinne. Im Verlauf des Werkes erklingen Melo dieteile bekannter revolutionärer Hymnen und Lieder der Arbeiterklasse. So hören wir Motive aus der Internationale, der Marseillaise, aus „Un sterbliche Opfer“, „Wann wir schreiten Seit' an Seit" und aus „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" musikalisch miteinander verwoben, wobei die einzelnen Weisen inhaltlich in entsprechende Beziehungen zueinander gesetzt sind. Die Festouvertüre igjS ist ein künstlerischer Beitrag zum Aufbau unseres neuen Lebens in den schweren ersten Nachkriegsjahren. Sie ist in ihrer musikalischen Gestaltung Rückblick und Ausblick, trauerndes Verweilen an den Gräbern derer, die für ein Leben in Frieden und für eine glückliche Zukunft ihr Leben opferten, Besinnung auf die eigene Kraft, die Kraft der geeinigten Arbeiterklasse und Ausdruck festlich gestimmter Freude über Errungenes und Voranstrebendes. Frederic Chopin: Klavierkonzert f-moll, Werk 21 Wohl kaum ein Komponist hat seine ganze Liebe so sehr wie Chopin fast ausschließlich dem Klavier gewidmet. Ein völlig neuer, bis dahin nicht gekannter und für möglich gehaltener Klavierklang wurde von ihm geschaffen, ein Klang, der die Eigenarten aller Instrumente im Klavier zu vereinen scheint. Von seinen beiden Klavierkonzerten fasziniert besonders das zweite in f-moll immer wieder durch seinen strahlenden Glanz, die weitgespannte Melodieführung und die blutvolle Mischung aus hinreißender Virtuosität, romantisch-schwärmerischer Lyrik, volksliedhafter Innigkeit und dem unwiderstehlichen rhythmischen Schwung, wie er den Tänzen seiner Heimat zu eigen ist. Im Vordergrund steht der Klavierpart, den Chopin mit der ganzen Fülle seiner schöpferischen Phantasie komponiert hat. Das Orchester hat lediglich begleitenden, untermalenden Charakter und bleibt gegenüber dem dominierenden Klavier weitgehend im Hintergrund, weil ihm keine wesentlichen Gedanken übertragen wurden. Doch dieser Mangel tritt gegenüber dem Reichtum der klavieristischen Einfälle stark zurück und der Hörer erlebt gleichsam den meisterlich improvisierenden Kompo nisten Chopin, dessen Reich das Klavier mit allen seinen Möglichkeiten ist. Das Konzert ist dreisätzig. Der erste Satz ist rhythmisch prägnant, kraft voll bewegt, sehr reizvoll und elegant mit arabeskenhaften Verzierungen ausgestattet. Themen und Motive werden farbig im Klang und duftig in Stimmung und Klarheit der Form ausmusiziert und mit schwebender Leich tigkeit zum Klingen gebracht. Der zweite Satz ist der künstlerisch wert vollste: ein Nachtstück, dessen traumhaft zarte Melodik zu den schönsten Eingebungen Chopins gehört. Im Mittelteil des Satzes erleben wir eine kurze dramatische Episode, deren leidenschaftliche Eigenart ungemein fes selt. Äußerst wirkungsvoll ist der Schlußsatz, ein Konzertwalzer, in dem der Komponist noch einmal den ganzen Zauber seiner pianistischen Künste entfaltet. Tänzerisch aufgelockert jagt er dahin, in seiner Mitte kurz unterbrochen durch eine trefflich charakterisierte „Dorfmusik“ (B. von Poz- niak), um dann mit ebenso glitzernder wie beseelter Virtuosität auszu klingen.